Entscheidungsdatum
21.09.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W241 1403335-3/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HAFNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Kosovo, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.07.2020, Zahl: 780673006-191016306, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.08.2021 zu Recht:
A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 67 Abs. 1 und 2, 70 Abs. 3 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein Staatsangehöriger des Kosovo, reiste erstmals im Februar 2008 in das Bundesgebiet ein. Im Juli 2008 wurde gegen ihn ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot verhängt. Das Verfahren über einen von ihm im Juli 2008 gestellten Antrag auf internationalen Schutz wurde im Februar 2009 rechtskräftig negativ beendet.
2. Der BF heiratete am 23.10.2008 eine rumänische Staatsangehörige. Diese Ehe wurde am 10.11.2011 geschieden.
3. Am 30.12.2011 heiratete der BF eine slowakisch-norwegische Doppelstaatsbürgerin.
4. Das gegen den BF verhängte Aufenthaltsverbot wurde mit Bescheid vom 26.06.2012 aufgehoben.
5. Am 30.07.2012 wurde dem BF eine Aufenthaltskarte als Angehöriger eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers ausgestellt. Die Gültigkeit dieser Karte wurde am 17.07.2017 für zehn Jahre verlängert.
6. Die Ehe des BF wurde im Jahr 2015 geschieden.
7. Am 02.06.2015 wurde der BF gemäß § 50 Abs. 1 Z 3 WaffG zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt.
8. Mit Urteil vom 14.01.2020 wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 vierter und fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
9. Mit Schreiben vom 25.05.2020 setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) den BF über die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbots in Kenntnis. Ihm wurde die Möglichkeit gewährt, hierzu und zu näher aufgelisteten Fragestellungen zu seinen persönlichen Lebensumständen binnen Frist eine Stellungnahme abzugeben.
10. Mit Schreiben vom 09.06.2020 brachte der BF vor, dass er in Österreich mit seiner Frau und seinem Sohn in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Er habe vor, nach seiner Entlassung wieder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Er habe in Österreich Freunde und Familienmitglieder und fühle sich hier zuhause. Er lebe seit 2008 durchgehend in Österreich. Im Kosovo lebten noch seine Eltern und zwei Schwestern.
11. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 22.07.2020 wurde gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot gegen den BF erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde ein Durchsetzungsaufschub nicht erteilt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG wurde einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).
Das BFA stellte Identität und Staatsbürgerschaft des BF fest. Der BF habe von seinen geschiedenen Ehefrauen ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht abgeleitet und verfüge über eine Aufenthaltskarte „Angehöriger eines EWR-Bürgers“. Er befinde sich derzeit in Haft. Er sei mit einer kosovarischen Staatsangehörigen verheiratet und habe mit ihr ein 2018 geborenes Kind. Seine Ehefrau habe vor der Eheschließung ihren Lebensmittelpunkt im Kosovo gehabt.
Zur Begründung des Aufenthaltsverbotes wurde auf die Verurteilung des BF wegen Suchtgifthandels verwiesen.
12. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schreiben vom 21.08.2020 Beschwerde. Ein ausführlicher Beschwerdeschriftsatz wurde am 25.08.2020 nachgereicht. Eine Beschwerdeergänzung langte am 16.09.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
13. Am 31.08.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an welcher der BF, sein rechtsfreundlicher Vertreter sowie eine Dolmetscherin für die albanische Sprache teilgenommen haben. Das BFA erschien unentschuldigt nicht zur Verhandlung.
Der BF legte folgende Dokumente vor:
- Versicherungsdatenauszug
- Meldezettel
- Bestätigung über die Teilnahme an einer Suchtbehandlung
- Einstellungsbestätigung
- Passierschein für Freigänger
14. Am 01.09.2021 reichte der BF seine Heiratsurkunde und eine Geburtsurkunde seines Sohnes nach.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF führt die im Spruch angegebenen Personalien und ist Staatsangehöriger des Kosovo. Die Identität des BF steht fest.
1.2. Dieser stellte im Jahr 2008 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, über welchen im Jahr 2009 rechtskräftig abweisend entschieden wurde.
