TE Bvwg Beschluss 2021/10/19 W212 2246789-1

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Veröffentlicht am 19.10.2021
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Entscheidungsdatum

19.10.2021

Norm

AsylG 2005 §4a
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch


W212 2246789-1/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA Syrien, vertreten durch die BBU Bundeagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.09.2021, Zl: 1281527503/211034086:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger syrischer Staatsangehöriger stellte am 28.07.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im österreichischen Bundesgebiet.

Die EURODAC-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer bereits am 22.01.2020 in Griechenland erkennungsdienstlich behandelt wurde.

2. In Griechenland betrieb der Beschwerdeführer ein Asylverfahren und es wurde ihm mit Entscheidung der griechischen Behörden am 20.02.2020 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Eine Aufenthaltsberechtigung habe er nicht erhalten und sei ihm, laut Auskunft der griechischen Dublinbehörde auch kein Reisepass ausgestellt worden.

3. Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 28.07.2021 gab der Beschwerdeführer zunächst an, er leide an keinen Beschwerden oder Krankheiten die ihn an der Einvernahme hindern würden. In Österreich habe er keine Verwandten, aber einen Onkel und zwei Cousins in Deutschland. Seinen Herkunftsstaat habe er 2016 verlassen und sich in der Folge sechs Monate in der Türkei aufgehalten. Von dort sei er nach Griechenland gekommen, aber nur zwei Wochen dort aufhältig gewesen, bevor er über Albanien und den Kosovo nach Serbien gelangt sei. In Serbien sei er eineinhalb Jahre aufhältig gewesen, bevor er über Ungarn nach Österreich eingereist sei. Über den Aufenthalt in den von ihm durchreisten Ländern könne er nichts angeben. Er habe nirgends um einen Aufenthaltstitel angesucht und auch keinen bekommen. Auf Vorhalt, dass es einen EURODAC-Treffer aus Griechenland gebe, gab der Beschwerdeführer an, er habe sich dort zwei Tage aufgehalten und sei im Februar 2020 weitergereist. Einen Asylantrag habe er nicht gestellt und wolle er dorthin nicht zurück, weil ihn die griechische Polizei grundlos geschlagen hätte.

