TE Vfgh Erkenntnis 1994/12/5 B273/94

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Veröffentlicht am 05.12.1994
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art83 Abs2
Tir GVG 1983 §1 Abs1 Z1
Tir GVG 1983 §6 Abs1 litc
Tir GVG 1983 §13 Abs4

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbs mangels Selbstbewirtschaftung

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Kaufvertrag vom 8. bzw. 14. Juli 1992 erwarb der Beschwerdeführer ein Grundstück in Strassen im Ausmaß von

3.315 m2; diesem Rechtserwerb versagte die Grundverkehrsbehörde Strassen mit Bescheid vom 22. April 1993 unter Berufung auf §§4 Abs1 und 6 Abs1 litc, dritter Tatbestand, des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 und des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 74/1991 (im folgenden: GVG 1983), ihre Zustimmung.

2. Die dagegen fristgerecht erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. Dezember 1993 als unbegründet abgewiesen. Dazu wurde im wesentlichen ausgeführt, daß auf Grund der nicht bestrittenen Ergebnisse der im grundverkehrsbehördlichen Verfahren I. Instanz gepflogenen Ermittlungen davon auszugehen sei, daß der Beschwerdeführer den schon bisher in seinem Eigentum stehenden geschlossenen Hof (im Ausmaß von rund 5,2 ha) seit vier Jahren nicht mehr im Sinne des §6 Abs1 litc GVG 1983 selbst bewirtschafte, sondern Bauern bzw. den örtlichen Maschinenring für die Verrichtung der anfallenden Arbeiten bezahle und den Ertrag seiner - extensiv bewirtschafteten - Felder verkaufe. Vielmehr betreibe der Beschwerdeführer "hauptberuflich" ein Handelsgewerbe, das nach seinen Angaben im Aufbau begriffen sei, und er beabsichtige, zusätzlich einen Campingplatz zu errichten und in dessen Rahmen Reitmöglichkeiten anzubieten.

3. Dagegen wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes - der Sache nach auch des Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz - geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Es ist unbestritten, daß das den Gegenstand des vorliegenden Kaufvertrages bildende Grundstück als ein landwirtschaftliches im Sinne des §1 Abs1 Z1 GVG 1983 zu qualifizieren ist und demnach den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegt. Der durch den Kaufvertrag bewirkte Eigentumserwerb bedarf deshalb zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde gemäß §3 Abs1 lita leg.cit. Eine solche Zustimmung darf gemäß §4 Abs1 GVG 1983 nur erteilt werden, wenn der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht. Der nur allgemein formulierte Inhalt des §4 Abs1 GVG 1983 wird durch §6 Abs1 GVG 1983 näher konkretisiert, in dem einzelne Tatbestände angeführt werden, bei deren Vorliegen einem Rechtserwerb im Sinne des §3 Abs1 leg.cit. insbesondere nicht zuzustimmen ist. Liegt einer der in §6 Abs1 GVG 1983 - demonstrativ - genannten Fälle vor, bedarf es im einzelnen Fall keiner näheren Prüfung der Interessenlage, weil ein Widerspruch zu den durch §4 Abs1 leg.cit. geschützten Interessen von Gesetzes wegen angenommen wird und zur Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung führen muß (vgl. VfSlg. 13101/1992, VfGH 22.3.1993, B1470/92).

2.1. Der angefochtene Bescheid stützt sich vor allem auf §4 Abs1 und §6 Abs1 litc, dritter Tatbestand, GVG 1983, wonach einem Rechtserwerb im Sinne des §3 Abs1 leg.cit. insbesondere nicht zuzustimmen ist, wenn zu besorgen ist, daß Grundstücke jemandem zur land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen werden, der sie nicht selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaften wird. Gegen diese Bestimmungen bringt die Beschwerde keine verfassungsrechtlichen Bedenken vor; auch beim Verfassungsgerichtshof sind solche aus Anlaß dieser Beschwerde nicht entstanden (vgl. zuletzt etwa VfSlg. 12984/1992, 13101/1992).

2.2. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften ist es ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer durch die Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

3.1. Dem in erster Linie vorgebrachten Beschwerdevorwurf, der bekämpfte Bescheid verletze das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs ist entgegenzuhalten, daß sich das durch Art6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht, Liegenschaften zu erwerben und über diese frei zu verfügen, wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont hat (vgl. zuletzt etwa VfSlg. 10896/1986, 12984/1992, 12985/1992), nur gegen jene historischen Beschränkungen richtet, die ehemals zugunsten bestimmter bevorrechteter Kreise bestanden haben. Art6 StGG verbietet es, eine bevorrechtete Klasse der Landwirte dadurch zu schaffen, daß ihnen ohne Rücksicht darauf, ob es die nach dem Gesetz zu schützenden Grundverkehrsinteressen erfordern, nur deswegen, weil sie bereits Landwirte sind, gegenüber Personen, auf die dieses Kriterium nicht zutrifft, das vorzugsweise oder gar ausschließliche Recht eingeräumt wird, landwirtschaftlichen Grundbesitz zu erwerben (vgl. VfSlg. 11411/1987, 11516/1987, 12984/1992).

Allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie die Grundverkehrsgesetze enthalten, werden dadurch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa VfSlg. 10744/1986, 10902/1986, 12985/1992).

3.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Entscheidung, daß der Rechtserwerb §6 Abs1 litc, dritter Tatbestand, GVG 1983 widerspreche, nicht getroffen, um den Erwerb des in Rede stehenden landwirtschaftlichen Grundstückes durch den Beschwerdeführer zugunsten eines Landwirtes, der dieses Grundstück zu erwerben beabsichtigt, zu verhindern. Vielmehr erfolgte diese Entscheidung unter dem Gesichtspunkt grundverkehrsbehördlicher Interessen deshalb, weil nach Ansicht der belangten Behörde die in den genannten Regelungen des GVG 1983 umschriebenen Voraussetzungen nicht vorlagen.

3.3. Der Beschwerdeführer wurde deshalb nicht im bezogenen Grundrecht verletzt.

4. Die der Sache nach geltend gemachte Verletzung des Gleichheitssatzes dadurch, daß die belangte Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt, Ermittlungen unterlassen und ihre Entscheidung stattdessen auf Spekulationen gestützt habe, liegt nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes nicht vor:

4.1. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur dann verletzt worden sein, wenn die belangte Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).

4.2.1. Der Beschwerdeführer wiederholt in seiner Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof sein bereits im Verwaltungsverfahren dargelegtes Vorbringen, daß er nachweislich "über zwei Stück Pferde verfügt und in seinem Wirtschaftgebäude darüberhinaus 5 Stück Schafe unterhält" und beabsichtige, auf Teilen der (ihm bereits gehörenden) Hofliegenschaft einen Campingplatz zu errichten, sodaß ihm für die "in Aussicht genommene und bereits begonnene Pferdezucht" keine ausreichenden Flächen zur Verfügung stünden und er seine Hofliegenschaft durch den geplanten Zukauf zu vergrößern trachte, "um wiederum Bewirtschaftung durch Pferdezucht vornehmen zu können". Die zu seinem Hof zählenden Flächen seien vom Beschwerdeführer und seiner Familie tatsächlich selbst bewirtschaftet worden, lediglich Teilarbeiten, wie die Aberntung der Ernteprodukte, seien fremdvergeben worden und etwa durch den Maschinenring erfolgt, doch könne einem Landwirt wohl nicht vorgeschrieben werden, daß er für die Bewirtschaftung kleiner Flächen eigene Maschinen anschaffen müsse. Hätte der Beschwerdeführer nicht selbst Interesse an der Bewirtschaftung, so hätte er seine Grundstücke längst verpachtet. Im übrigen betreibe er sein Handelsgewerbe vom Hof aus, und zwar zu einem Großteil in Form des Versandhandels.

4.2.2. Der angefochtene Bescheid vermag sich auf die Ergebnisse eines aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandenden Ermittlungsverfahrens, insbesondere auch auf Angaben des Beschwerdeführers (s. die Stellungnahmen vom 9. und vom 25. März 1993), zu stützen. Der Beschwerdeführer brachte nämlich vor, daß er sich "hauptberuflich" selbständig gemacht habe und sich "derzeit im Aufbau eines Handelsgewerbes" befinde; er habe für die Bewirtschaftung seiner Felder "jeweils einige Bauern bezahlt" und wolle durch den Erwerb von 3.315 m2 Grundfläche seinen Hof stärken, auf dessen landwirtschaftlicher Nutzfläche er die Errichtung eines Campingplatzes (im Ausmaß von etwa 1 ha) plane. Dies in der Absicht, "wiederum Bewirtschaftung durch Pferdezucht vornehmen zu können" und damit seinen Campinggästen Reitmöglichkeiten zu eröffnen bzw. ein Betriebsgebäude für seinen gewerblichen Betrieb zu errichten. Angesichts dessen kann der Verfassungsgerichtshof der Annahme der belangten Behörde nicht entgegentreten, daß eine Selbstbewirtschaftung (im Sinne der unter Pkt. II.2. dargestellten Bestimmungen des GVG 1983) des vom Rechtserwerb umfaßten Grundstückes nicht gewährleistet ist.

4.3. Damit ist jedoch der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

5. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre.

6. Die Beschwerde war deshalb als unbegründet abzuweisen.

III. Diese Entscheidung konnte

gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftliches, Behördenzuständigkeit, Selbstbewirtschaftung, Behördenzusammensetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B273.1994

Dokumentnummer

JFT_10058795_94B00273_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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