Entscheidungsdatum
07.07.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
W169 1421104-4/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.03.2021, Zl. 570564706-160546895, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird stattgegeben und Herrn XXXX gemäß §§ 54, 55 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II., III. und IV. stattgegeben und diese ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, reiste am 06.08.2011 illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 08.08.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 08.08.2011 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer am 10.08.2011 vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.
3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.08.2011, Zl. 1108.585-BAT, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zuerkannt und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs.1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.
5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.01.2016, Zl. W124 1421104-2/17E, wurde die Beschwerde – nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.12.2015 – gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen. Weiters wurde das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das nunmehr zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
6. Im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Rückkehrentscheidung am 01.02.2016 gab der Beschwerdeführer an, dass in Österreich keine Angehörigen von ihm aufhältig seien. Eine Dame, die mit einem Inder verheiratet sei, habe ihm ein Empfehlungsschreiben ausgestellt. Ferner habe er indische Bekannte in Österreich. Er arbeite als Zeitungszusteller und verdiene dabei zwischen 800,-- und 1.000,-- Euro im Monat. An Miete bezahle er 350,-- Euro, und was übrig bleibe, ca. 200,-- bis 300,-- Euro, schicke er nach Indien. Über Barmittel verfüge er zurzeit nicht. Am 10.02.2016 habe er eine A2-Deutschprüfung, Nachweise über Kursbesuche habe er aber keine. Er sei nicht Mitglied in einem Verein. Er arbeite hart und werde dies auch weiter tun. Manchmal helfe er Landsleuten. In Indien würden noch seine Eltern leben; Geschwister habe er keine.
Im Rahmen der Einvernahme legte der Beschwerdeführer ein Empfehlungsschreiben einer österreichischen Bekannten, seinen indischen Führerschein, eine Zahlungsbestätigung bezüglich des Besuches eines Deutschkurses sowie die Kopie eines Werkvertrages, abgeschlossen mit MEDIA PRINT, vom 11.01.2016 vor.
7. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.02.2016 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
8. Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.03.2016, Zl. W191 1421104-3/4E, als unbegründet abgewiesen.
9. Am 18.04.2016 stellte der Beschwerdeführer persönlich beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.
10. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 17.02.2021 führte der Beschwerdeführer aus, dass er seit neun Jahren und fünf Monaten in Österreich sei. In Indien lebe nur mehr seine Mutter. Er habe mehrmals versucht, bei der indischen Botschaft ein Reisedokument zu erlangen. In Österreich würden keine Familienangehörige von ihm leben, er habe aber Freunde im Bundesgebiet. Er sei ledig und habe einen Deutschkurs absolviert. Er arbeite als Zeitungszusteller, habe keine Sozialleistungen bezogen und sich immer selbst erhalten. Er habe nie etwas Kriminelles getan. Er habe vor, demnächst einen B1-Deutschkurs zu besuchen.
Im Rahmen der Einvernahme legte der Beschwerdeführer einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag (Arbeitgeber FA „ XXXX ), die Kopie seiner E-Card, das Original seines indischen Führerscheins, die Kopie des Sprachzertifikats ÖSD A2 vom 09.03.2017, die Kopie eines Meldezettels sowie ein Empfehlungsschreiben vor.
11. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.) und festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine Familienmitglieder in Österreich habe. Er sei zwar bereits seit neun Jahren im Bundesgebiet aufhältig, jedoch nicht wesentlich integriert. Er habe lediglich einen A2-Deutschkurs besucht, sei nicht Mitglied in einem Verein und habe auch kein ehrenamtliches Engagement gezeigt. Sein Freundeskreis bestehe aus Menschen aus seinem Herkunftsstaat. Es würden aktuell keine legalen beruflichen Bindungen zum Bundesgebiet bestehen. Zudem sei er seiner Ausreiseverpflichtung nach Rechtskraft der abweisenden Entscheidung zu seinem Antrag auf internationalen Schutz niemals nachgekommen. Seine Bemühungen zur Erlangung eines Reisedokuments hätte er nicht belegen können und würden diese von der Behörde als Schutzbehauptung gewertet werden, ungeachtet dessen, dass für den Zeitraum des vergangenen Jahres tatsächlich diverse Beschränkungen bei der indischen Botschaft bestanden hätten. Zudem habe der Beschwerdeführer sein gesamtes Leben in Indien verbracht und seien keine Umstände erkennbar, weshalb es ihm bei einer Rückkehr nicht mehr gelingen sollte, dort Fuß zu fassen, vor allem deshalb, da er gesund und arbeitsfähig und der Landessprache mächtig sei. Die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei zwar nicht unbeachtlich, jedoch seien seine Integrationsbemühungen nicht dergestalt, dass der Beschwerdeführer in Gesamtabwägung ein Aufenthaltsrecht ableiten könnte. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 komme daher nicht in Betracht. Da dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde, sei diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. Auch eine Gefährdung im Sinne des § 46 FPG liege nicht vor, weshalb die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gegeben sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführers bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.
12. Dagegen hat der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Vertreter fristgerecht Beschwerde erhoben und darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer seit beinahe zehn Jahren im Bundesgebiet aufhältig sei. Asylrechtlich sei der Fall des Beschwerdeführers negativ abgeschlossen worden. Er habe aber bereits am 18.04.2016 den gegenständlichen Antrag gemäß § 55 AsylG gestellt. Der Beschwerdeführer habe sich gut in Österreich integriert, er nehme keine sozialen Geldhilfen in Anspruch und sei strafgerichtlich unbescholten. Die Verzögerung in der erstinstanzlichen Bearbeitung seines Antrages von beinahe fünf Jahren sei nicht dem Beschwerdeführer zuzurechnen. Der Verwaltungsgerichtshof habe wiederholt betont, dass bei einem zehnjährigen Aufenthalt in der Regel die persönlichen Interessen am weiteren Aufenthalt andere Interessen überwiegen würden. Dass der Beschwerdeführer die Zeit zur Integration gar nicht genützt hätte, sei nicht ersichtlich und von der Behörde auch nicht behauptet worden. Zudem habe es nie konkrete Abschiebeversuche gegeben. Der Beschwerdeführer sei für die Behörde jederzeit erreichbar gewesen. Die lange Aufenthaltsdauer sei zumindest zur Hälfte dem Verschleppen des Falles seitens der Behörde zuzuschreiben. Die Bearbeitung des gegenständlichen Antrages durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe beinahe fünf Jahre gedauert, was, wie gerade erwähnt, die Hälfte der nun geltend gemachten langen Aufenthaltsdauer ausmache. Folglich hätte die Behörde dem Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel ausstellen müssen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien und stammt aus dem Bundesstaat Punjab. Er gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs und der Volksgruppe der Lubane an. In seiner Heimat besuchte er zehn Klassen die Grundschule und zwei Jahre eine Allgemeinbildende Höhere Schule. In Indien lebt die Mutter des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer befindet sich seit August 2011 durchgehend in Österreich. Der Beschwerdeführer stellte am 08.08.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.08.2011 sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen. Die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.01.2016 gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG wurde das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückgewiesen. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.02.2016 wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Es wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig ist. Darüber hinaus wurde die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.03.2016 als unbegründet abgewiesen. Seiner Ausreisverpflichtung nach Indien kam der Beschwerdeführer bisher nicht nach. Am 18.04.2016 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG.
Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten in Österreich und verfügt lediglich über einen indischen Bekanntenkreis. Er hat am 09.03.2017 das A2-Zertifikat erworben. Der Beschwerdeführer arbeitet seit 2012 als Zeitungszusteller auf Werkvertragsbasis. Er ist seit 07.12.2015 in Österreich selbständig krankenversichert, verfügt über einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag und über ein Empfehlungsschreiben. Er bezieht seit Oktober 2011 keine Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist gesund und strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:
Grundversorgung und Wirtschaft
Letzte Änderung: 23.10.2020 Die Anzahl jener Personen, die in Indien unter der absoluten Armutsgrenze (1,90 USD/Tag Kaufkraft) leben, konnte zwischen 2012 und 2019 von 256 Mio. auf 76 Mio. reduziert werden. Gemäß Schätzungen könnten durch die COVID-Krise allerdings bis zu 200 Mio. Menschen wieder in die absolute Armut zurückgedrängt werden (ÖB 9.2020). Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2016/2017 bei 7,1 Prozent und 2017/18 bei 6,75 Prozent (BICC 12.2019). 2019 betrug das Wirtschaftswachstum 4,9 Prozent. Für 2020 wurde ein Wachstum der Gesamtwirtschaft um 6,1 Prozentpunkte erwartet (WKO 1.2020). Doch schrumpfte im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2020/2021 (1. April 2020 bis 30. Juni 2021) aufgrund der COVID-19-Pandemie das Wirtschaftswachstum um beispiellose 23,9 Prozent. Der private Konsum und die Investitionen gingen stark zurück. Gleichzeitig verringerte sich in derselben Periode der Output der Industrie (Minus 38 Prozent) und des Dienstleistungssektors (Minus 21 Prozent) dramatisch. Für das am 1.4.2020 begonnene Geschäftsjahr erwarten Experten, dass die indische Wirtschaft um 9,6 Prozent schrumpfen und danach nur sehr langsam eine Erholung einsetzen wird. Die schwächelnde Nachfrage im In- und Ausland dürfte auch die Handelsbilanz in beide Richtungen belasten (WKO 10.2020). 2017 lag die Erwerbsquote bei 53,8 Prozent (StBA 26.8.2019). Frauen sind weniger häufig als Männer berufstätig (FES 9.2019). Indien besitzt mit ca. 520 Millionen Menschen die zweitgrößte Arbeitnehmerschaft der Welt (2012). Im Jahr 2019 lag die Arbeitslosenquote bei 7,6 Prozent, 2020 bei 10,8 Prozent. Für 2021 wird eine Arbeitslosenrate von 9,5 Prozent erwartet (WKO 10.2020).
Der indische Arbeitsmarkt wird durch den informellen Sektor dominiert. Er umfasst Familien- und Kleinbetriebe der Landwirtschaft, des produzierenden Gewerbes sowie des Dienstleistungsbereichs und unterliegt keiner Kontrolle oder Besteuerung des Staates. Infolgedessen bestehen in diesem Bereich keine rechtsverbindlichen Bestimmungen oder formal geregelte Arbeitsverhältnisse. Annähernd 90 Prozent der Beschäftigten werden dem informellen Sektor zugerechnet – sie sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung (Wienmann 2019). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 16,1 Prozent (2017/18) der Gesamtwirtschaft, obgleich fast 50 Prozent der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (Shah-Paulini 2017).
Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle frei ist (BAMF 2019; vgl. PIB 23.7.2018). Einige Bundesstaaten geben Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von drei Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese bieten auch Beratungen an, bei denen sie Informationen zu Verfügung stellen (BAMF 2019). Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei rund 1.852 USD. Auf dem Human Development Index der UNDP (Stand: September 2016) steht Indien auf Platz 131 unter 188 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (BICC 7.2020). Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zumeist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an, die sich ebenfalls an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 2019). Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmern ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 3.9.2018). 55,3 Prozent der Bevölkerung (642,4 Mio.) lebt in multi-dimensionaler Armut (HDI 2016).
Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz (AA 23.9.2020). Ein Programm, demzufolge 800 Mio. Menschen gratis Lebensmittelrationen erhalten (also etwa 2/3 der Bevölkerung) wurde bis November 2020 verlängert. Die Ausmaße dieses Programms verdeutlichen, wie hart Indien von der COVID-Krise und dem damit verbundenen Einbruch der Wirtschaft betroffen ist (ÖB 9.2020). Im September 2018 bestätigte der Oberste Gerichtshof die Verfassungsmäßigkeit des biometrischen Identifikationsprojekts Aadhaar. Im Juli 2019 verabschiedete das Parlament Änderungen zum Aadhaar-Gesetz. Damit wird der Weg für den Einsatz der Daten durch private Nutzer frei. Die geplanten Änderungen gaben Anlass zur Besorgnis hinsichtlich der Privatsphäre und des Datenschutzes und wurden angesichts eines Entscheids des Obersten Gerichtshofs vom September 2018 vorgenommen, welcher eine Nutzung von Aadhaar für andere Zwecke als den Zugang zu staatlichen Leistungen und die Erhebung von Steuern beschränkt (HRW 14.1.2020).
Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar-ID ausgestellt. Ursprünglich wurde das System eingeführt, um Steuerbetrug entgegenzuwirken. In den folgenden Jahren wurde der Umfang jedoch stark ausgeweitet: In einigen indischen Bundesstaaten werden mittels Aadhaar Pensionen, Stipendien und die Essensausgabe für arme Menschen abgewickelt (ORF 27.9.2018). Aadhaar stellt für den Großteil der Bevölkerung den einzigen Zugang zu einem staatlich anerkannten Ausweis dar. Diejenigen, die sich bei Aadhaar angemeldet haben, erhielten nach der Übermittlung ihrer Fingerabdrücke und Netzhautscans eine eindeutige zwölfstellige Identifikationsnummer (BBC 26.9.2018). Menschenrechtsgruppen äußern Bedenken, dass die Bedingungen zur Registrierung für Aadhaar arme und marginalisierte Menschen daran hindern, wesentliche, verfassungsmäßig garantierte Dienstleistungen wie etwa Nahrung und Gesundheitsversorgung zu erhalten (HRW 13.1.2018).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www. ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-und_abschie bungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 16.10.2020
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2019): Länderinformationsblatt Indien, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_India_DE.pdf , Zugriff 22.10.2020
• BBC - British Broadcasting Corporation (26.9.2018): Aadhaar: India top court upholds world’s largest biometric scheme, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-44777787, Zugriff 17.1.2019
• BICC - Bonn International Centre for Conversion (7.2020): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/ indien/2020_Indien.pdf; Zugriff 20.10.2020
• FES – Friedrich-Ebert-Stiftung (9.2019): Feminist perspectives on the future of work in India, http://library.fes.de/pdf-files/bueros/indien/15719.pdf , (Zugriff 18.3.2020
• HRW – Human Rights Watch (14.1.20120): World Report 2020 - India, https://www.ecoi .net/de/dokument/2022689.html, Zugriff 17.1.2020
• HRW - Human Rights Watch (13.1.2018): India: Identification Project Threatens Rights, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422175.html, Zugriff 17.1.2019
• ORF - Österreichischer Rundfunk (27.9.2018): Indiens Form der digitalen Überwachung, https://orf.at/stories/3035121/, Zugriff 17.1.2019
• ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien
• PIB - Press Information Bureau Government of India Ministry of Labour & Employment (23.7.2018): Modernisation of Employment Exchanges, http://pib.nic.in/newsite/PrintRele ase.aspx?relid=180854, Zugriff 13.3.2020
• Shah-Paulini, Purvi (2017): Chefsache Integrales Business mit Indien. Den Subkontinent aus verschiedenen Perspektiven verstehen. Springer Gabler Verlag. Seite 40
• StBA – Statistisches Bundesamt (26.8.2019): Indien: Statistisches Länderprofil, https: //www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Laenderprofile/indien. pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 15.3.2020
• Wiemann, Kristina N. (2019): Qualifizierungspraxis deutscher Produktionsunternehmen in China, Indien und Mexiko: Eine Analyse der Übertragbarkeit dualer Ausbildungsansätze. Springer Verlag. Seite 201
• WKO - Aussenwirtschaft Austria (10.2020): Aussen Wirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, WIRTSCHAFTSBERICHT Indien (Q1–Q22020), https://www.wko.at/service/aussenwirts chaft/indien-wirtschaftsbericht.pdf , Zugriff 21.10.2020
• WKO - Aussenwirtschaft Austria (1.2020): Aussenwirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, https://www.wko.at/service/ aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 11.2.2020
Rückkehr
Letzte Änderung: 23.10.2020