4. Am 09.09.2021 fand, nach Übermittlung der Länderfeststellungen für Griechenland, die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Der Beschwerdeführer gab an ledig zu sein, keine Familienangehörigen, aber Freunde in Österreich zu haben. Befragt ob er Angaben zu Griechenland und der beabsichtigten Außerlandesbringung dorthin machen wolle, gab der Beschwerdeführer an, dass er in Griechenland für vier Monate in einem geschlossenen Camp gewesen sei und könne er dies auch durch Fotos auf seinem Handy beweisen. Nach 50 Tagen hätte er die Insel mit einem Schlepper verlassen, aber von der Polizei aufgehalten worden. Das sei im September 2016 gewesen und sei er dann für zwei Monate inhaftiert worden. Die Polizisten hätten ihm ein Beruhigungsmittel gegeben, damit er alles vergesse und einfach ruhig bleibe und seien dadurch seine Zähne kaputtgegangen. Nach den zwei Monaten in Haft sei er nach Athen und vier Monate ins Gefängnis „ XXXX “ gebracht worden. Die Polizisten hätten ihm gesagt, er müsse die Fingerabdrücke abgeben und Asyl beantragen, dann werde er in die Türkei zurückgebracht. Da er sich mehrmals geweigert habe, sei er in ein geschlossenes Camp gebracht und ihm Tabletten gegeben worden. Sie seien bei ihm besonders hartnäckig gewesen und er sei zu 50 Tagen Haft im Camp verurteilt worden. Nach einer Woche sei er mit anderen Personen in einen Bus gesteckt und in die Türkei geschickt worden. Um nicht nach Syrien abgeschoben zu werden, sei er nach Saloniki gereist und von dort mit dem Schlepper nach Albanien und weiter in den Kosovo. Die Polizei im Kosovo habe ihm gesagt, er sei von den Generikatabletten abhängig und habe sich nach einem Fliegenstich sein rechter Unterschenkel entzündet. Im Kosovo sei er verarztet worden und dann nach Serbien weitergezogen, wo er ein Jahr in einem Camp geblieben sei. Auch in Nordmazedonien sei er ein Jahr in einem Camp gewesen. Nach der Rückübersetzung gab der Beschwerdeführer weiters an, er habe in Simi zum ersten Mal seine Fingerabdrücke abgegeben und sei nach einer Woche nach Athen geflüchtet. Dass er in Griechenland Schutz bekommen habe, stimme nicht. Falls er nach Griechenland zurückmüsse, werde er schlussendlich wieder in Syrien landen.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.09.2021 wurde unter Spruchpunkt I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich der Beschwerdeführer nach Griechenland zurückzubegeben habe. In Spruchpunkt II. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, sowie gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung nach Griechenland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass in Gesamtschau und Abwägung der Angaben des Beschwerdeführers diese nicht geeignet seien Grundlage einer Entscheidungsänderung zu sein und sei hier klar auf die amtlichen, unbedenklichen Länderfeststellungen zu verweisen. Aus seinen Angaben seien keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass der Beschwerdeführer tatsächlich konkret Gefahr liefe in Griechenland Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihm eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte. Es bestehe kein Grund daran zu zweifeln, dass Griechenland seine sich aus der Genfer Konvention und der Statusrichtlinie ergebenden Verpflichtungen nicht erfülle. Es sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer dort Schutz vor Verfolgung gefunden habe. Auch aus den sonstigen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens hätten sich bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes ergeben, welcher gemäß Art. 8 EMRK der Zulässigkeit der Anordnung auf Außerlandesbringung entgegenstehen würde.

6. Mit Schriftsatz vom 29.09.2021 wurde gegen den Bescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Inhaltlich wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Behörde ihrer Ermittlungspflicht nicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei. Der Beschwerdeführer habe zu keinem Zeitpunkt einen Antrag auf internationalen Schutz in Griechenland gestellt und habe er dort auch an keinem Asylverfahren mitgewirkt. Des Weiteren sei es bei der Einvernahme vor der belangten Behörde zu einem Dolmetscherproblem gekommen. Im Protokoll werde die Jahreszahl 2016 genannt, der Beschwerdeführer habe aber 2019 gesagt. Das Einvernahmeprotokoll sei ihm nicht rückübersetzt worden, weshalb der Beschwerdeführer die Jahreszahlen nicht habe berichtigen können. Die von der Behörde herangezogenen Länderfeststellungen seien unvollständig bzw. habe die Behörde die herangezogenen Berichte unrichtig und selektiv ausgewertet. Der Beschwerdeführer habe ausdrücklich vorgebracht, niemals in Griechenland Asyl beantragt und sich außerdem mehr als drei Monate außerhalb der EU-Mitgliedstaaten aufgehalten zu haben, weswegen die Zuständigkeit Griechenlands erloschen und er in Österreich zum Asylverfahren zuzulassen sei. Eine Kopie seines Campausweises, der seinen Aufenthalt an der Grenze zu Serbien, Kosovo und Nordmazedonien von etwa einem Jahr bestätige, wurde mit der Beschwerde vorgelegt. Die belangte Behörde hätte angesichts der de facto nicht existenten Versorgungs- und Unterbringungssituation für Schutzberechtigte in Griechenland konkret prüfen müssen, ob der Beschwerdeführer in einer angemessenen Unterkunft untergebracht werden würde, Zugang zu Nahrungsmitteln, sanitären Einrichtungen, medizinischer Versorgung und sonstigen grundlegenden Versorgungsleistungen habe. Der Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr nach Griechenland in eine ausweglose Lage geraten und müsse von einer Verletzung seines nach Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC gewährleisteten Rechts ausgegangen werden. In der Beschwerde wurde auch auf Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, des Bundesverwaltungsgerichts und deutscher Gerichte verwiesen.

