TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/13 W220 2246683-1

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Veröffentlicht am 13.10.2021
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Entscheidungsdatum

13.10.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs4

Spruch


W220 2234028-2/2E
W220 2246686-1/3E
W220 2246685-1/2E
W220 2246684-1/2E
W220 2246683-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX , 2. XXXX , geb. XXXX , 3. XXXX , geb. XXXX , 4. XXXX , geb. XXXX und 5. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Serbien, vertreten durch Mag. Stefan ERRATH, Rechtsanwalt in 1030 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.08.2021, Zlen. 1. 1172167604/210045420, 2. 1033971300/191151033, 3. 1087169907/191151165, 4. 1121445401/191151203 und 5. 1172167702/210045284, zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind verheiratet und Eltern des Drittbeschwerdeführers, der Viertbeschwerdeführerin und der minderjährigen Fünftbeschwerdeführerin. Die Beschwerdeführer sind serbische Staatsangehörige.

2. Mit Entscheidung vom 25.12.2012 (rechtskräftig mit 28.02.2013) wurde die seit 19.07.1999 bestandene Ehe der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers geschieden.

3. Dem Zweitbeschwerdeführer wurde aufgrund seines Erstantrages vom 17.10.2014 ein Aufenthaltstitel für den Zweck „Familienangehöriger“ für den Zeitraum vom 21.01.2015 bis 21.01.2016 erteilt. Bei der Antragstellung berief er sich auf die am 03.07.2014 mit der österreichischen Staatsangehörigen A. O. geschlossene Ehe. In der Folge verfügte der Zweitbeschwerdeführer aufgrund von Verlängerungs- bzw. Zweckänderungsanträgen über einen Aufenthaltstitel für den Zweck „Familienangehöriger“ für den Zeitraum vom 22.01.2016 bis 22.01.2017 und Aufenthaltstitel für den Zweck „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ für die Zeiträume von 23.01.2017 bis 20.07.2019 sowie von 21.07.2019 bis 21.07.2022.

4. Am 14.09.2015 wurde für den Drittbeschwerdeführer vom Zweitbeschwerdeführer als seinem (damaligen) gesetzlichen Vertreter ein Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Familienangehöriger“ eingebracht, wobei auf die Ehe des Zweitbeschwerdeführers mit der österreichischen Staatsangehörigen A. O. berufen wurde. In der Folge wurde dem Drittbeschwerdeführer ein Aufenthaltstitel für den Zweck „Familienangehöriger“ für den Zeitraum vom 29.10.2015 bis 29.10.2016 sowie aufgrund eines Verlängerungsantrages ein Aufenthaltstitel für den Zweck „Familienangehöriger“ für den Zeitraum vom 30.10.2016 bis 30.10.2017 erteilt. Aufgrund eines Zweckänderungsantrages wurde ihm weiters ein Aufenthaltstitel für den Zweck „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ für den Zeitraum vom 31.10.2017 bis 31.10.2020 erteilt.

5. Für die Viertbeschwerdeführerin wurde am 05.07.2016 vom Zweitbeschwerdeführer als ihrem (damaligen) gesetzlichen Vertreter ein Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Familienangehöriger“ eingebracht, wobei gleichfalls auf die Ehe des Zweitbeschwerdeführers mit der österreichischen Staatsangehörigen A. O. berufen wurde. Der Viertbeschwerdeführerin wurde in der Folge ein Aufenthaltstitel für den Zweck „Familienangehöriger“ für den Zeitraum vom 22.09.2016 bis 22.09.2017 erteilt. Aufgrund von Verlängerungs- bzw. Zweckänderungsanträgen wurden ihr weiters Aufenthaltstitel für den Zweck „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ für die Zeiträume vom 23.09.2017 bis 23.09.2018 sowie von 24.09.2018 bis 28.12.2020 erteilt.

6. Die Ehe zwischen dem Zweitbeschwerdeführer und der österreichischen Staatsangehörigen A. O. wurde am 16.09.2016 rechtskräftig geschieden. Dieser Umstand wurde der Behörde nicht mitgeteilt.

7. Am 14.08.2017 ehelichte der Zweitbeschwerdeführer wieder seine vormalige Ehefrau, die Erstbeschwerdeführerin.

8. Die Erstbeschwerdeführerin brachte in der Folge am 27.10.2017 einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ ein und berief sich dabei auf ihre neuerliche Ehe mit dem Zweitbeschwerdeführer. Gleichzeitig wurde ein solcher Antrag für die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin eingebracht.

9. Aufgrund des Vorliegens einer Aufenthaltsehe des Zweitbeschwerdeführers mit der österreichischen Staatsangehörigen A. O. wurden die rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln an die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien vom 30.09.2019 wiederaufgenommen und die diesen Verfahren zugrundeliegenden Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln nach dem NAG abgewiesen. Mit den am 20.05.2020 verkündeten, rechtskräftigen Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtes Wien, GZlen.: VGW-151/047/15222/2019, VGW-151/047/15223/2019 und VGW-151/047/ 15226/2019, wurden die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden der Zweit- bis Vierbeschwerdeführer abgewiesen. Begründend wurde festgestellt, dass es sich bei der am 03.07.2014 geschlossenen Ehe des Zweitbeschwerdeführers und der österreichischen Staatsangehörigen A. O. um eine Aufenthaltsehe gehandelt habe, bei welcher ein tatsächliches Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt worden sei. Die Eheschließung habe ausschließlich dem Zweck gedient, für den Zweitbeschwerdeführer und seine beiden oben genannten (damals) minderjährigen Kinder (den Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin), die er in deren Verfahren als Obsorgeberechtigter vertreten habe, Aufenthaltstiteln nach dem NAG zu erschleichen.

10. Im Zuge einer Personenkontrolle am 27.05.2020 wurde der unrechtmäßige Aufenthalt der Erstbeschwerdeführerin in Österreich festgestellt. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.07.2020 wurde gegen die Erstbeschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG iVm §10 Abs. 2 AsylG und § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Erstbeschwerdeführerin nach Serbien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot gegen die Erstbeschwerdeführerin verhängt (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt würde (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt würde (Spruchpunkt V.). Gegen Spruchpunkt III. dieses Bescheides wurde Beschwerde erhoben, welcher mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.08.2020, GZ.: W192 2234028-1/2E, Folge gegeben wurde und wurde Spruchpunkt III. dieses Bescheides ersatzlos behoben.

Die Erstbeschwerdeführerin und die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin reisten am 03.08.2020 vorübergehend aus Österreich aus.

11. Die Erstanträge der Erstbeschwerdeführerin und der minderjährigen Fünftbeschwerdeführerin auf Erteilung von Aufenthaltstiteln für den Zweck „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ vom 27.10.2017 wurden mit rechtskräftigen Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien vom 16.10.2020, ZIen.: MA35-9/3187781-01 und MA35-9/3187786-01, abgewiesen.

12. Der Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin brachten im Oktober 2020 Verlängerungsanträge für den Zweck „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ ein, welche mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien vom 21.01.2021 wegen unzulässiger Inlandsantragstellung und mangels verlängerbaren Aufenthaltstitels abgewiesen wurden; die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtes Wien vom 21.05.2021, GZ.: VGW-151/082/4677/2021-6 (Drittbeschwerdeführer) und vom 12.04.2021, GZ.: VGW-151/004/3663/2021-2 (Viertbeschwerdeführerin), als unbegründet abgewiesen.

13. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde seitens der Niederlassungsbehörde vom vorliegenden Sachverhalt in Kenntnis gesetzt, woraufhin das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen die Beschwerdeführer einleitete. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl setzte zunächst den Zweitbeschwerdeführer mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 18.11.2020 davon in Kenntnis, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet worden sei und forderte den Zweitbeschwerdeführer zur Beantwortung näher angeführter Fragen auf; dem Zweitbeschwerdeführer wurde Gelegenheit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme innerhalb von vierzehn Tagen ab Zustellung dieser Verständigung gegeben, welche mit Schreiben vom 07.12.2020 wahrgenommen wurde. Der Zweitbeschwerdeführer führte darin zusammengefasst aus, dass die von der Behörde angenommene Aufenthaltsehe nie vorgelegen sei und die Eheschließung nun bereits mehr als sechs Jahre zurückliege, weshalb nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht mehr gerechtfertigt sei. Der Zweitbeschwerdeführer lebe seit sechs Jahren in Österreich, habe diese Zeit genutzt, sich sozial und beruflich zu integrieren und sei allein obsorgeberechtigt für seine Tochter (die Viertbeschwerdeführerin), welche das Bundesrealgymnasium besuche und derzeit mangels Entscheidung über ihren Verlängerungsantrag des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels noch rechtmäßig in Österreich aufhältig sei; die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Vater stehe somit im Spannungsverhältnis zum fremdenrechtlichen Status seiner Tochter, weshalb ersucht würde, von der Erlassung einer aufenthaltsrechtlichen Maßnahme Abstand zu nehmen. Die an den Zweitbeschwerdeführer gerichteten Fragen (insbesondere zu seinen Lebensumständen in Österreich und seiner Rückkehrsituation in Serbien) wurden, abgesehen davon nicht beantwortet.

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 02.06.2021 setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Beschwerdeführer schließlich davon in Kenntnis, dass sie die Dauer ihrer sichtvermerkfreien Zeit überschritten hätten und die Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen geprüft würde. Die Beschwerdeführer wurden zur Beantwortung näher angeführter Fragen (insbesondere zu ihren genauen Lebensumständen in Österreich und allfälligen Rückkehrhindernissen in Bezug auf Serbien) aufgefordert und wurde ihnen Gelegenheit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme innerhalb von vierzehn Tagen ab Zustellung dieser Verständigung gegeben, welche nicht wahrgenommen wurde.

14. Mit oben zitierten Bescheiden vom 04.08.2021 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführern gemäß § 57 AsylG 2005 keine Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkte I.), erließ gegen die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG (Spruchpunkte II.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkte III.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkte IV). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidungen wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkte V.). Gegen die Erst- bis Viertbeschwerdeführer wurden zudem gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG Einreiseverbote auf die Dauer von drei Jahren (Erstbeschwerdeführerin und Viertbeschwerdeführerin), fünf Jahren (Zweitbeschwerdeführer) und vier Jahren (Drittbeschwerdeführer) erlassen (Spruchpunkte VI. der Bescheide betreffend die Erst- bis Viertbeschwerdeführer).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin, die seit 17.10.2017 mit Unterbrechungen und seit 30.11.2020 durchgehend in Österreich gemeldet sei, bisher nie über ein Aufenthaltsrecht nach dem NAG verfügt habe. Sie habe die Dauer ihrer sichtvermerkfreien Zeit überschritten und halte sich seit 20.02.2021 unrechtmäßig in Österreich auf. Zum Zweitbeschwerdeführer bestünden mit Unterbrechungen Meldedaten seit 22.02.2011; durchgehend sei er seit 16.10.2014 in Österreich gemeldet. Der Drittbeschwerdeführer sei seit 25.08.2015 durchgehend in Österreich gemeldet, die Viertbeschwerdeführerin seit 04.07.2016. Die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer hätten ihren Aufenthalt in Österreich bisher auf das NAG gestützt, jedoch seien die ihnen erteilten Aufenthaltstiteln aufgrund des Vorliegens einer Aufenthaltsehe des Zweitbeschwerdeführers allesamt rückwirkend abgewiesen worden. Diese Entscheidungen seien am 20.05.2020 in Rechtskraft erwachsen, seitdem hätten sie über keinen gültigen Aufenthaltstitel in Österreich mehr verfügt. Die sichtvermerkfreie Zeit der Zwei- bis Viertbeschwerdeführer habe am 21.05.2021 begonnen und am 18.08.2020 geendet; seit 19.08.2020 würden sie sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin sei seit 01.09.2020 durchgehend in Österreich gemeldet; sie habe nie über ein Aufenthaltsrecht nach dem NAG verfügt und ihre sichtvermerkfreie Zeit ebenfalls überschritten. Die Erstbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführer, die Viertbeschwerdeführerin und die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin würden keine tiefgreifende Integration in Österreich aufweisen. Der Zweitbeschwerdeführer gehe einer Beschäftigung nach; eine tiefgreifende Integration sei aber ebenfalls nicht erkennbar. Die Beschwerdeführer, die alle im gemeinsamen Haushalt leben würden, hätten außerhalb ihrer Kernfamilie keine Familienangehörigen in Österreich. Im Fall der Beschwerdeführer überwiege das öffentliche Interesse an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ihre lediglich oberflächlichen privaten Interessen. Eine Gefährdung der Beschwerdeführer für den Fall ihrer Rückkehr nach Serbien bestehe nicht. Zu den gegen die Erst- bis Viertbeschwerdeführer verhängten Einreiseverboten in der Dauer von drei (Erstbeschwerdeführerin und Viertbeschwerdeführerin), fünf (Zweitbeschwerdeführer), vier (Drittbeschwerdeführer) Jahren wurde dargelegt, dass die Beschwerdeführer sich bewusst unrechtmäßig in Österreich aufhielten. Der Zweitbeschwerdeführer habe in Österreich eine Aufenthaltsehe geschlossen; die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer würden sich trotz Aufforderung weigern, ihre gegenstandslos gewordenen Aufenthaltstiteln zurückzugeben und diese weiterhin zu ihren Gunsten nutzen. Der Zweitbeschwerdeführer und der Drittbeschwerdeführer gingen bisweilen unerlaubten Beschäftigungen in Österreich nach; gegen die Erstbeschwerdeführerin sei aufgrund ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes bereits im Mai 2020 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung erlassen worden. Darüber hinaus seien die Erst- bis Viertbeschwerdeführer auch als mittellos anzusehen, da keine Nachweise über ausreichende Existenzmittel vorgelegt worden seien; es bestehe auch mangels Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis keine begründete Aussicht, dass sie eine legale Arbeitsstelle finden würden. Positive Zukunftsprognosen könnten in Anbetracht des Gesamtverhaltens der Erst- bis Viertbeschwerdeführer nicht getroffen werden; es seien daher Einreiseverbote in der jeweiligen, aufgrund des Gesamtfehlverhaltens festgesetzten Dauer zu erlassen.

15. Gegen diese Bescheide wurden fristgerecht Beschwerden erhoben.

Begründend wurde zusammengefasst vorgebracht, dass sich die Erstbeschwerdeführerin und die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin stets an die Vorgaben der Sichtvermerkbefreiung in Österreich gehalten hätten und die Rückkehrentscheidungen somit aufgrund des rechtmäßigen Aufenthalts zu beheben seien. Der Zweitbeschwerdeführer habe seine in Österreich verbrachte Zeit in der Dauer von fast sieben Jahren genutzt, um sich sozial und beruflich in besonderem Ausmaß zu integrieren; es sei daher trotz des Eingehens einer Aufenthaltsehe durch den Zweitbeschwerdeführer von einem Überwiegen seiner privaten Interessen gegenüber den öffentlichen Interessen auszugehen. Die Berufung auf die Aufenthaltsehe liege fünf Jahre zurück, sodass keine negative Zukunftsprognose ableitbar sei; auch Mittellosigkeit liege nicht vor, da der Zweitbeschwerdeführer in einem Mangelberuf ausgebildet und erwerbstätig sei und ihm auf diesem Weg ein Aufenthaltstitel erteilt werden könne. Der Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin hielten sich seit fast sieben Jahren in Österreich auf, ein Großteil ihres Freundeskreises und sonstigen sozialen Bezuges befinde sich in Österreich. Ihr Privat- und Familienleben sei zu einem Zeitpunkt entstanden, zu dem sich der Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin eines unsicheren Aufenthaltsstatus nicht hätten bewusst sein können; der Umstand, dass ihr Aufenthalt durch das Eingehen einer Aufenthaltsehe durch ihren Vater ermöglich worden sei, ändere nichts daran, dass ein wesentlicher Teil ihrer Sozialisation in Österreich erfolgt sei. Die von ihrem Vater eingegangene Aufenthaltsehe könne ihnen nicht angelastet werden. Es sei von einem klaren Überwiegen der persönlichen Interessen gegenüber den öffentlichen Interessen auszugehen. Der Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin seien bereits als Kinder nach Österreich gekommen, befänden sich nach wie vor in Ausbildung und hätten einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegenüber ihren Eltern, womit die Annahme einer Mittellosigkeit nicht gegeben sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Verfahrensgang:

Mit Entscheidung vom 25.12.2012 (rechtskräftig mit 28.02.2013) wurde die seit 19.07.1999 bestandene Ehe der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers geschieden.