1.3. Der BF heiratete am 23.10.2008 eine rumänische Staatsangehörige. Diese Ehe wurde am 10.11.2011 geschieden. Am 30.12.2011 heiratete der BF eine slowakisch-norwegische Doppelstaatsbürgerin. Die Ehe des BF wurde im Jahr 2015 geschieden.
1.4. Am 30.07.2012 wurde dem BF eine Aufenthaltskarte als Angehöriger eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers ausgestellt. Die Gültigkeit dieser Karte wurde am 17.07.2017 für zehn Jahre verlängert.
1.5. Der BF war im Bundesgebiet ab 18.02.2008 bis 15.12.2008 und ab 05.07.2011 durchgehend gemeldet. In der Zeit von Dezember 2008 bis Juli 2011, in der er nicht gemeldet war, war er von 12.01.2009 bis 29.01.2009 und von 13.07.2009 bis 31.08.2009 erwerbstätig, weshalb davon ausgegangen wird, dass er sich währenddessen in Österreich aufhielt. Von den kurzen Beschäftigungszeiten abgesehen kann nicht festgestellt werden, dass sich der BF zwischen Dezember 2008 und Juli 2011 in Österreich aufgehalten hat. Der BF hält sich daher seit Juli 2011 durchgehend in Österreich auf.
1.6. Der BF wurde im Bundesgebiet zwei Mal strafrechtlich verurteilt:
Am 02.06.2015 wurde der BF gemäß § 50 Abs. 1 Z 3 WaffG zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt.
Mit Urteil vom 14.01.2020 wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 vierter und fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
1.7. Der BF war seit September 2011 bis zu seiner Verhaftung im Oktober 2019 in Österreich durchgehend als Bauarbeiter beschäftigt, abgesehen von kurzen Arbeitslosenmeldungen, die der saisonalen Tätigkeit geschuldet sind.
1.8. Der BF heiratete am 28.12.2016 im Kosovo die kosovarische Staatsangehörige XXXX . Der Ehefrau wurde am 30.08.2017 eine Rot-Weiß-Rot-Karte Plus erteilt. Sie lebt seit Oktober 2017 mit dem BF in einem gemeinsamen Haushalt und ist als Putzfrau erwerbstätig. Der Lebensmittelpunkt der Ehefrau befand sich vor dem Umzug nach Österreich im Kosovo. Der gemeinsame Sohn XXXX wurde am XXXX in Österreich geboren und besucht den Kindergarten.
1.9. Im Bundesgebiet lebt weiters ein Bruder des BF. Im Kosovo leben seine Eltern und eine Schwester. Im Kosovo hat der BF ein Gymnasium absolviert und zwei Jahre Psychologie studiert, das Studium aber nicht abgeschlossen.
1.10. Der BF befindet sich seit Oktober 2019 in Haft. Seit Juli 2021 ist er Freigänger und wieder als Bauarbeiter erwerbstätig. Er verfügt für die Zeit nach seiner Entlassung über eine Einstellungszusage dieser Firma.
1.11. Der BF hat keine Deutschprüfungen absolviert, spricht aber fließend Deutsch, die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht konnte weitgehend auf Deutsch geführt werden. Er ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. Der BF besucht derzeit eine Suchtbehandlung.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF gründen auf den Inhalt des Verwaltungsaktes, in welchem dokumentiert ist, dass der BF Inhaber eines kosovarischen Reisepasses sowie eines österreichischen Aufenthaltstitels „Aufenthaltskarte (Angehöriger eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers)“ ist.
2.2. Die Feststellungen zum Asylverfahren beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsakts.
2.3. Die Heiratsurkunden zu den Eheschließungen mit Unionsbürgerinnen liegen im Akt auf. Die Scheidungsurkunde aus dem Jahr 2011 liegt ebenfalls im Akt auf. Da über die Scheidung im Jahr 2015 kein Dokument vorliegt, beruht die Feststellung auf den Angaben des BF.
