TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/13 W236 2161815-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.10.2021
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Entscheidungsdatum

13.10.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W236 2161815-2/42E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Lena BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX alias XXXX ), geb. XXXX (alias XXXX alias XXXX ), StA. Somalia, vertreten durch BBU GmbH – Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.03.2020, Zl. 1031595105/180954696, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.10.2021 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis IV., VI. und VII. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft beträgt.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides wird insofern stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, auf sieben Jahre herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Dem Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen Somalias, wurde nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet und Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz am 17.09.2014 mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.05.2017, ZI. 14-1031595105/14982318, gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Somalia zuerkannt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter erteilt (verlängert mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.05.2018 bis zum 19.05.2020, da die Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vorlagen). Die gegen die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.10.2019, W159 2161815-1/19E, als unbegründet abgewiesen.

Begründend für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, dass der in Äthiopien aufgewachsene Beschwerdeführer aufgrund der äußerst prekären Lage in Somalia und Somaliland, wobei insbesondere auf die aktuellen Länderfeststellungen und die Hungersnot in Somalia zu verweisen sei, im Fall einer Rückkehr in eine ausweglose Lage geraten würde.

2. Infolge der Verurteilung des Beschwerdeführers durch ein österreichisches Landesgericht wegen unter anderem des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt, leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegen den Beschwerdeführer per 19.12.2919 ein Aberkennungsverfahren gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 ein.

3. Am 04.02.2020 wurde der Beschwerdeführer im Aberkennungsverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zusammengefasst an, dass die Verurteilung nicht stimme, er habe jemanden geschlagen, ihn aber nicht sehr tief geschlagen; er bereue es. Er wisse, dass er Fehler gemacht habe und verurteilt worden sei. Wenn er wieder freikomme, werde er eine Arbeit im Lager oder auf einer Baustelle suchen; er bereue, was er getan habe. Im Fall einer Rückkehr nach Somalia bekomme er Probleme, weil er dort keine Familie habe und fremd sei, sowie aufgrund der allgemeinen Lage in Somalia. In Österreich habe er Sprachkurse besucht. Er habe immer in einer Asylunterkunft gelebt und von dieser Geld erhalten.

4. Mit oben genanntem, gegenständlich angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.03.2020 wurde dem Beschwerdeführer der ihm mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.05.2017 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Die dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.05.2018 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Somalia sei gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 9 FPG unzulässig (Spruchpunkt VII.).

Begründend wird zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Österreich zweimal rechtskräftig verurteilt worden sei, davon einmal wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung, was den Tatbestand des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 erfülle. Der Beschwerdeführer schrecke nicht vor schweren körperlichen Übergriffen zurück und sei kurz darauf auch noch wegen Suchtmittelkriminalität, welche besonders gefährlich sei, verurteilt worden. Er gehe in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach und verfüge über keine sozialen Bindungen; es bestehe kein schützenswertes Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich. Aufgrund des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers in Österreich sei die Erlassung eines Einreiseverbotes in der Dauer von zehn Jahren gerechtfertigt und notwendig, um die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Es sei auch zum aktuellen Zeitpunkt davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer aufgrund der aktuellen Versorgungslage in Somalia einer realen Gefahr ausgesetzt wäre; eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia sei daher unzulässig.

5. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am 04.05.2020 Beschwerde in vollem Umfang erhoben.

Begründend wird im Wesentlichen vorgebracht, dass keine ausreichende individualisierte Gefährdungsprognose stattgefunden habe, sondern die belangte Behörde ihre diesbezügliche Beurteilung primär auf die beiden Verurteilungen des Beschwerdeführers stütze. Es sei seitens der belangten Behörde keine Auseinandersetzung damit erfolgt, ob es sich bei den vom Beschwerdeführer verübten Straftaten um objektiv und subjektiv besonders schwerwiegende Straftaten handle; eine genauere Betrachtung der über den Beschwerdeführer verhängten Strafen wäre notwendig gewesen. So werde bei beiden Verurteilungen die Höchststrafe bei weitem nicht erreicht. Die belangte Behörde lasse außerdem völlig außer Acht, dass der Beschwerdeführer seit seiner frühen Kindheit nicht mehr in Somalia gewesen sei und sich seit dem Jahr 2014 in Österreich aufhalte; das Interesse des Beschwerdeführers an einer Aufrechterhaltung seines Privat- und Familienlebens in Österreich überwiege die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen.

6. Ebenso am 04.05.2020 beantragte der Beschwerdeführer die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs. 1 iVm Abs. 4 AsylG 2005. Das diesbezügliche Verlängerungsverfahren wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.05.2020 gemäß § 38 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, zur Klärung der Vorfrage, ob dem Beschwerdeführer weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zustehe, ausgesetzt.

7. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.06.2021 wurde die gegenständliche Rechtssache der bis dahin zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

8. Am 06.10.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Somalisch und eines Vertreters des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie (jeweils via Videokonferenz aus der Justizanstalt, in welcher der Beschwerdeführer derzeit angehalten wird) des Beschwerdeführers und dessen Rechtsvertretung statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Lebensumständen in Österreich, seinen strafrechtlichen Verurteilungen und seinen Rückkehrbefürchtungen in Bezug auf Somalia befragt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage des Verwaltungsaktes der belangten Behörde, des Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, des Verwaltungsaktes (14-1031595105/14982318) sowie des Gerichtsaktes (2161815-1) betreffend das Asylverfahren des Beschwerdeführers und Einsichtnahmen in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister, das Grundversorgungs-Informationssystem und das Strafregister sowie insbesondere auf Grundlage der am 06.10.2021 durchgeführten mündlichen Beschwerdeverhandlung werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zum Verfahrensgang:

Dem Beschwerdeführer wurde nach Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz am 17.09.2014 mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.05.2017, ZI. 14-1031595105/14982318, gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Somalia zuerkannt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter erteilt (verlängert mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.05.2018 bis zum 19.05.2020, da die Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vorlagen). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der in Äthiopien aufgewachsene Beschwerdeführer aufgrund der äußerst prekären Lage in Somalia und Somaliland, wobei insbesondere auf die aktuellen Länderfeststellungen und die Hungersnot in Somalia zu verweisen sei, im Fall einer Rückkehr in eine ausweglose Lage geraten würde.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.03.2020 wurde dem Beschwerdeführer der ihm mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.05.2017 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Die dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.05.2018 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Somalia sei gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 9 FPG unzulässig. Die Aberkennung wird im Wesentlichen mit der (unter anderem) Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB begründet, aufgrund welcher der Tatbestand des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 erfüllt sei.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am 04.05.2020 Beschwerde in vollem Umfang erhoben.

Am 06.10.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Somalisch und eines Vertreters des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie (jeweils via Videokonferenz aus der Justizanstalt, in welcher der Beschwerdeführer derzeit angehalten wird) des Beschwerdeführers und dessen Rechtsvertretung statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Lebensumständen in Österreich, seinen strafrechtlichen Verurteilungen und seinen Rückkehrbefürchtungen in Bezug auf Somalia befragt wurde.

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt die im Kopf dieser Entscheidung genannten Personalien; seine Identität steht nicht fest. Er ist somalischer Staatsangehöriger.

