TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/18 I413 2235661-1

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Veröffentlicht am 18.11.2021
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Entscheidungsdatum

18.11.2021

Norm

ASVG §67 Abs10
ASVG §83
B-VG Art133 Abs4

Spruch


I413 2235661-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid der Österreichische Gesundheitskasse Landesstelle XXXX vom 04.09.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.11.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird teilweise stattgegeben und der angefochtene Bescheid abgeändert, dass es zu lauten hat:

„1. XXXX , geb. XXXX , XXXX , XXXX , schuldet als Geschäftsführer von Beitragskontoinhaber(in) XXXX GmbH, XXXX , XXXX , der Österreichischen Gesundheitskasse gem. § 67 Abs 10 ASVG in Verbindung mit § 83 ASVG die zu entrichten gewesenen Beiträge s.Nbg. aus den Vorschreibungen für die Zeiträume Dezember 2019, Januar 2020 und März 2020 von

EUR 464,06

zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, das sind ab 20.09.2020 3,38% p.A. aus EUR 464,06.

2. XXXX ist verpflichtet, diesen Betrag binnen 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen an die Österreichische Gesundheitskasse zu bezahlen.“

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit angefochtenem Bescheid vom 04.09.2020, Zl. XXXX , stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Beitragskontoinhaber(in) XXXX GmbH der belangten Behörde gemäß § 67 Abs 10 ASVG iVm § 83 ASVG die zu entrichten gewesenen Beiträge s.Nbg. aus den Vorschreibungen für die Zeiträume Dezember 2019, Jänner 2020 und März 2020 von EUR 999,79 zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe schuldet, wobei er verpflichtet wurde, diesen Betrag binnen 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen an die belangte Behörde zu bezahlen.

2. Gegen diesen dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung zugestellten Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde. Zusammengefasst bringt der Beschwerdeführer dabei vor, dass er seiner Pflicht als Geschäftsführer nachgekommen sei, wobei er auf den bisherigen Schriftverkehr verweise. Eine Haftung solle aus seiner Sicht zur Gänze die kurz davor ausgeschiedene Geschäftsführerin XXXX bis zu dem Tag, an dem sie die Finanzen der XXXX GmbH verwaltet habe (31.10.2019), treffen. Er weise auch nochmals darauf hin, dass er erst ab November 2019 Zugriff auf das neue Firmenkonto gehabt habe.

3. Einlangend mit 02.10.2020 legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt unter Abgabe einer Stellungnahme vor.

4. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 19.08.2021 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung I410 abgenommen und der Gerichtsabteilung I413 neu zugewiesen.

5. Mit der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde der belangten Behörde aufgetragen, ein ergänzendes Vorbringen zu erstatten, welches mit 28.10.2021 einlangte.

6. Am 09.11.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, im Zuge derer der Beschwerdeführer einvernommen wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer vertrat ab 09.09.2019 als handelsrechtlicher Geschäftsführer die zu FN XXXX im Firmenbuch eingetragene Gesellschaft XXXX GmbH (ab 02.07.2020 XXXX GmbH in in Liqu.) selbständig, wobei er (erst) ab November 2020 Zugriff auf das Firmenkonto hatte. Zuvor war im Zeitraum 10.11.2015 bis 23.10.2019 XXXX als selbständig vertretungsbefugte handelsrechtliche Geschäftsführerin im Firmenbuch eingetragen.

Am 03.02.2020 brachte die belangte Behörde einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der XXXX GmbH ein. Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 28.05.2020 zu XXXX wurde die Zahlungsunfähigkeit der XXXX GmbH festgestellt und das Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet. In der Folge erfolgte aufgrund der rechtskräftigen Abweisung des Antrages auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens eine Auflösung der Gesellschaft. Dieser Beschluss erwuchs mit 12.06.2020 in Rechtskraft.

Mit 02.07.2020 erfolgte die Löschung der Funktion des Beschwerdeführers als handelsrechtlicher Geschäftsführer und fungierte er ab diesem Zeitpunkt als Liquidator der Gesellschaft. Mit 16.09.2020 wurde die XXXX GmbH amtswegig aus dem Firmenbuch gelöscht.

