TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/7 I422 2243992-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.09.2021
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Entscheidungsdatum

07.09.2021

Norm

BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I422 2243992-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Slowakei, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX vom 11.06.2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als das Aufenthaltsverbot auf fünf Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Verfahrensgegenstand ist die fristgerecht erhobene Beschwerde eines slowakischen Staatsangehörigen (in Folge: Beschwerdeführer) gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: die belangte Behörde) vom 11.06.2021, Zl. XXXX . Mit diesem erließ die belangte Behörde aufgrund einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels über ihn ein für die Dauer von sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.) und erteilte ihm einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit der Entscheidung (Spruchpunkt II.).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist slowakischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer ist seit längerer Zeit an Suchtgift (Metamphetamin) gewöhnt. Darüber hinaus leidet er an keinen schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Er ist erwerbs- und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer wurde in XXXX , Slowakei geboren. Er ist ledig und hat keine Sorgepflichten. Er verfügt über eine Berufsausbildung als Koch/Kellner und verdiente zuletzt als Bauarbeiter seinen Lebensunterhalt.

Der Beschwerdeführer war erstmals vom 19.06.2013 bis zum 18.04.2016 mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet melderechtlich erfasst. Seit dem 12.06.2018 ist der Beschwerdeführer erneut und ab diesem Zeitpunkt durchgehend im Bundesgebiet gemeldet. Die Zeit vom 12.02.2021 bis zum 18.06.2021 verbrachte der Beschwerdeführer in den Justizanstalten XXXX (12.02.2021 bis 03.03.2021) und XXXX (02.03.2021 bis 18.06.2021).

Während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet weist der Beschwerdeführer folgende Meldungen in der Sozialversicherung auf:
04.06.2012 bis 28.12.2012         Arbeiter
03.05.2013 bis 19.12.2014         Arbeiter
23.12.2014 bis 11.05.2015         Arbeitslosengeldbezug
12.05.2015 bis 28.06.2015         Notstandshilfe, Überbrückungshilfe
29.06.2015 bis 18.09.2015         Arbeiter
29.08.2016 bis 01.09.2016         Arbeiter
30.10.2017 bis 12.02.2021         Arbeiter
05.07.2021 bis dato         Arbeiter

Der Beschwerdeführer verfügt im Bundesgebiet über keine familiären Anbindungen. Demgegenüber bestehen privaten Anbindungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 27.05.2021, zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter, dritter und fünfter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten, davon Freiheitsstrafe zwölf Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig verurteilt.

Der Verurteilung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Beschwerdeführer hat im Zeitraum vom Anfang 2019 bis 11.02.2021 in wiederholten Angriffen XXXX V. dazu bestimmt, vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§28 SMG) übersteigende Menge, nämlich insgesamt zirka 500 Gramm Crystal Meth (enthaltend zumindest 20% Metamphetamin) aus der Slowakei aus- und nach Österreich einzuführen und ihm einen nicht mehr näher bestimmbaren Teil davon gegen Entgelt um EUR 50,00 pro Gramm überlassen.

Bei der Strafbemessung wertete das Strafgericht als mildernd das reumütige Geständnis und den wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung sowie die Sicherstellung eines Teiles des Suchtgifts, erschwerend hingegen eine einschlägige gerichtliche Verurteilung und die Begehung mehrerer Verbrechen.

Berücksichtigung fand im Strafurteil auch, dass der Beschwerdeführer seit längerer Zeit an Suchtgift (Metamphetamin) gewöhnt ist und er die Straftat vorwiegend deshalb beging, um sich für seinen jeweils persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen.

Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 14.06.2021, zu XXXX wurde der Beschwerdeführer nach Verbüßung von zwei Drittel der Strafzeit gemäß § 152 Abs. 1 Z 2 StVG vorzeitig aus der Haft entlassen.

Des Weiteren weist der Beschwerdeführer die nachstehenden zwei rechtskräftigen Verurteilungen in seinem Herkunftsstaat auf:

1.       am 02.12.2015 vom BG XXXX wegen unerlaubten Konsums, Erwerbs, Besitzes, Gewinnung oder Herstellung von Drogen, die ausschließlich für den persönlichen Gebrauch bestimmt sind, zu sechs Monaten mittlerweile endgültig nachgesehener Freiheitsstrafe,

2.       am 06.04.2016 vom BG XXXX wegen Fälschung von Zahlungsmitteln zu einem Jahr mittlerweile endgültig nachgesehener Freiheitsstrafe.