Der Beschwerdeführer ist in Afgooye in Somalia geboren, aber in Äthiopien in der Ogadenregion in einem somalisch geprägten Umfeld aufgewachsen. Er erhielt in Äthiopien grundlegende Schulbildung, wobei der Unterricht auf Somalisch stattfand, beherrscht Somalisch in Wort und Schrift und ist mit den gesellschaftlichen und kulturellen Gebräuchen Somalias vertraut.

Seit seiner Einreise nach Österreich im September 2014 lebt der Beschwerdeführer durchgehend in Österreich. Er besuchte Deutschkurse; eine Prüfung absolvierte er nicht. Er kann sich auf Deutsch auf einfachem Niveau verständigen. Der Beschwerdeführer war von 18.02.2019 bis 08.03.2019 und von 26.08.2020 bis 21.09.2020 als Arbeiter zur Sozialversicherung gemeldet; abgesehen davon bestritt er seinen Lebensunterhalt in Österreich durch den Bezug von Sozialleistungen. Der Beschwerdeführer lebte stets in Asylunterkünften und Obdachloseneinrichtungen. Er verfügt in Österreich über keine engeren sozialen Anknüpfungspunkte und keine familiären Bindungen.

Der Beschwerdeführer ist gesund. Er nimmt Schlaftabletten und Beruhigungstabletten, weil er in der Strafhaft Stress empfindet.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich viermal rechtskräftig strafrechtlich verurteilt:

1.       Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 24.01.2019, XXXX (iVm Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX vom 02.07.2019, XXXX ), wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren (verlängert auf fünf Jahre mit Entscheidung des Landesgerichtes XXXX vom 06.05.2021, XXXX ), verurteilt.

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beschwerdeführer fügte am 19.08.2018 dem M. H. absichtlich eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) zu, indem er ein einschneidiges Werkzeug in der Hand haltend einen Schlag gegen dessen rechte Hals-/Kieferregion führte, wobei die Tat eine ca. 1 cm lange und 9 mm tiefe Stich-/Schnittwunde im Bereich der rechten Hals-/Kieferregion sowie den Bruch eines Backenzahnes linksseitig, verbunden mit einer 24 Tage übersteigenden Gesundheitsbeeinträchtigung zur Folge hatte. Weiter beschädigte er am 06.07.2018 einen Teil der Glasfassade eines Lokals, indem er gegen diese trat, wobei ein Schaden in Höhe von € 1.196,40 zum Nachteil des A. E. entstand.

Bei der Strafzumessung wurden vom Landesgericht mildernd der bisherige ordentliche Lebenswandel, die teilweise geständige Verantwortung zur absichtlich schweren Körperverletzung und die vollständig geständige Verantwortung zur Sachbeschädigung, die Provokation durch das Opfer sowie die eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit infolge Alkoholisierung gewertet, erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen. Das Oberlandesgericht führte dazu aus, dass die Tatbegehung während eines bereits anhängigen Verfahrens zwar keinen eigenen Erschwerungsgrund darstelle, aber als allgemeiner aggravierender Strafzumessungsaspekt nicht unberücksichtigt bleiben könne. Die Tatverübung – der Beschwerdeführer habe dem M. H. im Zuge des Nachgehens von hinten einen gezielten Faustschlag gegen den Hals-/Kieferbereich versetzt und währenddessen ein einschneidiges Werkzeug in der Hand gehalten – sei durchaus heimtückisch. Weiters könne hinsichtlich der absichtlichen schweren Körperverletzung nicht von einer teilweisen geständigen Verantwortung des Beschwerdeführers im Sinn eines beachtenswerten Milderungsgrundes ausgegangen werden, weil der Beschwerdeführer nur einen Faustschlag eingeräumt, die Verwendung eines einschneidigen Werkzeugs aber bestritten und sich zur inneren Tatseite nicht näher ausgelassen habe; dieses geringe Tatsachengeständnis stelle keinen Milderungsgrund dar. Schließlich könne die Alkoholisierung nur für die chronologisch erste Tat der Sachbeschädigung mildernd berücksichtigt werden, da der Beschwerdeführer spätestens seit diesem Zeitpunkt um seine erhöhte Neigung zur Delinquenz im alkoholisierten Zustand habe wissen müssen. In Anbetracht dieser korrigierten besonderen Strafzumessungsgründe, des Tatunrechts der abgeurteilten Taten sowie der hohen personalen Täterschuld sei die vom Landesgericht verhängte Strafe (18 Monate bedingt) zu milde und nicht tätergerecht ausgefallen und auf zwei Jahre anzuheben. Zwar würden spezial- und generalpräventive Erwägungen bei dem bisher unbescholtenen Beschwerdeführer, der erst kurz vor den abgeurteilten Taten das 21. Lebensjahr vollendet habe, nicht den Ausspruch einer zur Gänze unbedingten Freiheitsstrafe erfordern, wohl aber in Anwendung des § 43a Abs. 3 StGB eines unbedingten Teils von acht Monaten.

2.       Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 21.01.2020, XXXX , wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall Suchtmittelgesetz (SMG), BGBl. I Nr. 112/1997, zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beschwerdeführer verkaufte dem E. A. und Unbekannten zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum von September 2017 bis 14.10.2019 THC-haltiges Cannabiskraut in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) nicht übersteigenden, nicht näher bestimmbaren Menge gewinnbringend.

Bei der Strafzumessung wurden mildernd das Alter des Beschwerdeführers teilweise unter 21 Jahren, erschwerend die einschlägige Vorstrafe, die vielfache Wiederholung der Vergehen und der rasche Rückfall gewertet.

3.       Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 05.03.2021, XXXX , wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen der Vergehen des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB, des Diebstahls nach § 127 StGB, der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt.

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beschwerdeführer nahm am 13.11.2020 dem D. K. einen Rucksack und eine Jacke unerhobenen Wertes weg, um sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Den im Rucksack befindlichen Personalausweis des D. K. unterdrückte er; den Haustürschlüssel des D. K. entzog er aus dessen Gewahrsam. Weiters versuchte er am 17.11.2020, dem Verfügungsberechtigten eines Lebensmittelgeschäftes eine Flasche Whiskey im Wert von 22,99 Euro wegzunehmen, um sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Bei der Strafzumessung wurden mildernd der Versuch hinsichtlich der letzten Straftat, erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Straftaten, der rasche Rückfall, die Begehung innerhalb der Probezeit und die einschlägige Vorbestrafung gewertet.

4.       Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 06.05.2021, XXXX , wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen der Vergehen der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten nach § 178 StGB, des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und nach § 27 Abs. 2a zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beschwerdeführer erwarb und besaß am oder kurz vor dem 03.12.2020 THC-haltiges Cannabiskraut durch Kauf von zumindest 9,22 Gramm bei einem Unbekannten bis zum Verkauf an D. F. am 03.12.2020. Der Beschwerdeführer verkaufte dem D. F. am 03.12.2020 um 15:10 Uhr öffentlich in dem zu dieser Zeit stark frequentierten Bereich einer öffentlichen Verkehrsfläche und eines allgemein zugänglichen Orts 9,3 Gramm THC-haltiges Cannabiskraut um 120,00 Euro. Weiters verließ er am 18.03.2018 seine Unterkunft und entfernte sich von dieser, um spazieren zu gehen, obwohl er am 12.03.2021 positiv auf COVID-19 getestet und mit Bescheid vom selben Tag seine Absonderung verfügt worden war, und spuckte in der Folge zwei Polizeibeamte bewusst an. Der Beschwerdeführer versetzte diesen beiden Polizeibeamten (P1 und P2) außerdem, nachdem er festgenommen worden war, gezielt Tritte, wobei P2 auch getroffen wurde, versuchte, sich aus deren Festhaltegriffen loszureißen, führte gezielte Faustschläge in Richtung des Gesichtes von P2 aus und versuchte, P1 in dessen linke Hand zu beißen.

