TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/8 94/04/0259

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Veröffentlicht am 08.10.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §13 Abs1;
AVG §42;
AVG §8;
GewO 1973 §356 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §356 Abs3 idF 1988/399;
GewO 1973 §75 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der E-Gesellschaft m.b.H. in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 11. Oktober 1994, Zl. 317.143/6-III/A/2a/94, betreffend Zuerkennung der Parteistellung in einem Verfahren gemäß § 81 GewO 1973 (mitbeteiligte Partei: J-AG in Wien, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Kundmachung des Magistrats der Landeshauptstadt Linz vom 30. August 1990 wurde über den Antrag der mitbeteiligten Partei auf Genehmigung verschiedener Änderungen ihrer Betriebsanlage (Lebensmittelfilialbetrieb) am Standort Linz, R-Straße 70 die mündliche Augenscheinsverhandlung an Ort und Stelle für den 11. Oktober 1990 anberaumt. Die Zustellung dieser Kundmachung erfolgte unter anderem auch durch Anschlag im Haus Linz, R-Straße 70. Zu der genannten Augenscheinsverhandlung ist für die Beschwerdeführerin kein zur Vertretung berufener oder bevollmächtigter Vertreter erschienen.

Mit Bescheid des Magistrats der Landeshauptstadt Linz vom 12. Oktober 1990 wurde die beantragte Änderung der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei am näher bezeichneten Standort "gemäß §§ 81, 333 und 356 der Gewerbeordnung 1973 (GewO 1973), BGBl. Nr. 50/1974, i.d.F. der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399/1988, in Verbindung mit § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972" unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen gewerbebehördlich genehmigt. Der genannte Bescheid wurde am 29. Oktober 1990 erlassen. Die mitbeteiligte Partei erklärte mit Schreiben vom 29. Oktober 1990 (eingelangt beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz am 6. November 1990), daß sie mit diesem Bescheid über die Änderung ihrer Betriebsanlage einverstanden sei und auf das Rechtsmittel der Berufung verzichte. Der genannte Bescheid des Magistrat der Landeshauptstadt Linz vom 12. Oktober 1990 ist auch im übrigen unangefochten geblieben.

Am 26. November 1990 hat die Beschwerdeführerin unter der Bezeichnung "E-GmbH" ein Schreiben mit folgendem Inhalt an den Magistrat der Landeshauptstadt Linz gerichtet:

"Betrifft: Umbau Fa. J R-Str. 70

Am Tage der Bauverhandlung wurde mir vom Architekten der Fa. J versichert, daß wir (das E) in keiner Weise durch den Umbau betroffen oder in irgendeiner Weise beeinträchtigt werden. Nun mußten wir leider feststellen, daß vor unserem Bürofenster Verdampfer montiert wurden. Durch diese Montage ist es in unserem Büro sehr dunkel und 2. können wir bei Bedarf unser Portal nicht nach außen versetzen und sind damit eingeschränkt. Sollte dieser Umstand nicht beseitigt werden stimmen wir einer Betriebsanlagengenehmigung nicht zu."

Am 14. Juni 1993 stellte die Beschwerdeführerin an den Magistrat der Landeshauptstadt Linz einen Antrag mit folgendem Inhalt: "Die Gewerbebehörde erster Instanz möge uns im gegenständlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren die Parteistellung zuerkennen sowie eine Ausfertigung des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides zu Handen unseres Rechtsvertreters zustellen." Begründet wird dieser Antrag im wesentlichen damit, daß die Beschwerdeführerin aufgrund der näher dargelegten Umstände als "übergangene Partei" anzusehen und daher berechtigt sei, sich nachträglich "gegen die geplante Betriebsanlage zur Wehr zu setzen".

Am 26. Jänner 1994 begehrte die Beschwerdeführerin mit einem Devolutionsantrag (§ 73 Abs. 2 AVG) den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über ihren vorbezeichneten Antrag auf den Landeshauptmann von Oberösterreich.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 15. Februar 1994 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung der Parteistellung und auf Zustellung einer Bescheidausfertigung zurückgewiesen.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 11. Oktober 1994 wurde diese Berufung der Beschwerdeführerin "im Grunde des § 356 Abs. 1 und 3 GewO 1994 sowie § 42 Abs. 1 AVG abgewiesen". Zur Begründung führte der Bundesminister (nach Darlegung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtslage) im wesentlichen aus, eine persönliche Ladung aller Nachbarn sei nicht vorgesehen. Mangels Erhebung von Einwendungen habe die Beschwerdeführerin keine Parteistellung erlangt. Aus dem Schreiben der E-GmbH vom 26. November 1990 ergebe sich, daß diese in Kenntnis des Verhandlungstermines gewesen sein müsse, die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung aber bewußt unterblieben sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit einem gleichlautenden Antrag.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf "Berücksichtigung meiner Einwendungen im gegenständlichen gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren bzw. Zuerkennung der Parteistellung und Zustellung des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides der Gewerbebehörde erster Instanz nach den einschlägigen gewerberechtlichen Bestimmungen" verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt sie im wesentlichen vor, die Behörde wäre aufgrund der besonderen (örtlichen) Situation verpflichtet gewesen, "uns direkt zu laden" bzw. ihr die Möglichkeit zu geben, vom Zustellvorgang (damit gemeint: Anschlag im Haus R-Straße 70) Kenntnis zu erlagen. Sie habe als "übergangene Partei" erst nach Abschluß des Verfahrens von diesem Kenntnis erlangt. Da die Angelegenheit "bereits rechtskräftig erledigt war", habe sie auch nicht nachträglich Einwendungen gegen die Anlage vorbringen können. Als übergangene Partei müsse ihr aber die Möglichkeit zu der von ihr vorgenommenen Antragsstellung offenstehen, um das Verfahren wieder in Gang zu setzen. Die belangte Behörde habe auch kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und ihre Behauptungen, daß sie keine Kenntnis von der Kundmachung erlangt und auch keinen Zugang zum Anschlag der Kundmachung gehabt habe, nicht ausreichend geprüft. Hinsichtlich der von der belangten Behörde eingeholten Auskünfte des Magistrates der Stadt Linz vom 19.8. und 6.5.1994 - die aus den in der Beschwerde näher dargelegten Gründen von der Beschwerdeführerin als unrichtig bekämpft werden - sei das Parteiengehör nicht gewahrt worden. Die aus ihrem Schreiben vom 26. November 1990 von der belangten Behörde gewonnene Ableitung, sie habe in Kenntnis des Verhandlungstermines die Verhandlung bewußt unbesucht gelassen, sei "aktenwidrig". Aus diesem Schreiben könne nicht abgeleitet werden, daß sie vom Termin einer gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigungsverhandlung Kenntnis gehabt habe. Der Geschäftsführer (der Beschwerdeführerin) W habe nämlich nur Kenntnis von einer Bauverhandlung gehabt.

Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Gemäß dem im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des Genehmigungsbescheides am 29. Oktober 1990 hier anzuwendenden § 356 Abs. 3 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988 sind im Verfahren gemäß Abs. 1, unbeschadet des folgenden Satzes, nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an. Weist ein Nachbar der Behörde nach, daß er ohne sein Verschulden daran gehindert wurde, die Parteistellung nach dem ersten Satz zu erlangen, so darf er seine Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 1 Z. 1, 2, 3 oder 5 auch nach Abschluß der Augenscheinsverhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen und ist vom Zeitpunkt seiner Einwendungen an, Partei; solche Einwendungen sind vom Nachbarn binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu ihrer Erhebung bei der Behörde einzubringen, die die Augenscheinsverhandlung anberaumt hat, und von dieser oder von der Berufungsbehörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt dargelegt hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. April 1992, Zl. 91/04/0336, und vom 19. Dezember 1995, Zl. 95/04/0224), ist die Frage der Parteistellung der Nachbarn im Verfahren betreffend Betriebsanlagen im § 356 Abs. 3 und 4 leg. cit. abschließend geregelt. Nach dieser gesetzlichen Regelung kommt Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 leg. cit. nicht etwa schon im Hinblick auf diese Eigenschaft Parteistellung in einem Verfahren nach § 356 Abs. 1 leg. cit. zu, sondern sie erwerben die Parteistellung erst bei Erfüllung der Voraussetzungen nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle, deren normativer Inhalt aber die Erlangung einer Parteistellung durch einen "Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung" nicht vorsieht. Eine allfällige rechtswidrige Anwendung der Bestimmung des § 356 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. müßte durch - zulässige - Rechtsmittel im zugrundeliegenden Betriebsanlagengenehmigungsverfahren selbst geltend gemacht werden.

Mit Rücksicht auf diese Rechtslage ist daher die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Bestätigung der Zurückweisung des Antrages auf Zuerkennung der Parteistellung nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Für die Beschwerdeführerin ist aber nach Lage des Beschwerdefalles auch mit ihrer Argumentation, sie sei als sogenannter "übergangener Nachbar" zu qualifizieren, nichts zu gewinnen. Denn die Möglichkeit, im Rahmen der Präklusionsregelung des § 356 Abs. 3 leg. cit. durch Erhebung von Einwendungen, Parteistellung zu erlangen, ist in zeitlicher Hinsicht - unbeschadet der Befristung mit zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses - jedenfalls dadurch limitiert, daß der "übergangene Nachbar" seine Einwendungen gegen die Anlage bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen muß. Mit dieser Regelung soll nämlich ein endgültiger Ausschluß auch solcher Nachbarn verbunden sein, die ohne ihr Verschulden daran gehindert waren, früher Einwendungen vorzubringen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 3. September 1996, Zl. 94/04/0257, und vom 6. November 1995, Zl. 95/04/0097).

Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerde ausdrücklich vor, daß sie keine Einwendungen mehr erheben habe können, da die Angelegenheit bereits rechtskräftig erledigt war. Auch nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten ist nicht zu erkennen, daß die Beschwerdeführerin vor der rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit Einwendungen erhoben hätte. Das Schreiben der Beschwerdeführerin vom 26. November 1990 und desgleichen ihr Antrag vom 14. Juni 1993 - ohne daß die Frage der inhaltlichen Gestaltung dieser Eingaben als Einwendungen noch untersucht zu werden braucht - waren nämlich jedenfalls im Grunde des § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1973 (bzw. GewO 1994) verspätet.

Davon ausgehend ist aber die Annahme der belangten Behörde, daß die Beschwerdeführerin in dem über Antrag der mitbeteiligten Partei auf Genehmigung der Änderung ihrer gewerblichen Betriebsanlage eingeleiteten Verwaltungsverfahren Parteistellung nicht erlangt habe, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Solcherart und im Hinblick auf die gemäß § 356 Abs. 3 leg. cit. normierte Erweiterung der Bescheidwirkungen (vgl. insoweit auch Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 6. Auflage, Rz. 490) vermag der Verwaltungsgerichtshof auch die mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte Zurückweisung des Antrages auf Zustellung einer Ausfertigung des Genehmigungsbescheides nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994040259.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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