TE Bvwg Beschluss 2021/5/25 W156 2239485-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.05.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

25.05.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §33 Abs3

Spruch


W156 2239485-3/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin über den Antrag des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die BBU GmbH, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der mündlichen Verhandlung am 01.04.2021 sowie betreffend die Frist zur Beantragung einer schriftlichen Ausfertigung des am 01.04.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses, beschlossen:

A) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird als verspätet zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 25.09.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Das BFA wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 22.01.2021 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), sowie der Zuerkennung des Status als Subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.), erklärte die Abschiebung nach Afghanistan als zulässig (Spruchpunkt V.), und setzt die Frist für die freiwillige Ausreise mit 2 Wochen fest (Spruchpunkt VI.).

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen den oben angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl fristgerecht Beschwerde.

4. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 01.04.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Weder der Beschwerdeführer noch sein Rechtsvertreter erschienen trotz nachweislicher Ladung durch Hinterlegung im elektronischen Rechtsverkehr zur Verhandlung.

5. Am 01.04.2021 verkündete die Richterin mündlich das Erkenntnis W156 2239485-2/4Z, mit dem die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde. Das Verhandlungsprotokoll samt mündlicher Verkündung wurde der Rechtsvertretung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs am selben Tag zugestellt.

6. Die gekürzte Ausfertigung des Erkenntnisses, W156 2239485-2/5E, wurde der Rechtsvertretung am 22.04.2021 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs zugestellt.

7. Am 30.04.2021 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der mündlichen Verhandlung sowie in eventu betreffend die Frist zur Beantragung einer schriftlichen Ausfertigung des am 01.04.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses ein. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers führte aus, dass die Ladung zur mündlichen Verhandlung bis zu diesem Zeitpunkt nicht an den Beschwerdeführervertreter zugestellt worden wäre, weshalb weder der Beschwerdeführer noch dessen Rechtsvertreter Kenntnis davon gehabt hätten. Erst am 19.04.2021 hätte die Firma MANZ (webERV) eine E-Mail an den fachlichen Assistenten des Rechtsvertreters gesandt, in welcher mitgeteilt worden wäre, dass verschiedene Dokumente aus technischen Gründen nicht an den Rechtsvertreter zugestellt worden wären und diese nunmehr zur Abholung bereitstehen würden. Darunter hätte sich ebenso die fallgegenständliche Ladung befunden. Zudem wäre am 20.04.2021 bei Durchsicht der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 01.04.2021 bemerkt worden, dass dieses ebenso auch das mündlich verkündete Erkenntnis enthalten hätte. Dazu führte der Rechtsvertreter weiter aus, dass hierbei hinsichtlich der Ladung ein Zustellmangel vorliege, da diese erst 18 Tage nach dem Termin in der mündlichen Verhandlung zugestellt worden wäre. Mangels ordentlicher Ladung hätte daher keine Verhandlung stattfinden dürfen, weshalb die abgehaltene Verhandlung nicht gültig stattgefunden hätte und das verkündete Erkenntnis nichtig wäre. Schließlich führte der Rechtsvertreter in seinem Schriftsatz vor, dass das Erkenntnis nicht als solches erkennbar zugestellt worden wäre, da am 01.04.2021 lediglich ein als „Niederschrift“ bezeichnetes Schriftstück eingelangt wäre.

8. Mit Schreiben vom 07.05.2021 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass das erkennende Gericht gehe davon ausgehe, dass am 01.04.2021 das Hindernis iSd § 33 Abs. 2 VwGVG weggefallen worden wäre zumal im gegenständlichen Antrag mitgeteilt worden wäre, dass das Verhandlungsprotokoll samt mündlicher Entscheidungsverkündung vom 01.04.2021 am 01.04.2021 erhalten und dadurch erfahren worden wäre, dass eine mündliche Verhandlung am 01.04.2021 stattgefunden hätte. Die Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages wegen Versäumung der mündlichen Verhandlung hätte folglich am Donnerstag, dem 01.04.2021 zu laufen begonnen und hätte am Donnerstag, dem 15.04.2021, geendet. Der Wiedereinsetzungsantrag wäre jedoch – in rechtswirksamer Form – erst am 29.04.2021, sohin verspätet, gestellt worden. Der Beschwerdeführer wurde im Rahmen des Parteiengehörs aufgefordert, zum Verspätungsvorhalt binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.