Dem Zweitbeschwerdeführer wurde aufgrund seines Erstantrages vom 17.10.2014 ein Aufenthaltstitel für den Zweck „Familienangehöriger“ für den Zeitraum vom 21.01.2015 bis 21.01.2016 erteilt. Bei der Antragstellung berief er sich auf die am 03.07.2014 mit der österreichischen Staatsangehörigen A. O. geschlossene Ehe. In der Folge verfügte der Zweitbeschwerdeführer aufgrund von Verlängerungs- bzw. Zweckänderungsanträgen über einen Aufenthaltstitel für den Zweck „Familienangehöriger“ für den Zeitraum vom 22.01.2016 bis 22.01.2017 und Aufenthaltstitel für den Zweck „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ für die Zeiträume von 23.01.2017 bis 20.07.2019 sowie von 21.07.2019 bis 21.07.2022.

Am 14.09.2015 wurde für den Drittbeschwerdeführer vom Zweitbeschwerdeführer als seinem (damaligen) gesetzlichen Vertreter ein Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Familienangehöriger“ eingebracht, wobei auf die Ehe des Zweitbeschwerdeführers mit der österreichischen Staatsangehörigen A. O. berufen wurde. In der Folge wurde ihm ein Aufenthaltstitel für den Zweck „Familienangehöriger“ für den Zeitraum vom 29.10.2015 bis 29.10.2016 sowie aufgrund eines Verlängerungsantrages ein Aufenthaltstitel für den Zweck „Familienangehöriger“ für den Zeitraum vom 30.10.2016 bis 30.10.2017 erteilt. Aufgrund eines Zweckänderungsantrages wurde ihm weiters ein Aufenthaltstitel für den Zweck „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ für den Zeitraum vom 31.10.2017 bis 31.10.2020 erteilt.

Für die Viertbeschwerdeführerin wurde am 05.07.2016 vom Zweitbeschwerdeführer als ihrem (damaligen) gesetzlichen Vertreter ebenso ein Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Familienangehöriger“ eingebracht, wobei gleichfalls auf die Ehe des Zweitbeschwerdeführers mit der österreichischen Staatsangehörigen A. O. berufen wurde. Der Viertbeschwerdeführerin wurde in der Folge ein Aufenthaltstitel für den Zweck „Familienangehöriger“ für den Zeitraum vom 22.09.2016 bis 22.09.2017 erteilt. Aufgrund von rechtzeitig gestellten Verlängerungs- bzw. Zweckänderungsanträgen wurden ihr weiters Aufenthaltstitel für den Zweck „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ für die Zeiträume vom 23.09.2017 bis 23.09.2018 sowie von 24.09.2018 bis 28.12.2020 erteilt.

Die Ehe zwischen dem Zweitbeschwerdeführer und der österreichischen Staatsangehörigen A. O. wurde am 16.09.2016 rechtskräftig geschieden. Dieser Umstand wurde der Behörde nicht mitgeteilt.

Am 14.08.2017 ehelichte der Zweitbeschwerdeführer wieder seine vormalige Ehefrau, die Erstbeschwerdeführerin.

Die Erstbeschwerdeführerin brachte in der Folge am 27.10.2017 einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ ein und berief sich dabei auf ihre neuerliche Ehe mit dem Zweitbeschwerdeführer. Gleichzeitig wurde ein solcher Antrag für die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin eingebracht. Diese Erstanträge der Erstbeschwerdeführerin und der minderjährigen Fünftbeschwerdeführerin auf Erteilung von Aufenthaltstiteln für den Zweck „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ vom 27.10.2017 wurden mit rechtskräftigen Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien vom 16.10.2020, ZIen.: MA35-9/3187781-01 und MA35-9/3187786-01, abgewiesen.

Aufgrund des Vorliegens einer Aufenthaltsehe des Zweitbeschwerdeführers mit der österreichischen Staatsangehörigen A. O. wurden die rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln an die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien vom 30.09.2019 wiederaufgenommen und die diesen Verfahren zugrundeliegenden Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln nach dem NAG abgewiesen. Mit den am 20.05.2020 verkündeten, rechtskräftigen Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtes Wien, GZlen.: VGW-151/047/15222/2019, VGW-151/047/15223/2019 und VGW-151/047/ 15226/2019, wurden die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden der Zweit- bis Vierbeschwerdeführer abgewiesen. Begründend wurde festgestellt, dass es sich bei der am 03.07.2014 geschlossenen Ehe des Zweitbeschwerdeführers und der österreichischen Staatsangehörigen A. O. um eine Aufenthaltsehe gehandelt habe, bei welcher ein tatsächliches Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt worden sei. Die Eheschließung habe ausschließlich dem Zweck gedient, für den Zweitbeschwerdeführer und seine beiden oben genannten (damals) minderjährigen Kinder (den Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin), die er in deren Verfahren als Obsorgeberechtigter vertreten habe, Aufenthaltstiteln nach dem NAG zu erschleichen.

Die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer weigern sich, ihre gegenstandslos gewordenen Aufenthaltstiteln abzugeben und nutzen diese weiterhin zu ihren Gunsten.

Mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.07.2020 wurde gegen die Erstbeschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG iVm §10 Abs. 2 AsylG und § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Erstbeschwerdeführerin nach Serbien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt; gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die Erstbeschwerdeführerin und die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin reisten am 03.08.2020 vorübergehend aus Österreich aus.

Der Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin brachten im Oktober 2020 Verlängerungsanträge für den Zweck „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ ein, welche mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien vom 21.01.2021 wegen unzulässiger Inlandsantragstellung und mangels verlängerbaren Aufenthaltstitels abgewiesen wurden; die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtes Wien vom 21.05.2021, GZ.: VGW-151/082/4677/2021-6 (Drittbeschwerdeführer) und vom 12.04.2021, GZ.: VGW-151/004/3663/2021-2 (Viertbeschwerdeführerin), als unbegründet abgewiesen.

1.2. Zu den Personen der Beschwerdeführer und ihren Anknüpfungspunkten in Österreich und Serbien:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Serbiens und führen die im Kopf dieser Entscheidung ersichtlichen Personalien; ihre Identitäten stehen fest.

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind verheiratet und Eltern des Drittbeschwerdeführers, der Viertbeschwerdeführerin und der minderjährigen Fünftbeschwerdeführerin.

