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L37151 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Bgld 1969 §17 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des H und der AK, beide in G, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in O, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Güssing vom 2. Mai 1996, Zl. 02/04-20, betreffend Bauplatzerklärung (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Güssing, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Burgenland hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 13. Jänner 1995 beantragten die Beschwerdeführer, ihr Grundstück Nr. nn1 der Liegenschaft EZ nn, KG Güssing, zum Bauplatz zu erklären, und gleichzeitig die baubehördliche Bewilligung "zum Neubau eines überdachten Wäschetrocknungsplatzes sowie zur Errichtung einer Einfriedung" auf diesem Grundstück zu erteilen.
Das vorgenannte Grundstück der Beschwerdeführer liegt im Ortsried der Katastralgemeinde Güssing nordwestlich des öffentlichen Weges Grundstück Nr. nn/2 im Bauland-Mischgebiet und weist eine Größe von 689 m2 auf. Laut der dem Antrag beiliegenden Baubeschreibung vom 12. Jänner 1995 beabsichtigen die Beschwerdeführer, auf dem gegenständlichen Grundstück neben dem bestehenden Wohnhaus an der Ostseite einen überdachten Wäschetrocknungsplatz und an der Nordwestseite des Grundstückes zum öffentlichen Weg hin sowie an den beiden seitlichen Grundstücksgrenzen über eine Länge von rund 16 m bis 17 m eine Einfriedung zu errichten.
In der mündlichen Verhandlung zum Ansuchen betreffend die Erklärung des Grundstückes der Beschwerdeführer zum Bauplatz vom 1. März 1995 führte der bautechnische Sachverständige zur Festsetzung der Bebauungsgrundlagen aus, daß der Verlauf der Straße aus dem vorliegenden Lageplan zu ersehen sei und die Breite der Straße im erforderlichen Ausmaß festgelegt werde. Die Beschwerdeführer seien verpflichtet, die im Lageplan im Maßstab 1 : 500 dargestellte Grundstücksfläche im Ausmaß von 10 m2 unentgeltlich und kostenfrei an die Gemeinde abzutreten. Hiebei handelt es sich um einen Grundstücksstreifen zwischen der auf dem Grundstück Nr. nn1 laut Einreichplan zu errichtenden Einfriedung und der Grundstücksgrenze zum öffentlichen Weg Grundstück Nr. nn/2.
Zu diesen Sachverständigenausführungen gaben die Beschwerdeführer die Erklärung ab:
"Ich erhebe Einwand, daß eine Abtretung, die hier vorgesehen ist, nicht unentgeltlich erfolgt."
Der Verhandlungsleiter gab hiezu die Erklärung ab, daß gemäß § 17 Abs. 2 der Burgenländischen Bauordnung eine Grundabtretung bis zur Achse der Verkehrsfläche, höchstens jedoch bis zu einer Breite von 5,5 m unentgeltlich zu erfolgen habe.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 2. März 1995 wurde das Grundstück Nr. nn1, KG Güssing, der Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 5 bis 7 der Burgenländischen Bauordnung zum Bauplatz mit einem Flächenausmaß von 679 m2 erklärt. Unter Punkt 14. und 15. sind folgende "Bebauungsgrundlagen und Auflagen festgesetzt:
....
14. Sollte der Bauplatz eingefriedet werden, ist hierüber ein gesondertes Ansuchen um die baubehördliche Bewilligung einzubringen.
15. Gemäß § 17 Abs. 1 bis 3 der Burgenländischen Bauordnung ist das im Teilungsplan von DI. Z vom 1.12.1989, GZ. nn4, ausgewiesene Trennstück T 66 im Ausmaß von 10 m2 unentgeltlich abzutreten. Diese Teilfläche ist im Lageplan grün markiert."
Entscheidungswesentlich wurde in der Begründung ausgeführt, daß die Grundabtretung bis zur Achse der Verkehrsfläche, höchstens jedoch bis zu einer Breite von 5,5 m unentgeltlich zu erfolgen habe. Wenn die Grundfläche die halbe Breite der Verkehrsfläche überschreite, gebühre für die jenseits der Achse liegenden Grundflächenteile dem Grundeigentümer eine Entschädigung, die von der Gemeinde zu leisten sei. Die Entschädigung gebühre auch für die Grundfläche, welche die Breite von 5,5 m übersteige.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung führen die Beschwerdeführer zu Punkt 15. der Bebauungsgrundlagen aus, daß Verkehrsflächen weder neu errichtet noch verbreitert worden seien. Die Abtretungsvorschreibung sei zu Unrecht erfolgt.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 2. Oktober 1995 wurde dieser Berufung keine Folge gegeben. Da die Stadtgemeinde Güssing für die Aufrechterhaltung eines sicheren Fußgängerverkehrs zu sorgen habe, sei die Grundabtretungsvorschreibung notwendig gewesen.