Allein die Tatsache, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung (AA 23.9.2020). Abgeschobene erfahren bei der Rückkehr nach Indien von den indischen Behörden grundsätzlich keine nachteiligen Konsequenzen, abgesehen von einer Prüfung der Papiere und gelegentlichen Befragung durch die Sicherheitsbehörden. Gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Aktivisten, die im Ausland eine in Indien verbotene terroristische Vereinigung unterstützen, werden hierfür nach ihrer Rückkehr strafrechtlich verfolgt, sofern ihre Aktivitäten den indischen Behörden bekannt geworden sind. Menschenrechtsorganisationen berichten über Schikanen der indischen Polizei gegen Personen, die wegen terroristischer Aktivitäten verurteilt wurden, selbst wenn diese ihre Strafe bereits verbüßt haben (ÖB 9.2020). Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder von Bekannten angewiesen (ÖB 9.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www. ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-und_abschie bungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 15.10.2020
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Ausbildung sowie zu seiner familiären Situation in Indien beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren, im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 16.12.2015, in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 17.02.2021 sowie auf den vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten indischen Führerschein.
Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Verwandten hat, über einen Bekanntenkreis aus seinem Herkunftsstaat verfügt, die deutsche Sprache auf Niveau A2 absolvierte, seit 2012 auf Werkvertragsbasis als Zeitungszusteller arbeitet, über einen Arbeitsvorvertrag verfügt und seit Dezember 2015 selbständig krankenversichert ist, ergeben sich aus seinen Angaben im Rahmen des Asylverfahrens, der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 17.02.2021 sowie der diesbezüglich vorgelegten Unterlagen.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seit 2011 keine Leistung aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt und strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Grundversorgungssystem und ins österreichische Strafregister.
2.2. Die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Lage in Indien ergeben sich aus den obigen Länderberichten. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter, teilweise vor Ort agierender, staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Indien ergeben und denen weder der Beschwerdeführer noch sein rechtsfreundlicher Vertreter entgegengetreten sind.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG, und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
3.2. Zu Spruchpunkt A) I:
Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen: die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8), die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9).
Gemäß § 58 Abs. 5 AsylG 2005 sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen. Im Antrag ist gemäß § 58 Abs. 6 AsylG 2005 der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 begründen gemäß § 58 Abs. 13 AsylG 2005 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten.
Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen in Österreich, weshalb die Rückkehrentscheidung keinen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung des Familienlebens darstellt.
Die aufenthaltsbeenden Maßnahme könnte daher allenfalls in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.
Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig ein Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich anzunehmen ist. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurde eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (und umgekehrt die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005) ausnahmsweise nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. etwa VwGH 28.05.2020, Ra 2020/21/0056, Rn 9, mwN).
Der Beschwerdeführer hält sich seit neun Jahren und elf Monaten in Österreich auf. Die Grenze von zehn Jahren ist also noch nicht ganz erreicht, allerdings wurde die zu mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalten entwickelte Judikatur vom Verwaltungsgerichtshof auch auf Fälle übertragen, in denen die Aufenthaltsdauer knapp unter zehn Jahren lag (vgl. VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0132, Rn 13, mwN) Dass dabei – wie der Verwaltungsgerichtshof im soeben zitierten Erkenntnis zusammenfassend ausführte – auf einen „stärkeren Integrationserfolg“ abgestellt wurde, bedeutet nicht, dass bei einem geringfügigen Unterschreiten der zehnjährigen Aufenthaltsdauer eine außergewöhnliche Integration erforderlich wäre, sondern nur, dass zu der bloßen Länge des Aufenthalts gewisse integrationsbegründende Umstände hinzukommen müssen, die darüber hinausgehen, dass die Zeit für eine Integration nur nicht „überhaupt nicht genützt“ wurde (vgl. VwGH 30.04.2021, Ra 2020/21/0357).