Die Erstbeschwerdeführerin war von 17.10.2017 bis 14.06.2019 mit Hauptwohnsitz und von 17.09.2019 bis 03.08.2020 mit Nebenwohnsitz bzw. ist seit 30.11.2020 durchgehend mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet. Der Zweitbeschwerdeführer war mit Nebenwohnsitz von 22.02.2011 bis 24.05.2011 bzw. ist seit 14.07.2014 (mit einer zehntätigen Unterbrechung im Oktober 2014) mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet. Der Drittbeschwerdeführer ist seit 25.08.2015 durchgehend mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet. Die Viertbeschwerdeführerin ist seit 04.07.2016 durchgehend mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet. Die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin war von 17.10.2017 bis 14.06.2019 mit Hauptwohnsitz und von 17.09.2019 bis 03.08.2020 mit Nebenwohnsitz bzw. ist seit 01.09.2020 durchgehend mit Nebenwohnsitz in Österreich gemeldet. Die Beschwerdeführer hielten bzw. halten sich jedenfalls in den Zeiträumen ihrer Wohnsitzmeldungen in Österreich auf. Die Beschwerdeführer sprechen Deutsch. Die Beschwerdeführer verfügen in Österreich über soziale Bezugspunkte in Form eines Bekanntenkreises; das Bestehen enger Bindungen ist nicht hervorgekommen. Familiäre Anknüpfungspunkte außerhalb ihrer Kernfamilie haben die Beschwerdeführer nicht. Der Zweitbeschwerdeführer war von 09.03.2015 bis 30.04.2015 und von 04.05.2015 bis 30.01.2019 als Arbeiter zur Sozialversicherung gemeldet. Von 07.02.2019 bis 22.03.2019 bezog der Zweitbeschwerdeführer Krankengeld; von 01.04.2019 bis 22.12.2020 war bzw. seit 03.02.2021 ist er wieder als Arbeiter zur Sozialversicherung gemeldet. Der Drittbeschwerdeführer bezog von 08.02.2016 bis 01.05.2016, 10.05.2016 bis 31.05.2016, 04.06.2016 bis 28.08.2016 und 03.09.2016 bis 04.11.2016 Arbeitslosengeld. Von 13.02.2017 bis 07.07.2020 war der Drittbeschwerdeführer als Arbeiterlehrling und von 27.07.2020 bis 17.12.2020 als Arbeiter zur Sozialversicherung gemeldet. Die Erstbeschwerdeführerin und die Viertbeschwerdeführerin haben keine beruflichen Anknüpfungspunkte in Österreich. Die Erst- bis Viertbeschwerdeführer verfügen in Österreich weder über die Möglichkeit, einer legalen Erwerbstätigkeit nachzugehen, noch über sonstige Mittel zur Finanzierung ihres Unterhalts im österreichischen Bundesgebiet.

Die Beschwerdeführer haben in Serbien nach wie vor soziale und familiäre Anknüpfungspunkte. Sie beherrschen Serbisch.

Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten.

Die Beschwerdeführer sind gesund.

1.3. Zur Lage in Serbien und einer Rückkehr der Beschwerdeführer dorthin:

Die Beschwerdeführer sind in Serbien nicht bedroht oder verfolgt und laufen nicht konkret Gefahr, in Serbien der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe beziehungsweise der Todesstrafe unterworfen zu werden oder in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Notlage zu geraten.

Zur Lage in Serbien wird unter auszugsweiser Heranziehung der seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl getroffenen Länderfeststellungen nachfolgend festgestellt:

„Politische Lage

Letzte Änderung: 1.7.2020

Am 21. Juni 2020 fanden in Serbien die Parlamentswahlen statt. Dies waren die ersten Wahlen, die in Europa in Zeiten der Covid-19 Pandemie abgehalten wurden. Die serbische Fortschrittspartei des Präsidenten Vu?i? gewann rund 62% der Stimmen und erhielt 191 der 250 Sitze im Parlament. Eine so große Mehrheit eröffnet Präsident Vu?i? und der SNS die Möglichkeit, die Verfassung zu ändern. Der bisherige Regierungspartner der SNS, die Sozialisten unter Führung von Außenminister Ivica Dacic, erreichten etwa elf Prozent der Wählerstimmen und sicherte sich damit 32 Mandate. Die neue Partei „Spas“ (Rettung) des ehemaligen Wasserballers Aleksandar Šapi? kommt auf etwa vier Prozent der Stimmen und zwölf Mandate (oiip 30.6.2020).

Wenig überraschend bescherten die Parlamentswahlen am 21. Juni 2020 der regierenden Serbischen Fortschrittspartei (Srpska Napredna Stranka, SNS) einen klaren Wahlsieg. Genau genommen hatte sich die SNS hierfür einen anderen Namen gegeben. Sie trat als Liste "Aleksandar Vu?i? - für unsere Kinder" auf. So erschien Präsident Vu?i? zwar nicht als Kandidat, dominierte aber dennoch den Wahlkampf mit seiner medialen Omnipräsenz. Dass es sich hier um keine freien, geheimen und demokratischen Wahlen handelt, wurde schnell klar. Als um 14 Uhr Ortszeit die Wahlbeteiligung noch bei mageren 22% lag, berichteten Einwohner von Novi Sad und Belgrad, dass Aktivisten der SNS, in Einzelfällen sogar ortsbekannte Hooligans, die sich schon in der Vergangenheit als mietbare Helfer der Regierungspartei hervorgetan hatten, von Haus zu Haus gingen, um Bewohner dazu zu nötigen, zur Wahl zu gehen und für "die richtige Partei" zu stimmen. Tatsächlich verdoppelte sich bis 19 Uhr die Wahlbeteiligung (DS 29.6.2020).

Die zehnte Sitzung der Beitrittskonferenz mit Serbien auf Ministerebene fand am 27.6.2019 in Brüssel statt, um Verhandlungen über Kapitel 9 - Finanzdienstleistungen - aufzunehmen. Mit dieser Konferenz wurden von insgesamt 35 Verhandlungskapiteln 17 für die Verhandlungen geöffnet, von denen zwei bereits vorläufig abgeschlossen wurden. Weitere Beitrittskonferenzen werden gegebenenfalls geplant, um den Prozess in der zweiten Jahreshälfte 2019 voranzutreiben (Der Europäische Rat 27.6.2019).

Serbien führt bereits seit 2014 Beitrittsverhandlungen mit der EU. Die Aussöhnung mit dem Kosovo gilt aber als zentrale Bedingung dafür, dass die Gespräche irgendwann einmal erfolgreich abgeschlossen werden können (Handelsblatt 26.4.2019).

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 5.6.2020

Die politische Lage ist stabil. In der Grenzregion zu Kosovo kann es zu Spannungen kommen. Insbesondere in Belgrad und anderen Städten sind vereinzelt Proteste und Demonstrationen möglich, die meistens friedlich verlaufen (AA 23.9.2019b).

Tausende von Demonstranten gingen auch am 11.5.2019 auf die Straßen, um gegen Präsident Aleksandar Vu?i? und seine Regierung zu demonstrieren. Sie werfen der Regierung Korruption und Einschränkung der Medienfreiheit vor. Die wöchentlichen Proteste begannen im Dezember 2018 und wurden durch einen Angriff auf einen Oppositionsführer ausgelöst (BN 13.5.2019).

Serbien hat ein gewisses Maß an Vorbereitung bei der Umsetzung des Rechtsbestands im Bereich Sicherheit erreicht. Einige Fortschritte wurden durch die Stärkung des Rechtsrahmens zur Bekämpfung der Geldwäsche und die Erfüllung der meisten Empfehlungen des letzten Jahres erzielt. Serbien trägt als Transitland weiterhin erheblich zur Steuerung der gemischten Migrationsströme in die EU bei, indem Serbien eine aktive und konstruktive Rolle spielt und effektiv mit seinen Nachbarn und EU-Mitgliedstaaten zusammenarbeitet. Bei der Umsetzung der integrierten Grenzschutzstrategie und des Aktionsplans hat Serbien einige Fortschritte erzielt. Die Strategie und der Aktionsplan zur Bekämpfung der irregulären Migration wurden angenommen (EK 29.5.2019).

Ein Zwischenfall mit serbischen Soldaten, denen am 7.9.2019 die Einreise zu einer Gedenkfeier in Kroatien verweigert wurde, hat zu einem Eklat zwischen den beiden Ländern geführt. Zagreb kritisierte eine "Provokation" aus Belgrad, in Serbien wurde dem Nachbarland Geschichtsrevisionismus vorgeworfen. Die serbische Militärdelegation hatte am 7.9.2019 in Jasenovac an einer Gedenkfeier der serbisch-orthodoxen Kirche für die Opfer des dortigen Konzentrationslagers teilnehmen wollen. Elf Militärangehörigen, die laut Medien in Zivil unterwegs waren und ihre Uniformen im Gepäck hatten, hatte die kroatische Grenzpolizei die Einreise verweigert. Laut Kroatien war die Delegation nicht angemeldet, die serbische Seite behauptet das Gegenteil. Der Delegation gehörten Berichten zufolge Offiziere der Militärakademie sowie Kadetten und Schüler des Militärgymnasiums an (Der Standard 9.9.2019).

