Entscheidungsdatum
30.07.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W135 2157677-2/26E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl XXXX , zu Recht:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 16.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 17.08.2015 gab der Beschwerdeführer an, der Volksgruppe der Paschtunen und dem muslimisch-sunnitischen Glauben anzugehören, in der Provinz Kunar, Afghanistan, geboren und aufgewachsen zu sein, wo er ca. sechs Jahre die Grundschule besucht habe. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, er habe seine Heimat aufgrund von Feindschaften verlassen. Ein Kommandant, der sowohl mit den Taliban als auch mit der Regierung zusammenarbeite, habe seine Schwester zur Frau nehmen wollen. Seine Familie sei damit nicht einverstanden gewesen, woraufhin seine Familie mit dem Tod bedroht worden sei.
Auf Grundlage eines gerichtsmedizinischen Gutachtens vom 13.01.2016 stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA; in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) mit Verfahrensanordnung vom 16.03.2016 fest, dass der Beschwerdeführer spätestens am XXXX geboren worden sei.
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 12.08.2016 führte der Beschwerdeführer aus, seine Heimatprovinz gemeinsam mit seiner Familie verlassen und diese auf dem Fluchtweg verloren zu haben. Wo sich seine Familienangehörigen nun aufhielten, wisse er nicht. In der Heimatprovinz des Beschwerdeführers halte sich noch eine Tante mütterlicherseits mit ihrer Familie auf. Sein Vater sei Landarbeiter gewesen und die Familie habe ihren Lebensunterhalt aus Erträgen ihres Grundbesitzes bestritten.
Mit Bescheid des BFA vom 11.04.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer hingegen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 11.04.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).
Begründend wurde zur Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht festgestellt werden habe können, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen sei oder solche für die Zukunft zu befürchten seien. Hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde von der belangten Behörde begründend im Wesentlichen ausgeführt, Afghanen, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer langjährigen Abwesenheit im Ausland zurückkehren würden, würden auf große Schwierigkeiten stoßen, da ihnen das notwendige soziale und familiäre Netzwerk sowie die erforderlichen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlten. Es müsse berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer nicht wisse, wo sich seine Kernfamilie aufhalte. Da der Beschwerdeführer in Afghanistan über keinerlei soziale oder familiäre Netzwerke verfüge, wäre er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan vorerst vollkommen auf sich alleine gestellt und jedenfalls gezwungen, nach Wohnraum zu suchen, ohne jedoch über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Afghanistan zu verfügen. Wie aus den Länderfeststellungen ersichtlich, sei die Versorgung mit Wohnraum und Nahrungsmittel insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne jeglichen familiären Rückhalt fast nicht möglich, auch sei keine diesbezügliche staatliche Unterstützung zu erwarten. Es könne im Fall des Beschwerdeführers nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.
Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 11.04.2017 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde.
Am 20.02.2018 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung beim BFA ein.
Mit Bescheid des BFA vom 15.03.2018 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 11.04.2020 verlängert.
Mit Urteil des XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG iVm § 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten rechtskräftig verurteilt.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.02.2019, W169 2157677-1/14E, wurde die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des Bescheides des BFA vom 11.04.2017 gemäß § Abs. 1 AsylG 2005 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen.
Am 11.06.2019 übermittelte die XXXX einen an die Staatsanwaltschaft Wien erstatteten Anlassbericht vom 10.06.2019 betreffend den Beschwerdeführer wegen des Verdachts auf absichtliche schwere Körperverletzung.
Am 12.06.2019 leitete das BFA von Amts wegen ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten. Im diesbezüglichen Aktenvermerk des BFA wird festgehalten, dass sich Anhaltspunkte dafür ergäben, dass der Beschwerdeführer ein Verbrechen begangen habe, wobei von einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht auszugehen sei. Es sei somit von einer Erfüllung des Tatbestandes gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 auszugehen.
Am 16.06.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen § 87 Abs. 1 StGB (absichtlich schwere Körperverletzung) in Untersuchungshaft genommen.
Am 10.07.2019 erhob die Staatsanwaltschaft Wien wegen §§ 15, 87 Abs.1 und 127 StGB Anklage gegen den Beschwerdeführer.
