TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/25 W118 2226635-1

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Veröffentlicht am 25.08.2021
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Entscheidungsdatum

25.08.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
MOG 2007 §19 Abs3
MOG 2007 §6
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W118 2226635-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. ECKHARDT über die Beschwerde der XXXX und des XXXX , BNr. XXXX , gegen den Bescheid des Vorstands für den Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria (AMA) vom 14.05.2019, AZ II/4-DZ/18-13064087010, betreffend Direktzahlungen 2018 zu Recht:

A)

I.       Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass anstelle des ausgesprochenen Kürzungsprozentsatzes von 20 % gemäß Art. 40 VO (EU) 640/2014 ein Kürzungsprozentsatz von 15 % verhängt wird.

II.     Gemäß § 19 Abs. 3 MOG 2007 wird der AMA aufgetragen, die entsprechenden Berechnungen durchzuführen und das Ergebnis dem Beschwerdeführer bescheidmäßig mitzuteilen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Mit Datum vom 26.04.2018 stellten die Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) elektronisch einen Mehrfachantrag-Flächen und beantragten die Gewährung von Direktzahlungen für das Antragsjahr 2018.

2. Mit Schreiben vom 23.05.2018 wurde die AMA von der für den Betrieb der BF zuständigen Bezirkshauptmannschaft im Rahmen der diesbezüglich bestehenden Berichtspflicht davon in Kenntnis gesetzt, dass gegen Herrn XXXX rechtskräftig eine Verwaltungsstrafe auf Basis des Wasserrechtsgesetzes ausgesprochen worden sei.

Dem in einem übermittelten Straferkenntnis ist zu entnehmen, dass am 02.03.2018 von 15:30 Uhr bis 22: 10 Uhr auf einer landwirtschaftlichen Nutzfläche auf gefrorenem Boden eine Düngung mit einem stickstoffhältigen Düngemittel (200.000 Liter Gülle) vorgenommen und dadurch gegen § 4 Abs. 1 der Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung verstoßen worden sei.

3. Mit Schreiben vom 29.06.2018 hielt die AMA den BF im Rahmen eines Parteiengehörs die Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft vor und brachte Ihnen zur Kenntnis, dass auf Basis der vorliegenden Informationen vorerst von einem vorsätzlich begangenen Verstoß gegen die anderweitigen Verpflichtungen ausgegangen werden müsse.

Vor diesem Hintergrund könne gemäß Art. 40 der Verordnung (EU) Nr. 640/2014 der Gesamtbetrag der beantragten Beihilfen um 20 % (Regelkürzungssatz) gekürzt werden. Auf der Grundlage des Kontrollberichts könne dieser Prozentsatz auf 15 % reduziert, jedoch auch auf bis zu 100 % erhöht werden.

4. Mit Schreiben vom 10.07.2018 teilten die BF im Wesentlichen mit, sie seien der vollen Überzeugung gewesen, dass Güllefahren auf Böden, die im Verlauf des Tages auftauen, wie in der Vergangenheit auch, weiterhin erlaubt sei. Die Wettervorhersagen seien für diesen Tag laut Oberösterreichischen Nachrichten bei plus 5 Grad und in den folgenden Tagen bei Temperatursteigerungen bis plus 12 Grad Tagestemperatur gelegen. Die Flächen seien mit Wintergerste bzw. Winterweizen bewachsen gewesen. Entsprechend der guten pflanzenbaulichen Praxis benötigten die Winterungen eine entsprechend zeitige Andüngung mit Stickstoff, um eine gute Jugendentwicklung zu gewährleisten. Die gute Jugendentwickung der Pflanzen verhindere auch das Aufkommen von Unkräutern und vermindere somit auch den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel. Die BF hätten insofern auf die Wetterprognosen vertraut, dass der Boden auch soweit auffriere, dass er aufnahmefähig sei. Auch in Hinblick auf eine bodenschonende Befahrung sei der Termin gewählt worden. Im Übrigen sei mit ca. 15m3 Gülle/ha keine überdurchschnittliche Menge ausgebracht worden.

Dem Schreiben angefügt war ein Auszug aus den OÖ Nachrichten vom 02.03.2018 mit einer positiven Wetterprognose für die folgenden Tage. Außerdem ein Abdruck von Daten der ZAMG mit ähnlichen Werten.

5. Mit Bescheid der AMA vom 14.05.2019, AZ II/4-DZ/18-13064087010, betreffend Direktzahlungen 2018 wurden den BF Direktzahlungen in Höhe von EUR 18.247,95 gewährt. Dabei wurde der Auszahlungsbetrag aus dem Titel eines Verstoßes gegen die Regelungen der Cross Compliance um 20 % gekürzt.

In einem Anhang zum Bescheid wurde auf die angeführte Vor-Ort-Kontrolle verwiesen und von einem vorsätzlichen Verstoß ausgegangen.