9. Mit Schriftsatz vom 18.05.2021 brachte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers an, dass am 01.04.2021 zwar eine Niederschrift zugestellt worden, diese jedoch lediglich entsprechend den internen Vorschriften abgelegt worden wäre. Eine genaue Durchsicht bzw. Prüfung hätte nicht erfolgt. Erst aus Anlass der Information über Zustellprobleme vom 19.04.2021 wäre am 20.04.2021 eine eingehendende Prüfung veranlasst worden, bei der das Fristversäumnis dann hervorgekommen wäre. Der Rechtsvertreter wäre daher bis zum 19.04.2021 durch das als unvorhersehbares Ereignis zu qualifizierende technische Gebrechen im elektronischen Zustellsystem des Bundesverwaltungsgerichts (Manz, webERV) daran gehindert gewesen, die mündliche Verhandlung bzw. die Frist zur Stellung eines Antrags auf schriftliche Ausfertigung des am 01.04.2021 mündlich verkündeten „Erkenntnisses“ wahrzunehmen.

1. Feststellungen:

Der Antragsteller erhob fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 22.02.2021, mit dem der Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 22.01.2021 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), sowie der Zuerkennung des Status als Subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.) abgewiesen wurde, ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.) erteilt wurde, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) erlassen wurde, die Abschiebung nach Afghanistan als zulässig (Spruchpunkt V.) erklärt wurde und eine Frist für die freiwillige Ausreise mit 2 Wochen (Spruchpunkt VI.) festgesetzt wurde an das Bundesverwaltungsgericht.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 01.04.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, zu der trotz nachweislicher Ladung durch Hinterlegung im elektronischen Rechtsverkehr weder der Beschwerdeführer noch sein Rechtsvertreter erschienen. Das Erkenntnis W156 2239485-2/4Z, mit dem die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde, wurde mündlich verkündet und das Verhandlungsprotokoll samt mündlicher Verkündung der Rechtsvertretung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs am selben Tag zugestellt und dieser auch bekannt. Die übermittelte Niederschrift wurde entsprechend den internen Vorgaben ohne weiter Durchsicht abgelegt.

Am 19.04.2021 erhielt die Rechtsvertretung durch die Firma MANZ (webERV) eine E-Mail, in welcher mitgeteilt wurde, dass verschiedene Dokumente, so auch die gegenständliche Ladung aus technischen Gründen nicht an den Rechtsvertreter zugestellt wurde und diese nunmehr zur Abholung bereitsteht.

Die gekürzte Ausfertigung des Erkenntnisses, W156 2239485-2/5E, wurde der Rechtsvertretung am 22.04.2021 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs zugestellt.

Am 30.04.2021 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der mündlichen Verhandlung sowie in eventu betreffend die Frist zur Beantragung einer schriftlichen Ausfertigung des am 01.04.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses ein.

2. Beweiswürdigung:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensakt und ist unbestritten.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

Zu Spruchteil A)

Die Bestimmungen des VwGVG über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lauten wie folgt:

§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat, bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.

Höchstgerichtliche Judikatur:

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre die Auffassung, dass als "Ereignis" nicht nur tatsächliches, in der Außenwelt stattfindendes, sondern prinzipiell jedes, auch inneres, psychisches Geschehen, ein psychologischer Vorgang - einschließlich der "menschlichen Unzulänglichkeit" - anzusehen sei (vgl. VwSlg 10.325 A/1980; 13.353 A/1991; VwGH 27.01.1981, 11/0122/80, 16.01.1991, 89/01/0399; 17.11.1994, 94/09/0218; Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (2009), § 71 Rz 34).