7. Mit Beschluss vom 01.10.2021 wurde der Beschwerde gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

8. Mit Schreiben vom 07.10.2021 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit, dass der Beschwerdeführer seit 05.10.2021 unbekannten Aufenthalts sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der dargelegte Verfahrensgang, insbesondere der Umstand, dass dem Beschwerdeführer in Griechenland am 20.02.2020 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde, er jedoch keine Aufenthaltsberechtigung erhalten hat.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf keine Feststellungen zur Möglichkeit des Beschwerdeführers im Fall einer Rückkehr nach Griechenland die Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigung zu beantragen und inwiefern seine unmittelbare Versorgung während einer allfälligen Wartezeit gesichert wäre.

Der Beschwerdeführer gab anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA an, er sei in Griechenland vier Monate in einem geschlossenen Camp und zwei Monate in Haft gewesen und von Polizisten in die Türkei zurückgebracht worden. Außerdem seien ihm von Polizisten Beruhigungsmittel und Tabletten verabreicht worden, von denen er abhängig geworden sei.

Ergänzende Ermittlungen zum Vorbringen des Beschwerdeführers, insbesondere ob dieses als glaubhaft erachtet wird, liegen nicht vor und führte die Behörde hierzu lediglich aus:

„In Gesamtschau und Abwägung sind Ihre Angaben nicht geeignet Basis und Grundlage einer Entscheidungsänderung zu sein und ist hier klar auf die amtlichen, unbedenklichen Länderfeststellungen zu verweisen. Aus Ihren Angaben sind keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass Sie tatsächlich in konkrete Gefahr liefen, in Griechenland Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass Ihnen eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnten“.

Feststellungen zu seiner Einreise, der tatsächlichen Dauer seines Aufenthalts und seinen Lebensumständen in Griechenland vor und nach Zuerkennung des Asylstatus bzw. ob und wann er von der Asylgewährung erfahren hat, sind dem Verfahrensakt ebenfalls nicht zu entnehmen und stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hierzu keine weiteren Ermittlungen an.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang sowie zu den Asylantragstellungen des Beschwerdeführers in Österreich und Griechenland sowie dessen Asylstatus in Griechenland ergeben sich aus dem Verwaltungsakt. Sein Schutzstatus ergibt sich insbesondere aus dem Antwortschreiben der griechischen Dublinbehörde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBL I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl. § 75 Abs. 18 AsylG 2005 idF BGBGl I 2013/144).

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde

Gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Bei § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG handelt es sich um eine von § 28 Abs. 3 erster und zweiter Satz VwGVG abweichende Regelung, die auf die Besonderheiten des asylrechtlichen Zulassungsverfahrens Bedacht nimmt, indem die Möglichkeit, aber auch die Verpflichtung zur Fällung einer zurückverweisenden Entscheidung im Fall einer Beschwerde gegen ein im asylrechtlichen Zulassungsverfahren erlassenen Bescheid allein an die in § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG genannten Voraussetzungen geknüpft ist. Mit einer solchen Entscheidung geht die Rechtsfolge der Zulassung des Asylverfahrens einher und diese Sonderbestimmung gelangt für sämtliche Beschweren im Zulassungsverfahren zur Anwendung (vgl. VwGH 08.07.2021, Ra 2021/20/0074).

Dem Beschwerdeführer wurde im EU-Mitgliedstaat (und damit auch EWR-Staat) Griechenland der Status eines Asylberechtigten zuerkannt, sodass sein gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG grundsätzlich zurückzuweisen ist, wenn er in Griechenland Schutz vor Verfolgung gefunden hat und ihm – aus verfassungsrechtlichen Erwägungen – keine Verletzung seiner Rechte gemäß Art. 3 oder 8 EMRK droht.

Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 10.04.2013, Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren Band I2, E 84 zu § 39 AVG).