6. Mit Beschwerde vom 27.05.2019 führten die BF ergänzend im Wesentlichen aus, Samstag (03.03.) seien die Temperaturen auf ca. 10 Grad Plus angestiegen. Somit sei der Boden ca. 10 Stunden nach dem letzten Fass wieder aufgetaut und somit aufnahmefähig gewesen.

7. Im Rahmen der Aktenvorlage am 16.12.2019 teilte die AMA im Wesentlichen mit, dass das Vorbringen der BF aufgrund der Feststellung der zuständigen BH und der laut www.kachelmannwetter.com gemessenen Daten nicht glaubwürdig sei. So habe es am Tag der Ausbringung keine Plusgrade gegeben und auch in den darauffolgenden Tagen habe es entgegen der Wettervorhersage lediglich geringe Plusgrade gegeben. Aufgrund dieser gemessenen Temperaturen und der vor dem Tag der Ausbringung bestehenden extremen Kältewelle sei daher davon auszugehen, dass die Ausbringung tatsächlich auf einem gefrorenen Boden erfolgt sei, wie das auch von der BH XXXX rechtskräftig festgestellt worden sei, und dass dies den Beschwerdeführern trotz der günstigen Wetterprognose auch bewusst gewesen sei.

Letztlich bestätigten die BF selbst, dass die Ausbringung auf gefrorenem Boden stattgefunden habe.

Mit dem 01.01.2018 sei die Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung - NAPV in Kraft getreten. Tatsächlich sei nach den Erläuternden Bemerkungen die Bestimmung des § 4 unter Berücksichtigung des in der Rechtssache C-237/12 ergangenen Urteils des EuGH dahingehend geändert worden, dass der bisher verwendete Begriff „durchgefrorene“ Böden durch den Begriff „gefrorene“ Böden ersetzt worden sei, um eine Kohärenz der Begriffsbestimmungen sicherzustellen. Diese Vereinheitlichung der Begrifflichkeiten habe aus Sicht der AMA jedoch zu keiner Änderung der Kontrollpraxis geführt.

Die BF hätten die Möglichkeit eines Verstoßes gegen die NAPV zumindest billigend in Kauf genommen haben, weshalb aus Sicht der AMA die erfolgte Ausbringung mit Vorsatz zu beurteilen gewesen sei (mit Verweis auf EuGH-Urteil vom 27.02.2014, Rs. C-396/12, van der Ham).

8. Mit Schreiben vom 10.03.2020 übermittelte das BVwG den BF die Ausführungen der AMA im Rahmen der Aktenvorlage und hielt diesen ergänzend vor, dass die Ausbringungsarbeiten nach Maßgabe der Größe handelsüblicher Güllefässer mehrere Stunden in Anspruch genommen haben und am Nachmittag erfolgt sein mussten. Nach allgemeiner Lebenserfahrung hätte den BF bewusst sein müssen, dass der Boden am Tag der Ausbringung – entgegen den Tages-Prognosen – nicht mehr auftauen würde.

9. Mit Schreiben vom 03.05.2020 wiederholten die BF im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und wiesen ergänzend darauf hin, dass das Fassungsvermögen des verwendeten Güllefasses vom BVwG unterschätzt worden sei.
10. Mit Datum vom 29.06.2021 fand eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG statt. Der Verhandlung wurde ein Amtssachverständiger mittels Zoom-Konferenz zugezogen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Mit Datum vom 26.04.2018 stellten die BF elektronisch einen Mehrfachantrag-Flächen und beantragten die Gewährung von Direktzahlungen für das Antragsjahr 2018.

Am 02.03.2018 brachte ein Güllefahrer im Auftrag der BF von 15:30 Uhr bis 22:10 Uhr auf landwirtschaftlichen Nutzflächen des Betriebs der BF (8, 3 ha und 4,4 ha) auf gefrorenem Boden stickstoffhältige Düngemittel (200.000 Liter Gülle) aus.

Die Wettervorhersagen hatten für den 02.03.2018 plus 5 Grad und in den folgenden Tagen Temperatursteigerungen bis plus 12 Grad angegeben.

Am 02.03.2018 betrug die Temperatur nach einer länger anhaltenden Frostperiode jedoch tatsächlich um 15:00 Uhr minus 2 bis minus 3 Grad, um Mitternacht minus 4 Grad. Ab 16 Uhr war der Himmel bedeckt.

Der Boden war in der Tiefe gefroren und ist am 02.03.2018 auch nicht an der Oberfläche aufgetaut.

Pkt. 6.2.3 des Merkblatts der AMA Cross Compliance 2018 lautet auszugsweise:
„Das Ausbringen stickstoffhältiger Düngemittel ist nicht zulässig auf gefrorenen          (Böden, die auch tagsüber nicht auftauen), auf wassergesättigten (Böden, die kein  Wasser mehr aufnehmen), auf überschwemmten sowie auf schneebedeckten Böden  (mindestens die Hälfte des Schlages ist schneebedeckt).“

Im Merkblatt Cross Compliance 2017 fand sich in Pkt. 2.1.3 folgender Passus:
„Das Ausbringen stickstoffhältiger Düngemittel ist nicht zulässig auf durchgefrorenen          (Böden, die auch tagsüber nicht auftauen), auf wassergesättigten (Böden, die kein  Wasser mehr aufnehmen), auf überschwemmten sowie auf schneebedeckten Böden  (mindestens die Hälfte des Schlages ist schneebedeckt).“

Für die AMA ergaben sich trotz Inkrafttreten der NAPV im Jahr 2018 keine Änderungen in der Kontrollpraxis.