Am 17.07.2019 fand im XXXX eine niederschriftliche Einvernahme im Aberkennungsverfahren statt. Dabei gab der Beschwerdeführer an, gesund und arbeitsfähig zu sein und Deutsch bereits auf B1-Niveau zu sprechen. Er habe in Österreich vier Monate die Mittelschule und danach Deutschkurse besucht. Als er verhaftet worden sei, sei er dabei gewesen die Basisschulung für den Pflichtschulabschluss zu absolvieren. Auf die Frage, ob der Beschwerdeführer schon einmal in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif gewesen sei, brachte er vor, einmal krankheitsbedingt in Kabul gewesen zu sein, um dort behandelt zu werden. Seine Eltern, drei Schwerstern und drei Brüder hätten sich gemeinsam mit dem Beschwerdeführer auf den Weg nach Europa gemacht. Der Beschwerdeführer habe seine Angehörigen auf dem Fluchtweg verloren. Ein jüngerer Bruder des Beschwerdeführers, welchen der Beschwerdeführer nach zwei Jahren mit Hilfe des Roten Kreuzes gefunden habe, lebe als subsidiär Schutzberechtigter in Österreich bei einer Pflegefamilie, da er erst 14 Jahre alt sei; diesen habe der Beschwerdeführer vor seiner Inhaftierung nicht oft und eher am Wochenende gesehen. In der Heimatprovinz des Beschwerdeführers lebe eine Tante mütterlicherseits mit ihrer Familie, zu welcher der Beschwerdeführer aber keinen Kontakt habe. Ansonsten habe der Beschwerdeführer keine Angehörigen in Afghanistan. Auf die Frage, warum er immer mit dem Gesetz in Konflikt gerate, gab der Beschwerdeführer an, dass es ihm leidtue und das sehr dumm gewesen sei. Er habe die falschen Freunde gehabt. Bei der letzten Tat sei der Beschwerdeführer mit einem Messer attackiert worden, als das Messer runtergefallen sei, habe es der Beschwerdeführer genommen und den Gegner am Bein getroffen, im Glauben von seinem Gegner umgebracht zu werden. Die Sache mit dem Diebstahl sei ein Missverständnis, nicht er, sondern sein Freund habe den Diebstahl begangen. Der Beschwerdeführer gab weiters an, aus seinen Fehlern gelernt zu haben. Auf die Frage, welche aktuellen Befürchtungen der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er dort niemanden habe und nicht wüsste, wo er hingehen sollte. Außerdem sei die Sicherheitslage sehr schlecht, in seiner Heimatprovinz seien die Taliban.
Mit angefochtenem Bescheid des BFA vom XXXX wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 15.03.2018 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Die mit Bescheid vom 15.03.2018 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde dem Beschwerdeführer gem. § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Das BFA stellte im angefochtenen Bescheid zur Person des Beschwerdeführers im Wesentlichen fest, dass der Beschwerdeführer, gesund und arbeitsfähig sei, Schulbildung und Arbeitserfahrung sowie familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan habe, er am XXXX gemäß § 27 Abs. 2a SMG iVm § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bedingt rechtskräftig verurteilt worden sei, zwischen 14.12.2018 und 05.01.2019 sechs Mal wegen verschiedenster Delikte angezeigt worden und schließlich am 16.06.2019 wegen § 87 Abs. 1 StGB in Untersuchungshaft genommen worden sei. Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde festgestellt, dass aktuell keine Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorliegen würden und sich zudem die subjektive Lage des Beschwerdeführers im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt, als dem Beschwerdeführer der Schutzstatus gewährt worden sei, geändert habe. Begründend führte das BFA weiters aus, der Beschwerdeführer habe in der Einvernahme am 17.07.2019 bekanntgegeben eine Tante in Afghanistan zu haben und verfüge er daher über familiäre Anknüpfungspunkte. Dem Beschwerdeführer stehe nun eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat offen. Auch bei fehlender sozialer oder familiärer Unterstützung sei eine Neuansiedlung für einen erwachsenen, arbeitsfähigen und gesunden Mann zumutbar.