Bei der Strafzumessung wurden mildernd das teilweise Geständnis, das Alter im Zweifel unter 21 Jahren und der Umstand, dass es hinsichtlich des Widerstands gegen die Staatsgewalt beim Versuch blieb, erschwerend die einschlägige Vorstrafenbelastung, der rasche Rückfall, das Zusammentreffen von vier Vergehen und die Begehung während eines anhängigen Verfahrens gewertet.

Der Beschwerdeführer befand sich von 14.01.2020 bis 13.07.2020 bzw. befindet sich seit 18.03.2021 in Strafhaft. Der Beschwerdeführer wurde seit seiner Anhaltung in Strafhaft wiederholt gemäß § 116 Abs. 2 Strafvollzugsgesetz (StVG), BGBl. Nr. 144/1969, aufgrund der Begehung von Ordnungswidrigkeiten von den übrigen Strafgefangenen abgesondert, um die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt aufrechtzuerhalten.

Der Beschwerdeführer ist bezüglich seiner Straftaten nicht voll schuldeinsichtig, bereut diese aber teilweise und möchte nach seiner Haftentlassung eine Therapie machen, um nicht wieder rückfällig zu werden.

1.3. Zur Situation des Beschwerdeführers in Somalia und der dort herrschenden Lage:

Eine entscheidungswesentliche Änderung des für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblichen Sachverhalts ist weder im Hinblick auf die individuellen Umstände des Beschwerdeführers im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat noch in Bezug auf die allgemeine Lage in Somalia eingetreten. Der Beschwerdeführer wäre von der schwierigen Situation in Somalia, insbesondere der schlechten Versorgungslage, zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt nicht wesentlich weniger intensiv betroffen, als mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.05.2017 festgestellt.

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderberichten (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Somalia, Version 1) wiedergegeben:


„Grundversorgung/Wirtschaft

Süd-/Zentralsomalia, Puntland

Grundversorgung und humanitäre Lage

Letzte Änderung: 30.03.2021

Die humanitären Bedürfnisse bleiben weiter hoch, angetrieben vom anhaltenden Konflikt, von politischer und wirtschaftlicher Instabilität und regelmäßigen Klimakatastrophen sowie der dreifachen Belastung durch Covid-19, Heuschrecken und Überflutungen (UNSC 13.11.2020, Abs.50; vgl. UNSC 17.2.2021, Abs.54). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist in weiten Landesteilen nicht gewährleistet. Periodisch wiederkehrende Dürreperioden mit Hungerkrisen wie auch Überflutungen, zuletzt auch die Heuschreckenplage, die äußerst mangelhafte Gesundheitsversorgung sowie der mangelhafte Zugang zu sauberem Trinkwasser und das Fehlen eines funktionierenden Abwassersystems machen Somalia zum Land mit dem fünftgrößten Bedarf an internationaler Nothilfe weltweit (AA 2.4.2020, S.4/21). Covid-19 hat die bereits bestehende Krise nur noch verschlimmert. Es fügt sich ein in die Krisen der schlimmsten Heuschreckenplage seit 25 Jahren, schweren Überflutungen mit zeitweise 650.000 Vertriebenen, dem mancherorts andauernden Konflikt und vorangehenden Jahren der Dürre. Insgesamt gelten rund 2,6 Millionen Menschen als im Land vertrieben, 3,5 Millionen können auch nur die grundlegendste Nahrungsversorgung nicht sicherstellen (DEVEX 13.8.2020). Die Aussicht für das Jahr 2021 ist düster, die Gesamtzahl der auf Hilfe angewiesenen Menschen wird von 5,2 Millionen im Jahr 2020 auf 5,9 Millionen steigen (UNSC 17.2.2021, Abs.60).

Seit dem Jahr 2000 hat Somalia 19 schwere Überschwemmungen und 17 Dürren durchgemacht. Das ist dreimal so viel wie im Zeitraum 1970-1990. Im Jahr 2017 stand Somalia nach einer schweren Dürre am Rand einer Hungersnot. 2019 gab es nach einer ungewöhnlichen Gu-Regenzeit die schlechteste Ernte seit der Hungersnot im Jahr 2011 (UNSOM 31.1.2021).

Überschwemmungen: Schon im Zuge der überaus positiv ausgefallenen Deyr-Regenzeit (September-Dezember) 2019 kam es in HirShabelle, Jubaland und dem SWS zu Überschwemmungen. Besonders betroffen war Belet Weyne. 570.000 Menschen waren betroffen, 370.000 mussten ihre Häuser verlassen. Humanitäre Organisationen haben mehr als 350.000 Menschen Unterstützung geleistet (UNSC 13.2.2020, Abs.60f). Doch auch die Gu-Regenzeit (April-Juni) 2020 sorgte für Überschwemmungen. Erneut waren in 39 Bezirken 1,3 Millionen Menschen betroffen, ca. 500.000 wurden vertrieben (UNSC 13.8.2020, Abs.64). Bei saisonalen Überflutungen im September 2020 wurden erneut 630.000 Menschen vertrieben (UNSC 13.11.2020, Abs.53). Dies betraf v. a. die Bezirke Merka, Afgooye, Balcad, Jowhar und Jalalaqsi (PGN 10.2020, S.9).

Bei den Überschwemmungen im April-Juni 2020 wurden Felder zerstört (UNSC 13.8.2020, Abs.64). Im September 2020 wurden bei Überschwemmungen mehr als 1.320 Quadratkilometer bewirtschaftetes Land verwüstet (UNSC 13.11.2020, Abs.53). Insgesamt wurden 2020 alleine im Bundesstaat HirShabelle fast 1.500 Quadratkilometer Ackerland zerstört (HIPS 2021, S.18).

Heuschrecken: Im Jahr 2020 war Somalia von der größten Heuschreckenplage seit 25 Jahren betroffen, die Bundesregierung rief den nationalen Notstand aus (BBC 2.2.2020; vgl. UNSC 13.2.2020, Abs.65). Zumindest Anfang 2020 blieben die durch Heuschrecken verursachten Schäden begrenzt und lokal (FSNAU 3.2.2020c). Die damals am meisten betroffenen Gebiete waren Somaliland, Puntland und Galmudug (UNSC 13.2.2020, Abs.65). Die Gu-Regenfälle 2020 haben dafür gesorgt, dass die Heuschrecken erneut ideale Brutbedingungen vorfinden. Die FAO und die Regierung hatten vorsorglich 437 Quadratkilometer mit Bio-Pestiziden besprühen lassen (UNSC 13.8.2020, Abs.65). Später im Jahr wurden neuerlich 396 Quadratkilometer in Somaliland, Puntland und Galmudug besprüht. Damit wurden rund 90.000 Tonnen Nahrung gesichert. Luft- und Bodenoperationen gegen die Plage werden fortgesetzt (UNSC 13.11.2020, Abs.55). Trotzdem hat sich die Plage auch in die zentralen und südlichen Landesteile verbreitet. Insgesamt sind rund 3.000 Quadratkilometer und 700.000 Menschen betroffen. Humanitäre Organisationen unterstützten 25.900 agro-pastorale Haushalte, davon rd. 7.500 mit Geld (UNSC 17.2.2021, Abs.56). Jedenfalls werden die Heuschrecken noch bis mindestens Mitte 2021 eine ernste Bedrohung für Weide und Ernte darstellen (FEWS 4.2.2021). Anfang Feber 2021 wurde dann auch von der somalischen Regierung ein diesbezüglicher Notstand ausgerufen. Diesmal betrifft die Plage eher den Süden des Landes (AAG 4.2.2021).