Solche über die bei einem mehr als zehnjährigen Aufenthalt verlangten Minimalerfordernisse hinausgehenden Integrationsmerkmale lagen aber beim Beschwerdeführer – entgegen der Ansicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl – schon angesichts seiner Deutschkenntnisse (Deutschprüfung auf dem Niveau A2), des Arbeitsvorvertrages, der Tatsache, dass der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2011 keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt, sondern auf Werkvertragsbasis als Zeitungszusteller arbeitet, und dass er seit Dezember 2015 in Österreich selbständig krankenversichert ist, vor.
Trotz derartiger integrationsbegründender Aspekte ist zwar nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses eines Fremden auszugehen, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interessen verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren (vgl. dazu grundlegend etwa VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005, Rn 11 bis 16, mwN).
In diesem Sinn machte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer als die Aufenthaltsdauer relativierend zum Vorwurf, dass er sich zunächst aufgrund einer nur vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz im Bundesgebiet und seit Abschluss des Verfahrens auf internationalen Schutz unrechtmäßig in Österreich aufgehalten habe und seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei. Dabei handelt es sich aber um Gesichtspunkte, die – in mehr oder weniger großem Ausmaß – typischer Weise auf Personen zutreffen, die nach negativer Erledigung ihres Antrags auf internationalen Schutz einen langjährigen inländischen und zuletzt jedenfalls unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet aufweisen. Diese Umstände sprechen somit per se nicht gegen die Anwendbarkeit der in Rn 12 und 13 dargestellten Rechtsprechungslinie. Ihnen kommt daher für sich genommen noch kein entscheidungswesentliches Gewicht zu (vgl. etwa VwGH 27.08.2020, Ra 2020/21/0159, Rn 12 mwN).
Weiters führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Lasten des Beschwerdeführers ins Treffen, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei. Dem steht jedoch entgegen, dass sich den vorgelegten Akten keine nachhaltigen behördlichen Versuche entnehmen lassen, diese Ausreiseverpflichtung durchzusetzen. Im Übrigen hätte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in diesem Zusammenhang auch auf den Tatbestand der Z 9 des § 9 Abs. 2 BFA-VG Bedacht nehmen und dem Beschwerdeführer zu Gute halten müssen, dass das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz ohne sein Verschulden fast fünf Jahre und das gegenständliche Verfahren über den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 55 AsylG beinahe fünf Jahre gedauert hat, wobei die Verzögerung der erstinstanzlichen Bearbeitung dieses Antrages jedenfalls nicht dem Beschwerdeführer zuzurechnen ist. Somit haben beide Verfahren eine unverhältnismäßig lange Zeit in Anspruch genommen.
Zudem ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten ist und sich auch keiner „groben“ Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften – von der illegalen Einreise abgesehen – schuldig gemacht hat.
Der Beschwerdeführer hat zwar noch eine Mutter im Heimatland, im vorliegenden Fall überwiegen jedoch nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Aufenthalt im Bundesgebiet in ihrer Gesamtheit die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung.
Die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels würde sich daher zum maßgeblichen aktuellen Entscheidungszeitpunkt als unverhältnismäßig im Sinne von Art. 8 EMRK erweisen.
Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privatlebens des Beschwerdeführers iSd Art. 8 EMRK geboten.
Der Beschwerdeführer erfüllt die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005.
§ 9 Abs. 4 IntG, BGBl. I Nr. 68/2017 idgF, mit der Überschrift „Modul 1 Integrationsvereinbarung“ lautet:
„(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,
2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,
3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002 oder einen Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,
4. einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte“ gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt, oder
5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemäß
§ 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.
Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1.“
§ 11 IntG lautet:
„Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1
§ 11 (1) Die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 wird bundesweit nach einem einheitlichen Maßstab durchgeführt.
(2) Die Prüfung umfasst Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit „Bestanden“ oder „Nicht Bestanden“ zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nichtbestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.