Gegen den Bescheid vom XXXX erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde.
Die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt langte am 20.08.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Das Verfahren wurde der Gerichtsabteilung W167 zugewiesen.
Mit Urteil des XXXX vom XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 2a, Abs. 3 SMG iVm § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon sechs Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.02.2021 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren abgenommen und der Gerichtsabteilung W135 neu zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Dem Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen von Afghanistan, der der Volksgruppe der Paschtunen angehört und der Muslim sunnitischer Ausrichtung ist, wurde mit Bescheid des BFA vom 11.04.2017 der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt und dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
Die rechtskräftige Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan wurde in diesem Bescheid - unter Bezugnahme auf die getroffenen Länderfeststellungen - damit begründet, dass der Beschwerdeführer, der den aktuellen Aufenthaltsort seiner Familienangehörigen nicht kenne und in Afghanistan über keinerlei soziale oder familiäre Netzwerke verfüge, im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan vorerst vollkommen auf sich alleine gestellt und jedenfalls gezwungen wäre, nach einem Wohnraum zu suchen, ohne jedoch über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Afghanistan zu verfügen, weshalb nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.
Mit Bescheid des BFA vom 15.03.2018 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 11.04.2020 verlängert.
Mit Bescheid des BFA vom 19.06.2018 wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 11.04.2017 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten auf der Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG von Amts wegen aberkannt. Festgestellt wird, dass diese auf § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG gestützte Aberkennung des subsidiären Schutzes von der belangten Behörde im Wesentlichen damit begründet wurde, dass sich die subjektive Lage des Beschwerdeführers im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt, als ihm subsidiärer Schutz gewährt worden sei, insofern völlig geändert habe, als der Beschwerdeführer nunmehr über familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan verfüge, nämlich eine Tante mütterlicherseits in der Heimatprovinz, und der Beschwerdeführer durch seine in Österreich erlangten Ausbildungen sowie seiner in Afghanistan gesammelten Arbeitserfahrung als Landwirt eine viel größere Chance habe sich durchzusetzen sowie der Beschwerdeführer mit seinem Aufenthalt in Österreich auch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, auf bestehende Netzwerke zurückzugreifen, was ihm im Falle einer Rückkehr hilfreich sein würde. Es liege somit zwischenzeitig eine völlig geänderte subjektive Rückkehrsituation vor, umso mehr als der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Schutzgewährung im Jahr 2017 nur wenige Erfahrungen gesammelt hätte, als auch der Beschwerdeführer eine Person gewesen sei, der man eine Rückkehr aufgrund der fehlenden Anknüpfungspunkte in Afghanistan nicht habe zumuten können. Auch stehe dem Beschwerdeführer nun eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif zur Verfügung, zumal der Beschwerdeführer nunmehr aufgrund seiner zwischenzeitig erworbenen Erfahrungen auch auf sich alleine gestellt seinen Lebensunterhalt bestreiten könnte.
Festgestellt wird, dass seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des BFA vom 11.04.2017 bzw. seit der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid vom 15.03.2018 keine Veränderung der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan im Sinne einer Verbesserung dieser Lage eingetreten ist.
Festgestellt wird, dass seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des BFA vom 11.04.2017 keine wesentliche und nachhaltige Veränderung bzw. Verbesserung in der subjektiven Lage des Beschwerdeführers eingetreten ist. Insbesondere verfügte der Beschwerdeführer weder zur Zeit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes, noch zur Zeit der Aberkennung über ein tragfähiges familiäres oder soziales Netz in Afghanistan.
Mit Urteil des XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG iVm § 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten rechtskräftig verurteilt.
Mit Urteil des XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 2a, Abs. 3 SMG iVm § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon sechs Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu der durch das BFA erfolgten Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, der in Folge erfolgten Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung und nachfolgenden Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und zu den jeweiligen Begründungen gründen sich auf den Akteninhalt bzw. auf den Inhalt der betreffenden Bescheide.