Die im Norden der Republik Serbien gelegene Provinz Vojvodina zeichnet sich durch eine eigenständige, durch jahrhundertealte Koexistenz der Serben mit verschiedenen nationalen Minderheiten (u.a. Ungarn, Rumänen, Ruthenen, Kroaten, Deutschen) geprägte Tradition aus. In der mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnten Grenzregion Südserbiens zu Kosovo und Nordmazedonien (Gebiet der Gemeinden Bujanovac, Preševo, Medvedja) ist die Lage stabil (AA 3.11.2019).

Die von serbischer Seite als politische Strafzölle empfundenen 100 %-Erhöhungen der Importzölle für Waren in den Kosovo bleiben weiterhin der Hauptgrund der erneut belasteten bilateralen Beziehungen zu Pristina (VB 29.9.2019).

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 5.6.2020

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, aber die Gerichte bleiben weiterhin anfällig für Korruption und politischen Einfluss (USDOS 11.3.2020).

Das serbische Justizwesen besteht aus einem Verfassungsgericht, dem Obersten Gerichtshof, 30 Bezirksgerichten und 138 Gemeindegerichten. Daneben bestehen spezielle Gerichte wie Verwaltungsgerichte und Handelsgerichte. Im Belgrader Bezirksgericht existiert eine Sonderkammer für die Verfolgung von Kriegsverbrechen, daneben existiert eine Staatsanwaltschaft für Kriegsverbrechen - beiden zusammen obliegt die juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen aus den Balkankriegen der 1990er Jahre. Ihre Einrichtung ist Teil des Prozesses der Schließung des UN-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien (Den Haag) und der Überführung seiner Aufgaben auf die nationalen Justizbehörden in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien (LIPortal 6.2019).

Serbien hat im Bereich Justiz einige Fortschritte erzielt; während die Empfehlungen des Vorjahres nur teilweise umgesetzt wurden, wurden bei der Reduzierung alter Vollstreckungsfälle und der Weiterverfolgung von Maßnahmen zur Harmonisierung der Gerichtspraxis Fortschritte erzielt. Einige Änderungen der Regeln für die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten und für die Bewertung der Arbeit von Richtern und Staatsanwälten wurden angenommen, aber das System muss nach der Annahme der Verfassungsänderungen grundlegend überarbeitet werden, um eine leistungsbezogene Stellenbesetzungen und Beförderungen von Richtern zu ermöglichen. Politische Einflussnahme im Bereich der Justiz bleibt weiterhin ein Problem. Die Verfassungsreform befindet sich im Gange (EK 25.9.2019).

Das Parlament hat am 21.5.2019 eine umstrittene Änderung des Strafrechts gebilligt, gemäß der Straftäter, die wegen Vergewaltigung und Ermordung eines Minderjährigen oder einer schwangeren oder behinderten Person zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt werden, zukünftig keine Möglichkeit einer frühzeitigen Entlassung mehr haben. Bislang belief sich die Höchststrafe in Serbien auf 40 Jahre. Der Europarat kritisierte den Gesetzesentwurf und sprach von einem Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (BN 27.5.2019).

Prinzipiell kann sich jede Person in Serbien, die sich privaten Verfolgungshandlungen ausgesetzt sieht, sowohl an die Polizei wenden als auch direkt bei der Staatsanwaltschaft persönlich oder schriftlich eine Anzeige einbringen. Auch können entsprechende Beschwerden an die Ombudsmann Institutionen getätigt werden. Darüber hinaus besteht auch für solche Personen, die Möglichkeit der Aufnahme in das Zeugen- bzw. Opferschutzprogramm. Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, sich wegen rechtswidriger Akte der Sicherheitsdienste an den serbischen Ombudsmann oder den serbischen Datenschutzbeauftragten zu wenden (VB 29.9.2019).

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 5.6.2020

Die Polizei des Landes untersteht der Aufsicht des Innenministeriums, wobei die Behörden eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte ausüben. Die Effektivität der Polizei variiert. Die meisten Beamten sind ethnische Serben, jedoch sind auch Angehörige von Minderheiten als Polizeibeamte tätig. Korruption und Straffreiheit in der Polizei sind ein Problem. Im Laufe des Jahres 2019 stellten Experten der Zivilgesellschaft fest, dass sich die Qualität der polizeilichen internen Ermittlungen weiter verbessert hat. Die neu geschaffene Antikorruptionsabteilung im Innenministerium wurde geschaffen, um schwere Korruption zu untersuchen. Es gibt keine spezialisierte Regierungsstelle, die Morde durch die Sicherheitskräfte untersuchen kann. Die Polizei, das Sicherheitsinformationszentrum (BIA) und die Direktion für die Vollstreckung strafrechtlicher Sanktionen untersuchen solche Fälle durch interne Kontrollen. In den ersten acht Monaten 2019 reichte die interne Kontrolle des Innenministeriums 136 Strafanzeigen gegen 285 Personen wegen 388 Verbrechen ein; 124 waren Polizisten und 161 Zivilbeamte. In 45 der Fälle wurden die Täter zu Haftstrafen verurteilt (USDOS 13.3.2020).

Durch eine unsystematische Umsetzung der Reform, ohne größeren Plan und Strategie, sind die eigentlichen Ziele, die Polizei zu de-kriminalisieren, de-politisieren, de-militarisieren und eine Dezentralisierung einzuleiten, bis heute nur bedingt erreicht. Gegenwärtig unterstehen die etwa 43.000 Polizisten des Landes dem Innenministerium und sind u.a. unterteilt in Zoll, Kriminalpolizei, Grenzpolizei sowie zwei Anti-Terroreinheiten, die „Special Antiterrorist Unit“ und die „Counterterrorist Unit“ (BICC 6.2019).

Es kommt in Einzelfällen immer noch vor, dass die Sicherheitsbehörden ihre Vollmachten überschreiten oder Anträge und Anfragen nicht so effizient bearbeiten. Dies beschränkt sich jedoch nicht auf bestimmte Personengruppen, sondern bezieht sich auf alle Einwohner der Republik Serbien. Alle Einwohner bzw. Bürger der Republik Serbien haben den gleichen Zugang zum Justizwesen, zu den Gerichten und den Polizeibehörden. Rechtsschutzmittel gegen polizeiliche Übergriffe sind vorgesehen, nämlich Strafanzeige und/oder Disziplinarverfahren. Jedoch gibt es keine „besonderen“ Rechtsschutzmittel betreffend Übergriffe gegen Roma-Angehörige. Diese sind, wie alle Einwohner der Republik Serbien, vor dem Gesetz gleich (VB 29.9.2019).

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 17.10.2019

Die rechtlichen und institutionellen Rahmen für die Wahrung der Grundrechte sind weitgehend vorhanden. Es wurden Änderungen zur Verbesserung des Rechtsrahmens für nationale Minderheiten angenommen. Eine konsequente und effiziente Umsetzung der Rechtsvorschriften und der politischen Maßnahmen muss jedoch sichergestellt werden (EK 29.5.2019).

Die Lage der Menschenrechte in Serbien ist insgesamt gut. Serbien hat die wichtigsten internationalen Menschenrechtskonventionen in nationales Recht übernommen. 2013 hat die serbische Regierung eine Anti-Diskriminierungsstrategie verabschiedet. Ein effektiver gesetzlicher Rahmen zum Schutz von Serbiens zahlreichen ethnischen Minderheiten existiert. Trotzdem existieren verschiedene Schwächen im Menschenrechts- und Minderheitenschutz. Probleme in der Verwirklichung der Menschenrechte bestehen etwa durch die Schwäche des Rechtsstaats und die noch immer unzureichende juristische Aufarbeitung der Kriegszeit (GIZ Geschichte & Staat 6.2019).