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 11.06.2021 erließ die belangte Behörde über den Beschwerdeführer ein für die Dauer von sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.) und erteilte ihm einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit der Entscheidung (Spruchpunkt II.).

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und die Angaben im Beschwerdeschriftsatz. Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters (ZMR), des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR), des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger (AJ-Web) und des Strafregisters eingeholt.

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus den glaubhaften, sich deckenden Angaben des Verwaltungs- und Strafaktes und einer sich im Verwaltungsakt befindlichen Kopie seines slowakischen Personalausweises.

Aus den Ausführungen im Strafurteil ist belegt, dass der Beschwerdeführer seit längerer Zeit an Suchtgift (Metamphetamin) gewöhnt ist. Das Vorliegen sonstiger gesundheitliche Beeinträchtigungen ließ sich dem Verwaltungsakt nicht entnehmen und wurde solches im Beschwerdeschriftsatz auch nicht behauptet. Auf der Zusammenschau seines Alters und seines Gesundheitszustandes sowie seiner bisherigen und gegenwärtigen beruflichen Tätigkeit fußt die Feststellung zu seiner Erwerbs- und Arbeitsfähigkeit.

Die Herkunft des Beschwerdeführers, sein Personal- und Familienstand, seine Berufsausbildung und der gegenwärtige Verdienst seines Lebensunterhaltes ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und dem Inhalt des sich darin befindlichen Strafurteils in Verbindung mit einem Auszug des ZMR. Dem wurde im Beschwerdeschriftsatz nicht entgegengetreten und auch kein anderslautendes Vorbringen erstattet.

Die Feststellungen zu den melderechtlichen Erfassungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet leiten sich aus einem aktuellen Auszug des ZMR ab. Aus diesem ergibt sich auch die Wohnsitzmeldungen in den Justizanstalten.

Aus einer Einsichtnahme in das AJ-Web basiert die Feststellung zu den Meldungen in der Sozialversicherung, seinen Beschäftigungszeiten und dem Bezug von Arbeitslosengeld sowie der Notstandshilfe.

Aus dem Verwaltungsakt ergaben sich keinerlei Hinweise, die auf das Vorliegen familiärer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet hindeuten. Dahingehend wurde auch im Beschwerdeschriftsatz kein anderslautendes Vorbringen erstattet. Bereits aus der Dauer seines Aufenthaltes ergibt sich das Vorliegen einer privaten Anbindung an das österreichische Bundesgebiet und wird dahingehend im Beschwerdeschriftsatz darauf verwiesen, dass er in einer eigenen Mietwohnung lebt, er im Bundesgebiet einer geregelten Beschäftigung nachgeht und sich auch sein langjähriger Arbeitgeber für seinen Verblieb einsetzt und ihn dieser zu einem Beratungsgespräch bei der Rechtsvertretung begleitete.

Aus einer Einsichtnahme in das Strafregister ergibt sich die Verurteilung des Beschwerdeführers. Das Urteil des Strafgerichtes vom 27.05.2021, zu XXXX liegt im vorgelegten Verwaltungsakt ein. Diesem lassen sich das der Straftat zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers sowie die wesentlichen Entscheidungsgründe und die Strafbemessungsgründe des Strafgerichtes entnehmen. Aus dem Strafurteil ergeben sich auch die Vorverurteilungen des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat. Ebenso liegt im Verwaltungsakt der Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 14.06.2021, zu XXXX ein, der in Zusammenschau mit einem aktuellen ZMR-Auszug die vorzeitige Haftentlassung des Beschwerdeführers bestätigt.

Der verfahrensgegenständliche Bescheid vom 11.06.2021, Zl. XXXX , liegt im Verwaltungsakt ein und basiert darauf die Feststellung zum verfahrensgegenständlichen fremdenrechtlichen Verfahren.