Regenfälle: Die Deyr-Regenzeit 2020 (Oktober-Dezember) setzte um drei bis vier Wochen zu spät ein. Insgesamt blieb Deyr unterdurchschnittlich – und dies v. a. in den meisten Gebieten Nordsomalias (IPC 3.2021, S.2). Dort herrscht leichte bis moderate Dürre. Vor allem die Regionen Sanaag, Bari, Nugaal und Mudug sind von Wassermangel betroffen (FAO 1.3.2021). In Zentralsomalia fiel mehr Regen als üblich (IPC 3.2021, S.2). Trotzdem wird für 2021 eine Dürre erwartet (UNSC 13.11.2020, Abs.96). Im November 2020 hat der Zyklon Gati Puntland getroffen und auch Teile Somalilands erreicht. Dies war der stärkste Zyklon in der Region, seit es Aufzeichnungen gibt. Der Zyklon brachte doppelt so starke Niederschläge, wie in einem Jahr durchschnittlich üblich. Dutzende puntländische Ortschaften und auch ein Teil von Bossaso wurden überschwemmt (PGN 2.2021, S.5f). Infrastruktur, Häuser und 120 Fischerboote wurden beschädigt oder zerstört, 7.500 Stück Vieh getötet (USAID 8.1.2021, S.2). 120.000 Menschen waren betroffen, 42.000 wurden temporär vertrieben. 78.000 Betroffenen wurde von humanitären Organisationen Hilfe geleistet (UNSC 17.2.2021, Abs.55).

Ernte: In Südsomalia wird die Ernte nach der Deyr-Regenzeit um 20% niedriger ausfallen, als üblich. Im Norden viel die Gu/Karan-Ernte im November 2020 um 58% niedriger aus, als im langjährigen Durchschnitt. Die Heuschreckenplage hat signifikant zum Ernterückgang beigetragen (IPC 3.2021, S.2; vgl. FEWS 4.2.2021).

Armut: Rund 77 % der Bevölkerung müssen mit weniger als 1,9 US-Dollar pro Tag auskommen – insbesondere in ländlichen Gebieten und IDP-Lagern (ÖB 3.2020, S.14; vgl. BS 2020, S.22). Nach anderen Angaben leben 69% der Bevölkerung in Armut (HIPS 2020, S.14), nach wieder anderen Angaben sind es 73 %. 43 % werden als extrem arm eingestuft (SIDRA 6.2019a, S.5). Es gibt viele IDPs und Kinder, die auf der Straße leben und arbeiten (USDOS 11.3.2020, S.34). Generell sind somalische Haushalte aufgrund von Naturkatastrophen, Epidemien, Verletzung oder Tod für Notsituationen anfällig. Mangelnde Bildung, übermäßige Abhängigkeit von landwirtschaftlichem Einkommen, hohe Arbeitslosigkeit, geringer Wohlstand und große Haushaltsgrößen tragen weiter dazu bei (ÖB 3.2020, S.14). 60 % der Somali sind zum größten Teil von der Viehzucht abhängig, 23% sind Subsistenz-Landwirte (OXFAM 6.2018, S.4). Zwei Drittel der Bevölkerung leben im ländlichen Raum. Sie sind absolut vom Regen abhängig. In den vergangenen Jahren haben Frequenz und Dauer von Dürren zugenommen. Deswegen wurde auch die Kapazität der Menschen, derartigen Katastrophen zu begegnen, reduziert. Mit jeder Dürre wurden ihre Vermögenswerte reduziert: Tiere starben oder wurden zu niedrigen Preisen verkauft, Ernten blieben aus; es fehlt das Geld, um neues Saatgut anzuschaffen (TG 8.7.2019).

Versorgungslage / IPC: [IPC = Integrated Phase Classification for Food Security; 1-moderat bis 5-Hungersnot] Die Zahl an Menschen, die in ganz Somalia stark oder sehr stark von Lücken in der Nahrungsmittelversorgung betroffen sind (IPC 3 und höher), ist von 1,3 Millionen Anfang 2020 (FSNAU 3.2.2020c) auf 1,6 Millionen Anfang 2021 angewachsen. Weitere 2,5 Millionen Menschen leiden ebenfalls an Problemen bei der Nahrungsmittelversorgung (IPC 2) (IPC 3.2021, S.2).

Die meisten ländlichen Gebiete fallen im Zeitraum Jänner-März 2021 unter IPC 2, jene in den Regionen [geographische Einteilung nach IPC] Togdheer agro-pastoral, East Golis pastoral (Sanaag) und Coastal Deeh pastoral sowie Middle Shabelle riverine und Lower Juba riverine fallen in IPC 3. Dahingegen befinden sich Southern Inland pastoral (Hiiraan, Shabelle, Bakool, Bay und Juba) sowie Juba Cattle pastoral in IPC 1. Die meisten armen Stadtbewohner („urban poor“) sowie IDPs finden sich in IPC 2; die IDPs in Burco, Laascaanood, Bossaso, Garoowe, Qardho und Baidoa in IPC 3 (IPC 3.2021, S.2).

Szenario für April-Juni 2021 – wohlgemerkt bei ausbleibender humanitärer Hilfe: Während die städtische Bevölkerung (Ausnahme Kismayo bei IPC 3) und die meisten ländlichen Gebiete weitgehend in IPC 2 verharren werden, finden sich die meisten IDPs sowie einige über ganz Somalia verteilte, ländliche Gebiete in IPC 3 wieder. Lediglich Southern Inland pastoral (Teile von Hiiraan, Lower und Middle Shabelle, Bakool, Bay sowie Lower und Middle Juba) bleiben in IPC 1 (IPC 3.2021, S.3). Insgesamt wären dann 2,7 Millionen Menschen in ganz Somalia von IPC 3 oder IPC 4 sowie 2.9 Millionen von IPC 2 betroffen (FEWS 4.2.2021).

Die Mehrheit der IDPs in städtischen Gebieten sind arm und haben nur eingeschränkte Reserven und Einkommensmöglichkeiten. Sie sind stark von externer humanitärer Hilfe abhängig. Sie, sowie Teile der armen Stadtbevölkerung (urban poor) werden bis Mitte 2021 vor moderaten bis großen Lücken bei der Nahrungsmittelversorgung stehen (FEWS 4.2.2021). Gedo ist Anfang 2021 schwer getroffen, es mangelt an Wasser und Weide. Die Krise wird durch den ungelösten Konflikt zwischen der Regierung von Jubaland und der Bundesregierung verstärkt (Sahan 1.3.2021a). Auch aus Puntland kommen Meldungen zur Dürre - 124.000 Familien waren dort Anfang März akut von Nahrungs- und Wassermangel betroffen (RE 10.3.2021).