In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung gaben die Beschwerdeführer bekannt, "daß wir die projektierte Einfriedung nicht errichten werden und ziehen ein diesbezügliches Ansuchen zurück". Der überdachte Wäschetrocknungsplatz sei kein Zubau, sondern lediglich ein überdachter Platz zwecks Wäschetrocknung, sohin kein Bauvorhaben im Sinne der Burgenländischen Bauordnung und daher auch nicht bewilligungspflichtig. Eine Bauplatzerklärung sei daher nicht vorzunehmen. Jedenfalls bestünde eine Ausnahme von der Bauplatzerklärungspflicht gemäß § 10 Abs. 2 der Burgenländischen Bauordnung. Für die unter Punkt 15. des erstinstanzlichen Bescheides vorgeschriebene Grundabtretung bestünde keinerlei Notwendigkeit, zumal der bestehende Gehsteig jeweils aus Richtung Hauptstraße gesehen am rechten Ende ihres Grundstückes 1,2 m und an der linken Begrenzung ihres Grundstückes sogar 2,15 m in der Breite aufweise.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Güssing vom 2. Mai 1996 wurde der Vorstellung der Beschwerdeführer keine Folge gegeben. Für die Errichtung einer Einfriedung, insbesondere gegen öffentliche Verkehrsflächen, sei eine Bauplatzerklärung erforderlich. Im Zuge einer solchen Bauplatzerklärung könne die Gemeinde für die Anlage neuer oder für die Verbreiterung bestehender öffentlicher Verkehrsflächen die Abtretung von Grundflächen in der erforderlichen Breite auftragen. Die Abtretungsverpflichtung entstehe mit Rechtskraft einer Bauplatzerklärung. Die Gemeinde Güssing habe die Erteilung der Bauplatzerklärung genützt, um im Interesse der Aufrechterhaltung eines sicheren Fußgängerverkehrs eine Grundabtretung aufzutragen. Dies entspreche den Bestimmungen der Burgenländischen Bauordnung. Durch den Verzicht auf die Bauplatzerklärung bzw. durch die Zurückziehung des Antrages könne ein Erlöschen der Abtretungsverpflichtung nicht eintreten, weil die Bauplatzerkärung rechtskräftig erteilt worden sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht "auf fehlerfreie Anwendung der Bestimmungen der Burgenländischen Bauordnung verletzt". Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Eine Notwendigkeit für die Verbreiterung des Gehsteiges sei nicht gegeben, zumal die am Grundstück der Beschwerdeführer vorbeiführende Hauptstraße baulich fertiggestellt sei und der bereits bestehende Gehsteig an der engsten Stelle auf Höhe des Grundstückes der Beschwerdeführer eine Breite von 1,2 m und an der breitesten Stelle eine solche von 2,15 m aufweise. Für die vorgeschriebene Grundabtretung fehlten die Voraussetzungen. Die Zurückziehung des Antrages auf Bewilligung der Einfriedung hätte von der belangten Behörde berücksichtigt werden müssen. Da auch der Wäschetrocknungsplatz keiner Baubewilligung bedürfe, lägen auch die Voraussetzungen für eine Bauplatzerkärung nicht vor.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 88 Abs. 1 der Burgenländischen Bauordnung in der Fassung der Bauordnungsnovelle 1993 (BO) bedürfen einer Bewilligung (Baubewilligung) der Baubehörde
1.
Neu-, Zu- und Umbauten von Gebäuden und deren Abbruch;
2.
die Errichtung und der Abbruch von Bauwerken;
3.
die Herstellung von Einfriedungen gegen öffentliche Verkehrsflächen und gegen öffentliche Grünflächen im Bauland, sofern sie nicht unter Z. 2 fallen.
Gemäß § 2 Abs. 2 leg. cit. sind Gebäude Bauten, die von Menschen betreten werden können und Räume zum Schutze von Menschen, Tieren oder Sachen allseits umschließen.
Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle sind Bauwerke alle anderen Bauten.
Gemäß § 10 Abs. 1 leg. cit. bedürfen u.a. folgende Maßnahmen einer Bauplatzerklärung der Baubehörde, mit der das betroffene Grundstück in einem nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen durchzuführenden Verfahren für die Bebauung oder für eine sonstige in diesem Absatz genannte Maßnahme geeignet erklärt wird:
3.