2.4. Der Aufenthaltstitel des BF geht aus dem Zentralen Fremdenregister hervor.
2.5. Die behördlichen Meldungen des BF ergeben sich aus dem Zentralen Melderegister, die Erwerbstätigkeit aus dem Versicherungsdatenauszug.
2.6. Die Verurteilungen des BF liegen im Verwaltungsakt auf und ergeben sich aus einem Strafregisterauszug.
2.7. Die Erwerbstätigkeit ergibt sich aus einem Versicherungsdatenauszug.
2.8. Die Eheschließung des BF ergibt sich aus der vorgelegten Heiratsurkunde, der gemeinsame Haushalt aus dem Zentralen Melderegister. Die Geburt des Sohnes ergibt sich aus der vorgelegten Geburtsurkunde. Die übrigen Feststellungen beruhen auf den Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung.
2.9. Die Feststellungen zu den familiären und persönlichen Verhältnissen beruhen auf den eigenen Angaben des BF.
2.10. Die Inhaftierung des BF ergibt sich aus dem Akteninhalt. Der Passierschein für Freigänger und eine Einstellungszusage wurde im Verfahren vorgelegt.
2.11. Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen des BF ergeben sich aus der persönlichen Wahrnehmung des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung am 31.08.2021. Eine Bestätigung über den Besuch einer Suchtbehandlung wurde vorgelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A):
3.1. Zum Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1. Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
3.1.2. Dem BF, einem kosovarischen Staatsbürger, kam als Ehegatte einer EWR-Bürgerin, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, die Stellung als "begünstigter Drittstaatsangehöriger" iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG zu. Gemäß § 53a Abs. 1 NAG hat er nach fünf Jahren rechtmäßigem Aufenthalt ein Recht auf Daueraufenthalt erworben.
Mit Urteil vom 14.01.2020 wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 vierter und fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Davon ausgehend hat die belangte Behörde eine vom BF ausgehende Gefährdung im Sinne des § 67 Abs. 1 FPG und sohin die Notwendigkeit der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes geprüft.
Da der BF zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung seinen (durchgehenden) Aufenthalt nicht schon seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatte, ist auf ihn der Gefährdungsmaßstab von § 67 Abs. 1 Satz 1 und 2 FPG anzuwenden. Demzufolge ist auf einen begünstigten Drittstaatsangehörigen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.04.2014, Ro 2014/21/0039).
Bei der in Bezug auf den BF zu erstellenden Gefährdungsprognose ist demnach auf das Gesamtverhalten des Fremden im Bundesgebiet abzustellen, wobei im vorliegenden Fall der Suchtgifthandel im Jahr 2019 im Mittelpunkt steht:
Aus der vorliegenden Ausfertigung des gegen den BF ergangenen strafgerichtlichen Urteils ist ersichtlich, dass der BF im Juli 2019 einem verdeckten Ermittler 2000 Gramm Kokain, somit eine das fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigende Menge, angeboten und diesem am nächsten Tag 47,8 Gramm, somit eine die Grenzmenge übersteigende Menge, überlassen hat. Das Suchtgift wurde aus den Niederlanden importiert. Wegen beider Verbrechen wurde der BF zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Das vom BF begangene Delikt stellt ohne Zweifel eine die öffentliche Sicherheit auf dem Gebiet des Fremdenwesens besonders schwer gefährdende und beeinträchtigende Form von Fehlverhalten dar (vgl. VwGH 23.3.1992, 92/18/0044; 22.2.2011, 2010/18/0417). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass die Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere von Suchtgiftdelikten, jedenfalls schon vor dem Hintergrund der verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft, zu denen der Konsum von Suchtgiften führt, ein Grundinteresse der Gesellschaft (Schutz und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) darstellt. Der VwGH hat in Bezug auf Suchtmitteldelinquenz wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH 22.11.2012, 2011/23/0556; 20.12.2012, 2011/23/0554; 30.8.2017, Ra 2017/18/0155; 1.4.2019, Ra 2018/19/0643).
Die Art und die Schwere der vom BF begangenen Straftat, der gemeinsam mit einem Mittäter zum Zweck der Bereicherung verübte Suchtgifthandel, dessen Vorbereitung und Durchführung sowie der hohe Gesamtwert des angebotenen Suchtgifts (zwei Kilogramm zu einem Kilopreis von 39.000 €), lassen wiederum eine Erheblichkeit der Gefahr annehmen.