[…]

Humanitäre Hilfe:

Ein von der Bundesregierung und Hilfsorganisationen neu aufgelegter Somalia Humanitarian Response Plan (HRP) hat drei Millionen Menschen notwendige lebenserhaltende Unterstützung zukommen lassen (UNOCHA 6.2.2020, S.1). Die Kosten werden mit über einer Milliarde US-Dollar beziffert (UNOCHA 6.2.2020, S.1; vgl. UNSC 13.2.2020, Abs.67). Alleine im Mai 2020 erreichte die Nahrungsmittelhilfe 2,3 Millionen von auf Hilfe angewiesene Personen; im Juni waren es 1,8 Millionen (UNSC 13.8.2020, Abs.63). Hilfe erreichte im Dezember 2020 rund 2,3 Millionen Menschen (UNSC 17.2.2021, Abs.59). Im Zeitraum Juli-Dezember 2020 erreichten humanitäre Organisationen durchschnittlich 1,8 Millionen Menschen pro Monat mit Nahrungsmittelhilfe (IPC 3.2021, S.3). Diese Hilfe hat stärkere Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung und eine höhere Rate an Unterernährung verhindert (FEWS 4.2.2021). Für Mogadischu gibt es ein spezielles Sicherheitsnetz, das von der Regierung gemeinsam mit dem World Food Programme betrieben wird. Dieses erreicht seit Juli 2018 monatlich 125.000 Menschen (IPC 3.2021, S.3).

Die humanitäre Unterstützung für Somalia ist eine der am besten finanzierten humanitären Maßnahmen weltweit (RI 12.2019, S.16). Alleine die USA geben in den Jahren 2020 und 2021 mehr als einen halbe Milliarde US-Dollar dafür aus (USAID 8.1.2021, S.1). Hilfsprojekte von internationalen Organisationen oder NGOs erreichen in der Regel nicht alle Bedürftigen. Allerdings kann aufgrund großer internationaler humanitärer Kraftanstrengungen und einer zunehmenden Professionalisierung der humanitären Hilfe bei den regelmäßig wiederkehrenden Dürren sowie Überschwemmungen inzwischen weitgehend verhindert werden, dass es zu Hungertoten kommt (AA 2.4.2020, S.21). Laut UN-Generalsekretär sind die Spitzen bei der Notwendigkeit humanitärer Hilfe in Somalia schon zur Routine geworden (UNSC 13.11.2020, Abs.96). In der Regel erreichen humanitäre Organisationen die Menschen. Im November 2020 hatten Organisationen der Nahrungsmittelhilfe beispielsweise die Erreichung von 2,1 Millionen Menschen angestrebt; erreicht wurden schließlich 1,9 Millionen. Aufgrund von Behinderungen beim Zugang zu den Menschen konnten in diesem Monat etwa nur 3% der Menschen in Middle Shabelle und niemand in Middle Juba erreicht werden. In Benadir konnten – aufgrund von Finanzierungsausfällen – nur 22% erreicht werden. Im Kampf gegen Unterernährung stoßen die Organisationen auf Probleme bei der Erreichbarkeit von Menschen in Middle Juba, dem Bezirk Tayeeglow (Bakool), Sablaale (Lower Shabelle) und Adan Yabaal (Middle Shabelle) (UNOCHA 27.1.2021, S.3ff).

Insgesamt nutzen rund 70% der Bevölkerung mobile Bankdienste, ein Drittel der Menschen haben mobile Konten (BS 2020, S.26). Aufgrund von Covid-19 hat z.B. die Hilfsorganisation CARE ihre work-for-cash-Programme ausgesetzt. Als Ersatz wird Hilfsbedürftigen das Geld auch ohne Arbeit auf ihr Mobiltelefon überwiesen. 84.000 Menschen nehmen dies in Anspruch. Die Europäische Kommission hat aufgrund der Heuschreckenplage weitere 5,8 Millionen Euro für Geldtransfers an Betroffene zur Verfügung gestellt (DEVEX 13.8.2020).

[…]

Außerhalb urbaner Zentren ist der Zugang zu manchen Bezirken nur eingeschränkt möglich – v.a. wegen der Unsicherheit entlang von Versorgungsrouten (UNSC 17.2.2021, Abs.58). Al Shabaab und andere nichtstaatliche Akteure behindern die Leistung humanitärer Hilfe und die Lieferung von Hilfsgütern an vulnerable Bevölkerungsteile – speziell in Süd-/Zentralsomalia (USDOS 11.3.2020, S.14; vgl. UNSC 17.2.2021, Abs.58). In Bakool hat sich die humanitäre Lage aufgrund von Unsicherheit, Drohungen und einer Blockade drastisch verschlechtert. Der Zugang für humanitäre Organisationen ist beschränkt (UNOCHA 1.2021, S.3). Im Kampf gegen Unterernährung stoßen die Organisationen auf Probleme bei der Erreichbarkeit von Menschen in Middle Juba, dem Bezirk Tayeeglow (Bakool), Sablaale (Lower Shabelle) und Adan Yabaal (Middle Shabelle) (UNOCHA 27.1.2021, S.3ff). Es kam außerdem zur Plünderung humanitärer Hilfsgüter durch al Shabaab (USDOS 11.3.2020, S.14). Alleine im Zeitraum August-November 2020 kam es zu 44 gewaltsamen Zwischenfälle mit Auswirkungen auf humanitäre Organisationen. Dabei kamen zwei Mitarbeiter ums Leben, einer wurde verletzt (UNSC 13.11.2020, Abs.57). Rund ein Drittel des Landes ist für humanitäre Kräfte nur schwer erreichbar (UNSC 13.5.2020, Abs.64).

Gesellschaftliche Unterstützung: Es gibt kein öffentliches Wohlfahrtssystem (BS 2020, S.29), keinen sozialen Wohnraum und keine Sozialhilfe (AA 2.4.2020, S.21). Soziale Unterstützung erfolgt entweder über islamische Wohltätigkeitsorganisationen, NGOs oder den Clan. Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie Armutsminderung liegen im privaten Sektor (BS 2020, S.29). Das eigentliche soziale Sicherungsnetz ist die erweiterte Familie, der Subclan oder der Clan. Sie bieten oftmals für Personen, deren Unterhalt und Überleben in Gefahr ist, zumindest einen rudimentären Schutz (AA 2.4.2020, S.21; vgl. OXFAM 6.2018, S.11f; BS 2020, S.29). Eine weitere Hilfestellung bieten Remissen aus dem Ausland (BS 2020, S.29). Remissen sind im Zuge der Covid-19-Pandemie zurückgegangen. Eine Erhebung im November und Dezember 2020 hat gezeigt, dass 22% der städtischen, 12% der ländlichen und 6% der IDP-Haushalte Remissen beziehen. Die Mehrheit der Empfänger berichtete von Rückgängen von über 10% (IPC 3.2021, S.2).

Generell stellt in Krisenzeiten (etwa Hungersnot 2011 und Dürre 2016/17) die Hilfe durch Freunde oder Verwandte die am meisten effiziente und verwendete Bewältigungsstrategie dar. Neben Familie und Clan helfen also auch andere soziale Verbindungen – seien es Freunde, geschlechtsspezifische oder Jugendgruppen, Bekannte, Berufsgruppen oder religiöse Bünde. Meist ist die Unterstützung wechselseitig. Über diese sozialen Netzwerke können auch Verbindungen zwischen Gemeinschaften und Instanzen aufgebaut werden, welche Nahrungsmittel, medizinische Versorgung oder andere Formen von Unterstützung bieten. Auch für IDPs stellen solche Netzwerke die Hauptinformationsquelle dar, wo sie z.B. Unterkunft und Nahrung finden können (DI 6.2019, S.15ff). Generell ist es auch üblich, Kinder bei engen oder fernen Verwandten unterzubringen, wenn eine Familie diese selbst nicht erhalten kann (SIDRA 6.2019b, S.4). 22% der bei einer Studie befragten IDP-Familien haben Kinder bei Verwandten, 28% bei institutionellen Pflegeeinrichtungen (7%) untergebracht. Weitere 28% schicken Kinder zum Essen zu Nachbarn (OXFAM 6.2018, S.11f).