Zum 04.12.2019 wies das Beitragskonto der Primärschuldnerin bei der belangten Behörde einen Beitragsrückstand in Höhe von EUR 8.825,59 aus. Am 05.12.2019 entrichtete der Beschwerdeführer einen Betrag von EUR 1.207,80. Mit Beginn Jänner 2020 belief sich der Beitragsrückstand auf EUR 12.203,38, wobei der Beschwerdeführer Zahlungen an die belangte Behörde am 29.01.2020 in Höhe von EUR 680,50 und am 30.01.2020 in Höhe von EUR 692,50 leistete. In weiterer Folge ergab sich bis zum 30.01.2020 ein Beitragsrückstand von EUR 13.770,23. Am 03.02.2020 leistete der Beschwerdeführer eine weitere Zahlung in Höhe von EUR 495,00, am 06.02.2020 in Höhe von EUR 1.089,00, am 13.02.2020 in Höhe von 990,00 und am 19.02.2020 in Höhe von 1.295,87, weshalb das Beitragskonto mit 28.02.2020 noch einen Rückstand in Höhe von EUR 12.099,04 auswies.

Der Beschwerdeführer hat der belangten Behörde umfangreiche Unterlagen zum Beweis der Gläubigergleichbehandlung übermittelt, welche jedoch eine solche für die Monate Dezember 2019, Jänner 2020 und März 2020 nicht belegen vermochten, sondern vielmehr eine Gläubigerungleichbehandlung aufzeigten:

Dezember 2019

 

ÖGK

Sonstige Gläubiger

Differenzquote

Forderungen

EUR 8.825,59

EUR 31.465,06

 

Zahlungen

EUR 1.207,80

EUR 10.058,81

 

Zahlungsquote
auf 5 Stellen genau

13,68520 %

31,96819 %

- 18,28299 %

Zahlungsquote gerundet

13, 69 %

31,97 %

- 18,28 %

Jänner 2020

 

ÖGK

Sonstige Gläubiger

Differenzquote

Forderungen

EUR 12.203,38

EUR 26.066,20

 

Zahlungen

EUR 1.373,00

EUR 6.656,30

 

Zahlungsquote
auf 5 Stellen genau

11,25098 %

25,53613 %

- 14,28515 %

Zahlungsquote gerundet

11,25 %

25,54 %

- 14,29 %

März 2020

 

ÖGK

Sonstige Gläubiger

Differenzquote

Forderungen

EUR 12.099,04

EUR 24.844,56

 

Zahlungen

EUR 0,00

EUR 261,53

 

Zahlungsquote
auf 5 Stellen genau

0,00 %

 

- 1,05267 %

Zahlungsquote gerundet

0,00 %

1,05 %

- 1,05 %

In weiterer Folge ergibt sich daraus:

Beitragszeitraum

Urspr. Haftungsbetrag

Haftungsbetrag
(urspr. HB x Diff.quote)

12/2019

EUR 1.537,41

EUR 281,08

01/2020

EUR 1.270,50

EUR 181,49

03/2020

EUR 141,33

EUR 1,49

Summe

EUR 464,06

 

Aus einem Vergleich seiner geleisteten Zahlungen an die belangte Behörde mit allgemeinen Forderungszahlungen resultiert – wie in der Tabelle erkenntlich – somit ein Haftungsbetrag in Höhe von EUR 464,06 aufgrund von Gläubigerungleichbehandlung.

Die Beitragsrückstände sind in dem Zeitraum entstanden, in dem der Beschwerdeführer selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Primärschuldnerin war. Im Zeitpunkt des Entstehens der Rückstände war der Beschwerdeführer für die rechtzeitige und ordnungsgemäße Entrichtung der Beiträge verantwortlich.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung des angefochtenen Bescheides vom 04.09.2020, der dagegen eingebrachten Beschwerde, der Stellungnahme der belangten Behörde vom 30.09.2020, daneben auch des ergänzenden Vorbringens vom 27.10.2021. Zudem wurde von Amts wegen ein Auszug aus dem Firmenbuch sowie aus der Insolvenzdatei eingeholt.

Des Weiteren fand am 09.11.2021 eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle XXXX statt, in welcher der Beschwerdeführer einvernommen wurde.

Dem amtswegig eingeholten historischen Firmenbuchauszug waren die Feststellungen zur Geschäftsführertätigkeit und Vertretungsbefugnis des Beschwerdeführers (und auch der XXXX ) zu entnehmen, wobei der Beschwerdeführer im Übrigen seine Geschäftsführertätigkeit auch nicht bestritt, sondern im Zuge der mündlichen Verhandlung selbst bestätigte (Protokoll vom 09.11.2021, S 4). In Hinblick auf die Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach er erst ab November 2019 Zugriff auf das Firmenkonto gehabt habe, brachte er eine diesbezügliche E-Mail-Bestätigung vom 10.07.2020 seitens der Raiffeisen-Landesbank XXXX AG in Vorlage, welche auf das per 31.10.2019 geschlossene Konto Nr. XXXX , XXXX , lautend auf die XXXX GmbH Bezug nahm.