Das Strafgericht konnte nicht feststellen, dass der BF das Suchtgift in Zusammenhang mit dem Erwerb für den eigenen Bedarf weitergegeben hätte. Gegen eine solche Vorgehensweise spricht auch die große Menge Suchtgift, die dem verdeckten Ermittler angeboten wurde. Der Rechtfertigung des BF (die dieser auch in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vertrat), dass er nur als Unbeteiligter anwesend war und der Handel mit Suchtgift allein von seinem Freund verübt wurde, wurde vom Gericht mit eigehender Begründung nicht gefolgt. Als mildernd wurde die Sicherstellung des überlassenen Suchtgifts, als erschwerend aber die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafe, die hohe Suchtgiftmenge und das Zusammentreffen zweier Verbrechen gewertet. Bei einem Strafrahmen bis zu 15 Jahren blieb die Strafbemessung bei einem Drittel des Strafrahmens, jedoch wurde die nicht unerhebliche Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten unbedingt ausgesprochen.
Es wird nicht verkannt, dass der BF im gegenständlichen Verfahren betonte, künftig ein rechtstreues Leben führen zu wollen; allerdings ließ er keine Unrechtseinsicht erkennen und verwies auf die alleinige Verantwortung des Freundes. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Gesinnungswandel eines Straftäters an einem Wohlverhalten in Freiheit zu beurteilen, für welches je nach Schwere des gesetzten Fehlverhaltens eine umso längere Dauer erforderlich ist (vgl. zuletzt VwGH 30.04.2020, Ra 2019/20/0399). Da der BF massiv straffällig geworden ist und er sich derzeit noch in Strafhaft, wenn auch als Freigänger, befindet, kann ein Wegfall der von seiner Person ausgehenden Gefährdung nicht erkannt werden.
Der BF war zum Tatzeitpunkt bereits 35 Jahre alt und es haben sich im Strafverfahren keine Hinweise auf ein mangelndes Einsichts- oder Urteilsvermögen ergeben, sodass auch dessen nunmehriger Verweis darauf, dass er damals falsche Freunde gehabt habe, die von ihm ausgehende Gefährdung nicht zu relativieren vermag.
Auch darüber hinaus sind keine Umstände ersichtlich geworden, die einen gänzlichen Wegfall der von seiner Person ausgehenden Gefährdung, welche sich in der dargestellten Weise jedenfalls bereits manifestiert hat, annehmen ließen. Der BF war auch bereits zum Zeitpunkt der Tathandlung verheiratet, Vater eines Sohnes und erwerbstätig. All diese Umstände vermochten den BF jedoch nicht davon abzuhalten, die dargestellte schwere Straftat zu begehen, sodass auch in Hinkunft nicht zu erkennen ist, dass die familiäre oder berufliche Verankerung des BF im Bundesgebiet für ihn einen Umstand darstellt, der ihn von einer neuerlichen Rückfälligkeit in strafbares Verhalten abhalten wird können. Daran ändert angesichts der Schwere seiner Straftat, welche er trotz familiärer Bindungen und der Erwirtschaftung eines legalen Einkommens beging, auch die Tatsache, dass er sich aktuell einer Suchtbehandlung unterzieht, nichts, da die Tat, wie vom Gericht festgestellt, nicht im Zusammenhang mit dem Eigenkonsum von Suchtgift stand. Alleine die Suchtbehandlung und die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit im Rahmen des Freigangs von der Strafhaft begründen keine hinreichende Änderung seines Persönlichkeitsbildes, welche die Prognose zuließe, dass dieser künftig von strafbaren Handlungen zur Aufbesserung der finanziellen Situation Abstand nehmen wird.