Anderslautende Informationen wurden von der AMA nicht erteilt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Antragstellung ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und sind unstrittig.

Die Angaben zur Gülleausbringung entsprechen dem Spruch des rechtskräftigen Straferkenntnisses der BH XXXX und wurden von den BF nicht bestritten.

Die Angaben zu den Wetterprognosen entsprechen den von den BF vorgelegten unbedenklichen und unbestrittenen Zeitungsausschnitten.

Die Angaben zu den Temperaturen folgen den Ausführungen des Amtssachverständigen, der sich dabei wiederum auf im Internet frei zugängliche Messdaten gestützt hat. Die Angaben entsprechen im Wesentlichen den Angaben der BF selbst bzw. wurden von diesen nicht substanziiert bestritten.

Die Angaben zur Bodenbeschaffenheit folgen aus den schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben des Amtssachverständigen. Da die Temperaturen am Nachmittag und Abend des 02.03.2018 unter dem Gefrierpunkt lagen und der Himmel ab 16 Uhr bedeckt war, kann nicht angenommen werden, dass der Boden auch nur oberflächlich aufgetaut ist.

Das jeweilige Merkblatt der AMA „Cross Compliance“ wird den Antragstellern auf der Homepage der AMA zur Kenntnis gebracht. Die Antragsteller bestätigen mit Unterfertigung der Verpflichtungserklärung zum jeweiligen Mehrfachantrag-Flächen, dessen Inhalt zur Kenntnis genommen zu haben.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG haben die BF eine Unterlage vorgelegt („Wann Gülle fahren – im Frühjahr?“). Aus dieser geht hervor, dass keine Gülle gefahren werden darf, wenn der Boden gefroren ist. Gefroren wird definiert als „durchgehend gefroren und im Verlauf des Tages nicht oberflächlich auftauend"). Die BF haben angegeben, diese Unterlage am 03.03.2018 von der Internet-Plattform der AMA heruntergeladen zu haben. Die AMA erklärte, die Unterlage nicht zu kennen.

Die Unterlage entspricht in ihrer Art nicht den Informationsmaterialien, die die AMA zur Verfügung stellt. Eine Unterlage entsprechender Aufmachung konnte im Internet unter https://www.biberach.de/fileadmin/Dateien/Landratsamt/Landwirtschaftsamt/Pflanzenbau__Boden-Wasserschutz/Boden-Wasserschutz/Besonderheiten_des_Ackerbaus_in_Problem-_und_Sanierungsgebieten.pdf gefunden werden. Dabei handelt es sich offensichtlich um eine (ältere) Informationsbroschüre des Landes Baden-Württemberg, da auf das Agrarumweltprogramm dieses Landes (Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleich, MEKA) verwiesen wird. Ein Zusammenhang zur vorliegenden Rechtssache ist nicht ersichtlich.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass seitens der Europäischen Kommission (EK) im Gefolge des Urteils des EUGH vom 21.06.2018, C-543/16, Kommission gegen Deutschland, ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelhafter Umsetzung der Nitrat-RL anhängig gemacht wurde; vgl. https://ec.europa.eu/germany/news/20190725-nitrat_de. Die in der Unterlage beschriebene Regelung wurde vom EuGH als europarechtswidrig erkannt; vgl. dazu näher unten Pkt. „Rechtliche Würdigung“.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zur Zuständigkeit:

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden in Rechtssachen in Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Gemäß § 1 AMA-Gesetz 1992 iVm § 6 Marktordnungsgesetz 2007 (MOG 2007) erfolgt die Abwicklung der landwirtschaftlichen Direktzahlungen durch die AMA im Rahmen der unmittelbaren Bundesverwaltung.

3.2.    In der Sache:

a) Maßgebliche Rechtsgrundlagen in der für das betroffene Antragsjahr maßgeblichen Fassung:

Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013, ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 608, im Folgenden VO (EG) 1307/2013:
„Artikel 21

Zahlungsansprüche

(1) Die Basisprämienregelung kann von Betriebsinhabern in Anspruch genommen werden, die

a)       Zahlungsansprüche im Rahmen der vorliegenden Verordnung durch Zuweisung gemäß Artikel 20 Absatz 4, durch Erstzuweisung nach Maßgabe der Artikel 24 oder Artikel 39, durch Zuweisung aus der nationalen Reserve oder den regionalen Reserven gemäß Artikel 30 oder durch Übertragung gemäß Artikel 34 erhalten […].

(2) Die Gültigkeit der im Rahmen der Betriebsprämienregelung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 erhaltenen Zahlungsansprüche läuft am 31. Dezember 2014 ab.

[…].“

„Artikel 32

Aktivierung von Zahlungsansprüchen

(1) Eine Stützung im Rahmen der Basisprämienregelung wird den Betriebsinhabern bei Aktivierung eines Zahlungsanspruchs je beihilfefähige Hektarfläche mittels Anmeldung gemäß Artikel 33 Absatz 1 in dem Mitgliedstaat, in dem der Zahlungsanspruch zugewiesen wurde, gewährt. Bei aktivierten Zahlungsansprüchen besteht Anspruch auf die jährliche Zahlung der darin festgesetzten Beträge, unbeschadet der Anwendung von Haushaltsdisziplin, Kürzung von Zahlungen gemäß Artikel 11 sowie linearen Kürzungen gemäß Artikel 7, Artikel 51 Absatz 2 und Artikel 65 Absatz 2 Buchstabe c der vorliegenden Verordnung sowie der Anwendung von Artikel 63 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013.

(2) Im Sinne dieses Titels bezeichnet der Begriff "beihilfefähige Hektarfläche"

a)       jede landwirtschaftliche Fläche des Betriebs, […].

Artikel 33

Anmeldung der beihilfefähigen Hektarflächen

(1) Für die Zwecke der Aktivierung von Zahlungsansprüchen nach Artikel 32 Absatz 1 meldet der Betriebsinhaber die Parzellen an, die der beihilfefähigen Hektarfläche für jeden Zahlungsanspruch entsprechen. Außer im Falle höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände müssen die angemeldeten Parzellen dem Betriebsinhaber zu einem vom Mitgliedstaat festzusetzenden Zeitpunkt zur Verfügung stehen, der jedoch nicht nach dem in demselben Mitgliedstaat festgesetzten Zeitpunkt für die Änderung des Beihilfeantrags gemäß Artikel 72 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 liegen darf.

[…].“

Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik, ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 549:

„TITEL VI

CROSS-COMPLIANCE

KAPITEL I

Geltungsbereich

Artikel 91

Allgemeiner Grundsatz

(1) Erfüllt ein in Artikel 92 genannter Begünstigter die Cross-Compliance-Vorschriften gemäß Artikel 93 nicht, so wird gegen ihn eine Verwaltungssanktion verhängt.

(2) Die Verwaltungssanktion gemäß Absatz 1 findet nur dann Anwendung, wenn der Verstoß das Ergebnis einer Handlung oder Unterlassung ist, die unmittelbar dem betreffenden Begünstigten anzulasten ist, und mindestens eine der beiden folgenden zusätzlichen Bedingungen erfüllt ist:

a) Der Verstoß betrifft die landwirtschaftliche Tätigkeit des Begünstigten;

b) die Fläche des Betriebs des Begünstigten ist betroffen.

[…].

Artikel 92

Betroffene Begünstigte

Artikel 91 gilt für Begünstigte, die Direktzahlungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013, Zahlungen gemäß den Artikeln 46 und 47 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 und die jährlichen Prämien gemäß Artikel 21 Absatz 1 Buchstaben a und b sowie den Artikeln 28 bis 31, 33 und 34 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 erhalten.

[…].

Artikel 93

Cross-Compliance-Vorschriften

(1) Die in Anhang II aufgeführten Cross-Compliance-Vorschriften umfassen die Grundanforderungen an die Betriebsführung gemäß Unionsrecht und die auf nationaler Ebene aufgestellten Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichem und ökologischem Zustand und betreffen die folgenden Bereiche:

a) Umweltschutz, Klimawandel und guter landwirtschaftlicher Zustand der Flächen,

b) Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanzen,

c) Tierschutz.

(2) Die in Anhang II genannten Rechtsakte über die Grundanforderungen an die Betriebsführung gelten in der zuletzt in Kraft getretenen Fassung und im Falle von Richtlinien so, wie sie von den Mitgliedstaaten umgesetzt wurden.

[…].“

„Artikel 94

Verpflichtungen der Mitgliedstaaten in Bezug auf den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand der Flächen

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle landwirtschaftlichen Flächen einschließlich derjenigen, die nicht mehr für die Erzeugung genutzt werden, in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand erhalten bleiben. Die Mitgliedstaaten legen auf nationaler oder regionaler Ebene auf der Grundlage von Anhang II für die Begünstigten Mindeststandards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand der Flächen fest; sie berücksichtigen dabei die besonderen Merkmale der betreffenden Flächen, einschließlich Boden- und Klimaverhältnisse, bestehende Bewirtschaftungssysteme, Flächennutzung, Fruchtwechsel, Landbewirtschaftungsmethoden und Betriebsstrukturen.

Die Mitgliedstaaten legen keine Mindestanforderungen fest, die nicht in Anhang II vorgesehen sind.“

„Artikel 95

Unterrichtung der Begünstigten

Die Mitgliedstaaten übermitteln den betreffenden Begünstigten – gegebenenfalls unter Verwendung elektronischer Mittel – die Liste der Anforderungen und Standards, die in den Betrieben einzuhalten sind, sowie klare und genaue Informationen hierzu.“
„Artikel 97

Anwendung von Verwaltungssanktionen

(1) Werden die Cross-Compliance-Vorschriften in einem bestimmten Kalenderjahr (im Folgenden "betreffendes Kalenderjahr") zu irgendeinem Zeitpunkt nicht erfüllt und ist dieser Verstoß dem Begünstigten, der den Beihilfe- oder den Zahlungsantrag in dem betreffenden Kalenderjahr gestellt hat, unmittelbar anzulasten, so wird die Verwaltungssanktion gemäß Artikel 91 verhängt.

[…].“

„Artikel 99

Berechnung der Verwaltungssanktion

(1) Zur Anwendung der Verwaltungssanktion gemäß Artikel 91 wird der Gesamtbetrag der in Artikel 92 genannten Zahlungen, der dem betroffenen Begünstigten gewährt wurde bzw. zu gewähren ist, für die Beihilfeanträge, die er in dem Kalenderjahr, in dem der Verstoß festgestellt wurde, eingereicht hat oder einreichen wird, gekürzt oder gestrichen.

Bei der Berechnung dieser Kürzungen und Ausschlüsse werden Schwere, Ausmaß, Dauer und wiederholtes Auftreten der Verstöße sowie die Kriterien nach den Absätzen 2, 3 und 4 berücksichtigt.

(2) Bei einem Verstoß aufgrund von Fahrlässigkeit beträgt die Kürzung höchstens 5 %, im Wiederholungsfall höchstens 15 %.

[…].

(3) Bei vorsätzlichen Verstößen beträgt die Kürzung grundsätzlich nicht weniger als 20 % und kann bis zum vollständigen Ausschluss von einer oder mehreren Beihilferegelungen gehen und für ein oder mehrere Kalenderjahre gelten.

[…].“

Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 der Kommission vom 11. März 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013, ABl. L 181 vom 20.6.2014, S. 48, im Folgenden VO (EU) 640/2014:
„KAPITEL II

BERECHNUNG UND ANWENDUNG VON VERWALTUNGSSANKTIONEN

Artikel 38

Allgemeine Vorschriften betreffend Verstöße

(1) „Wiederholtes Auftreten“ eines Verstoßes liegt vor, wenn dieselbe Anforderung oder derselbe Standard mehr als einmal innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums von drei Kalenderjahren nicht eingehalten wurde, sofern der Begünstigte auf den vorangegangenen Verstoß hingewiesen wurde und er je nach Fall die Möglichkeit hatte, die erforderlichen Maßnahmen zur Abstellung des vorangegangenen Verstoßes zu ergreifen. Für den Zweck der Bestimmung des wiederholten Auftretens eines Verstoßes sind die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 festgestellten Verstöße zu berücksichtigen, und ist insbesondere der in Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 aufgeführte GLÖZ 3 der GAB 2 in Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 in ihrer am 21. Dezember 2013 gültigen Fassung gleichzusetzen.

(2) Das „Ausmaß“ eines Verstoßes wird insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache bestimmt, ob der Verstoß weitreichende Auswirkungen hat oder auf den Betrieb selbst begrenzt ist.

(3) Die „Schwere“ eines Verstoßes hängt insbesondere davon ab, welche Bedeutung den Auswirkungen des Verstoßes unter Berücksichtigung der Ziele der betreffenden Anforderung oder des betreffenden Standards beizumessen ist.

(4) Ob ein Verstoß von „Dauer“ ist, richtet sich insbesondere danach, wie lange die Auswirkungen des Verstoßes andauern oder welche Möglichkeiten bestehen, diese Auswirkungen mit angemessenen Mitteln abzustellen.

(5) Für die Zwecke dieses Kapitels gelten Verstöße als „festgestellt“, sofern sie sich als Folge jedweder Kontrollen nach Maßgabe der vorliegenden Verordnung ergeben oder der zuständigen Kontrollbehörde bzw. Zahlstelle auf andere Weise zur Kenntnis gelangt sind.

Artikel 39

Berechnung und Anwendung von Verwaltungssanktionen bei Fahrlässigkeit

(1) Ist der festgestellte Verstoß auf Fahrlässigkeit des Begünstigten zurückzuführen, so wird eine Kürzung vorgenommen. Diese Kürzung beläuft sich in der Regel auf 3 % des Gesamtbetrags der Zahlungen und jährlichen Prämien gemäß Artikel 92 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013.

Auf der Grundlage des bewertenden Teils des Kontrollberichts, in dem die zuständige Kontrollbehörde die Bedeutung der Verstöße bewertet, und unter Berücksichtigung der Kriterien gemäß Artikel 38 Absätze 1 bis 4 kann die Zahlstelle jedoch beschließen, den genannten Prozentsatz auf 1 % des in Unterabsatz 1 genannten Gesamtbetrags zu verringern oder auf 5 % dieses Betrags zu erhöhen oder aber keine Kürzung vorzunehmen, wenn die Vorschriften über die betreffende Anforderung oder den betreffenden Standard einen Ermessensspielraum lassen, den festgestellten Verstoß nicht weiterzuverfolgen, oder wenn die Förderung gemäß Artikel 17 Absätze 5 und 6 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 gewährt wird.

[…]

(4) Unbeschadet der Bestimmungen für vorsätzliche Verstöße ist bei einem Verstoß im ersten Wiederholungsfall die gemäß Absatz 1 angewendete Kürzung mit dem Faktor drei zu multiplizieren.

Bei weiteren Wiederholungsfällen wird der Multiplikationsfaktor drei jeweils auf das Kürzungsergebnis für den vorangegangenen wiederholten Verstoß angewendet. Die höchstmögliche Kürzung darf jedoch 15 % des in Absatz 1 genannten Gesamtbetrags nicht übersteigen.

[…]

Artikel 40

Berechnung und Anwendung von Verwaltungssanktionen bei vorsätzlichen Verstößen

Ist der festgestellte Verstoß vom Begünstigten vorsätzlich begangen worden, so ist der in Artikel 39 Absatz 1 genannte Gesamtbetrag in der Regel um 20 % zu kürzen.

Auf der Grundlage des bewertenden Teils des Kontrollberichts, in dem die zuständige Kontrollbehörde die Bedeutung der Verstöße bewertet, und unter Berücksichtigung der Kriterien gemäß Artikel 38 Absätze 1 bis 4 kann die Zahlstelle jedoch beschließen, den genannten Prozentsatz auf nicht weniger als 15 % des genannten Gesamtbetrags zu verringern oder auf bis zu 100 % dieses Betrags zu erhöhen.“

b) Rechtliche Würdigung:

Mit dem Antragsjahr 2015 wurde die Einheitliche Betriebsprämie von der Basisprämie und mehreren ergänzenden Zahlungen, insb. der Zahlung für dem Klima- und Umweltschutz förderliche Landbewirtschaftungsmethoden (= Ökologisierungszahlung bzw. „Greeningprämie“) sowie der Zahlung für Junglandwirte, abgelöst.

Seit Einführung der landwirtschaftlichen Cross Compliance im Rahmen der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik im Jahr 2003 ist die Gewährung von Direktzahlungen mit der Einhaltung von primär umweltbezogenen Mindeststandards verknüpft. Die Cross Compliance umfasst gemäß Art. 92 VO (EU) 1306/2013 aktuell die Bezieher von Direktzahlungen gemäß der VO (EU) 1307/2013. Erfüllt ein Bezieher von Direktzahlungen die Bestimmungen der Cross Compliance nicht, so ist gegen ihn eine Verwaltungssanktion zu verhängen.

Zu den von den Antragstellern einzuhaltenden Bestimmungen zählen gemäß Art. 93 Abs. 1 iVm Anhang II VO (EU) 1306/2013 u.a. Art. 4 und 5 der Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen, ABl. L 375 vom 31.12.1991, S. 1 (im Folgenden: Nitrat-RL).

Die angeführten Bestimmungen wurden in Österreich mit der Verordnung über das Aktionsprogramm 2012 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen, aktuell in der Fassung BGBl. II Nr. 385/2017 (Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung – NAPV), umgesetzt.

§ 4 Abs. 1 NAPV lautet:
„Ausbringen von stickstoffhältigen Düngemitteln auf wassergesättigten,          überschwemmten, gefrorenen oder schneebedeckten Böden
§ 4. (1) Auf gefrorenen Böden und auf allen wassergesättigten oder überschwemmten          Böden sowie auf schneebedeckten Böden ist eine Düngung mit stickstoffhältigen  Düngemitteln auf landwirtschaftlichen Nutzflächen nicht zulässig.
(2) Wassergesättigt ist ein Boden, dessen Wasseraufnahmefähigkeit erschöpft ist.
(3) Ein schneebedeckter Boden liegt vor, wenn zum Zeitpunkt der Ausbringung von          stickstoffhältigen Düngemitteln weniger als die Hälfte des Bodens des Schlages  schneefrei ist.“
Im vorliegenden Fall ist an erster Stelle zu fragen, was unter dem Begriff „gefroren“ zu verstehen ist.

Die Erläuterungen zur NAPV verweisen in Zusammenhang mit dem Begriff „gefroren“ auf das Urteil des EuGH in der Rs. C-237/12. In diesem Urteil hat der EuGH auszugsweise ausgeführt wie folgt:
„158 Wie die Generalanwältin in Nr. 144 ihrer Schlussanträge ausführt, ist vorliegend          das Ausbringen von Düngemitteln auf gefrorenen oder schneebedeckten Böden  (…) in jedem Fall zu verbieten. Gefrorener Boden bzw. eine Schneedecke schränken  nämlich die Bewegung der Nährstoffe im Boden ein und erhöhen erheblich die  Gefahr, dass diese Nährstoffe alsdann, insbesondere durch Oberflächenabfluss, zu  Oberflächengewässern transportiert werden.
159 Darüber hinaus sind die im Fall des Ausbringens auf gefrorenen oder          schneebedeckten Böden zu befürchtenden Verschmutzungsrisiken nicht geringer,  wenn der Boden aufgrund eines 24-Stunden-Zyklus des Gefrierens und Auftauens  lediglich an der Oberfläche gefroren ist. Aus der in der vorstehenden Randnummer  angeführten wissenschaftlichen Studie geht vielmehr hervor, dass die Zyklen des  Gefrierens und Auftauens sich wesentlich auf die Mineralisierungsrate auswirken, da  das Gefrieren der aufgetauten Böden einen Stickstoffmineralisierungsschub bewirkt.“

So wird auch verständlich, dass der Begriff „durchgefroren“ im Rahmen der angeführten Novelle zum Aktionspogramm Nitrat auf (bloß) „gefroren“ abgeändert wurde.

Darüber hinaus hat der EuGH im bereits zitierten Urteil vom 21.06.2018, C-543/16, Kommission gegen Deutschland, klargestellt:
„173 § 3 Abs. 5 der Düngeverordnung bestimmt, dass das Aufbringen von          Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln mit  wesentlichen Nährstoffgehalten an Stickstoff oder Phosphat nicht erfolgen darf,  wenn der Boden überschwemmt, wassergesättigt, gefroren oder durchgängig höher  als fünf Zentimeter mit Schnee bedeckt ist. Der Begriff `gefrorener Boden´ ist in § 2  Nr. 12 der Düngeverordnung definiert als `Boden, der durchgängig gefroren ist und  im Verlauf des Tages nicht oberflächig auftaut´.
174 Die Kommission vertritt, gestützt auf die wissenschaftliche Studie, die          Auffassung, dass die Düngeverordnung keine ordnungsgemäße Umsetzung von  Anhang II Teil A Nr. 3 der Richtlinie 91/676 und Anhang III Nr. 1 Ziff. 3 Buchst. a und b  dieser Richtlinie gewährleiste. Die Bundesrepublik Deutschland bestreitet dies zwar,  untermauert ihr Vorbringen jedoch nicht mit einer wissenschaftlichen Studie.
175 In Anbetracht der in Rn. 111 des vorliegenden Urteils angeführten          Rechtsprechung verstößt die deutsche Regelung daher sowohl gegen Anhang II Teil A  Nr. 3 als auch gegen Anhang III Nr. 1 Ziff. 3 Buchst. a und b der Richtlinie.“

Zum zuletzt angeführten Urteil und den Reparaturversuchen in Deutschland vgl. auch das Rechtsgutachten von Univ.-Prof. Dr. Ines Härtel, abrufbar unter https://www.vku.de/fileadmin/user_upload/Verbandsseite/Themen/Umwelt/21_10_2018_Prof_Dr_Ines_Haertel_Gutachten_EuGH_Urteil_Nitratrichtlinie.pdf, sowie Douhaire, Unionsrechtliche Anforderungen an das Düngerecht, NuR 2020, 596, und Asemissen, Umsetzung der Nitratrichtlinie durch die Düngeverordnung(en) – Herausforderungen des umweltrechtlichen Verursacherprinzips, AUR 5/2021, 162.

Die Bestimmungen der Nitrat-RL sind also im Sinn des Vorsorgeprinzips zweifellos eng auszulegen; so schon BVwG 13.02.2018, W118 2179805-1, und zustimmend Hoffberger-Pippan, Aktuelle beihilfenrechtliche Judikatur deutscher und österreichischer Gerichte, in: Jaeger/Haslinger, Jahrbuch Beihilferecht 2019 (2019), 559 (587 ff.).

Aus dem Angeführten folgt, dass eine Düngung bei bloß vorübergehendem Auftauen des Bodens nach der Nitrat-RL grundsätzlich nicht zulässig ist. Dementsprechend ist auch der Begriff „gefroren“ in der NAPV unionsrechtskonform in diesem Sinn auszulegen. Das hat dem Grunde nach auch der dem Verfahren beigezogene Amtssachverständige bestätigt, wenn er ausgeführt hat, dass in einem solchen Fall dennoch eine Auswaschungsgefahr besteht, der die Nitrat-RL und darauf aufbauend die NAPV entgegentreten wollen. Dabei wird nicht übersehen, dass – wie vom Amtssachverständigen ebenfalls ausgeführt – eine Düngung bei kalten Temperaturen fachlich auch Vorzüge aufweist (Verringerung der Stickstoffemissionen, weniger Bodenstrukturschäden).

Dessen ungeachtet erlaubt das Merkblatt der AMA Cross Compliance 2018 undifferenziert auch das Düngen auf Böden, die tagsüber auftauen. Insofern konnten sich die BF darauf verlassen, dass es ausreichen würde, wenn der Boden im Lauf des Tages auftaut. Gemäß Art. 95 VO (EU) 1306/2013 übermitteln nämlich die Mitgliedstaaten den betreffenden Begünstigten – gegebenenfalls unter Verwendung elektronischer Mittel – die Liste der Anforderungen und Standards, die in den Betrieben einzuhalten sind, sowie klare und genaue Informationen hierzu. Vor diesem Hintergrund würde man die grundsätzlich hohen Sorgfaltsmaßstäbe an die Antragsteller und deren Erkundigungspflichten (vgl. EuGH 02.07.2015, C-684/13, Demmer, sowie VwGH 18.11.2015, 2013/17/0628) überspannen, wenn man von ihnen verlangen wollte, dass sie erkennen, dass eine Interpretation in einer entsprechenden Information nicht europarechtskonform ist. (Eine Ausnahme wird wohl dann zu machen sein, wenn die Information offensichtlich fehlerhaft war; zum Vertrauensschutz im Marktordnungsrecht vgl. etwa BVwG 14.01.2019, W118 2209548-1).

Vor diesem Hintergrund war zu prüfen, ob die BF den Anforderungen nach dem Merkblatt der AMA entsprochen haben. Nach den o.a. Feststellungen traf dies nicht zu, da der Boden am 02.03.2018 auch nicht oberflächlich aufgetaut ist.

Selbst unter der Annahme, dass der Boden oberflächlich aufgetaut wäre, wäre er wassergesättigt gewesen (vgl. diesbezüglich die Angaben des Amtssachverständigen zum Folgetag). Somit wäre einer Düngung ein anderes Verbot der NAPV entgegengestanden.

Damit ist abschließend zu klären, ob den BF der beschriebene Verstoß (Düngung auf gefrorenem Boden gemäß § 4 Abs. 1 NAPV) auch als vorsätzlich begangen vorgeworfen werden kann. Zur Interpretation des Begriffs Vorsatz in Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Cross Compliance hat der EuGH bereits ausgeführt, dass es darauf ankommt, ob der Antragsteller den Verstoß billigend in Kauf genommen hat; vgl. EuGH 27.02.2014, C-396/12, van der Ham. Auf eine Absichtlichkeit oder ein bewusstes Wollen kommt es nicht an. In diesem Zusammenhang ist der AMA zuzustimmen, wenn sie den Standpunkt vertritt, dass die BF aufgrund der konkreten Wetterentwicklung hätten erkennen müssen, dass diese der Wetterprognose nicht entspricht.

Darüber hinaus hätte den BF aufgrund der anhaltenden Frostperiode klar sein müssen, dass der Boden selbst bei oberflächlichem Auftauen wassergesättigt sein würde. Letztlich haben die BF in der Verhandlung selbst einbekannt, dass sie sich in einer Klemme befanden, zumal ein Verschieben des Termins für den Güllefahrer bedeutet hätte, dass sie keinen neuen Termin bekommen hätten.

Somit kann ein Fehler in der Beurteilung durch die AMA nicht erkannt werden.

Es ist von einer vorsätzlichen Tatbegehung auszugehen und die von der AMA ausgesprochene Kürzung der Direktzahlungen für das Antragsjahr 2018 ist gemäß Art. 91 Abs. 1 und Art. 93 VO (EU) 1306/2013 sowie Art. 40 VO (EU) 640/2013 iVm § 4 Abs. 1 NAPV ist grundsätzlich zu Recht erfolgt.

Allerdings hält es das BVwG aufgrund der Umstände des Einzelfalles für vertretbar, die Bewertung des Verstoßes von 20 % auf 15 % zu reduzieren. Zum einen handelte es sich bei der Menge der je ha ausgebrachten Gülle um eine vergleichsweise geringe; zum anderen ist der verpönte Erfolg der Regelung aufgrund der nachfolgenden Wärmephase ausgeblieben (obwohl es darauf grundsätzlich nicht ankommt).

Nur der Vollständigkeit halber kann darauf hingewiesen werden, dass die Antragsteller über das Inkrafttreten der NAPV sowohl seitens der AMA als auch in den einschlägigen Agrarmedien informiert wurden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, vgl. VwGH 28.11.2019, Ro 2018/07/0047; VwGH 24.05.2018, Ra 2017/07/0138. Des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Zur Interpretation der NAPV kann auf die angeführten Urteile des EuGH verwiesen werden.

Im Ergebnis bewegt sich der Fall auf der Ebene der Einzelfallbeurteilung, die einer Revision nicht zugänglich ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aktionsprogramm Nitrat Berechnung Bescheidabänderung Cross Compliance Direktzahlung Erkundigungspflicht Kontrolle Kürzung Marktordnung Mitteilung Prämiengewährung Unregelmäßigkeiten Verschulden Verwaltungsstrafe vorsätzliche Begehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W118.2226635.1.00

Im RIS seit

29.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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