Der sowohl im Firmenbuchauszug als auch im Auszug aus der Ediktsdatei angeführte Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 28.05.2020 zu XXXX liegt im Verwaltungsakt ein, auf welchem die diesbezüglichen näheren Feststellungen fußen. Der Umstand, wonach dieser mit 12.06.2020 in Rechtskraft erwachsen ist, ist durch die entsprechende Eintragung im Auszug aus der Ediktsdatei dokumentiert.

In Hinblick auf die Löschung der Funktion des Beschwerdeführers als handelsrechtlicher Geschäftsführer und Eintragung als Liquidator mit 02.07.2020 sowie in Zusammenhang mit der amtswegigen Löschung der XXXX GmbH mit 16.09.2020 aus dem Firmenbuch bleibt auf die entsprechenden Eintragungen im historischen Firmenbuchauszug zu verweisen.

Dem im Zuge der mündlichen Verhandlung vorgelegten Beitragskontoauszug konnten die Feststellungen zu den (stichtagsbezogenen) Beitragsrückständen der Primärschuldnerin sowie zu den seitens des Beschwerdeführers vorgenommen Zahlungen entnommen werden. Diese Zahlungen bestätigte auch der Beschwerdeführer in Hinblick auf seine damit übereinstimmenden Kontoaufzeichnungen (Protokoll vom 09.11.2021, S 4). Der Betrag in Höhe von EUR 13.779,23 stimmt zudem auch mit der Forderungshöhe des am 03.02.2020 eingebrachten Antrages der belangten Behörde auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens überein.

Dem Verwaltungsakt war zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer der belangten Behörde – wie diese im Übrigen selbst im Zuge ihres ergänzenden Vorbringens ausgeführt hat – umfangreiche Unterlagen zum Beweis der Gläubigergleichbehandlung übermittelt hat. Aufgrund einer seitens der belangten Behörde angestellten Vergleichsrechnung in Hinblick auf die vom Beschwerdeführer an sie getätigten Zahlungen sowie allgemeinen Forderungszahlungen, wobei die Berechnung – einerseits eine fehlerhafte, daneben auch eine korrigierte – dem Verwaltungsakt beiliegt, war die Feststellung zu treffen, dass eine Gläubigerungleichbehandlung der belangten Behörde vorgelegen hat. Die Beitragsgrundlagen der Monate Dezember 2019 und Januar 2020 (wobei im Januar noch eine eigens aufgeschlüsselte Nach- und auch Rückverrechnung erfolgte) entstammen der übermittelten monatlichen Beitragsgrundlagenmeldungen, welche im Verwaltungsakt einliegen, jene von März 2020 hinsichtlich der zwei verbliebenen Dienstnehmer erfolgte jeweils unter Zugrundelegung der Beitragsgrundlage des Monats Februar 2020 bezogen auf 5 gemeldete Tage unter Anwendung des Beitragssatzes von 39,35%. Die entsprechenden Beitragsgrundlagen für März 2020 wurden damit anteilsmäßig entsprechend der Beendigung des Dienstverhältnisses mit 05.03.2020 – die diesbezüglichen Versicherungsdatenauszüge der Dienstnehmer liegen im Verwaltungsakt ein – berücksichtigt, wobei der korrekte Beitragssatz zur Anwendung gebracht wurde (vgl https://www.svs.at/cdscontent/load?contentid=10008.738080&version=1597649374).

In der Folge ergibt sich nach richterlicher Überprüfung der aufgelisteten Beträge der belangten Behörde ein Haftungsbetrag in Höhe von EUR 464,06, welcher auch mit der im Zuge des ergänzenden Vorbringens übermittelten (nunmehr korrekten) Haftungsbetragsberechnung der belangten Behörde übereinstimmt. Im Übrigen wurde der Haftungsbetrag seitens des Beschwerdeführers der Höhe nach nicht bestritten.

Die Feststellung, wonach die Beitragsrückstände in dem Zeitraum entstanden, in dem der Beschwerdeführer Geschäftsführer der Primärschuldnerin war, ergibt sich unzweifelhaft aus dem Firmenbuchauszug und hat der Beschwerdeführer – wie bereits ausgeführt – auch selbst bestätigt, im Zeitraum Dezember 2019, Januar 2020 und März 2020 Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen zu sein (Protokoll vom 09.11.2021, S 4). In Anbetracht dessen, dass der Beschwerdeführer die Meldeverpflichtung nicht an einen Steuerberater oder einen anderen delegiert hat (Protokoll vom 09.11.2020, S 5), war die Feststellung zu treffen, dass der Beschwerdeführer für die rechtzeitige und ordnungsgemäße Entrichtung der Beiträge im Zeitpunkt des Entstehens der Rückstände verantwortlich war.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zur Abweisung der Beschwerde

3.1. Rechtslage

Gemäß § 67 Abs 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.