In seiner jüngsten Entscheidung (VfGH 25.06.2021, E 599/2021-12) verwies der Verfassungsgerichtshof im Fall von Überstellungen Schutzberechtigter nach Griechenland darauf, dass es einerseits Feststellungen dazu bedarf, ob die von Art. 34 der Richtlinie 2011/95/EU geforderten, über die Inländergleichbehandlung hinausgehenden Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Andererseits müsse aus den Feststellungen hervorgehen, ob und wieweit für Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr nach Griechenland zumindest in der ersten Zeit Zugang zu einer Unterkunft, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen sichergestellt ist.

In ebengenannter Entscheidung, in der es um eine in Griechenland schutzberechtigte, junge, gesunde Frau ohne Betreuungspflichten, die über eine zwölfjährige Schulbildung, eine vierjährige universitäre Ausbildung und eine Berufsausbildung zur Dolmetscherin verfügte, ging, führte der Verfassungsgerichtshof folgendermaßen aus:

„Zwar trifft zu, dass anerkannten Schutzberechtigten nach Art. 20 ff. der Richtlinie 2011/95/EU über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. 2011 L 337, 9, grundsätzlich „nur“ ein Anspruch auf Inländergleichbehandlung zusteht. Das Bundesverwaltungsgericht setzt sich jedoch etwa nicht damit auseinander, ob die von Art. 34 der Richtlinie 2011/95/EU geforderten, über die Inländergleichbehandlung hinausgehenden Integrationsmaßnahmen angeboten werden (vgl. dazu das deutsche BVerfG 31.7.2018, 2 BvR 714/18, Rz 23). Insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass die Beschwerdeführerin für eine Übergangszeit auf staatliche Hilfe angewiesen sein wird, hätte es weiterer Feststellungen dazu bedurft, ob und wieweit für die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nach Griechenland zumindest in der ersten Zeit Zugang zu einer Unterkunft, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen sichergestellt wird.“

Auch wenn sich dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes auf Länderinformationen der Staatendokumentation mit Stand vom 04.10.2019 und letzter Kurzinformation vom 19.03.2020 bezieht, ergeben sich aus der nunmehr aktualisierten und dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderinformation der Staatendokumentation betreffend Griechenland aus dem COI-CMS (Version 2) ähnliche Schwierigkeiten für Schutzberechtigte beim Zugang zu Unterkunft, Arbeit, Sozialleistungen, medizinischer Versorgung und Integrationsprogrammen. So wird etwa erwähnt:

?        Eine Residence Permit Card (RPC) ist Voraussetzung für den Erhalt finanzieller Unterstützung, einer Wohnung, einer legalen Beschäftigung, eines Führerscheins und einer Steuer- bzw. Sozialversicherungsnummer, für die Teilnahme an Integrationskursen, für den Kauf von Fahrzeugen, für Auslandsreisen, für die Anmeldung einer gewerblichen oder geschäftlichen Tätigkeit und – abhängig vom jeweiligen Bankangestellten - oftmals auch für die Eröffnung eines Bankkontos (VB 19.3.2021).Der Erhalt einer RPC dauert jedoch in der Praxis Monate und die Behördengänge sind für Personen ohne Sprachkenntnisse und Unterstützung äußerst schwierig zu bewerkstelligen.

?        Phase zwischen positivem Bescheid und dem tatsächlichen Erhalt der RPC-Card: Tatsächlich gibt es bis zum Erlangen der RPC oder bis zur Teilnahme am Helios Programm keinerlei finanzielle oder anderweitige Unterstützung. Ohne gültige Aufenthaltserlaubnis können international Schutzberechtigte keine Sozialversicherungsnummer (AMKA) erhalten und diese wiederum ist Voraussetzung für den Zugang zu Sozialleistungen, zum Arbeitsmarkt und zur Gesundheitsversorgung. Ärztliche Untersuchungen und Behandlungen sowie ggf. benötigte Medikamente müssen ohne Vorliegen einer Sozialversicherungsnummer privat bezahlt werden (VB 12.4.2021; vgl. ProAsyl 4.2021).