Die Feststellung, dass seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des BFA vom 11.04.2017 bzw. der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid vom 15.03.2018 und seit der Aberkennung dieses Status mit Bescheid des BFA vom XXXX sowie aktuell keine Veränderung der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan – auch bezogen auf Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif - im Sinne einer entscheidungserheblichen Verbesserung dieser Lage eingetreten ist, gründet sich auf einen Vergleich der in diesen beiden Bescheiden getroffenen Länderfeststellungen sowie auf die aktuelle Sicherheits- und Versorgunglage in Afghanistan.
Die Feststellung, dass seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des BFA vom 11.04.2017 und seit der Aberkennung dieses Status mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX keine wesentliche Veränderung in der subjektiven Lage des Beschwerdeführers eingetreten ist, gründet sich auf den Inhalt der diesen Bescheiden zu Grunde liegenden Verwaltungsakten, die eine entscheidungserhebliche Veränderung in den subjektiven Umständen des Beschwerdeführers nicht erkennen lassen.
Die damalige Gewährung des subsidiären Schutzstatus wurde im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan über keinerlei soziale oder familiäre Netzwerke verfüge. Die Versorgung mit Wohnraum und Nahrungsmittel insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne jeglichen familiären Rückhalt sei fast nicht möglich, zudem auch keine diesbezügliche staatliche Unterstützung zu erwarten sei.
Das Bestehen einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative (etwa in urbanen oder semi-urbanen Gebieten Afghanistans) wurde vom BFA – wenn auch nicht ausdrücklich – jedenfalls implizit verneint, zumal die Zuerkennung subsidiären Schutzes bei Bejahung einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Lichte des § 11 AsylG 2005 gar nicht in Betracht gekommen wäre.
Das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes begründete das BFA im angefochtenen Bescheid vom XXXX im Wesentlichen damit, der Beschwerdeführer habe im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA am 17.07.2019 nunmehr angegeben, eine Tante mütterlicherseits würde in seiner Heimatprovinz Kunar leben und der Beschwerdeführer somit über familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan verfüge. Er könne daher einerseits mit zumindest finanzieller Unterstützung seiner Tante rechnen, andererseits durch Hilfsorganisationen entsprechende Unterstützung erwarten. Zudem bestünden auch Unterstützungsmöglichkeiten durch die Volksgruppe des Beschwerdeführers, der islamischen Glaubensgemeinschaft, sowie internationale und nationale Unterstützungsmöglichkeiten für Rückkehrer. Auch habe der Beschwerdeführer im Gegensatz zum früheren Entscheidungszeitpunkt der Gewährung des subsidiären Schutzes mittlerweile abgesehen von allgemeiner Lebenserfahrung weitere Erfahrungen sammeln können. Aufgrund der erfolgten Ausbildungen in Österreich habe der Beschwerdeführer nun eine größere Chance am Arbeitsmarkt in Afghanistan. Auch würde im Gegensatz zum früheren Entscheidungszeitpunkt nun feststehen, dass alleinstehende, arbeitsfähige Männer in gewissen Regionen Afghanistans ein zumutbares Leben führen könnten. Es sei einem arbeitsfähigen, jungen Mann, der zudem über eine schulische Ausbildung und Berufserfahrung verfüge, zumutbar und möglich, sich in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat – auch ohne familiäre Anknüpfungspunkte – ein ausreichendes finanzielles Einkommen zu sichern und somit nicht in eine hoffnungslose Lage zu kommen.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer weder zur Zeit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes, noch zur Zeit der Aberkennung über ein tragfähiges familiäres oder soziales Netz in Afghanistan, gründet sich auf seine Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahmen am 12.08.2016 und am 17.07.2019. Der Beschwerdeführer gab bereits in der Einvernahme vor dem BFA am 12.08.2016 an, eine Tante mütterlicherseits in Afghanistan zu haben, sowie er in dieser Einvernahme auch angab zu seinen Familienangehörigen in Afghanistan keinen Kontakt zu haben. Dies gab er im Rahmen der Einvernahme am 17.07.2019 erneut an.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A) Stattgabe der Beschwerde
Die gegenständlich zu entscheidende Angelegenheit ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an sich ohne Einschränkung auf den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid für erfüllt erachteten Tatbestand des § 9 AsylG 2005 (vgl. dazu ausführlich VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005).
