TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/15 96/05/0235

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Veröffentlicht am 15.10.1996
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §8;
BauO NÖ 1976 §100 Abs2;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9 Z4 idF 8200-12;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauRallg;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
GewO 1994 §74 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des H in P, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 23. Juli 1996, Zl. R/1-V-96041/00, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Gemeinde P, vertreten durch den Bürgermeister, 2. B-AG, W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde und dem in Kopie beigelegten angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Im Juli 1995 beantragte die zweitmitbeteiligte Bauwerberin die baubehördliche Bewilligung für eine Verkaufsstätte sowie eine Ölfeuerungsanlage auf den Grundstücken Nr. 509/1 und 509/3, KG P, deren Vereinigung mit Bescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Partei vom 31. August 1995 zum neugeschaffenen Grundstück Nr. 509/1 bewilligt worden ist. Dieses Grundstück liegt teilweise im Bauland-Betriebsgebiet und teilweise im Bauland-Wohngebiet.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Partei vom 22. November 1995 wurde der zweitmitbeteiligten Bauwerberin die Baubewilligung für die Errichtung einer Verkaufsstätte mit einer Fläche von rund 400 m2 und insgesamt 57 KFZ-Abstellplätzen antragsgemäß bewilligt.

In der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers, dessen Grundstücksgrenze vom zu errichtenden Gebäude rund 40 m entfernt ist, wurde vorgebracht, daß das Bauvorhaben mit der flächenplangemäßen Widmung nicht in Einklang stehe.

Mit Bescheid des Gemeinderates der erstmitbeteiligten Partei vom 24. Jänner 1996 wurde diese Berufung des Beschwerdeführers unter Hinweis auf das eingeschränkte Mitspracherecht des Anrainers im Rahmen des § 118 Abs. 9 Z. 4 der NÖ Bauordnung 1976 (BO) in der Fassung LGBl. 8200-12 als unzulässig zurückgewiesen.

In der dagegen erhobenen Vorstellung führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, ein Anrainer könnte Einwände auch hinsichtlich der Widmung geltend machen, wenn die Widmung gleichzeitig auch einen Immissionsschutz beinhalte; dies sei im gegenständlichen Fall gegeben.

Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 23. Juli 1996 wurde diese Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Die Prüfungsbefugnis der Rechtsmittelbehörde sei im Falle einer beschränkten Parteistellung des Rechtsmittelwerbers auf jenen Themenkreis eingeschränkt, in dem diese Partei mitzuwirken berechtigt sei. Im Falle der Bewilligung eines Gewerbebetriebes erstrecke sich die Parteistellung des Anrainers im Bauverfahren lediglich auf die in § 118 Abs. 9 Z. 4 BO umschriebenen Auswirkungen. Das von den Baubehörden bewilligte Projekt lasse aufgrund seiner Lage, Höhe und Entfernung vom Grundstück des Beschwerdeführers von vornherein Beeinträchtigungen im Sinne des § 118 Abs. 9 Z. 4 leg. cit. nicht erwarten. Die Möglichkeit, daß Anrainerrechte des Beschwerdeführers berührt bzw. verletzt werden, sei auszuschließen, und genieße der Beschwerdeführer damit entsprechend § 118 Abs. 1 erster Satz BO im Bauverfahren keine Parteistellung. Das seit September 1994 aufgrund der Novelle der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-12, im Hinblick auf allfällige Immissionen eingeschränkte bzw. beseitigte Mitspracherecht der Anrainer im Bauverfahren über gewerbliche Anlagen habe nun zwar nicht zur Folge, daß die Baubehörde die schutzwürdigen Interessen der Anrainer vernachlässigen dürfte. Vielmehr habe sie auch jetzt - im selben Umfang wie früher - von Amts wegen ein Projekt nach allen baurechtlich relevanten Kriterien zu beurteilen. Die Änderung der Gesetzeslage bewirke aber, daß auch die die Flächenwidmung betreffenden Einwendungen (wegen des Immissionsschutzes) nicht mit Erfolg geltend gemacht werden könnten. Da mit dem Berufungsbescheid keine dem Beschwerdeführer vermeintlich zustehenden Rechte verletzt worden seien, vielmehr eine abstrakte Verletzung von Interessen im Sinne des § 118 Abs. 9 Z. 4 BO von vornherein auszuschließen sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Nichtbewilligung des beschwerdegegenständlichen Bauvorhabens verletzt. Trotz der geänderten Gesetzeslage sei im Bauverfahren auf die Widmung des bebauten Grundstückes Bedacht zu nehmen. Im Gewerbeverfahren seien nur mehr die einzelnen Grenzwerte für die Widmungskategorien zu berücksichtigen, in diesem Verfahren könne aber kein Einfluß mehr darauf ausgeübt werden, ob ein Bauwerk der für das betreffende Grundstück geltenden Widmung entspreche oder nicht. Eines der wichtigsten Nachbarrechte überhaupt liege darin, daß Grundstücke nur den vorliegenden Widmungen entsprechend verwendet werden dürften. Es sei unzulässig, die Flächenwidmung unter § 118 Abs. 9 Z. 2 und 3 BO zu subsumieren, um dadurch dem Nachbarn seine Rechte zu nehmen. Wenn § 118 Abs. 9 Z. 4 BO nur von Bebauungsweise, Bebauungshöhe und den Abständen spreche, so könne darunter auch die gültige Flächenwidmung verstanden werden. Auch aufgrund der Novelle LGBl. 8200-12 könne daher ein Anrainer Einwendungen dagegen erheben, daß das Bauwerk nicht dem gültigen Flächenwidmungsplan entsprechend errichtet werde, wenn damit gleichzeitig auch ein Immissionsschutz verbunden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die gegenständliche baurechtlich bewilligte Anlage bedarf auch einer gewerbebehördlichen Bewilligung. Hievon gehen sowohl der Beschwerdeführer als auch die belangte Behörde und die Baubehörden aus. Der Beschwerdeführer fühlt sich seinem Vorbringen in der Beschwerde zufolge in seinem subjektiven Recht auf Nichtbewilligung des hier zu beurteilenden Bauvorhabens deshalb verletzt, weil es infolge der zu erwartenden Immissionen nicht der bestehenden Flächenwidmung entspreche.