?        In Griechenland existiert keine staatliche Unterstützung für international Schutzberechtigte beim Zugang zu Wohnraum, es wird auch kein Wohnraum von staatlicher Seite bereitgestellt (ProAsyl 4.2021). Auch gibt es keine Sozialwohnungen (VB 12.4.2021) und auch keine Unterbringung dezidiert für Schutzberechtigte. Laut einer Webseite der Stadt Athen gibt es vier Unterbringungseinrichtungen mit insgesamt 600 Plätzen, die jedoch bei weitem nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken. Viele Betroffene sind daher obdachlos, leben in besetzten Gebäuden oder überfüllten Wohnungen (AIDA 6.2020; vgl. VB 12.4.2021). Legale Unterkunft ohne RPC zu finden, ist fast nicht möglich. Da z.B. bei Arbeitssuche, Bankkontoeröffnung, Beantragung der AMKA usw. oftmals ein Wohnungsnachweis erforderlich ist, werden oft Mietverträge für Flüchtlinge gegen Bezahlung (300-600 Euro) temporär verliehen: d.h., der Mieter wird angemeldet, ein Mietvertrag ausgestellt und nach kurzer Zeit wieder aufgelöst. Wohnbeihilfe bekommt man erst, wenn man per Steuererklärung seinen Wohnsitz über mehr als 5 Jahre in Griechenland nachweisen kann (VB 1.3.2021). NGOs wie etwa Caritas Hellas bieten gemischte Wohnprojekte an. Die Zahl der Unterkünfte in Athen – auch der Obdachlosenunterkünfte - ist jedoch insgesamt nicht ausreichend (VB 1.3.2021). Dass trotz dieses Umstandes Obdachlosigkeit unter Flüchtlingen in Athen kein augenscheinliches Massenphänomen darstellt, ist auf die Bildung von eigenen Strukturen und Vernetzung innerhalb der jeweiligen Nationalitäten zurückzuführen, über die auf informelle Möglichkeiten zurückgegriffen werden kann. Wo staatliche Unterstützung fehlt, ist die gezielte Unterstützung der NGOs von überragender Bedeutung für Flüchtlinge und Migranten, wenngleich auch diese Organisationen nicht in der Lage sind, die erforderlichen Unterstützungen flächen- und bedarfsdeckend abzudecken (VB 12.4.2021; vgl. ProAsyl 4.2021).

?        Auch die tägliche Lebenshaltung stellt viele Schutzberechtigte vor große Probleme. Da sie griechischen Staatsbürgern gleichgestellt sind, gibt es von offizieller Seite kaum Unterstützung für diesen Personenkreis. Einige NGOs in Athen (wie etwa KHORA, Network for Refugees, Hope Cafe,…) stellen kostenlos – aber bei weitem nicht in ausreichendem Maße, um alle Bedürftigen zu versorgen - Essen zur Verfügung. Die Bereitstellung von zB Hygiene- und Toilettenartikel gestaltet sich sehr schwierig; hierfür gibt es nur sehr wenige Anlaufstellen. Einige Gemeinden in Griechenland bieten anerkannten Schutzberechtigten auf freiwilliger Basis bzw. mittels Abkommen mit der griechischen Regierung monatliche Unterstützung für Essenszuteilungen an (nur Essen, kein Geld). Voraussetzungen hierfür sind das Vorliegen von RPC, AMKA-Nummer, Steuernummer, Bankkonto, Mietvertrag und Telefonvertrag für eine gültige SIM-Karte. Jede einzelne dieser Voraussetzungen ist schwierig zu erfüllen und mit mit großem Zeitaufwand verbunden. Somit kommen nur sehr wenige Berechtigte in den Genuss derartiger Unterstützungsleistungen (VB 12.4.2021).