In Serbien gibt es entsprechende Stellen auf Republiksebene (Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte, Staatsverwaltung und lokale Selbstverwaltungs-Abteilung für Menschen- und Minderheitenrechte), als auch auf der lokalen Ebene (Stadtgemeinden-Ombudsmann), an die sich Bürger im Falle erlittenen Unrechts wenden können. Weiters bestehen auch zahlreiche NGOs, welche sich mit Rechten der nationalen Gemeinschaften befassen, u.a. Helsinki Committee for Human Rights, The Humanitarian Law Centre, The Lawyers Committee for Human Rights, Belgrade Centre for Human Rights, als auch zahlreiche Roma Organisationen in ganz Serbien (VB 29.9.2019).

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen / Kinder

Letzte Änderung: 5.6.2020

Die Verfassung garantiert in Art. 15 die rechtliche Gleichheit der Geschlechter. Das im März 2009 verabschiedete allgemeine Antidiskriminierungsgesetz konkretisiert diesen Grundsatz ebenso wie zahlreiche Einzelgesetze. Im Mai 2012 wurde erstmals eine Gleichstellungsbeauftragte gewählt. Systematische geschlechtsspezifische Menschenrechtsverletzungen von staatlicher Seite können nicht festgestellt werden, in führenden Ämtern in Politik und Wirtschaft sind Frauen - trotz Fortschritten in Einzelbereichen - jedoch immer noch unterrepräsentiert. Im Februar 2016 verabschiedete die Regierung daher eine neue „Nationale Strategie für Geschlechter-Gleichberechtigung“ für den Zeitraum 2016-2020. Ziel der Strategie: Kampf gegen Geschlechter-Klischees, besserer Zugang für Frauen im Wirtschafts- und im politischen Leben. Ebenfalls im Februar 2016 führte Serbien als - nach eigenen Angaben - erstes Nicht-EU-Land den „EU-Index für Geschlechter-Gleichheit“ ein. Auf der Skala von 0 (komplette Ungleichheit) bis 100 (absolute Gleichheit) liegt Serbien unter dem EU-Schnitt: 40,6 (EU-weit 52,9). Frauen sind von Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich betroffen. Serbien ist traditionell Durchgangs- und in zunehmendem Umfang auch Herkunfts- bzw. Zielland des organisierten Frauenhandels (AA 3.11.2019).

Trotz gesetzlicher Gleichstellung besteht Diskriminierung gegen Frauen weiter. Auch Gewalt gegen Frauen ist nach wie vor ein Problem. 19 Frauen sind bis September 2019 an den Folgen von häuslicher Gewalt gestorben. Vergewaltigung, einschließlich Vergewaltigung in der Ehe, wird mit bis zu 40 Jahren, sexuelle Belästigung bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe sanktioniert. Häusliche Gewalt wird mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe geahndet. Während die Gesetzeslage es Frauen ermöglicht, eine einstweilige Verfügung gegen den Gewalttäter zu erwirken, setzt der Staat die Gesetze nicht wirksam durch. Frauenorganisationen behaupten, dass Fälle von sexueller Belästigung und unangemessener Berührung, die von der Polizei als Privatangelegenheit betrachtet werden, selten untersucht werden (USDOS 13.3.2020).

Die serbische Regierung veröffentlicht im März 2019 einen Bericht zur Übereinstimmung von nationalem Recht und Rechtspraxis mit der europäischen Sozialcharta. Darin finden sich Informationen zur Verfügbarkeit von Notunterkünften für Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind. Laut dem Bericht gibt es in Serbien 14 Notunterkünfte („safe houses“) / Unterkünfte für Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind. Davon werden zehn Häuser vom Zentrum für Sozialarbeit verwaltet, nämlich jene in Novi Sad, Zrenjanin, Jagodina, Sombor, Niš, Pan?evo, Leskovac, Šabac, Priboj und Smederevo. Weiters gibt es zwei Unterkünfte für Opfer häuslicher Gewalt, die den Zentren für Entwicklung von Sozialschutzdiensten zugerechnet werden, nämlich jene in Kragujevac und Vranje. Eine Unterkunft für dringende Fälle mit einer Notrufnummer für Frauen, Kinder und Gewaltopfer befindet sich in Vlasotince und in Belgrad gibt es eine Beratungsstelle für häusliche Gewalt mit kostenloser Rufnummer. Die Mehrheit der Notrufnummern sind rund um die Uhr erreichbar (Regierung R. Serbien 21.3.2019).

Serbien ist eine kinderfreundliche Gesellschaft. Familien mit Kindern werden daher überall bevorzugt behandelt. Serbien verfügt über ein ausgebautes Netz an staatlichen Kindergärten. Vor allem in der Hauptstadt Belgrad gibt es mittlerweile außerdem eine Vielzahl an privaten Einrichtungen der vorschulischen Erziehung (GIZ Alltag 9.2019).

Es gibt keine Hinweise auf speziell gegen Kinder gerichtete Handlungen wie z.B. Kinderzwangsarbeit. Allerdings sind Angaben von Menschenrechtsorganisationen zufolge oft Kinder - und Frauen Opfer innerfamiliärer Gewalt sowie - in geringerem Umfang - von Menschenhandel (AA 3.11.2019).

Bewegungsfreiheit

Covid-19 Pandemie

Letzte Änderung: 5.6.2020

Die Bewegungsfreiheit der Menschen in Serbien (Staatsbürger als auch Fremde) wurde mit Beendigung des Ausnahmezustandes am 7.5.2020 nach fast 2 Monaten wieder hergestellt. Der Ausnahmezustand war aufgrund der festgestellten COVID-19 Entwicklung am 15.3.2020 durch den Präsidenten verfügt worden (VB 11.5.2020).

Seit dem 22. Mai 2020 ist eine Ein- und Durchreise nach und durch Serbien wieder ohne jede Einschränkung möglich. Reisende erhalten an der Grenze ein zweisprachiges Informationsblatt über die zu beachtenden Maßnahmen (AA 3.6.2020).

Keine Einreisebeschränkungen mehr seit 22. Mai 2020 (IOM AVRR 26.5.2020).

Die Verfassung garantiert das Recht auf Reisefreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 11.3.2020). Die Bewegungsfreiheit wird aber nicht immer angemessen geschützt (BTI 29.4.2020).

Grundversorgung / Wirtschaft

Letzte Änderung: 5.6.2020

Die Stärkung der serbischen Wirtschaft ist seit Jahren eines der innenpolitischen Hauptthemen. Als EU-Beitrittskandidat strebt Serbien nach Anpassung an die EU-Standards. Die Wirtschaftszahlen zeigen große Erfolge bei der Haushaltskonsolidierung sowie eine leichte Besserung mit Blick auf die allgemeine Wirtschaftsentwicklung (AA 2.5.2019c).

Trotz erheblicher Reformanstrengungen und dem grundsätzlichen Umbau einer verstaatlichten, reglementierten und von starken Einbrüchen geprägten zu einer modernen Marktwirtschaft sieht sich Serbien auch nach einem Jahrzehnt grundlegenden Strukturproblemen gegenüber, welche die wirtschaftliche und Haushaltsstabilität bedrohen (LIPortal Wirtschaft & Entwicklung 9.2019).

Im Jahr 2019 lag die Arbeitslosenquote in Serbien bei rund 10,9%. Für das Jahr 2021 wird die Arbeitslosenquote in Serbien auf rund 13% prognostiziert. Die Jugendarbeitslosenquote (bei 14 bis 24-jährigen) wird bei rund 32,05% geschätzt. Im Jahr 2018 betrug das Bruttoinlandsprodukt in Serbien rund 50,5 Milliarden US-Dollar. Für das Jahr 2024 wird das BIP Serbiens auf rund 75,2 Milliarden US-Dollar prognostiziert. Im Jahr 2018 betrug das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Serbien rund 7.223 US-Dollar. Im Jahr 2019 belief sich die durchschnittliche Inflationsrate in Serbien auf rund 2% gegenüber dem Vorjahr (Statista 24.4.2020).