Gemäß § 58 Abs 5 ASVG haben die Vertreter juristischer Personen, die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen und die Vermögensverwalter (§ 80 BAO) alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Der Beschwerdeführer war, wie sich aus dem Auszug aus dem Firmenbuch unzweifelhaft ergibt und wie er selbst im Zuge der mündlichen Verhandlung bestätigte, im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Dezember 2019, Januar 2020 und März 2020 selbständig vertretungsbefugter, handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin.

Grundsätzlich kann ihn somit eine Haftung nach § 67 Abs 10 ASVG treffen, weshalb es folglich im Detail zu überprüfen gilt, ob die weiteren Voraussetzungen für eine Haftung des Beschwerdeführers nach § 67 Abs 10 ASVG vorliegen.

Voraussetzung für die Haftung eines Vertreters nach § 67 Abs 10 ASVG ist die objektive, gänzliche oder zumindest teilweise Uneinbringlichkeit der betreffenden Beiträge beim Primärschuldner (vgl. VwGH 20.06.2018, Ra 2018/08/0039). Weitere Voraussetzungen für die Haftung gemäß § 67 Abs 10 ASVG sind auch deren ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe nach, schuldhafte und rechtswidrige Verletzungen der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten durch den Vertreter und die Kausalität der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters für die Uneinbringlichkeit (vgl. VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038).

Unstrittig sind fallgegenständlich die Beiträge bei der Primärschuldnerin nicht einbringlich, wie sich aus dem Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 28.05.2020 zu XXXX , welcher die Zahlungsunfähigkeit der Primärschuldnerin feststellt und die Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens zum Inhalt hat, ergibt (vgl auch VwGH 30.04.2003, 2001/16/0252 in Hinblick auf die Abweisung eines Konkursantrags mangels Deckung der Kosten des Konkursverfahrens).

Die Haftung des Geschäftsführers nach § 67 Abs 10 ASVG ist ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Beiträgen schuldhaft (leichte Fahrlässigkeit genügt) verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung kann darin liegen, dass der Geschäftsführer die fälligen Beiträge (ohne rechtliche Grundlage) insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt, bzw. – im Falle des Fehlens ausreichender Mittel – nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderungen der Gebietskrankenkasse Sorge trägt. Der Geschäftsführer wäre nur dann exkulpiert, wenn er entweder nachweist, im fraglichen Zeitraum, in dem die Beiträge fällig geworden sind, insgesamt über keine Mittel verfügt und daher keine Zahlungen geleistet zu haben, oder zwar über Mittel verfügt zu haben, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern die Beitragsschuldigkeiten – ebenso wie die Forderungen aller anderen Gläubiger – nicht oder nur zum Teil beglichen zu haben, die Beitragsschuldigkeiten also nicht in Benachteiligung der Gebietskrankenkasse in einem geringeren Ausmaß beglichen zu haben als die Forderungen anderer Gläubiger (VwGH 20.06.2018, Ra 2018/08/0039 mit Hinweis auf das zu § 25a BUAG ergangene Erkenntnis vom 29.01. 2014, 2012/08/0227). In subjektiver Hinsicht reicht für die Haftung nach § 67 Abs 10 ASVG – wie bereits erwähnt – leichte Fahrlässigkeit aus (VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038 mit Hinweis auf VwGH 12.10.2017, Ra 2017/08/0070).