?        Schutzberechtigte haben grundsätzlich Zugang zu medizinischer Versorgung wie griechische Staatsangehörige, in der Praxis schmälert aber der Ressourcenmangel im griechischen Gesundheitssystem diesen Zugang, was aber in gleichem Maße auch für griechische Staatsbürger gilt. Bei Flüchtlingen kommen jedoch auch Verständigungsschwierigkeiten und Probleme beim Erlangen der Sozialversicherungsnummer (AMKA) hinzu (AIDA 6.2020). Die AMKA kann bei der Gesundheitsbehörde (EKKA) elektronisch beantragt werden, man braucht dazu aber eine RPC und ein Jobangebot einer Firma. Ohne Jobangebot können Flüchtlinge eine PAAYPA (vorläufige AMKA für Fremde) beantragen. Mit AMKA ist voller Zugang zu öffentlichen Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, usw. möglich, mit PAAYPA hingegen nur beschränkt. Manche Einrichtungen akzeptieren eine PAAYPA nicht. Jene Personen wären dann auf Privatärzte oder NGOs angewiesen (VB 1.3.2021). Zudem gibt es in Athen einige „Sozial-Apotheken“ wo billige oder sogar kostenlose Medikamente und medizinische Artikel erhältlich sind – diese unterstützen auch einkommenslose Griechen (VB 12.4.2021).

?        Anerkannte Schutzberechtigte und deren Familienangehörige mit gültiger Aufenthaltserlaubnis haben unter den gleichen Bedingungen wie griechische Staatsangehörige Zugang zu einer Beschäftigung im Angestelltenverhältnis, zur Erbringung von Dienstleistungen oder Arbeit sowie das Recht, eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben. Wichtig für eine legale Beschäftigung ist der Nachweis einer gültigen Aufenthaltserlaubnis. Allenfalls ist darauf zu achten, dass diese rechtzeitig verlängert wird (UNHCR o.D.). Voraussetzungen ist u.a. der Nachweis der Unterkunft: (…) Eine weitere Voraussetzung ist das Vorliegen einer Sozialversicherungsnummer (AMKA). Tatsächlich aber behindern die hohe Arbeitslosigkeit, fehlende Sprachkenntnisse und bürokratische Hindernisse diesen Zugang, außer im informellen Sektor. Die meisten Schutzberechtigten sind daher auf Unterstützung angewiesen. Zugang zu Sozialhilfe ist gegeben, bürokratische Hürden stellen aber ein Problem dar (AIDA 6.2020).

Wie sich aus diesen Länderinformationen ableiten lässt, sind Schutzberechtigte in Griechenland zwar rechtlich griechischen Staatsbürgern grundsätzlich gleichgestellt, sie können jedoch faktisch auf besondere Schwierigkeiten stoßen, die auf ihre herausfordernde Situation als Fremde ohne oder mit geringen Kenntnissen der Landessprache und der administrativen Vorgänge in einem Staat, dessen wirtschaftliche Lage allgemein bekannt angespannt ist, zurückzuführen sein können.