§ 9 AsylG 2005 lautet wie folgt:
„§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn 1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen; 2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder 3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Ab-schiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn 1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt; 2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder 3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht. In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.
(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen.“
Die belangte Behörde stützte die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht auf § 9 Abs. 2 AsylG, wenngleich das gegenständliche Aberkennungsverfahren laut Aktenvermerk des BFA vom 12.06.2019 von Amts wegen eingeleitet wurde, weil sich Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass der Beschwerdeführer ein Verbrechen begangen habe und von einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht auszugehen sei, sondern sie stützte diese Aberkennung ausdrücklich auf § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG.
§ 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 enthält wiederum zwei unterschiedliche Aberkennungs-tatbestände: Dem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) „nicht“ oder „nicht mehr“ vorliegen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfasst der erste Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 die Konstellation, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung von subsidiärem Schutz die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat (vgl. VwGH 14.08.2019, Ra 2016/20/0038). Damit ist eine Konstellation gemeint, in der sich ergibt, dass der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, ohne dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung im Entscheidungszeitpunkt erfüllt gewesen sind, weil die Entscheidung sich auf Tatsachen gestützt hat, die sich in der Folge als unzutreffend erwiesen haben (vgl. VwGH 30.04.2020, Ra 2019/19/0309).
Die belangte Behörde führte im angefochtenen Bescheid vom XXXX aus, die familiären Anknüpfungspunkte seien „der große Unterschied zur damaligen Gewährung des subsidiären Schutzes im Jahr 2017“ (AS 219). Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Behörde irrtümlich von falschen Tatsachen ausgegangen wäre und der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Gewährung die Voraussetzungen für die Zuerkennung nicht erfüllt hätte. So gab der Beschwerdeführer bereits im Rahmen seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 12.08.2016 an, er habe eine Tante mütterlicherseits und diese würde in der Provinz Kunar wohnen (AS 227). Die belangte Behörde hatte somit bereits 2016 Kenntnis von der in Afghanistan wohnenden Tante mütterlicherseits, es liegen daher keine der Behörde bisher unbekannten familiären Anknüpfungspunkte vor und die Behörde ist nicht irrtümlich von falschen Tatsachen ausgegangen. Auch die belangte Behörde stützte sich im angefochtenen Bescheid nicht auf § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG 2005.
Sie stützte sich dagegen auf den zweiten Fall dieser Bestimmung, wonach die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten „nicht mehr“ vorliegen; dies ergibt sich aus den konkretisierenden Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung des BFA (vgl. Seite 145 des angefochtenen Bescheides), wonach die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen würden.
Die Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 betrifft Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rn 77). Die genannte Bestimmung stellt auf eine Änderung der Umstände ab, die so wesentlich und nicht nur vorübergehend ist, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hatte, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. Art. 16 Abs. 1 und 2 Statusrichtlinie).
Im Falle des Vorliegens von Verlängerungen der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist für die Anwendung des genannten Aberkennungstatbestands zu beurteilen, ob sich die maßgeblichen Umstände seit der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung geändert haben, weil mit einer solchen Entscheidung – auch wenn die Ermittlungspflichten einer Behörde dabei nicht überspannt werden dürfen (17.10.2019, Ra 2019/18/0353; 27.05.2019, Ra 2019/14/0153) – vor dem Hintergrund der dafür nach dem Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen zum Ausdruck gebracht wird, dass weiterhin jene Umstände gegeben sind, die für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz maßgeblich waren (vgl. VwGH 08.04.2020, Ra 2020/20/0052; 17.10.2019, Ra 2019/18/0353). Für die Beurteilung, ob maßgebliche Sachverhaltsänderungen vorliegen, sind allerdings nicht nur isoliert jene Umstände zu berücksichtigen, die nach dem Zeitpunkt der zuletzt erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten sind, sondern auch davor liegende Ereignisse, um die Situation des Fremden ganzheitlich bewerten zu können (dies ist zB für Fälle relevant, in denen die maßgebliche Änderung in einer bestimmten Entwicklung des Fremden liegt).
