Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** N*****, vertreten durch Brand Rechtsanwälte GmbH in Wien, und des auf Seiten der klagenden Partei beigetretenen Nebenintervenienten Mag. M***** K*****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wider die beklagte Partei R***** L*****, vertreten durch Dr. Gerhard Taufner und andere, Rechtsanwälte in Melk, wegen 42.500 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. August 2021, GZ 11 R 117/21p-23, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Eltern der Streitteile errichteten 1961 ein wechselseitiges Testament, in dem sie die bei ihrem Ableben vorhandenen Noterben auf den Pflichtteil setzten. Sie übergaben der Beklagten im Jahr 1985 eine Liegenschaft zum Übergabepreis von 50.000 öS. Der Kläger wusste dies seit den 1980er Jahren. Die Mutter der Streitteile starb 1992, der Vater 2000.
[2] Mit der am 22. 12. 2020 eingebrachten Klage begehrte der Kläger von der Beklagten die Bezahlung von 42.500 EUR sA als seinen aus der Übergabe der Liegenschaft resultierenden Pflichtteilsergänzungsanspruch. Die übergebene und geschenkte Liegenschaft habe einen Verkehrswert von zumindest 360.000 EUR.
[3] Die Beklagte wandte ua Verjährung ein.
[4] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, nach dem anzuwendenden § 1487 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 (BGBl I 2015/87) gelte die dreijährige Frist, die mit dem Tod des Erblassers (des Vaters der Streitteile) am 13. 9. 2000 zu laufen begonnen habe und daher mit Ablauf des 13. 9. 2003 abgelaufen sei. Selbst wenn am 1. 1. 2017 (Inkrafttreten des ErbRÄG 2015) der Anspruch nicht verjährt gewesen sein sollte, begänne gemäß § 1503 Abs 7 Z 9 letzter Satz ABGB die in § 1487a Abs 1 ABGB vorgesehene kenntnisabhängige dreijährige Frist mit 1. 1. 2017 zu laufen und wäre demnach bei Klageeinbringung ebenfalls abgelaufen gewesen.
[5] Die außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:
Rechtliche Beurteilung
[6] 1. Der Kläger bringt vor, zur Frage, ob im vorliegenden Fall die dreijährige Frist des § 1487 ABGB aF (vgl RS0012962) oder die allgemeine dreißigjährige Frist (vgl RS0034392) anzuwenden sei, existiere keine klare, einheitliche höchstgerichtliche Rechtsprechung.
[7] Diese Frage ist nicht präjudiziell, weil – wie im Folgenden gezeigt werden wird – die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts selbständig tragfähig ist (vgl RS0118709).
[8] 2. Zu dieser auf § 1487a Abs 1 iVm § 1503 Abs 7 Z 9 ABGB gestützten Hilfsbegründung führt der Kläger aus, er habe erst ab Konsultation des Nebenintervenienten im Herbst 2019 Kenntnis von ihm zustehenden fristabhängigen Ansprüchen erlangt.
[9] 2.1. Diese Ausführungen entfernen sich vom festgestellten Sachverhalt, wonach der Kläger bereits in den 1980er Jahren von der Übergabe der Liegenschaft an die Beklagte und dem Übergabepreis (und somit von – nach dem Tod der Eltern – dem Grunde nach bestehenden Pflichtteilsergänzungsansprüchen gegenüber der Beklagten) wusste.
[10] Auf dieser Basis ist die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, die kenntnisabhängige dreijährige Frist nach § 1487a ABGB hätte gemäß § 1503 Abs 7 Z 9 ABGB mit 1. 1. 2017 zu laufen begonnen und wäre demnach bei Klageeinbringung abgelaufen gewesen, nicht korrekturbedürftig.
[11] 2.2. Sollte der Kläger mit diesem Vorbringen meinen, er sei bis Herbst 2019 darüber in Unkenntnis gewesen, dass ihm aus der (ihm bekannten) Übergabe der Liegenschaft an die Beklagte ein Rechtsanspruch auf Pflichtteilsergänzung zustehe(n könne), womit er also eine Unkenntnis von Rechtsnormen behauptete, ist ihm zu entgegnen:
[12] Die kenntnisabhängige Frist nach § 1487a ABGB nF beginnt mit Kenntnis des Bestehens der für den Anspruch maßgebenden Tatsachen zu laufen.
[13] § 1487a ABGB kombiniert die kenntnisabhängige kurze mit der kenntnisunabhängigen langen Verjährungsfrist nach dem Vorbild des § 1489 ABGB (2 Ob 175/19b ErwGr 7; 2 Ob 59/19v ErwGr 6.3.2, jeweils mwN).
[14] Zu § 1489 ABGB wird in ständiger Rechtsprechung Folgendes judiziert: Ob rechtliche Schlüsse auf das Vorliegen von Schadenersatzansprüchen und deren Verfolgung gezogen werden müssen, gehört nicht mehr zum rein tatsächlich zu verstehenden Wissen des Geschädigten, das im Sinn des § 1489 ABGB den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist auslöst (RS0034321). Auf die richtige Qualifikation des objektiven Sachverhalts kommt es nicht an (RS0034321 [T1]).
[15] Die kenntnisabhängige Frist in § 1487a ABGB ist mit derjenigen in § 1489 ABGB völlig gleich gelagert. Es ist somit kein Grund ersichtlich, warum diese Rechtsprechung nicht auch im Anwendungsbereich des § 1487a ABGB gelten sollte. Die allfällige Rechtsunkenntnis des Klägers könnte somit den Beginn des Laufs der kenntnisabhängigen Frist des § 1487a ABGB nicht hinausschieben.
[16] 3. Entgegen der Ansicht des Klägers bestehen aufgrund der Tatsache, dass durch § 1487a iVm § 1503 Abs 7 Z 9 ABGB nach altem Recht bestanden habende Fristen verkürzt werden können, keine verfassungsrechtlichen Bedenken an der durch das ErbRÄG 2015 insoweit geschaffenen Rechtslage. Dies hat der Senat bereits wiederholt ausgesprochen (2 Ob 84/19w ErwGr 3.7; 2 Ob 175/19b ErwGr 8, jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des VfGH zum Vertrauensschutz in Zusammenhang mit dem ErbRÄG 2015). Die Anregung des Klägers auf Anfechtung des § 1503 Abs 7 Z 9 ABGB als verfassungswidrig beim Verfassungsgerichtshof war daher nicht aufzugreifen.
Textnummer
E133367European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00169.21Y.1021.000Im RIS seit
30.12.2021Zuletzt aktualisiert am
30.12.2021