Wie bereits erwähnt, werden laut den vorliegenden Länderinformationen im angefochtenen Bescheid Schutzberechtigten in Griechenland im Rahmen des Programms HELIOS Unterstützungsmaßnahmen gewährt. Es sei das einzige in Griechenland existierende Integrationsprogramm für international Schutzberechtigte und biete neben Integrationskursen sowie einzelnen Maßnahmen zur Arbeitsintegration auch Unterstützung bei der Anmietung von Wohnraum. Mangels näherer Ermittlungen des BFA bleibt jedoch im vorliegenden Fall unklar, ob der Beschwerdeführer an diesem Integrationsprogramm bereits teilgenommen hat bzw. im Falle einer Rückkehr tatsächlich Zugang dazu hätte. Insbesondere geht aus den Länderinformationen im angefochtenen Bescheid hervor, dass das Programm eine „Laufzeit bis Juni 2021“ habe. Auf der öffentlich zugänglichen Website von UNHCR Griechenland wird demgegenüber eine Laufzeit bis September 2021 erwähnt (siehe https://greece.iom.int/en/hellenic-integration-support-beneficiaries-international-protection-helios, abgerufen am: 12.10.2021). In dieser Hinsicht erweisen sich die Länderinformationen als nicht hinreichend aktuell und insofern mangelhaft, als offenbleibt, ob dieses Integrationsprogramm Schutzberechtigten nach wie vor offensteht und Unterstützung anbietet, oder ob es durch andere Programme, die Integrationsmaßnahmen für Schutzberechtigte bieten, ersetzt wurde.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist nicht ausreichend auf die Situation des Beschwerdeführers bei dessen Rückkehr nach Griechenland eingegangen. Den Länderfeststellungen und den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren ist – wie eben dargelegt – zu entnehmen, dass er keine Unterstützung und keinen Zugang zu einer Unterkunft in Flüchtlingscamps mehr hat, hinzu kommen Schwierigkeiten für Schutzberechtigte eine Unterkunft zu mieten. Die wenigen Unterkünfte für Obdachlose sind regelmäßig überfüllt. Abseits der drohenden Obdachlosigkeit hat keine ausreichende Auseinandersetzung mit dem Zugang zu Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen stattgefunden. Darüber hinaus hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl keine Feststellungen zu Integrationsmaßnahmen getroffen, die Schutzberechtigten in Griechenland zur Verfügung stehen. Das BFA hätte die Rückkehrsituation im vorliegenden Fall näher prüfen müssen und hätte sich nicht auf die Feststellung beschränken dürfen, dass dem Beschwerdeführer laut Mitteilung der griechischen Dublinbehörde am 20.02.2020 der Flüchtlingsstatus zugesprochen worden sei und somit feststehe, dass für ihn in Griechenland Verfolgungssicherheit sowie Drittstaatssicherheit vorliege.

Abgesehen davon, lässt sich aus dem angefochtenen Bescheid in Verbindung mit dem Akteninhalt und den Angaben des Beschwerdeführers nicht nachvollziehen, wann der Beschwerdeführer tatsächlich in Griechenland einreiste und wie lange er sich tatsächlich in Griechenland aufgehalten hat. Die Angaben des Beschwerdeführers hierzu sind widersprüchlich, so gab er einmal an sich zwei Wochen in Griechenland aufgehalten zu haben, ein anderes Mal seien es nur zwei Tage gewesen. Gleichzeitig gab der Beschwerdeführer jedoch auch an, in Griechenland vier Monate in einem geschlossenen Camp bzw. zwei Monate in Haft gewesen zu sein. Die Behörde stellte keine Ermittlungen an, um diese Unstimmigkeiten aufzuklären. Auch auf sein Vorbringen, ihm seien von der griechischen Polizei Tabletten verabreicht worden, wird im angefochtenen Bescheid nicht eingegangen und geht daraus nicht hervor, ob die Behörde diese Angaben des Beschwerdeführers für glaubhaft hält.

Die Lebensumstände des Beschwerdeführers während seines Aufenthalts in Griechenland und nach der Zuerkennung des Asylstatus wurden seitens des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl keiner näheren Prüfung unterzogen. Vor dem Hintergrund der Länderinformationen und der zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs kommt dieser Frage aber Relevanz im Hinblick darauf zu, ob der Beschwerdeführer – sollten ihm in erster Zeit nicht von Seiten des griechischen Staates Zugang zu einer Unterkunft, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen ermöglicht werden – nach einer Rückkehr selbst oder mit Unterstützung durch nichtstaatliche Organisationen oder mithilfe von bereits während seines vormaligen Aufenthalts in Griechenland aufgebauten sozialen Netzwerken in der Lage wäre, seine elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen. Für die Beurteilung seiner Rückkehrsituation können neben den bisherigen Lebensumständen in Griechenland unter Berücksichtigung der Dauer des vormaligen Aufenthalts in Griechenland als Schutzberechtigter auch eine etwaige auf dem griechischen Arbeitsmarkt verwertbare Ausbildung oder Arbeitserfahrung sowie Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers von Bedeutung sein, auch vorhandene eigene finanzielle Mittel oder familiäre bzw. soziale Unterstützung könnten in diese Bewertung miteinbezogen werden.

Aufgrund der mangelhaft ermittelten Sachverhaltsgrundlage unter Berücksichtigung der jüngsten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann im gegenständlichen Fall sohin nicht abschließend beurteilt werden, ob im Fall einer Überstellung des Beschwerdeführers nach Griechenland die reale Gefahr einer Verletzung seiner gemäß Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte bestünde.

Im fortgesetzten Verfahren bedarf es daher weiterer Erhebung dazu, wann der Beschwerdeführer tatsächlich in Griechenland eingereist ist, wie lange er sich dort aufgehalten hat, wie er nach seiner Asylantragstellung bis zur Asylgenehmigung in Griechenland untergebracht und versorgt wurde, ob und wann er von der Asylgewährung Kenntnis erlangte, allenfalls unter welchen Umständen er von seiner Asylgewährung bis zur Ausreise aus Griechenland gelebt hat und inwiefern es ihm möglich ist die Ausstellung einer Aufenthaltsberechtigung zu beantragen. Weiters bedarf es einer Abklärung zum aktuell bestehenden Angebot an Programmen, die Integrationsmaßnahmen für Schutzberechtigte anbieten, und zu deren Umfang (siehe dazu auch VfGH 25.06.2021, E 599/2021, Rz 21). Darüber hinaus sind weitere Erhebungen im gegenständlichen Fall notwendig, nämlich zu den Fragen, ob dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Griechenland zumindest in der anfänglichen Zeit von Seiten des Staates Zugang zu einer Unterkunft, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen zur Verfügung stünde und – sollte dies zu verneinen sein – ob der Beschwerdeführer allenfalls mit Hilfe von nichtstaatlichen Einrichtungen oder durch Unterstützung von Angehörigen oder Bekannten seine elementaren Bedürfnisse befriedigen könnte, ohne einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt zu sein, aufgrund der Lebensumstände eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK oder Art. 4 GRC zu erfahren.

Wie dargelegt wurde im gegenständlichen Fall der entscheidungswesentliche Sachverhalt trotz bestehender Möglichkeiten nicht ausreichend ermittelt, weshalb zwingend nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG vorzugehen war.

Der Verwaltungsgerichtshof geht – nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Erläuterungen zu § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG – davon aus, dass immer dann, wenn der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Ermittlungsmängel anhaften, die nicht vom Bundesverwaltungsgericht in der für die Erledigung gebotenen Eile beseitigt werden können, der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattzugeben ist. Eine Verhandlung hat diesfalls zu unterblieben. Ist hingegen davon auszugehen, dass das Bundesverwaltungsgericht die Ermittlungsmängel rasch und ohne größeren Aufwand selbst beseitigen kann, hat es von einer Beschwerdestattgebung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG Abstand zu nehmen und die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens (samt der Feststellung allfällig fehlenden Sachverhaltes) selbst vorzunehmen. Dabei hat es sich bei der Beurteilung gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG im Rahmen der Ermessensübung, ob eine Verhandlung durchzuführen ist, auch davon leiten zu lassen, ob die vorhandenen Ermittlungsmängel zweckmäßigerweise durch im Rahmen der Verhandlung vorzunehmende Beweisaufnahmen beseitigt werden können (vgl. VwGH 08.07.2021, Ra 2021/20/0074, mit Verweis auf VwGH 15.05.2020, Ra 2020/14/0060).

Angesichts der notwendigen Ermittlungen zur Situation in Griechenland und der umfassenden Befragung des Beschwerdeführers kann das Bundesverwaltungsgericht die Ermittlungsmängel nicht in der für die Erledigung des im Rahmen des asylrechtlichen Zulassungsverfahrens abzuwickelnden Beschwerdeverfahrens gebotenen Eile beseitigen.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben.

Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Versorgungslage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W212.2246789.1.01

Im RIS seit

22.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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