Im Fall des Beschwerdeführers erfolgte die Aberkennung des subsidiären Schutzes im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten deshalb nicht mehr vorliegen würden, weil in den subjektiven Verhältnissen des Beschwerdeführers seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom 11.04.2017 eine Änderung eingetreten sei. Eine solche wesentliche Änderung in der subjektiven Lage des Beschwerdeführers ist jedoch auf Grundlage des Vorbringens des Beschwerdeführers sowie auf Grundlage des Inhaltes des dem den Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkennenden Bescheides zu Grunde liegenden Verwaltungsaktes in rechtlicher Hinsicht nicht erkennbar.
Im gegenständlichen Fall ist die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des BFA vom 11.04.2017 erfolgt. Rechtlich hat das BFA die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Wesentlichen auf die persönlichen Umstände des Beschwerdeführers sowie auf die angespannte Lage in Afghanistan gestützt. Konkret ist berücksichtigt worden, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat über keine familiären Anknüpfungspunkte und kein soziales Netzwerk verfügt hat. Aufgrund dieser Erwägungen ist nicht nur eine Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz, sondern auch das Bestehen einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative in anderen Provinzen Afghanistans ausgeschlossen worden.
Zuletzt wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 15.03.2018 verlängert. Durch die Entscheidung, die befristete Aufenthaltsberechtigung zu verlängern, hat die Behörde vor dem Hintergrund der dafür nach dem Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen zum Ausdruck gebracht, dass sie davon ausgeht, es seien weiterhin jene Umstände gegeben, die für Zuerkennung von subsidiärem Schutz maßgeblich seien (vgl. dazu auch VwGH vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rz 99).
Angesichts der im Bescheid vom 11.04.2017 dargelegten Gründe für die Zuerkennung des Schutzstatus ist davon auszugehen, dass die unveränderte allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan sowie das (weitere) Fehlen sozialer Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat als entscheidungswesentlich für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung erachtet worden sind.
Die demnach entscheidungswesentlichen Umstände haben seit der Zuerkennung des Schutz-status bzw. seit der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung keine Veränderung erfahren:
So ergibt ein Vergleich der den Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalte, dass die Kernfamilie des Beschwerdeführers bis auf seinen in Österreich lebenden jüngeren Bruder nach wie vor unbekannten Aufenthaltes ist und die Tante mütterlicherseits des Beschwerdeführers nach wie vor in der Provinz Kunar in Afghanistan lebt und dieser keinen Kontakt zu ihr hat. Der Beschwerdeführer verfügt daher nach wie vor im Herkunftsstaat über keine sozialen Anknüpfungspunkte. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer auf ein tragfähiges Netzwerk zurückgreifen könnte, welches ihn im Fall seiner Rückkehr, etwa durch finanzielle Leistungen, nachhaltig unterstützen würde, sind im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen.
Wenn das Bundesamt ausführt, der Beschwerdeführer habe aufgrund seiner in Österreich gesammelte Ausbildung bessere Chancen am afghanischen Arbeitsmarkt, verabsäumt es darzulegen, welche konkreten Fähigkeiten und Kenntnisse der Beschwerdeführer seit Zuerkennung des Schutzstatus bzw. seit der letzten Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung erlangt hat. Eine nachhaltige Verbesserung seiner Situation aufgrund seiner gewonnen Ausbildung ist gegenständlich nicht anzunehmen, da der Beschwerdeführer nach wie vor über keine abgeschlossene Schul- sowie Berufsausbildung verfügt.
Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die grundsätzliche Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers und sein guter Gesundheitszustand seit Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter keine Änderung erfahren haben.
Auch die während des mehrmonatigen Schulbesuchs erlangte Bildung vermag für sich alleine betrachtet keine wesentliche Verbesserung seiner Situation im Fall der Rückkehr zu begründen, zumal diese lediglich die in Afghanistan absolvierte Schulbildung geringfügig ergänzt.
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid ferner – dies zutreffend – offenkundig nicht von einer zwischenzeitlich eingetretenen Veränderung der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan im Sinne einer entscheidungserheblichen Verbesserung dieser Lage seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom 11.04.2017 bzw. der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid vom15.03.2018 aus.
Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG liegen sohin mangels wesentlicher und nachhaltiger Änderung der maßgeblichen Umstände zum Entscheidungszeitpunkt nicht vor.
"Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG ist aber nicht nur die Klärung der Frage, ob die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angenommene Änderung der Umstände nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 tatsächlich vorliegt, sondern sie umfasst sämtliche Prüfschritte und Aussprüche, die im Verfahren zur Aberkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 9 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 vorzunehmen sind (vgl. VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005). Die Aberkennungstatbestände des § 9 Abs. 2 AsylG 2005 sind subsidiär anzuwenden, wenn die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 zu erfolgen hat.
Da – wie oben bereits ausgeführt – seit der Gewährung des subsidiären Schutzes zu Gunsten des Beschwerdeführers keine grundlegenden Veränderungen im Herkunftsstaat und in der individuellen Situation des Beschwerdeführers eingetreten sind und damit weiterhin jene Gründe vorliegen, die zum Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben (Z 1), der Beschwerdeführer seinen Lebensmittelpunkt noch immer in Österreich hat (Z 2) und er keine Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat (Z 3), schied eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 1 AslyG 2005 aus.
Damit bleibt zu prüfen, ob einer der Tatbestände des § 9 Abs. 2 AsylG 2005 erfüllt ist:
Unzweifelhaft liegt keiner der Tatbestände nach Art. 1 Abschnitt F GFK vor, weshalb § 9 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 nicht erfüllt ist.
Nach § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 hat eine Aberkennung des subsidiären Schutzes bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 leg. cit. zu erfolgen, wenn der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt. Entsprechende Vorschriften sehen auch Art. 19 Abs. 3 lit. a iVm Art. 17 Abs. 1 lit. d der Richtline 2011/95/EU (Statusrichtlinie) vor, die mit der zitierten nationalen Regelung umgesetzt worden sind.
Ob der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, erfordert eine Gefährdungsprognose, wie sie in ähnlicher Weise auch in anderen asyl- und fremdenrechtlichen Vorschriften zugrunde gelegt ist (vgl. etwa § 6 Abs. 1 Z 3 und § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005; §§ 53 und 66 Abs. 1 FPG). Dabei ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, der Fremde stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Strafgerichtliche Verurteilungen des Fremden sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit sich daraus nach der Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und der Tatumstände der Schluss auf die Gefährlichkeit des Fremden für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich ziehen lässt.
Der Verfassungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2011, U 1907/19 (VfSlg. 19591), aus, dass eine Gefahr für die Sicherheit und Allgemeinheit eines Landes nur dann gegeben sei, wenn die Existenz oder territoriale Integrität eines Staates gefährdet sei oder wenn besonders qualifizierte strafrechtliche Verstöße (z.B. Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Drogenhandel, bewaffneter Raub) vorlägen. Zur Begründung verwies er darauf, dass § 9 Abs. 2 (Z 2) AsylG 2005 in Umsetzung der Statusrichtlinie ergangen sei und daher richtlinienkonform interpretiert werden müsse. Gemäß Art. 17 Abs. 1 der Statusrichtlinie seien Personen vom Genuss des subsidiären Schutzes auszuschließen, die Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit (lit. a) bzw. schwere Straftaten (lit. b) begangen hätten oder sich Handlungen zuschulden kommen ließen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen (lit. c). Angesichts der schweren Natur dieser Ausschluss- bzw. Aberkennungstatbestände könne nach dem Grundsatz der richtlinienkonformen Interpretation Art. 17 Abs. 1 lit. d leg. cit. (Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit eines Landes) nur dahingehend verstanden werden, dass zur Verwirklichung dieser Bestimmung zumindest die Begehung einer Straftat von vergleichbarer Schwere wie die in lit. a - c der Statusrichtlinie genannten Handlungen vorliegen müsse. Diese Sicht werde auch dadurch bestätigt, dass die Statusrichtlinie selbst bzw. die Materialien zur Statusrichtlinie auf die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) Bezug nehmen würden und sich aus der zu den einschlägigen Bestimmungen der GFK ergangenen Judikatur bzw. Literatur ergebe, dass eine "Gefahr für die Sicherheit oder für die Allgemeinheit eines Landes" nur dann gegeben sei, wenn die Existenz oder territoriale Integrität eines Staates gefährdet sei oder wenn besonders qualifizierte strafrechtliche Verstöße (z.B. Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Drogenhandel, bewaffneter Raub) vorlägen.
Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seiner Rechtsprechung erkannt, dass nur ein Flüchtling, der wegen einer "besonders schweren Straftat" rechtskräftig verurteilt wurde, als eine "Gefahr für die Allgemeinheit eines Mitgliedstaats" angesehen werden könne (EuGH vom 24. Juni 2015, C-373/13, H.T. gegen Land Baden-Württemberg, ECLI:EU:C:2015:413).
Ausgehend davon schloss sich der Verwaltungsgerichtshof den zitierten rechtlichen Erwägungen an, wonach ein Fremder jedenfalls dann eine Gefahr für die Allgemeinheit im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 darstellt, wenn sich diese aufgrund besonders qualifizierter strafrechtlicher Verstöße prognostizieren lässt. Als derartige Verstöße kommen insbesondere qualifizierte Formen der Suchtgiftdelinquenz (wie sie beispielsweise in § 28a SMG unter Strafe gestellt werden) in Betracht, zumal an der Verhinderung des Suchtgifthandels ein besonderes öffentliches Interesse besteht (vgl. VwGH 22.10.2020, Ra 2020/20/0274, mwN).
Gegen den Beschwerdeführer liegen zum Entscheidungszeitpunkt zwei rechtskräftige Verurteilungen nach dem SMG vor:
Mit Urteil des XXXX wurde der Beschwerdeführer als junger Erwachsener wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG iVm § 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten rechtskräftig verurteilt.
Mit Urteil des XXXX wurde der Beschwerdeführer als junger Erwachsener wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 2a, Abs. 3 SMG iVm § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon sechs Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt.
Bei den zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Verurteilungen des Beschwerdeführers handelt es sich nicht um qualifizierte Formen der Suchtgiftdelinquenz und sind die vom Beschwerdeführer als junger Erwachsener verübten Straftaten nach ihrer Art und Umfang nicht als besonders schwer im Sinne der obigen Ausführungen anzusehen.
Es kann daher zum Entscheidungszeitpunkt nicht erkannt werden, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Republik Österreich darstellt.
Es bleibt sohin zu prüfen, ob der Tatbestand des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 erfüllt ist, ob der Beschwerdeführer also von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens im Sinne des § 17 StGB rechtskräftig verurteilt wurde.
Wie bereits oben angeführt, weist der Beschwerdeführer aktuell zwei rechtskräftige Verurteilungen auf, wobei keine der beiden Verurteilungen wegen eines Verbrechens im Sinne des § 17 StGB erfolgte. Vielmehr lagen den Verurteilungen Vergehen nach dem SMG zugrunde.
Auch eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 2 Z 3 AslyG 2005 scheidet demnach zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt aus.
Diese Entscheidung steht allerdings einer allfälligen Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auf Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 2 AsylG nicht entgegen, sollte künftig einer der Tatbestände dieser Bestimmung erfüllt sein.
Der Beschwerde war daher stattzugeben und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben. Dem Beschwerdeführer kommt aufgrund der Behebung dieses Spruchpunktes weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zu.
Da dem Beschwerdeführer in Folge der Behebung von Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zukommt, verlieren die übrigen von der belangten Behörde getroffenen Aussprüche II. bis VI. ihre rechtliche Grundlage, weshalb diese (ebenfalls) ersatzlos zu beheben sind.
Abschließend wird darauf hingewiesen, dass das BFA mit Bescheid vom 15.03.2018 gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 die befristete Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers bis zum 11.04.2020 verlängerte. Der Beschwerdeführer stellte keinen Antrag auf Verlängerung derselben und verfügt zum Entscheidungszeitpunkt sohin über keine Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter.
Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Eine mündliche Verhandlung konnte im vorliegenden Fall gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Voraussetzungen Wegfall der GründeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W135.2157677.2.00Im RIS seit
05.01.2022Zuletzt aktualisiert am
05.01.2022