3. Rechtliche Beurteilung:

Eingangs ist zum Vorbringen im Beschwerdeschriftsatz, wonach der rechtsunkundige Beschwerdeführer keineswegs „stillschweigend“ einer Verhängung des Aufenthaltsverbotes zugestimmt habe, sondern vielmehr auf die Auskunft des Sozialen Dienstes in der Justizanstalt vertraut habe und ihm dabei mitgeteilt worden sei, dass es nicht notwendig sei, auf die Aufforderung des Bundesamtes zu reagieren, wie folgt festzuhalten: Letztlich ist aufgrund der ihm im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gebotenen Möglichkeit, sich zum Inhalt des angefochtenen Bescheides zu äußern, von einer Sanierung einer allfälligen Verletzung des Parteiengehörs auszugehen, zumal der angefochtene Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergibt und die Ausführungen des Beschwerdeführers im Beschwerdeschriftsatz in der gegenständlichen Entscheidung berücksichtigt werden (vgl. VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0056).

Zu A) Zur teilweisen Stattgabe der Beschwerde:

3.1. Zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage:

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3 für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Als Staatsangehöriger der Slowakei ist der Beschwerdeführer EWR-Bürger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 8 FPG und fällt er somit in den persönlichen Anwendungsbereich des § 67 FPG.

Zunächst gilt der im gegenständlichen Fall anzuwendende Gefährdungsmaßstab zu ermitteln. Nachdem die Voraussetzung eines durchgehenden und rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet von mehr als zehn Jahren nicht erfüllt ist, kommt der erhöhte Gefährdungsmaßstab im Sinne des § 67 Abs. 1 S 5 FPG nicht zur Anwendung.

Folglich gilt zu prüfen, ob der Beschwerdeführer das Daueraufenthaltsrecht im Sinne des § 53a NAG erworben hat und der daraus entspringende, zwischen einfachem und erhöhtem Gefährdungsmaßstab liegende Prüfmaßstab des § 66 Abs. 1 FPG („schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit“) im gegenständliche Fall heranzuziehen ist. Dies ist jedoch angesichts des zwischen 12.05.2015 bis 28.06.2015 erfolgten Bezugs von Notstands- und Überbrückungshilfe und der zwischen Anfang 2019 begonnenen und bis 11.02.2021 andauernden, strafrechtlich relevanten Handlungen des Beschwerdeführers zu verneinen (vgl. VwGH 05.02.2021, Ra 2020/21/0439).

Im gegenständlichen Fall kommt somit der einfache Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S 2 FPG, wonach für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eine aktuelle, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefordert wird, zur Anwendung.

Der Beschwerdeführer weist im Bundesgebiet eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter, dritter und fünfter Fall SMG auf und wurde er zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon zwölf Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

Dieses Verhalten stellt jedenfalls ein die öffentliche Sicherheit auf dem Gebiet des Fremdenwesens gefährdendes und beeinträchtigendes Fehlverhalten dar, zumal der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz und auch zum grenzüberschreitenden Suchtgifthandel wiederholt festgehalten hat, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (vgl. VwGH 08.07.2020, Ra 2019/14/0272; 22.02.2021, Ra 2021/21/0013; 26.05.2021, Ra 2021/01/0159). In diesem Zusammenhang verbleibt auch auf die Rechtsprechung des EGMR zu verweisen, der Drogenhandel als Plage ["scourge"] bezeichnet und daher hartes Vorgehen nationaler Behörden dagegen billigt (vgl. jüngst EGMR 15.10.2020, Akbay u.a./Deutschland, 40495/15, Z 110).

Wie der Beschwerdeführer dahingehend in seiner Beschwerde dem Grunde zu Recht aufzeigte, rechtfertigt die strafgerichtliche Verurteilung alleine noch nicht die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes. Für jedes Aufenthaltsverbot ist eine Gefährdungsprognose zu erstellen, und dabei das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das „persönliche Verhalten“ des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 22.10.2020, Ra 2020/20/0274).