Der Verwaltungsgerichtshof hat, ausgehend von der Deutung des Begriffes Ereignis, in jüngerer Zeit wiederholt die Auffassung vertreten, auch ein Rechtsirrtum könne als Wiedereinsetzungsgrund in Betracht kommen und es sei, wenn ein solcher Irrtum als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht wird, im Einzelfall die Verschuldensfrage zu prüfen (Hinweis E 12.12.1980, 2786/78, VwSlg 10325 A/1980, 3.12.1982, 82/08/0212, 25.9.1990, 90/07/0012, und 24.2.1992, 91/10/0251; B 3.9.1996, 96/04/0134, und 11.3.1998, 97/01/1099, 1100; E 2.7.1998, 97/06/0056, und B 13.1.1999, 98/01/0637). Diese Ansicht wird auch vom Obersten Gerichtshof zu § 146 ZPO vertreten (OGH 23.5.1996, 8 Ob A 2045/96k).

Diese Judikatur ist unzweifelhaft auch auf den gleichlautenden Begriff "unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis" in § 33 Abs. 1 Z 1 VwGVG, der erkennbar § 71 Abs. 1 Z 1 AVG nachgebildet ist, übertragbar.

Als Ereignis ist jedes Geschehen ohne Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen, auch ein Irrtum kann ein Ereignis sein. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden kann (VwSlg 9024 A). Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl. z.B. VwGH 07.06.2000, Zl. 99/01/0337).

Der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund muss bereits im Wiedereinsetzungsantrag bezeichnet und sein Vorliegen glaubhaft gemacht werden. Die Partei muss also jene Umstände, durch die sie an der Vornahme der Prozesshandlung gehindert wurde, konkret beschreiben. Glaubhaftmachung bedeutet, dass die Partei Beweismittel anbieten muss, durch die die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens des Wiedereinsetzungsgrundes dargetan wird. Es ist allein das Vorliegen des geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes zu prüfen. Eine amtswegig Prüfung, ob allenfalls weitere Gründe für eine Wiedereinsetzung vorliegen, ist nicht vorgesehen. Nach Ablauf der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag kann der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund auch nicht mehr ausgewechselt werden (VwGH 25.02.2003, 2002/10/0223).

Auf den Anlassfall bezogen:

Hinsichtlich des Vorbringens des Rechtsvertreters, wonach das mündlich verkündete Erkenntnis vom 01.04.2021 nicht als solches erkennbar zugestellt wurde, sondern am 01.04.2021 lediglich ein als „Niederschrift“ bezeichnetes Schriftstück beim Koordinationsbüro des Rechtsvertreters eingelangt wäre, ist anzuführen, dass dabei ausdrücklich angeführt wurde, dass eine genaue Durchsicht bzw. Prüfung nicht erfolgt wäre.

Somit ist hierbei jedenfalls von einem Fehler des Rechtsvertreters auszugehen.

Der VwGH führte dazu aus (vgl. Ra 2021/14/0054-6 vom 17.03.2021), dass das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei trifft, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Immer dann, wenn ein Fremder das als Vollmachtserteilung zu verstehende Ersuchen um Vertretung im Sinn des BFA-VG an die mit der Besorgung der Rechtsberatung betraute juristische Person richtet oder der juristischen Person schriftlich ausdrücklich Vollmacht erteilt, ist dem Fremden das Handeln des sodann von der juristischen Person konkret mit der Durchführung seiner Vertretung betrauten Rechtsberaters wie bei jedem anderen Vertreter zuzurechnen. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof bereits darauf hingewiesen, dass Rechtsberater das Anforderungsprofil gemäß § 48 Abs. 1 bis 3 BFA-VG erfüllen müssen. Damit ist bereits geklärt, dass es sich bei Rechtsberatern nicht um rechtsunkundige Personen handelt (vgl. jeweils VwGH 22.4.2020, Ra 2020/14/0139 bis 0141, mwN).

Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstelle, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (vgl. VwGH 10.7.2019, Ra 2019/14/0140, mwN).

Rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken kann ein Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung einer ansonsten verlässlichen Kanzleikraft überlassen. Solche Vorgänge sind etwa die Kuvertierung, die Beschriftung eines Kuverts oder die Postaufgabe, also manipulative Tätigkeiten (vgl. VwGH 19.9.2017, Ra 2017/20/0102, mwN). Auch die Zuordnung von einlangenden Schriftstücken zu Klienten ist als ein solcher rein technischer Vorgang anzusehen, der nicht ständig beaufsichtigt werden muss. Wenn allerdings in keiner Weise dargelegt wird, ob jemals eine Kontrolle der manipulativen Vorgänge im Kanzleibetrieb oder der Kanzleiangestellten erfolgte bzw. wie das diesbezügliche Kontrollsystem eingerichtet ist, kann von einer Organisation des Kanzleibetriebes, die eine fristgerechte Setzung von Vertretungshandlungen mit größtmöglicher Zuverlässigkeit sicherstellt, und von einer wirksamen Überwachung keine Rede sein. Fehlt es an einem diesbezüglichen Vorbringen, liegt jedenfalls kein bloß minderer Grad des Versehens vor (vgl. erneut VwGH 19.9.2017, Ra 2017/20/0102, mwN).

Fallgegenständlich ist aus dem Vorbringen im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht ersichtlich, ob oder wie die richtige Erfassung von gerichtlichen Schriftstücken kontrolliert wird, um einen allfälligen Fehler, wie er im vorliegenden Fall unterlaufen ist, aufdecken zu können. Daher ist bereits mangels einer Darlegung eines wirksamen Kontrollsystems bei dem Rechtsvertreter von einem nicht minderen Grad des Versehens auszugehen. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei gegenständlichen Fall nicht um den einzigen handle, in welchem die mündliche Verkündigung des Erkenntnisses in der Niederschrift der mündlichen Verhandlung enthalten ist. Es wäre ein leichtes Unterfangen gewesen, durch einen kurzen Blick in die Niederschrift, zu erkennen, dass dieses ebenso das mündlich verkündete Erkenntnis (beginnend ab Seite 4 der Verhandlungsniederschrift) enthalte, insofern laufen die Ausführungen des Rechtsvertreters, wonach das Schriftstück nicht als Erkenntnis „erkennbar“ zugestellt worden wäre, ins Leere. Es konnte daher nicht davon ausgegangen werden, dass im konkreten Fall lediglich ein minderer Grad des Versehens vorgelegen ist.

Der Rechtsvertreter brachte zudem von sich aus vor, dass die Niederschrift der mündlichen Verhandlung bereits am 01.04.2021 eingelangt ist und daher ab diesem Zeitpunkt der Rechtsvertretung bekannt war. Aus dieser Niederschrift ist ersichtlich, dass eine Verhandlung am 01.04.2021 im Abwesenheit des Rechtsvertreters und des Beschwerdeführers stattgefunden hätte, wodurch den Ausführungen des Rechtsvertreters, man hätte erst am 19.04.2021 Kenntnis von dem „anscheinend versäumten Verhandlungstermin“ erlangt, die Grundlage entzogen ist.

Ungeachtet dessen, sei darauf hinzuweisen, dass beim Rechtsvertreter – nachdem er bereits Kenntnis von der Niederschrift am 01.04.2021 erlangt hatte - die Möglichkeit einer Rückfrage beim Software-Anbieter des WebERV bestand und wäre eine solche Vorgehensweise von einem rechtskundigen Parteienvertreter auch zu erwarten gewesen.

In Anbetracht dieser Umstände war daher jedenfalls von auszugehen, dass am 01.04.2021 das Hindernis iSd § 33 Abs. 1 VwGVG weggefallen ist.

Die zweiwöchige Frist zur Erhebung eines Wiedereinsetzungsantrags gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG begann daher spätestens am 01.04.2021 zu laufen und endete die zweiwöchige Frist des § 33 Abz. 3 VwGVG am Donnerstag den 15.04.2021.

Am 29.04.2021 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung eingebracht. Da zu diesem Zeitpunkt die zweiwöchige Frist des § 33 Abs. 3 VwGVG abgelaufen war, war der Antrag auf Wiedereinsetzung verspätet und ist als verspätet zurückzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen trifft § 33 VwGVG eine klare Regelung, weshalb auch aus diesem Grund keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Frist Fristablauf Verschulden des Vertreters Verspätung Wiedereinsetzung Wiedereinsetzungsantrag Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W156.2239485.3.00

Im RIS seit

21.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten