TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/17 I408 2243201-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.08.2021
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Entscheidungsdatum

17.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §19
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I408 2243201/9E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2021, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlungzu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer wurde am 07.02.2021 von der Polizei aufgegriffen und stellte im Zuge der Amtshandlung einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen er im Rahmen der Erstbefragung am selben Tag damit begründete, er habe in der Heimat Probleme mit seiner Familie, weil er homosexuell sei.

2.       Am 29.04.2021 sowie am 06.05.2021 wurde er von Organen der belangten Behörde zu seinem Fluchtvorbringen detaillierter befragt. Dort gab er an, dass sein Vater ihn wegen seiner Neigung zwei Jahre zu Hause eingesperrt und angekettet habe. Als er endlich fliehen konnte, habe er sich einige Zeit bei einer Tante mütterlichseits versteckt gehalten. Er habe sich mit 12, 13 Jahren zu schminken begonnen. Sexuelle Kontakte zu Männern habe er keine gehabt, aber einen homosexuellen Freund. Persönlich sei er nicht bedroht worden, nur im Allgemeinen würden sich Berber in Algerien nicht wohl fühlen.

3.       Mit Bescheid der belangten Behörde vom 08.05.2021 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Algerien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde ihm nicht gewährt (Spruchpunkt VI.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.).

4.       Mit Schriftsatz vom 07.06.2021 erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

5.       Am 13.07.2021 fand im Beisein des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertretung eine mündliche Verhandlung statt, in der das Erkenntnis mündlich verkündet wurde und der Beschwerdeführer gleich, ohne Rücksprache mit seiner Rechtsvertretung die schriftliche Ausfertigung beantragte.

6.       Zwischenzeitlich ist er untergetaucht und verfügt seit 26.07.2021 über keine gemeldete Wohnanschrift in Österreich mehr.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos und Staatsangehöriger von Algerien. Seine Identität steht nicht fest.

Er verließ Algerien im November 2019 auf legalen Weg und flog in die Türkei. Von dort gelangte er schlepperunterstützt nach Griechenland, blieb dort für ein Jahr und kam dann über die Balkanroute ohne Geld und Identitätsbezeugenden Papiere nach Österreich, wo er am 07.02.2021 einen Asylantrag stellte. In seiner Flüchtlingsunterkunft wurde bei ihm eine geschlossene Lungentuberkulose festgestellt, weshalb er auch in ärztlicher Behandlung war. Sein gegenwärtiger Aufenthaltsort ist nach seinem Untertauchen seit 16.05.2021 nicht mehr bekannt.

Der Beschwerdeführer ist abgesehen von der angeführten Erkrankung gesund und arbeitsfähig. In Algerien besuchte er die Schule, dort leben Familienangehörige und er war zuletzt auf Baustellen als Installateur beschäftigt.

Im Bundesgebiet verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte und keine maßgeblichen privaten Beziehungen. Eine Integration des Beschwerdeführers in sprachlicher, beruflicher oder sozialer Hinsicht liegt nicht vor. Seit 26.07.2021 verfügt der Beschwerdeführer über keine gemeldete Wohnanschrift mehr und ist untergetaucht.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer war in Algerien keiner persönlichen Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt. Sein Vorbringen in Bezug auf eine homosexuelle Neigung bzw. ein zweijähriges Wegschließen durch seinen Vater im Herkunftsstaat ist völlig unglaubwürdig. Eis ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Lage geraten wird.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Hinsichtlich der aktuellen Lage in Algerien sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 03.05.2021 getroffenen Feststellungen schon ob der Kürze der verstrichenen Zeit keine Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Algerien zitiert und wurde keine entscheidungswesentliche nachteilige Änderung der Lage in Algerien bekannt.

Algeriens ethnische Zusammensetzung ist eine Mischung aus Arabern und Berbern, wobei die große Mehrheit der Algerier berberischen Ursprungs ist. Nur eine Minderheit identifiziert sich selbst als Berber, etwa 15%. Staatliche Repressionen, die allein wegen Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfolgen, sind in Algerien nicht feststellbar. Eine rassisch diskriminierende Gesetzgebung existiert nicht; es liegen auch keine belastbaren Erkenntnisse über tatsächlich erfolgte Diskriminierungen vor.

Zudem gilt Algerien als sicherer Herkunftsstaat.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes sowie des Verfahrensganges wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 28.02.2021 und vor der belangten Behörde am 29.04.2021, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Ergänzend wurden Auszüge aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Betreuungsinformationssystem über die Grundversorgung (GVS) und dem Strafregister der Republik Österreich eingeholt. Zusätzlich gab der erkennende Richter dem Beschwerdeführer Gelegenheit, in einer mündlichen Verhandlung sein Fluchtvorbringen darzulegen.

Die Feststellungen zu seiner Person beruhen mangels Vorlage entsprechender Nachweise ausschließlich auf den Angaben des Beschwerdeführers.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet keiner Erwerbstätigkeit nachgeht bzw. auch über keine sozialen Kontakte verfügt, ergibt sich aus dem eingeholten Auszug der Sozialversicherungsträger sowie seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung.

Der fehlende Aufenthaltsort bzw. das damit verbundene Untertauchen ist einer ZMR-Abfrage vom 13.08.2021 entnommen.