In der somalischen Gesellschaft – auch bei den Bantu – ist die Tradition des Austauschs von Geschenken tief verwurzelt. Mit dem traditionellen Teilen werden in dieser Kultur der Gegenseitigkeit bzw. Reziprozität Verbindungen gestärkt. Folglich wurden auch im Rahmen der Dürre 2016/17 die über Geldtransfers zur Verfügung gestellten Mittel und Remissen mit Nachbarn, Verwandten oder Freunden geteilt – wie es die Tradition des Teilens vorsah (DI 6.2019, S.20f). Selbst Kleinhändlerinnen in IDP-Lagern, die ihre Ware selbst nur auf Kredit bei einem größeren Geschäft angeschafft haben, lassen anschreiben und streichen manchmal die Schulden von noch ärmeren Menschen (RE 19.2.2021). Die hohe Anzahl an IDPs zeigt aber, dass manche Clans nicht in der Lage sind, der Armut ihrer Mitglieder entsprechend zu begegnen. Vor allem, wenn Menschen in weit von ihrer eigentlichen Clanheimat entfernte Gebiete fliehen, verlieren sie zunehmend an Rückhalt und setzen sich größeren Risiken aus. Eine Ausnahme davon bilden Migranten, die ihren Familien und Freunden mit Remissen helfen können (DI 6.2019, S.12).

Rückkehrspezifische Grundversorgung

Letzte Änderung: 30.03.2021

Einkommen: Rund die Hälfte der vom UNHCR seit 2014 bei ihrer Rückkehr nach Somalia unterstützten Haushalte geben an, nicht über genügend Einkommen zu verfügen. Für 24% stellt humanitäre Hilfe das Haupteinkommen dar. 48% sind von Einkommen aus Taglöhnerarbeit oder Kleinhandel abhängig, 15% betätigen sich als Landwirte. Insgesamt leben von diesen Rückkehrern nur 19% in IDP-Lagern (UNHCR 12.2019). Nach anderen Angaben ist Somalia auf eine Rückkehr von Flüchtlingen in großem Ausmaß nicht vorbereitet, und es kann davon ausgegangen werden, dass sich erheblicher Teil der Rückkehrer als IDPs wiederfinden wird (ÖB 3.2020, S.14). Arbeitslose Rückkehrer im REINTEG-Programm (siehe unten) berichten über mangelnde Möglichkeiten; über eingeschränkte Erfahrungen, Fähigkeiten und Informationen über den Arbeitsmarkt. Nur 30% der REINTEG-Rückkehrer sind mit ihrer ökonomischen Situation zufrieden, viele klagen über niedriges Einkommen und lange Arbeitsstunden (IOM 3.12.2020). Dabei ist wirtschaftliche Unabhängigkeit für viele Rückkehrer im REINTEG-Programm ein Hauptthema. Viele von ihnen sind diesbezüglich Druck seitens ihrer Familie ausgesetzt – v.a. wenn sie aufgrund ihrer „abgebrochenen“ Migration noch Schulden offen haben (IOM 9.3.2021b).

Unterstützung / Netzwerk: Der Jilib [Anm.: untere Ebene im Clansystem] ist unter anderem dafür verantwortlich, Mitglieder in schwierigen finanziellen Situationen zu unterstützen. Das traditionelle Recht (Xeer) bildet hier ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder – je nach Ausmaß – an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (SEM 31.5.2017, S.5/31f). Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration kann in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person abhängig sein. Rückkehrer ohne Clan- oder Familienverbindungen am konkreten Ort der Rückkehr finden sich ohne Schutz in einer Umgebung wieder, in der sie oftmals als Fremde angesehen werden (ÖB 3.2020, S.14). Auch in Mogadischu sind Freundschaften und Clannetzwerke sehr wichtig. Zur Aufnahme kleinerer oder mittelgroßer wirtschaftlicher Aktivitäten ist aber kein Netzwerk notwendig (FIS 7.8.2020, S.39). Insgesamt herrschen am Arbeitsmarkt Nepotismus und Korruption (SIDRA 6.2019a, S.5).

Unterstützung extern: Für Rückkehrer aus dem Jemen (LIFOS 3.7.2019, S.63) und Kenia gibt es seitens des UNHCR finanzielle Unterstützung. Bei Ankunft in Somalia bekommt jede Person eine Einmalzahlung von 200 US-Dollar, danach folgt eine monatliche Unterstützung von 200 US-Dollar pro Haushalt und Monat für ein halbes Jahr. Das World Food Programm gewährleistet für ein halbes Jahr eine Versorgung mit Nahrungsmitteln. Für Schulkosten werden 25 US-Dollar pro Monat und Schulkind ausbezahlt. Bei Erfüllung bestimmter Kriterien wird für die Unterkunft pro Haushalt eine Summe von 1.000 US-Dollar zur Verfügung gestellt (UNHCR 30.9.2018, S.6; vgl. LIFOS 3.7.2019, S.63), die etwa zur Organisation einer Unterkunft dienen können (LIFOS 3.7.2019, S.63). Deutschland unterstützt in Jubaland ein Vorhaben, das der Vorbereitung der aufnehmenden Gemeinden für freiwillige Rückkehrer dient (AA 2.4.2020, S.22). IOM hat über die von der EU finanzierte EU-IOM Joint Initiative for Migrant Protection and Reintegration seit März 2017 knapp 6.500 Rückkehrer bei der freiwilligen Rückkehr nach Somalia unterstützt. Fast 12.000 Rückkehrer erhielten Unterstützung nach ihrer Ankunft in Somalia (IOM 8.3.2021).

Rückkehrprogramme: In das europäische Programm zur freiwilligen Rückkehr ERRIN (European Return and Reintegration Network) wurde mit November 2019 auch die Destination Somalia aufgenommen. Umgesetzt wird das Programm vor Ort von der Organisation IRARA (International Return and Reintegration Assistance) mit Büro in Mogadischu. Das Programm umfasst – neben den direkt von Österreich zur Verfügung gestellten Mitteln – pro Rückkehrer 200 Euro Bargeld sowie 2.800 Euro Sachleistungen. Letztere umfassen (je nach Wunsch des Rückkehrers) eine vorübergehende Unterbringung, medizinische und soziale Unterstützung, Beratung in administrativen und rechtlichen Belangen, Unterstützung bei der Gründung eines Kleinunternehmens sowie schulische und berufliche Bildung (BMI 8.11.2019). Neben Mogadischu hat IRARA Standorte in Kismayo, Baidoa und Belet Weyne. Laut IRARA werden nicht nur freiwillige Rückkehrer, sondern auch abgewiesene Asylwerber, irreguläre Migranten, unbegleitete Minderjährige und andere vulnerable Gruppen unterstützt und vom Programm abgedeckt. Bei Ankunft bietet IRARA Abholung vom Flughafen; Unterstützung bei der Weiterreise; temporäre Unterkunft (sieben Tage); medizinische Betreuung; Grundversorgung. Zur Reintegration wird ein maßgeschneiderter Plan erstellt, der folgende Maßnahmen enthalten kann: soziale, rechtliche und medizinische Unterstützung; langfristige Unterstützung bei der Unterkunft; Bildung; Hilfe bei der Arbeitssuche; Berufsausbildung; Unterstützung für ein Start-up; Unterstützung für vulnerable Personen (IRARA o.D.a).