Bezüglich dieses Einwandes kommt jedoch dem Beschwerdeführer als Anrainer im Sinne des § 118 Abs. 8 BO aus folgenden Gründen keine Parteistellung im baurechtlichen Bewilligungsverfahren zu:

Gemäß § 118 Abs. 8 BO in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle LGBl. 8200-12 genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden.

Gemäß Abs. 9 dieser Gesetzesstelle werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über

1.

den Brandschutz;

2.

den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können;

              3.              die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;

              4.              die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.

Wenn ein Bauvorhaben außer der baubehördlichen auch einer gewerbebehördlichen Bewilligung bedarf, werden subjektiv-öffentliche Rechte nur durch die Bestimmung gemäß Z. 4 begründet.

Wie bereits die belangte Behörde zutreffend unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 26. April 1984, Slg. Nr. 11.418/A, dargelegt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof zur Rechtslage bis zur 10. Baurechtsnovelle, LGBl. 8200-12, aus der bestehenden Gesetzeslage geschlossen, daß der Nachbar auf die Einhaltung der einzelnen Widmungs- und Nutzungsarten von Flächenwidmungsplänen zwar nicht schlechthin ein subjektiv-öffentliches Recht besitzt, ihm aber wohl dann, wenn die bestimmte Widmungs- und Nutzungsart einen Immissionsschutz gewährleistet, ein solches Recht zukommt (vgl. hiezu auch die bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 4. Auflage, Seite 234, dargestellte Rechtslage und hg. Judikatur zu den Bauordnungen der österreichischen Bundesländer). Wenn das Bauvorhaben auch einer gewerbebehördlichen Bewilligung bedarf, kann der Anrainer aber nunmehr in einem nach der NÖ BO abzuführenden Baubewilligungsverfahren nur mehr die Einhaltung der Bebauungsweise, der Bebauungshöhe und der Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung (§ 118 Abs. 9 Z. 4 BO) erzwingen, nicht jedoch, gestützt auf ein subjektiv-öffentliches Recht, die Einhaltung der einzelnen Widmungskategorien des Flächenwidmungsplanes fordern (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 17. September 1996, Zl. 96/05/0163). Aus den in der Z. 4 des § 118 Abs. 9 BO aufgezählten Tatbestandsmerkmalen kann daher - entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Rechtsansicht - kein Immissionsschutz für den Anrainer abgeleitet werden.

Durch die Zurückweisung der Berufung durch den Gemeinderat der erstmitbeteiligten Partei konnte somit der Beschwerdeführer in dem in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde geltend gemachten subjektiven Recht nicht verletzt werden, weshalb die belangte Behörde ohne Rechtsirrtum die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen hat.

Mit dem Hinweis in der Beschwerde, durch die neue Gesetzeslage entstünde eine "gewisse Ungleichbehandlung aufgrund der einzelnen Bauordnungen in Österreich", vermag der Beschwerdeführer auch keine Bedenken gegen die hier anzuwendende Gesetzeslage zu erzeugen, garantiert doch keine Verfassungsnorm Parteienrechte in einem bestimmten Umfang (vgl. dazu Hauer, a.a.O., Seite 192 f).

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Eines Ausspruches über den mit der Beschwerde verbundenen Aufschiebungsantrag bedurfte es unter diesen Umständen nicht.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996050235.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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