(3) Die Integrationsprüfung zur Erteilung des Moduls 1 ist vom Österreichischen Integrationsfonds oder von einer vom Österreichischen Integrationsfonds zur Abwicklung der Prüfungen im Rahmen der Integrationsvereinbarung zertifizierten und somit zur Ausfolgung eines gleichwertigen Nachweises gemäß Abs. 4 berechtigten Einrichtung durchzuführen.
(4) Über die Gleichwertigkeit eines Nachweises gemäß § 9 Abs. 4 Z 2 entscheidet der Österreichische Integrationsfonds mit Bescheid auf schriftlichen Antrag einer Einrichtung, die beabsichtigt die Integrationsprüfung durchzuführen, nach Maßgabe der Verordnung des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres gemäß Abs. 5.
(5) Der Prüfungsinhalt, die Modalitäten der Durchführung, die Prüfungsordnung zur Erfüllung des Moduls 1 sowie die Kriterien für die Prüfung der Gleichwertigkeit werden durch Verordnung des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres festgelegt.
(6) Der Österreichische Integrationsfonds kann die Zertifizierung während der Gültigkeit mit Bescheid entziehen, wenn die Integrationsprüfung nicht der Verordnung gemäß Abs. 5 entspricht. Nach einem Entzug der Zertifizierung ist eine neuerliche Antragstellung zur Zertifizierung frühestens nach Ablauf von sechs Monaten zulässig.
Die Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 36 NAG lautet:
„Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG gilt als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14 a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.“
Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 14a Abs. 4 NAG (idF vor BGBl. I. Nr. 68/2017) erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt (Z 1), einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 NAG vorlegt (Z 2), über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I 120, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht (Z 3) oder einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte” gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt (Z 4).
Das Modul 1 dient gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 NAG dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur vertieften elementaren Sprachverwendung. Die näheren Bestimmungen zu den Inhalten der Module 1 und 2 gemäß § 14 Abs. 3 NAG der Integrationsvereinbarung hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen. Ziel des Deutsch-Integrationskurses (Modul 1 der Integrationsvereinbarung) ist gemäß § 7 Abs. 1 IV-V die Erreichung des A2-Niveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, wie im Rahmencurriculum für Deutsch-Integrationskurse (Anlage A) beschrieben. Den Abschluss des Deutsch-Integrationskurses bildet gemäß § 7 Abs. 2 IV-V eine Abschlussprüfung, zumindest auf dem A2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, durch den ÖIF. Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse im Sinne des § 14a Abs. 4 Z 2 NAG gelten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 IV-V Zeugnisse des ÖSD nach erfolgreichem Abschluss einer Prüfung auf A2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.
Im gegenständlichen Verfahren verfügt der Beschwerdeführer über ein Prüfungszeugnis des ÖSD Niveaustufe A2 vom 09.03.20217, weshalb er das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt hat.
Gemäß der zitierten Übergangsbestimmung ist die mangelnde Absolvierung eines Wertekurses gemäß § 11 Abs. 2 IntG als Nachweis, dass der Beschwerdeführer mit den Werten der Republik Österreich in Kenntnis und verbunden ist, nicht maßgeblich für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG, soweit er die Voraussetzungen des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG idF vor dem BGBl. I Nr. 68/2017, somit vor dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens (01.10.2017) erfüllt hat. Er erfüllt somit auch ohne Vorlage eines Nachweises über die Absolvierung eines Wertekurses über die Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich bzw. nur mittels Vorlage seines Zeugnisses vom 09.03.2017 die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 AsylG.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat dem Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG 2005 auszufolgen, der Beschwerdeführer hat hieran gemäß § 58 Abs. 11 AsylG 2005 mitzuwirken. Der Aufenthaltstitel gilt gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsdatum.
3.3. Zu Spruchpunkt A) II:
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs.1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltsdauer ersatzlose Teilbehebung Erwerbstätigkeit Integration Integrationsvereinbarung Interessenabwägung Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig VerfahrensdauerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W169.1421104.4.00Im RIS seit
10.12.2021Zuletzt aktualisiert am
10.12.2021