Das ebenfalls von der EU finanzierte Programm REINTEG bietet freiwilligen Rückkehrern – je nach Bedarf – medizinische und psycho-soziale Unterstützung; Bildung für Minderjährige; Berufstraining und Ausbildung, um ein Kleinunternehmen zu starten; die Grundlage für eine Arbeit, die ein eigenes Einkommen bringt; und Unterstützung bei Unterkunft und anderen grundlegenden Bedürfnissen. Durchschnittlich waren die REINTEG-Rückkehrer zwei Jahre lang weg aus Somalia (IOM 3.12.2020). Für Rückkehrer im REINTEG-Programm hat IOM im Mai 2020 eine Hotline eingerichtet. Rückkehrer melden sich dort, um etwa Fragen hinsichtlich der Zeitpläne zur ökonomischen Reintegration beantwortet zu bekommen, oder um hinsichtlich ihrer Mikro-Unternehmen oder auch z.B. für psycho-soziale oder medizinische Unterstützung anzusuchen (IOM 9.3.2021b). Nachdem schon im Jahr 2019 in Hargeysa erfolgreich ein Rückkehrer-Komitee für REINTEG eingerichtet worden war, wurde ein solches 2020 auch in Mogadischu gebildet. Die ebenfalls aus Rückkehrern zusammengesetzten Komitees unterstützen Rückkehrer nach ihrer Ankunft. Sie teilen Informationen und Netzwerke und stellen Kontakt zu relevanten Organisationen und Reintegrationsprojekten her (IOM 3.12.2020).

Unterkunft: Der Zugang zu einer Unterkunft oder zu Bildung wird von Rückkehrern im REINTEG-Programm als problematisch beschrieben (IOM 3.12.2020). Der Immobilienmarkt in Mogadischu boomt, die Preise sind gestiegen (BS 2020, S.25). In den „besseren“ Bezirken der Stadt, wo es größere Sicherheitsvorkehrungen gibt – z.B. Waaberi, Medina, Hodan oder das Gebiet am Flughafen – kostet die Miete eines einfachen Raumes mit 25m² 50-100 US-Dollar pro Monat. Am Stadtrand – z.B. in Heliwaa oder am Viehmarkt – sind die Preise leistbarer. Der Kubikmeter Wasser wird um 1-1,5 US-Dollar verkauft (FIS 7.8.2020, S.31). Es gibt keine eigenen Lager für Rückkehrer, daher siedeln sich manche von ihnen in IDP-Lagern an (LIFOS 3.7.2019, S.63; vgl. AA 2.4.2020, S.22, USDOS 11.3.2020, S.22). Vom Returnee Management Office (RMO) der somalischen Immigrationsbehörde kann gegebenenfalls eine Unterkunft und ein inner-somalischer Weiterflug organisiert und bezahlt werden, die Rechnung ist vom rückführenden Staat zu begleichen. Generell mahnen Menschenrechtsorganisationen, dass sich Rückkehrer in einer prekären Situation befinden und die Grundvoraussetzungen für eine freiwillige Rückkehr nicht gewährleistet sind (AA 2.4.2020, S.22f). Grundsätzlich braucht es zur Anmietung eines Objektes einen Bürgen, der vor Ort bekannt ist. Dies ist i.d.R. ein Mann. Für eine alleinstehende Frau gestaltet sich die Wohnungssuche dementsprechend schwierig, dies ist kulturell unüblich und wirft unter Umständen Fragen auf (FIS 7.8.2020, S.32).

[…]

Somaliland

Grundversorgung (es ist auch der Teil zu Somalia zu berücksichtigen)

Letzte Änderung: 30.03.2021

Die Regierung ist in der Lage, grundlegende Dienste bereitzustellen. Gerade im Bildungs- und Gesundheitsbereich wurden hier signifikante Verbesserungen erreicht (BS 2020, S.11). Allerdings herrscht im Land noch immer ein hohes Maß an Armut (BS 2020, S.33). Es gibt kein öffentliches Wohlfahrtssystem. Soziale Unterstützung erfolgt entweder über islamische Wohltätigkeitsorganisationen, NGOs oder den Clan. Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie Armutsminderung liegen im privaten Sektor. Das eigentliche soziale Sicherungsnetz bilden die erweiterte Familie und der Clan. Auch Remissen aus dem Ausland tragen zu diesem Netz bei (BS 2020, S.29). Viele Haushalte sind darauf angewiesen (FH 4.3.2020, G4).

In vielen Teilen Somalilands gibt es nach wie vor Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung und Armut. In ländlichen Gebieten lebt mehr als eine von drei Personen in Armut, in urbanen Gebieten ist es mehr als eine von vier (HD 14.1.2021). Überdurchschnittlich viele der bei einer Studie befragten IDP-Familien haben Kinder bei Verwandten (76 %) oder aber auch in institutionellen Pflegeeinrichtungen (7%) untergebracht. Weitere 54% schicken Kinder zum Essen zu Nachbarn. Generell sind gesellschaftlicher Zusammenhalt und soziale Netze in Somaliland besser als in anderen Landesteilen (OXFAM 6.2018, S.11f). Wenn Verwandten aber die Ressourcen zur Hilfe ausgehen, führt der Weg oft ins IDP-Lager (TG 8.7.2019).

In Somaliland ist es den Menschen aufgrund der besseren Sicherheitslage und der grundsätzlich besseren Organisation der staatlichen Stellen und besseren staatlichen Interventionen im Krisenfalle rascher möglich, den Lebensunterhalt wieder aus eigener Kraft zu bestreiten (AA 2.4.2020, S.22). Allerdings hat das Land in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren Dürre durchlebt. Vielen Menschen ist dadurch ihr Lebensunterhalt verloren gegangen. Auch früher hat es Dürren gegeben, aber nicht in dieser Frequenz (DEVEX 9.7.2019; vgl. TG 8.7.2019). Rund 725.000 Menschen sind akut von einer Unsicherheit in der Nahrungsmittelversorgung betroffen (ÖB 3.2020, S.19). Aus Bari, Nugaal und Sanaag kommen Anfang 2021 Meldungen über Wassermangel; auch die Region Togdheer ist von der Krise betroffen (UNOCHA 27.1.2021, S.1). Die National Disaster Agency (NADFOR) hat bestätigt, dass eine schwere Dürre Teile von Maroodi-Jeex, Togdheer, Sool und Sanaag getroffen hat. Anfangs wurde durch die Regierung Nahrung verteilt, doch war dies zu wenig, um die betroffenen ca. 55.000 Familien zu versorgen (SLS 7.3.2021).