In diesem Zusammenhang ist auch insbesondere zu berücksichtigen, dass der BF bereits im Jahr 2015 wegen Übertretung des Waffengesetzes zu einer Geldstrafe verurteilt worden war, wobei ihn diese Verurteilung nicht davon abzuhalten vermochte, wenige Jahre später neuerlich erheblich straffällig im Bundesgebiet zu werden. Es liegt demnach auch kein einmaliges Fehlverhalten vor, sondern es zeigte sich, dass eine Vorverurteilung den BF (wenn auch diese nicht mit der Verbüßung einer Freiheitsstrafe verbunden war) nicht von neuerlichem massiv straffälligem Verhalten abzuhalten vermochte.
Die besondere Schwere und Verwerflichkeit der ihm im Urteil vom 14.01.2020 zur Last gelegten Tathandlungen in Zusammenschau mit dem Umstand, dass der BF weder durch eine Vorverurteilung zu einer Geldstrafe, noch durch die familiären Bindungen zu seiner Ehefrau und seinem Kind sowie seine Erwerbstätigkeit davon abgehalten werden konnte, die dargestellte Straftat zu verüben, belegt die von einem Aufenthalt des BF ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit.
Angesichts des bisher gesetzten Verhaltens des BF ist ersichtlich, dass hinsichtlich einer künftigen Bereitschaft und Fähigkeit des BF, seinen Lebensunterhalt ausschließlich aus legalen Quellen zu bestreiten, eine günstige Prognose nicht möglich ist. Dem BF waren die Gefährlichkeit und das Unrecht der Taten jedenfalls bewusst und er hat einen möglichen Eingriff in sein im Bundesgebiet geführtes Privat- und Familienleben bereits angesichts der für solche Delikte bestehenden Strafdrohung bewusst in Kauf genommen. Ausgehend davon führte die belangte Behörde zu Recht an, dass der BF seinen Unwillen zur Befolgung der geltenden Gesetze klar zum Ausdruck gebracht hat und eine positive Zukunftsprognose unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens des BF im Bundesgebiet nicht getroffen werden kann.
Insofern ist die Annahme gerechtfertigt, dass der BF bei einem weiteren Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
3.1.3. Gemäß § 9 BFA-VG ist ua ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, das in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingreift, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.
Der BF heiratete am 28.12.2016 im Kosovo eine kosovarische Staatsbürgerin, welche ihm im Oktober 2017 nach Österreich nachzog und der aufgrund ihrer Ehe mit dem BF eine Aufenthaltsberechtigung „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ verliehen wurde. Am XXXX wurde der gemeinsame Sohn im Bundesgebiet geboren. Es liegt daher zweifelsohne ein Familienleben im Bundesgebiet vor. Allerdings befand sich der Lebensmittelpunkt der Ehefrau vor Oktober 2017 im Kosovo. Angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer von knapp vier Jahren ist der Ehefrau eine Fortsetzung des Familienlebens mit dem BF im Kosovo zumutbar. Sie ist in Österreich zwar erwerbstätig, aber die Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit ist ihr auch im Kosovo möglich. Mit Ausnahme des BF und ihres Sohnes hat die Ehefrau keine familiären Bindungen an Österreich und leitet sie ihren Aufenthaltstitel von dem des BF ab.
Der Sohn des BF ist erst knapp drei Jahre alt, es handelt sich daher noch um ein Kleinkind, dem eine Rückkehr in das Herkunftsland seiner Eltern, dessen Landessprache beide Eltern sprechen, zugemutet werden kann. Der Sohn des BF hat aufgrund seines Lebensalters noch keine Bindungen außerhalb der Kernfamilie begründet, sodass ein Umzug gemeinsam mit seinen Eltern in ein anderes Land für ihn mit keinen Eingriffen in ein Privat- oder Familienleben verbunden wäre. Aufgrund des Alters des Kindes ist daher keine Verletzung des Kindeswohls durch eine Fortsetzung des Familienlebens im Kosovo erkennbar.
Der BF hat weiters einen Bruder im Bundesgebiet, jedoch besteht kein gemeinsamer Haushalt und wurde keine über das übliche Maß, das bei erwachsenen Geschwistern üblich ist, hinausgehende Beziehungsintensität geltend gemacht. Ein Eingriff in das Familienleben iSd Art. 8 EMRK liegt auch hier nicht vor.