Auch im Lichte der vorgenannten Judikatur kommt das Bundesverwaltungsgericht aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers und des sich hieraus ergebenden Persönlichkeitsbildes sowie einer Gefährdungsprognose zur Überzeugung, dass vom Beschwerdeführer eine derart schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, welche ein Aufenthaltsverbot zu rechtfertigen vermag. Dahingehend sticht zunächst besonders die zeitliche Komponente seines deliktischen Handelns hervor. Der Beschwerdeführer begann die Suchtmitteldelikte bereits Anfang des Jahres 2019 und setzt diese bis zum 11.02.2021 – somit einen Zeitraum von rund zwei Jahren – fort. Eine Beendigung seines strafrechtlich relevanten Handelns konnte erst durch seine Festnahme im Februar 2021 herbeigeführt werden. Zudem resultieren aus seinem strafrechtlich relevanten Verhalten die Begehung mehrerer Verbrechen. Des Weiteren fällt ins Gewicht, dass bei den vom Beschwerdeführer verübten Verbrechen ein grenzüberschreitender Suchtgifthandel vorliegt. In diesem Zusammenhang bleibt zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer das Recht auf Personenfreizügigkeit innerhalb der Europäischen Union dazu benutzte, indem er seinen Mittäter dazu bestimmte, vorschriftswidrig Suchtmittel von der Slowakei aus- und über die Grenze nach Österreich einzubringen. Dies vorwiegend zum persönlichen Gebrauch, aber auch um sich durch die Weiterveräußerung Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen. Ebenso bleibt zu berücksichtigen, dass der von ihm begangene Suchtgifthandel eine die Grenzmenge nach § 28 SMG übersteigende Menge – nämlich insgesamt zirka 500 Gramm Crystal Meth – umfasste. Schließlich fließt in die Beurteilung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers mit ein, dass er bereits 2015 und 2016 in der Slowakei rechtskräftig verurteilt wurde, wobei es sich bei seiner ersten Tat um eine einschlägige Verurteilung handelt.

Sofern im Beschwerdeschriftsatz moniert wird, dass die Verurteilungen in der Slowakei bereits getilgt und im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose nicht negativ heranzuziehen seien, vermag dieser Ansicht nicht beigetreten werden. Hiezu sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass es bei der Gefährdungsprognose nicht um die Frage der formellen Unbescholtenheit geht, sondern um das Gesamtverhalten des Fremden. Zur Begründung einer Gefährdung öffentlicher Interessen darf auch das einer getilgten Verurteilung zugrunde liegende Verhalten berücksichtigt werden (vgl. VwGH 30.04.2021, Ra 2021/21/0071).

Das Verhalten des Beschwerdeführers weist in einer Gesamtbetrachtung auf seine mangelnde Rechtstreue gegenüber der österreichischen Rechtsordnung hin und bringt er dadurch seine Gleichgültigkeit gegenüber den in Österreich rechtlich geschützten Werten deutlich zum Ausdruck.

Das erkennende Gericht lässt das reumütige Geständnis in der Strafverhandlung und seinen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung sowie den Beschwerdeeinwand, wonach der Beschwerdeführer seine Tathandlungen zutiefst und nachhaltig bereue, eben so wenig unberücksichtigt, wie den Umstand, dass der Beschwerdeführer nach Verbüßung von zwei Drittel der Strafzeit vorzeitig entlassen wurde. Allerdings ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich – nach Vollzug einer Haftstrafe – in Freiheit wohlverhalten hat; für die Annahme eines Wegfalls der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit eines Fremden ist somit in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich. Dabei ist der Beobachtungszeitraum umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden in der Vergangenheit manifestiert hat (vgl. VwGH 26.01.2021, Ra 2020/14/0491). Zudem entspricht es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass es grundsätzlich im Fall von strafbaren Handlungen infolge Gewöhnung an Suchtmittel neben dem Abschluss einer Therapie noch eines maßgeblichen Zeitraums des Wohlverhaltens bedarf, um einen Wegfall der Gefährdung annehmen zu können (vgl. VwGH 08.07.2020, Ra 2019/14/0272). Des Weiteren sprach der Verwaltungsgerichthof aus, dass grenzüberschreitender Suchtgiftschmuggel ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr besteht und bei dem auch ein längeres Wohlverhalten in Freiheit noch nicht für die Annahme eines Wegfalls der daraus ableitbaren Gefährdung ausreicht (vgl. 22.02.2021, Ra 2020/21/0537). Im Lichte der vorgenannten Judikatur ist durch den erst vor kurzem beendeten Haftaufenthalt mit 18.06.2021 dem Beschwerdeführer somit noch kein positiver Gesinnungswandel zu attestieren.

Aufgrund des erhobenen Sachverhaltes kann der belangten Behörde in ihrer Einschätzung, wonach davon auszugehen sei, dass die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich durch einen weiteren Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre, somit nicht entgegengetreten werden. Der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG ist im vorliegenden Fall daher dem Grunde nach erfüllt.

Bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes kann aber ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss anhand der Kriterien des § 9 Abs. 2 BFA-VG des Weiteren überprüft werden, ob im vorliegenden Fall einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Beschwerdeführers gegeben ist und ob diese allenfalls nicht zu einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes führen könnten.

Der Beschwerdeführer weist im Bundesgebiet kein Familienleben auf. Demgegenüber weist der Beschwerdeführer im Hinblick auf seinen mehrjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet und seine beruflichen Tätigkeiten im Bundesgebiet sowie der Unterstützung durch seinen aktuellen Arbeitgeber sehr wohl eine private Anbindung in sozialer und beruflicher Hinsicht in Österreich auf. Allerdings vermögen diese für sich gesehen nicht die Unzulässigkeit des Aufenthaltsverbotes bewirken, letztendlich unter dem Aspekt, dass ihn dieses Privatleben nicht von der Begehung seines strafrechtlich relevanten Verhaltens abhielt. Dem Beschwerdeführer musste somit bewusst sein, dass er sein hier aufgebautes privates und berufliches Umfeld aufgrund seines strafrechtlich relevantes Verhalten und den daraus drohenden fremdenrechtlichen Konsequenzen aufs Spiel setzt und hat er eine Relativierung bzw. ein Zurücktreten seiner privaten Interessen durch sein strafrechtlich relevantes Verhalten bewusst in Kauf genommen (vgl. VwGH 28.09.2004, 2001/18/0221; 13.09.2012, 2011/23/0143).

Angesichts des in seiner Gesamtheit gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers ist davon auszugehen, dass das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist, ist es doch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität und dem Schutz der Gesundheit Dritter) dringend geboten.

Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sind demnach höher zu gewichten als die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers. Unter diesen Umständen ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten.

Ohne sein kriminelles Fehlverhalten verharmlosen zu wollen, erweist sich die Höhe des von der belangten Behörde ausgesprochenen Aufenthaltsverbot in der Dauer von sieben Jahren unter Berücksichtigung seiner erstmaligen Verurteilung im Bundesgebiet, der Strafbemessungsgründe, der teilbedingten Haftstrafe und seiner vorzeitigen Entlassung aus der Strafhaft und seiner hier im Bundesgebiet bestehenden privaten Interessen als nicht angemessen und erforderlich, um der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wirksam zu begegnen und bei ihm ein Umdenken hin zu einem rechtskonformen Verhalten herbeizuführen. Die Dauer des Aufenthaltsverbots ist daher auf die Dauer von fünf Jahre zu reduzieren, weil dies unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers und seinem im Bundesgebiet gezeigten Fehl- und Gesamtverhalten sowie der von ihm ausgehenden Gefährdung entspricht. Eine darunterliegende Dauer bzw. eine gänzliche Behebung des Aufenthaltsverbotes ist jedoch wegen des Gewichts seines deliktischen Handelns, insbesondere aufgrund der Begehung von Suchtgifthandel und der einschlägigen Vorstrafe in der Slowakei und der damit verbundenen hohen Wiederholungsgefahr, des langen Tatzeitraumes von rund zwei Jahren und aufgrund seiner eigenen Gewöhnung an Suchtgift, nicht denkbar.

Das Aufenthaltsverbot laut Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist somit in Stattgebung des entsprechenden Eventualantrages in der Beschwerde auf fünf Jahre herabzusetzen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zum Durchsetzungsaufschubes (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides)

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Vor diesem gesetzlichen Hintergrund ist Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids nicht zu beanstanden, zumal die belangte Behörde dem Beschwerdeführer einen Durchsetzungsaufschub in der dafür vorgesehenen gesetzlichen Frist von einem Monat einräumte.

Somit war die Beschwerde in Bezug auf den Spruchpunkte II. des angefochtenen Bescheids als unbegründet abzuweisen.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Nachdem der relevante Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt erscheint und auch bei einem positiven Eindruck vom Beschwerdeführer bei einer mündlichen Verhandlung keine weitere Herabsetzung oder gar ein Entfall des Aufenthaltsverbotes möglich wäre, unterbleibt die beantragte Beschwerdeverhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG, zumal davon keine weitere Klärung der Angelegenheit zu erwarten ist.

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung mit der einzelfallbezogenen Erstellung einer Gefährdungsprognose, die Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG und die Bemessung der Dauer eines Aufenthaltsverbots von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I422.2243992.1.00

Im RIS seit

03.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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