Bereits seit der Hungersnot 2011 versuchen internationale Organisationen, eine Resilienz gegenüber den Klimabedingungen in der Region aufzubauen. Allerdings führen akute Notlagen immer wieder zu einer Umplanung der Ressourcen, damit nötige Soforthilfe bereitgestellt werden kann (ÖB 3.2020, S.19). Der Konflikt in den umstrittenen Gebieten von Sool und Sanaag schränkt den Zugang für humanitäre Organisationen ein (USDOS 11.3.2020, S.14). Dahingegen kommt es zu keinen Problemen durch al Shabaab (LIFOS 3.7.2019, S.38).

Aufgrund der vergleichsweise guten Sicherheitslage, verzeichnen die UN in Somaliland weniger Zwischenfälle im Zusammenhang mit humanitärem Zugang als anderswo im Land (ÖB 3.2020, S.19). Alleine die UN führt für die somaliländischen Regionen folgende Zahlen an aktiven Partnern an: Awdal: 29; Woqooyi Galbeed: 42; Togdheer: 34; Sool: 36; Sanaag: 32 (UNOCHA 11.2020).“

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zum Verfahrensgang:

Die Feststellungen zum Verfahren des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Verwaltungsakt betreffend das Verfahren über den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz – im Folgenden Verwaltungsakt Asylverfahren – sowie Verwaltungsakt betreffend das gegenständliche Aberkennungsverfahren des Beschwerdeführers) und den vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes (Gerichtsakt betreffend das Verfahren über den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowie Gerichtsakt betreffend das Aberkennungsverfahren des Beschwerdeführers) in Verbindung mit Einsichtnahmen in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister und das Grundversorgungs-Informationssystem.

2.2. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu der Identität und der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben in seinen bisherigen Verfahren (AS 15 und 264 Verwaltungsakt Asylverfahren; Seiten 4f der Niederschrift der mündlichen Verhandlung) in Verbindung mit einem gerichtsmedizinischen Gutachten zur Altersfeststellung (AS 147 Verwaltungsakt Asylverfahren). Die Identität des Beschwerdeführers steht mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente nicht fest.

Die Feststellungen zum Geburtsort, den Aufenthaltsorten bzw. dem Aufwachsen, den Sprachkenntnissen, der Schulbildung und der Vertrautheit des Beschwerdeführers mit den somalischen Gebräuchen beruhen auf den eigenen, plausiblen und somit glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in seinen bisherigen Verfahren (AS 264 bis 268 Verwaltungsakt Asylverfahren; Seite 5 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).

Die Feststellungen zum Aufenthalt, den Lebensumständen und den Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers, insbesondere in der mündlichen Beschwerdeverhandlung (Seiten 4f der Niederschrift der mündlichen Verhandlung) in Verbindung mit einem eingeholten Sozialversicherungsdatenauszug vom 01.10.2021 (OZ 29) und einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister. Der Beschwerdeführer behauptete zwar in der mündlichen Verhandlung, vor der Strafhaft eine Beziehung mit einer Person mit dem Vornamen L. geführt zu haben, erklärte jedoch weiters nicht nachvollziehbar, mit seiner Freundin keinen Kontakt zu haben, seit er im Gefängnis sei, weil sein Handy aufbewahrt werde und er daher ihre Nummer nicht habe (Seite 6 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Der Beschwerdeführer beschrieb diese Beziehung überdies lediglich vage damit, dass er manchmal bei seiner Freundin zu Hause geschlafen habe und diese ihn unterstützt habe (Seite 6 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Seit seiner Anhaltung in Strafhaft erhielt der Beschwerdeführer zudem auch keinen Besuch abgesehen von Betreuungsstellen und Rechtsbeiständen gemäß § 96 StVG (Besucherliste, OZ 38). Es ist daher festzustellen, dass der Beschwerdeführer in Österreich über keine familiären und keine engeren sozialen Bindungen verfügt.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung (Seiten 4 und 11 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).

Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers sowie der Anhaltung des Beschwerdeführers in Strafhaft ergeben sich aus den dem Verwaltungsakt betreffend den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz (AS 777ff Verwaltungsakt Asylverfahren), dem gegenständlichen Verwaltungsakt (AS 169ff) sowie dem gegenständlichen Gerichtsakt (OZ 33 und 35) einliegenden Strafurteilen und einer dem gegenständlichen Gerichtsakt einliegenden Vollzugsinformation (OZ 25) in Verbindung mit Einsichtnahmen in das Strafregister und das Zentrale Melderegister. Die Feststellung zur Absonderung des Beschwerdeführers ergibt sich aus den von der zuständigen Justizanstalt übermittelten Meldungen von Ordnungswidrigkeiten (OZ 38).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer bezüglich seiner Straftaten nicht voll schuldeinsichtig ist, diese aber teilweise bereut und nach seiner Haftentlassung eine Therapie machen möchte, um nicht wieder rückfällig zu werden, ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers im gegenständlichen Aberkennungsverfahren. Bereits vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vermeinte der Beschwerdeführer auf die Frage, wie er seine Verurteilung wegen absichtlich schwerer Körperverletzung empfinde und ob diese gerechtfertigt sei, nur ausweichend, dass es eine Geldstrafe und Schmerzengeld gegeben habe; er habe aber nicht zahlen können. Auf Wiederholung und Erklärung der Frage gab der Beschwerdeführer lediglich an, dass es die Entscheidung des Richters gewesen sei, bis er schließlich auf die Frage nach den Lebensumständen seit seiner Verurteilung sowie allfälligen Schritten zur Vermeidung neuerlicher Straffälligkeit zwar vorbrachte, sein Opfer geschlagen zu haben und „es“ zu bereuen, erörterte aber auch, dass die Verurteilung nicht gestimmt habe; er habe sein Opfer nicht sehr tief geschlagen (AS 197). Auch mit seinen in der mündlichen Verhandlung erstatteten Erklärungen zu „dem Suchtmittel“, welches für ihn selbst gewesen sei, was die Polizei aber nicht habe wahrhaben wollen, woraufhin es so dann zur Verurteilung durch das Gericht gekommen sei (Seite 8 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), erweckte der Beschwerdeführer nicht den Eindruck, bezüglich seiner Straftaten voll schuldeinsichtig zu sein. Er gestand den Verkauf von Suchtgift, der zwei seiner Verurteilungen (teils unter anderem) zugrunde liegt, konsequent nicht ein, wobei er in der mündlichen Verhandlung erklärte, er habe nur Drogen gekauft, um seinen Geburtstag zu feiern (Seite 8 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), und vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vermeinte, einmal für sich selbst für Sylvester Drogen gekauft zu haben (AS 199). Neuerlich wiederholte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auch, dass „die Körperverletzung […] leider nicht so ganz gerecht“ gewesen sei und er verurteilt worden sei, weil er den ersten Schlag gemacht habe; das Ganze sei durch eine Überwachungskamera festgehalten worden. Die Schilderung des Beschwerdeführers, drei Männer hätten auf ihn losgehen wollen und er habe versucht, ihnen zu entkommen, wobei ihn einer hartnäckig verfolgt habe und er ihn dann geschlagen habe, weil dieser ihn als „Neger“ beschimpft und seine Fäuste geballt habe, sodass der Beschwerdeführer Angst bekommen habe (Seiten 8f der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), stimmt überdies nicht mit dem vom Landesgericht festgestellten Sachverhalt überein. Diesem zufolge habe der Türsteher eines Lokales den Beschwerdeführer nicht einlassen; als der Beschwerdeführer den Türsteher als Rassisten beschimpft habe, habe ein Bekannter des Türstehers begonnen, den Beschwerdeführer auf veräc

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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