Sozialbeihilfen

Letzte Änderung: 5.6.2020

Armut in Serbien ist v.a. ein ländliches Phänomen und betrifft außerdem sozial benachteiligte Gruppe überproportional, unter anderem Roma. Zugleich ist das bisher gültige System der Sozialhilfe nicht angepasst an die Bedürfnisse der Bedürftigsten, es kommt bisher nur ein kleinerer Teil der Transferzahlungen bei Ihnen an. Mit Unterstützung der Weltbank hat die serbische Regierung in den letzten Jahren erste Schritte zu einer Reform des Sozialhilfesystems unternommen (LIPortal Wirtschaft & Entwicklung 9.2019).

Ein Sozialamt ist in allen Gemeinden Serbiens zu finden. Der Umfang der Aktivitäten, der seitens der Sozialämter angeboten wird, beinhaltet Unterstützung für folgende Personengruppen: Individuen oder Familien ohne Einkommen, Menschen mit Behinderungen oder ältere Menschen, die nicht in der Lage sind, für sich selber zu sorgen, Waisen, Drogen- oder Alkoholabhängige, Verurteilte, die sich im Gefängnis aufhalten, minderjährige Eltern, Familien mit drei oder mehr Kindern. Zusätzlich gibt es spezielle Unterstützung um Familiengewalt vorzubeugen. Sozialhilfe ist in Serbien kostenfrei. Das Sozialsystem ist für jeden serbischen Staatsbürger zugänglich (IOM Country Fact Sheet 2018).

Anspruch auf Sozialhilfe haben in Serbien Bürger, die arbeitsunfähig sind und auch sonst keine Mittel zum Unterhalt haben. Außerdem sind Bürger sozialhilfeberechtigt, die ihren Unterhalt durch ihre Arbeit allein, durch Unterhaltspflichten von Verwandten, durch ihr Vermögen oder auf andere Art und Weise nicht sichern können. Neben der Sozialhilfe wird als weitere staatliche Unterstützungsmaßnahme an Bedürftige monatlich Kindergeld in Höhe von umgerechnet ca. 25 Euro ausbezahlt (AA 3.11.2019).

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 5.6.2020

Die medizinische Versorgung ist außerhalb der größeren Städte nicht überall gewährleistet (EDA 24.9.2019).

Eine medizinische Versorgung nach deutschem Standard ist in Serbien nicht landesweit gewährleistet. Auch Krankenhäuser verfügen nicht immer über eine adäquate Ausstattung und sind mitunter nicht in der Lage, Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern angemessen medizinisch zu versorgen. Die hygienischen Rahmenbedingungen sind oft unzureichend. Vorwiegend in Belgrad existieren - oft private - Kliniken und Arztpraxen mit Ausstattungen, die europäischen Standards entsprechen (AA 23.9.2019b).

Das Gesundheits- und Krankenversicherungssystem ist in zwei Gruppen aufgeteilt: Öffentlich (kostenlos) und privat. Behandlungen und Medikamente sind gänzlich kostenlos für alle Bürger, die im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert sind. Für folgende Bürger sind Kosten und Leistungen von der Krankenversicherung abgedeckt: Neugeborene und Kinder bis zu sechs Jahren, einschließlich präventive und regelmäßige Check-Ups, Impfungen und spezielle Gesundheitspflege, Schulkinder und junge Erwachsene bis zu 19 Jahren wie Kinder bis sechs; Frauen: volle medizinische Leistungen abgedeckt; Erwachsene: volle medizinische Leistungen abgedeckt. Einfache medizinische Einrichtungen können in ganz Serbien in fast jedem Ort gefunden werden. Die größten Krankenhäuser in Serbien befinden sich in Novi Sad, Belgrad, Kragujevac und Nis. Um kostenlos behandelt zu werden, muss der Patient im Besitz einer staatlichen Krankenversicherung sein. Alle Medikamente sind erhältlich und die meisten Arzneimittel haben ähnliche Preise wie in anderen europäischen Ländern. Abhängig von der Art der Krankenversicherung sowie der Anspruchsberechtigung, kann die Behandlung entweder kostenlos oder nur teilweise gedeckt sein. Der öffentliche Krankenversicherungsfond wird durch Pflichtbeiträge aller erwerbstätigen Bürger oder Arbeitgeber im privaten Sektor finanziert. Arbeitslose Bürger besitzen eine Krankenversicherung auf Kosten des Staates. Sollte einer der Familienmitglieder eine Krankenversicherung besitzen, sind Familienmitglieder unter 26 Jahren automatisch versichert. Rückkehrer müssen ein Anmeldeformular ausfüllen und gültige Ausweisdokumente (serbische Ausweisdokumente, Geburtsurkunde und serbische Staatsbürgerschaft) beim öffentlichen Krankenversicherungsfond einreichen um im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert werden zu können (IOM 1.4.2019).

Überlebensnotwendige Operationen sind in der Regel durchführbar, auch können z.B. in Belgrad Bypassoperationen vorgenommen werden. Einsatz, Kontrolle und Wartung von Herzschrittmachern ist in Belgrad grundsätzlich möglich (nicht jedes Modell). Herz- und sonstige Organtransplantationen (mit Ausnahme der relativ häufigen Nierentransplantationen) werden gelegentlich durchgeführt, sind aber noch keine Routineoperationen. Im Juli 2018 wurde in Serbien ein Transplantationsgesetz und ein Gesetz über eine Organspenderdatenbank, welche jedoch bis heute nicht funktionsfähig ist, verabschiedet. Mehr als 1.000 Patienten warten auf eine Organtransplantation, während die Zahl der potentiellen Spender sehr gering ist (AA 3.11.2019).

Behandelbar sind in Serbien (keine abschließende Aufzählung): Diabetes mellitus (die Versorgung mit allen Arten von gängigen Insulinpräparaten ist regelmäßig und sicher), orthopädische Erkrankungen (auch kranken-gymnastische u.ä. Therapien), psychische Erkrankungen, u.a. Depressionen, Traumata, Schizophrenie, posttraumatische Belastungsstörungen (medikamentöse und psychologische Behandlung), Atemwegserkrankungen (u.a. Asthma bronchiale), Hepatitis B und C (abhängig von der Verfügbarkeit antiviraler Medikamente, die teilweise selbst gekauft werden müssen), Epilepsie, ein Großteil der Krebsformen, Nachsorge für Herzoperationen, Krebsoperationen, orthopädische Operationen etc. Dialyse wird bei Verfügbarkeit eines Platzes durchgeführt. Es gibt auch in Belgrad und Novi Sad private Zentren zur Dialyse. Diese beiden Kliniken haben Verträge mit der staatlichen Krankenversicherung abgeschlossen, wonach sie auch bei Bedarf auf Kosten der staatlichen Krankenversicherung Dialysen durchführen können (AA 3.11.2019).

Psychische Krankheiten werden in Serbien vorwiegend medikamentös behandelt. Es besteht jedoch (wenn auch in begrenztem Umfang) auch die Möglichkeit anderer Therapieformen, so gibt es z. B. für die Teilnahme an Gruppenpsychotherapie Wartelisten. Neben dem Therapiezentrum in der Wojwodina existieren mittlerweile weitere Therapiezentren in Vranje, Leskovac und Bujanovac (Südserbien). Es gibt Kliniken für die Behandlung von Suchtkrankheiten. Schulen für Schüler mit Gehör- und Sprachschädigung sind in Serbien vorhanden. Die Grundversorgung mit häufig verwendeten, zunehmend auch mit selteneren Medikamenten, ist gewährleistet. Spezielle (insbesondere ausländische, in Einzelfällen auch in Serbien hergestellte) Präparate sind jedoch in staatlichen Apotheken nicht immer verfügbar, können aber innerhalb weniger Tage auch aus dem Ausland bestellt werden, wenn sie für Serbien zugelassen sind. Für den Patienten fällt bei Vorlage eines vom Allgemeinarzt ausgestellten Rezeptes lediglich eine Beteiligungsgebühr von 50,- RSD an (ca. 0,50 Euro) (AA 3.11.2019).