Wie ein Vertreter, dem gemessen an der Gesamtsumme aller Forderungen nur unzureichende Mittel zur Verfügung stehen, seiner Gleichbehandlungspflicht gegenüber dem Sozialversicherungsträger konkret nachzukommen hat, ist nach der Zahlungstheorie zu beurteilen (VwGH 07.10.2015, Ra 2015/08/0040 mit Hinweis auf VwGH 26.01.2005, 2002/08/0213 und zur Parallelbestimmung des § 25a Abs 7 BUAG). Die Grundsätze für die Ermittlung des Haftungsumfangs wurden im hg. Erkenntnis des VwGH vom 29.01.2014, 2012/08/0227, dargelegt. Demnach ist in einem ersten Schritt der Beurteilungszeitraum zu ermitteln, der mit der Fälligkeit der ältesten am Ende jenes Zeitraums noch offenen Beitragsverbindlichkeit beginnt und der mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens endet. In einem zweiten Schritt sind sodann einerseits das Verhältnis aller im Beurteilungszeitraum erfolgten Zahlungen zu allen fälligen Verbindlichkeiten einschließlich der Beitragsschulden (allgemeine Zahlungsquote) sowie andererseits das Verhältnis der im selben Zeitraum erfolgten Zahlungen auf die Beitragsverbindlichkeiten zu den insgesamt fälligen Beitragsschulden (Beitragszahlungsquote) zu ermitteln. Das Produkt aus der Differenz der beiden Quoten und den insgesamt fälligen Beitragsschulden ergibt letztlich den Haftungsbetrag (VwGH 07.10.2015, Ra 2015/08/0040 mit Hinweis zur alternativen Berechnungsmethoden betreffend das angeführte Erkenntnis 2012/08/0227).

Fallgegenständlich hat sich betreffend den Beschwerdeführer für die Monate Dezember 2019, Januar 2020 und März 2020 bei Durchführung einer derartigen In-Verhältnissetzung der an der belangten Behörde entrichteten Zahlungen und allgemeinen Forderungszahlungen ergeben, dass – im Sinne der umseits zitierten Rechtsprechung – eine Gleichbehandlung der belangten Behörde nicht stattgefunden und sich auf Basis der seitens des Beschwerdeführers zur Verfügung gestellten Unterlagen ein Haftungsbetrag von EUR 464,06 ergeben hat, womit auch das Erfordernis der ziffernmäßigen Bestimmtheit der Höhe erfüllt ist. Im Unterbleiben der Aufschlüsselung des Haftungsbetrages in Dienstnehmeranteile und Dienstgeberanteile liegt keine Rechtswidrigkeit (vgl. VwGH 04.05.1999, 96/08/0385).

Die Kausalität dieser Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit und der Rechtswidrigkeitszusammenhang sind mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zu bejahen. Insbesondere geht aus der tabellarischen Aufstellung klar hervor, dass der Beschwerdeführer in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen Gläubiger jedenfalls, wenn auch ungleich, bedienen vermochte.

In Hinblick auf die Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach seiner Ansicht nach die im Oktober 2019 ausgeschiedene Geschäftsführerin für diesen Betrag zu haften habe, gilt festzuhalten, dass die Löschung der Funktion der XXXX aus dem Firmenbuch (bereits) mit 23.10.2019 erfolgt ist und die verfahrensgegenständlichen Monate Dezember 2019, Januar 2020 und März 2020 in einem Zeitraum liegen, in dem der Beschwerdeführer alleine als selbständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer fungiert hat. Ab November 2019 verfügte er seinerseits auch über den Zugriff auf das Firmenkonto der Primärschuldnerin, wobei es diesbezüglich ohnedies festzuhalten gilt, dass der Beschwerdeführer - wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat - im Falle der Behinderung durch andere Geschäftsführer, durch Gesellschafter oder durch dritte Personen verpflichtet wäre, entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der unbehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden. Bleibt der Geschäftsführer weiterhin tätig, obwohl er sich in seiner Pflichterfüllung behindert sieht, verletzt er seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Entrichtung der die Gesellschaft treffenden Abgaben, wobei gemeint ist, dass es der Vertreter in der Hand hat bzw dass es seine Sache ist, im Rechtsweg die Ausübung seiner Rechte zu erzwingen oder die Geschäftsführungsbefugnis zurückzulegen (vgl VwGH 04.10.2001, 99/08/0120 mit Hinweis auf VwGH 19.09. 1989, 88/08/0283, VwGH 12.05.1992, 92/08/0072 und VwGH 25.09 1992, 91/17/0134, jeweils mwN).

Aufgrund der umseitigen Erwägungen ist daher eine schuldhafte (fahrlässige) Pflichtverletzung anzunehmen. Da somit alle Voraussetzungen für die Haftung des Beschwerdeführers nach § 67 Abs 10 ASVG gegeben sind, war die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Eine Rechtsfrage von grundlegender Bedeutung ist im gegenständlichen, einen Einzelfall betreffenden Fall nicht hervorgekommen.

Schlagworte

Beitragsrückstand Geschäftsführer Gleichbehandlung Haftung Pflichtverletzung Teilstattgebung Uneinbringlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I413.2235661.1.00

Im RIS seit

13.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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