Neu-, Zu- und Umbauten von Gebäuden;
4.
Neu-, Zu- und Umbauten von Bauwerken;
5.
die Herstellung von Einfriedungen gegen öffentliche Verkehrsflächen und gegen öffentliche Grünflächen im Bauland, sofern sie nicht ohnehin unter Z. 4 fallen.
Da Änderungen der Sach- und Rechtslage vor der Aufsichtsbehörde für das Vorstellungsverfahren unbeachtlich sind (vgl. hiezu die bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 4. Auflage, Seite 146, wiedergegebene hg. Rechtsprechung), war es der belangten Behörde verwehrt, auf das Vorbringen der Beschwerdeführer in der Vorstellung, ihr Ansuchen auf Bewilligung der Einfriedung werde zurückgezogen, einzugehen. Die im Antrag der Beschwerdeführer vom 13. Jänner 1995 umschriebenen Maßnahmen sind solche im Sinne des § 10 Abs. 1 BO. Der Antrag, das Grundstück Nr. nn1, KG Güssing, zum Bauplatz zu erklären, lag der Entscheidung der Baubehörden zugrunde und wurde von den Beschwerdeführern auch nicht zurückgezogen. Ob die im Antrag enthaltenen baubewilligungspflichtigen Maßnahmen von der Bauplatzerklärungspflicht im Sinne des § 10 Abs. 2 BO ausgenommen sind, bedarf sohin bei dieser Sach- und Rechtslage keiner näheren Erörterung.
Gemäß § 12 Abs. 6 Z. 9 BO hat der Bescheid, mit dem die Bauplatzerklärung ausgesprochen wird, gegebenenfalls die Verpflichtung, an die Gemeinde gemäß § 17 eine Grundfläche in einer bestimmten Lage und in einem bestimmten Ausmaß abzutreten, zu enthalten.
Gemäß § 17 Abs. 1 BO haben die Eigentümer von Grundstücken im Bauland hievon die Grundflächen, die zum Zwecke der Aufschließung von Bauplätzen für die Anlage neuer oder zur Verbreiterung bestehender öffentlicher Verkehrsflächen benötigt werden, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen in der erforderlichen Breite der Verkehrsfläche an die Gemeinde abzutreten.
Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat die Grundabtretung bis zur Achse der Verkehrsfläche, höchstens jedoch bis zu einer Breite von 5,5 m unentgeltlich zu erfolgen. Wenn die Grundfläche die halbe Breite der Verkehrsfläche überschreitet, gebührt für die jenseits der Achse liegenden Grundflächenteile dem Grundeigentümer eine Entschädigung, die von der Gemeinde zu leisten ist. Die Entschädigung gebührt auch für die Grundfläche, welche die Breite von 5,5 m übersteigt (Abs. 8).
Gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen entsteht die Abtretungsverpflichtung mit Rechtskraft einer Bauplatzerklärung oder mit der Beschlußfassung des Gemeinderates über die Errichtung oder Verbreiterung der öffentlichen Verkehrsfläche und ist im Falle einer Bauplatzerklärung möglichst mit dieser, sonst mittels gesonderten schriftlichen Bescheides auszusprechen.
Tatbestandsvoraussetzung für eine Grundabtretung für öffentliche Verkehrsflächen gemäß § 17 Abs. 1 BO ist, daß die zur Abtretung vorgeschriebene Grundfläche für die öffentliche Verkehrsfläche "benötigt" wird. Schon in der Berufung haben die Beschwerdeführer darauf hingewiesen, daß eine Verkehrsfläche mit einem Gehsteig in der erforderlichen Breite vorhanden sei. In der Berufungsentscheidung hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei hiezu auf die Verpflichtung der Stadtgemeinde Güssing "für die Aufrechterhaltung eines sicheren Fußgängerverkehrs in diesem Bereich" hingewiesen. In ihrer Vorstellung haben die Beschwerdeführer wiederholt, daß "keinerlei Notwendigkeit" für die vorgeschriebene Grundabtretung bestehe. Im angefochtenen Bescheid fehlen ebenfalls Begründungsdarlegungen dafür, ob die den Beschwerdeführern zur Abtretung vorgeschriebene Grundfläche gemäß § 17 Abs. 1 BO benötigt wird. Im Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei fehlen somit begründete Feststellungen, welche eine abschließende Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 17 BO zulassen. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996050222.X00Im RIS seit
20.11.2000