Covid-19 Pandemie

Letzte Änderung: 5.6.2020

Negative Journalistenberichte über unzureichende Gesundheitssicherheitsmaßnahmen für das eingesetzte medizinische Personal als auch die Sicherheitskräfte wurden von der Regierung umgehend zurückgewiesen. Es gab anfängliche logistische Probleme im ganzen Land die entsprechende Schutzausrüstung bereitzustellen. Zugleich hat Serbien enorme Anstrengungen mithilfe der EU, Chinas und Russlands unternommen, im medizinischen Bereich nachzurüsten, so beim Ankauf zahlreicher Beatmungsgeräte. Eine flächendeckende Versorgung mit der notwendigen medizinischen Ausrüstung scheint nach zwei Monaten COVID-19 Bekämpfung landesweit gegeben zu sein. Serbien hatte den ersten festgestellten COVID-19 Fall am 6.3.2020 im Land bestätigt und nachfolgend eine täglich ansteigende Fallzahl. Gesundheitspolitisch darf der Ausnahmezustand, welcher über 53 Tage (15.3. bis 7.5.2020) Gültigkeit hatte, als erfolgreich bezeichnet werden. Mit Stand 9.5.2020 hatte Serbien 10.032 Erkrankungsfälle und damit verbunden 213 Todesfälle (VB 11.5.2020).

Das Gesundheitsministerium der Republik Serbien hat eine Homepage bezüglich des möglichen Auftretens des Coronavirus (COVID-19) mit Informationen und Verhaltensregeln auf Englisch online gestellt, welche laufend aktualisiert wird (BMEIA 12.5.2020).

Auf dem Portal www.covid19.rs werden täglich Informationen zur Ausbreitung des Coronavirus aktualisiert und Empfehlungen zum Umgang mit der Situation sowie eine Hotline-Nummer sind dort veröffentlicht. Lockerungen seit 6.5.2020:
• Alle Exportverbote, die während der Covid-19 Krise eingeführt wurden, sind wieder aufgehoben
• Keine Ausgangssperren
• Kein Einsatz von Militär für zivile Zwecke
• Öffentliche Verkehrsmittel werden wieder den Betrieb aufnehmen
• Handschuhe- und Schutzmaskenpflicht in öffentl. Verkehrsmitteln sowie Gaststätten
• Kindergärten öffnen wieder, aber Schulen bleiben geschlossen (Unterricht online)
• Kinos und Theater bleiben geschlossen
• Abstandspflicht von 2 Metern und weiterhin Social Distancing
• Größere Zusammentreffen (Feiern) erst ab 15. Juni erlaubt, derzeit sind Versammlungen im Innen- sowie Außenbereich bis 50 Personen unter Befolgung der Schutz- und Desinfektionsmaßnahmen zugelassen (WKO 8.5.2020).

Die Vorschriften im Zusammenhang mit dem neuen Coronavirus (COVID-19) ändern sich laufend (EDA 3.6.2020).

Die Modernisierung der Labore in Serbien wird von der EU mit 7,5 Millionen Euro unterstützt. Die EU hat insgesamt 38 Millionen Euro Soforthilfe an die sechs Nicht-EU-Staaten auf dem Balkan - etwa für Beatmungsgeräte - zur Verfügung gestellt. Das weitaus meiste Geld davon (nämlich 15 Millionen) bekam Serbien, um die fünf Flugtransporte mit den Hilfsgütern zu bezahlen. In Serbien wurden bisher etwa 26.000 Personen getestet, davon waren über 4.800 positiv, das sind etwa 5,4 %. Problematisch ist zurzeit vor allem, dass das Virus sich auch in zwölf Heimen verbreitet hat - darunter zwei Heime für Behinderte. Der serbische Präsident selbst hatte angegeben, dass Serbien von China einige Beatmungsgeräte geschenkt bekommen habe und einige von China eingekauft habe (DS 16.4.2020).

Rückkehr

Letzte Änderung: 5.6.2020

Seit dem 22. Mai 2020 ist eine Ein- und Durchreise nach und durch Serbien wieder ohne jede Einschränkung möglich. Reisende erhalten an der Grenze ein zweisprachiges Informationsblatt über die zu beachtenden Maßnahmen (AA 3.6.2020).

Keine Einreisebeschränkungen mehr seit 22. Mai 2020 (IOM AVRR 26.5.2020).

(Für nähere Informationen zum Ausnahmezustand und zur Bewegungsfreiheit, siehe Abschnitt „Bewegungsfreiheit“.)

Durch das StarthilfePlus - Level D Programm, bietet IOM Serbien konkrete Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrenden an. Außerdem stellt das DIMAK Beratungszentrum (Deutsches Informationszentrum für Migration, Ausbildung und Karriere in Serbien) durch sein “Build Your Future”-Programm immaterielle Unterstützung bei der Reintegration zur Verfügung. Das Programm klärt darüber auf, welche Möglichkeiten es für die Betroffenen in Serbien gibt (inklusive Weiterbildungsmöglichkeiten) und unterstützt bei der Jobbewerbung. Zusätzlich organisiert DIMAK in Zusammenarbeit mit Firmen, die neues Personal suchen, regelmäßig Berufsmessen in Serbien. Nach der Rückkehr sollte die rückkehrende Person sich bei relevanten Behörden und Stellen (wieder) anmelden; dazu ist unbedingt der Personalausweis erforderlich - dieser kann, falls nötig, bei einer lokalen Polizeistelle beantragt werden; sich für die (staatliche) Krankenversicherung/Rentenversicherung anmelden; Sozialhilfe beantragen; Stellen kontaktieren, die bei der Arbeits- und Wohnungssuche unterstützen; die Anmeldung bei Kinderbetreuung, Schule und weitere Bildungsinstitutionen in die Wege leiten (IOM 2019).

Serbische Staatsangehörige, die zurückgeführt wurden, können nach ihrer Ankunft unbehelligt in ihre Heimatstädte fahren. Eine Befragung durch die Polizei u.ä. findet nicht statt, sofern nicht in Serbien aus anderen Gründen Strafverfahren anhängig sind. Sanktionen wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland gibt es weder de iure noch de facto. Als erste Anlaufstelle für Rückkehrer dient ein Wiederaufnahmezentrum für Rückgeführte am Flughafen Belgrad, das eine Informationsbroschüre auf Deutsch, Serbisch und Romanes bereithält, die u.a. Fragen zur Registrierung und den dafür erforderlichen Unterlagen sowie Kontakttelefonnummern enthält (AA 3.11.2019).“

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen hinsichtlich des Verfahrensganges:

Die Feststellungen zum Verfahren der Beschwerdeführer ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Weigerung der Abgabe sowie Weiternutzung der Aufenthaltstitel ergibt sich ebenfalls aus dem Akteninhalt (AS 143 im Verwaltungsakt der Erstbeschwerdeführerin, AS 61 im Verwaltungsakt des Drittbeschwerdeführers, AS 11 und 26 im Verwaltungsakt der Viertbeschwerdeführerin).

2.2. Zu den Feststellungen hinsichtlich der Personen der Beschwerdeführer und ihren Anknüpfungspunkten in Österreich und Serbien:

Die Feststellungen zu den Identitäten und den Familienverhältnissen der Beschwerdeführer ergeben sich aus den Kopien der serbischen Reisepässe der Erstbeschwerdeführerin (AS 12ff im Verwaltungsakt der Erstbeschwerdeführerin), des Drittbeschwerdeführers (AS 27 im Verwaltungsakt des Drittbeschwerdeführers und der minderjährigen Fünftbeschwerdeführerin (AS 3 im Verwaltungsakt der minderjährigen Fünftbeschwerdeführerin) in Verbindung mit den sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt ergebenden Verfahren der Zweit- bis Viertbeschwerdeführer über die Erteilung von Aufenthaltstiteln nach dem NAG.

Die Wohnsitzmeldungen der Beschwerdeführer in Österreich ergeben sich aus Einsichtnahmen in das Zentrale Melderegister und wurden bereits den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegt. Es ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer sich jedenfalls in den Zeiträumen ihrer Wohnsitzmeldungen in Österreich aufhielten bzw. –halten, zumal den Verwaltungsakten keine gegenteiligen Anhaltspunkte zu entnehmen sind und solche auch in den Beschwerden nicht substantiiert b

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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