Angesichts der an anderer Stelle dargestellten schwerwiegenden Straffälligkeit sind die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung zwecks Schutz der Rechte anderer als höher zu bewerten als die persönlichen Interessen des BF an einem Aufenthalt in Österreich.
Der BF hielt sich ab 2008 unregelmäßig im Bundesgebiet auf, seit Juli 2011 befindet er sich durchgehend legal im Bundesgebiet.
Der BF hat die deutsche Sprache erlernt, befand sich in verschiedenen Arbeitsverhältnissen, und ist aktuell als Arbeiter beschäftigt.
Beim gesunden und arbeitsfähigen BF kann die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben in seinem Herkunftsstaat vorausgesetzt werden, weshalb er im Herkunftsstaat grundsätzlich in der Lage sein wird, sich mit Erwerbstätigkeiten, wenn auch allenfalls nur durch Gelegenheitsarbeiten, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Letztlich konnte auch nicht davon ausgegangen werden, dass der BF, etwa auf Grund seiner Prägung außerhalb seines Herkunftsstaates, überhaupt nicht in der Lage sein könnte, sich im Kosovo zurechtzufinden, zumal er mit den dortigen Verhältnissen vertraut ist und seine Muttersprache unverändert beherrscht. Es kann somit auch nicht davon ausgegangen werden, dass dem BF, welcher über Schulbildung verfügt, die dortigen örtlichen Gegebenheiten überhaupt nicht bekannt wären und er sich dort nicht zurechtfinden würde. Der BF hat familiäre Anknüpfungspunkte, nämlich seine Eltern und eine Schwester, im Kosovo und wird auf deren Unterstützung zurückgreifen können.
3.1.4. Den familiären und privaten Interessen des BF an einem Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an der Verhinderung weiterer Straftaten, insbesondere im Bereich der Suchtgiftkriminalität, gegenüber. Angesichts der Schwere der konkret begangenen Straftat ist fallgegenständlich von einer gravierenden Straffälligkeit auszugehen, welche eine Aufenthaltsbeendigung auch angesichts der Verfestigung des BF im Bundesgebiet geboten erscheinen lässt.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet sein persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch das angeordnete Aufenthaltsverbot eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF durch die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes kann vor dem Hintergrund der vorangegangenen Ausführungen als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden.
Die im vorliegenden Beschwerdefall vorzunehmende Interessenabwägung schlägt somit zuungunsten des BF und zugunsten des öffentlichen Interesses an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aus.
Das von der belangten Behörde gemäß § 67 Abs. 1 FPG angeordnete Aufenthaltsverbot erweist sich somit dem Grunde nach als zulässig, weshalb eine gänzliche Aufhebung des Aufenthaltsverbotes nicht in Betracht kam und die Beschwerde insoweit als unbegründet abzuweisen war.
3.1.5. Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
Der BF befindet sich zum Entscheidungszeitpunkt noch in Strafhaft. In Gesamtbetrachtung aller Umstände, insbesondere der Höhe der verhängten Freiheitsstrafe, erweist sich im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung des bereits dargestellten massiven Gesamtfehlverhaltens des BF und des sich daraus weiterhin ergebenden nachhaltigen Gefährdungspotentials eine Herabsetzung des Aufenthaltsverbotes auf weniger als acht Jahre als nicht angemessen.
3.2 Zur Erteilung eines Durchsetzungsaufschubs und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Wie die umseitigen Ausführungen zeigen, geht vom BF eine gegenwärtige, schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus und hat er anhand seines Gesamtfehlverhalten unzweifelhaft gezeigt, dass er nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Es ist der belangten Behörde daher beizupflichten, dass seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.
Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs. 3 FPG, noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG sind somit zu beanstanden, sodass die Beschwerde auch in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids als unbegründet abzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot Durchsetzungsaufschub Familienleben Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Kindeswohl Prognose schwere Straftat Straffälligkeit strafrechtliche Verurteilung SuchtgifthandelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W241.1403335.3.00Im RIS seit
13.12.2021Zuletzt aktualisiert am
13.12.2021