Schon die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides nachvollziehbar zum Ausdruck gebracht, warum sie dem Vorbringen des Beschwerdeführers keinen Glauben schenkt. Auch die Ergebnisse der mündlichen Verhandlung haben daran nichts geändert. So gelang es dem Beschwerdeführer auch vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht, sowohl seine homosexuelle Neigung als auch das zweijährige Einsperren durch den Vater widerspruchsfrei und plausibel darzulegen. So war beispielsweise vom ursprünglich vorgebrachten Anketten in einem Zimmer keine Rede mehr. Auch die von ihm genannten Zeitangeben zur Flucht aus dem Haus seiner Eltern, dem anschließenden Aufenthalt bei einer Tante mütterlichseits sowie dem tatsächlichen Verlassen des Herkunftslandes sind weder konsistent noch nachvollziehbar. Auch sein Untertauchen kurz nach der mündlichen Verhandlung spricht nicht für die persönliche Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Algerien und den dort zitierten Quellen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche dargestellt wird, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des angefochtenen Bescheides und der vorliegenden Entscheidung von rund einem Monat haben sich keine Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen ergeben. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher diesen Feststellungen vollinhaltlich an.

Aus der Einsichtnahme in die Herkunftsstaaten-Verordnung (§ 1 Z 10) ergibt sich, dass Algerien als sicherer Herkunftsstaat gilt.

Auch in der Beschwerde wurde den von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage in Algerien nicht entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung bereits dargelegt, erstattete der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren kein glaubhaftes Vorbringen hinsichtlich einer wohlbegründeten Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention.

3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - „real risk“ einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl. VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (vgl. VwGH 29.08.2019, Ra 2019/19/0143).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK angenommen werden kann Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl. VwGH 21.08.2020, Ra 2020/14/0368).

Der Beschwerdeführer ist ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann mit einer ausreichenden Schulbildung und Arbeitserfahrung. Die grundsätzliche Möglichkeit einer Teilnahme am Erwerbsleben kann in Ansehung des Beschwerdeführers vorausgesetzt werden. Das Bundesverwaltungsgericht geht demnach davon aus, dass der Beschwerdeführer - wie auch vor seiner Ausreise - in Algerien grundsätzlich wieder in der Lage sein wird, sich mit eigener Erwerbstätigkeit ein ausreichendes Einkommen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts zu erwirtschaften. Ferner ist davon auszugehen, dass er von seiner nach wie vor in Algerien lebende Kernfamilie Unterstützung finden wird, zumal er auch bis zu seiner Ausreise gemeinsam mit seinen Eltern in deren Haus gelebt hat. Eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK liegt daher gegenständlich nicht vor. Zudem ist Algerien ein sicherer Herkunftsstaat gemäß § 1 Z 10 der Herkunftsstaaten-Verordnung.

3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) unter anderem von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.

3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Dabei hat das Bundesamt gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Auf Grundlage des § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG - wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird - zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch eine geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 28.05.2020, Ra 2020/21/0139).

So ist grundsätzlich nach negativem Ausgang des Asylverfahrens - infolge des damit einhergehenden Verlustes des vorläufig während des Verfahrens bestehenden Rechts zum Aufenthalt und sofern kein anderweitiges Aufenthaltsrecht besteht - der rechtmäßige Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet wiederherzustellen (vgl. VwGH 02.09.2019, Ra 2019/20/0407).

Im gegenständlichen Fall hält sich der Beschwerdeführer erst seit Feber 2021 im Bundesgebiet auf und bestehen weder ein Familien- oder Privatleben in Österreich noch sonstige integrative Merkmale, sondern ist der Beschwerdeführer mittlerweile untergetaucht. Es kann im Rahmen einer Gesamtschau daher nicht davon ausgegangen werden, dass seine privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen und bereitet die von der belangten Behörde erlassene Rückkehrentscheidung vor diesem Hintergrund keinerlei Bedenken, zumal die Eltern und die Geschwister des Beschwerdeführers in Algerien leben und somit wohl auch ein gewichtiges familiäres Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes besteht.

3.5.    Zur Zulässigkeit der Abschiebung nach Algerien (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. VwGH 25.09.2019, Ra 2019/19/0399).

Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs. 2 FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.

Betreffend der derzeitigen COVID-19 Pandemie ist auszuführen, dass für den Beschwerdeführer keine besondere Gefährdung ersichtlich ist. Der Beschwerdeführer ist jung und gesund, weshalb auch die derzeitige Situation in Zusammenhang mit der COVID-Pandemie einer Abschiebung nach Algerien nicht entgegensteht. Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Algerien erfolgte daher zu Recht.

3.6.    Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides):

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer eine zweiwöchige Frist zur freiwilligen Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung zuerkannt. Dies entspricht dem Wortlaut des § 55 Abs. 2 FPG und bereitet somit auch Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides keinerlei Bedenken.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Der Beschwerdeführer hat keine asylrelevante Verfolgung behauptet und vermochte in Anbetracht der kurzen Aufenthaltsdauer, der fehlenden privaten und familiären Anbindungen sowie der nicht vorhandenen Integrationsmerkmale auch eine Rückkehrentscheidung nicht zu seinen Gunsten auszufallen. Wie die der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegte Judikatur zeigt, weicht diese weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel aufschiebende Wirkung - Entfall begründete Furcht vor Verfolgung berücksichtigungswürdige Gründe Fluchtgründe freiwillige Ausreise Frist Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Interessenabwägung mündliche Verhandlung mündliche Verkündung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung schriftliche Ausfertigung sicherer Herkunftsstaat subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I408.2243201.1.00

Im RIS seit

24.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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