TE Vwgh Erkenntnis 1996/11/28 96/18/0498

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Veröffentlicht am 28.11.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §20 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. April 1996, Zl. SD 492/96, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 29. April 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und 2 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Unbestritten sei, daß der in Wien geborene Beschwerdeführer bisher zweimal, und zwar am 10. März und am 24. März 1994, wegen Übertretung des § 64 Abs. 1 KFG rechtskräftig bestraft sowie am 23. Jänner 1996 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen Verbrechens des schweren Raubes (§§ 142, 143 "erster und zweiter Fall" StGB) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden sei. Damit seien sowohl der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 als auch - im Hinblick darauf, daß es sich beim Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung um eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung handle - jener des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG verwirklicht. Das der Verurteilung und den Bestrafungen zugrunde liegende Fehlverhalten bewirke eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in hohem Maß, sodaß auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.

Es könne kein Zweifel bestehen, daß das Aufenthaltsverbot einen bedeutsamen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers darstelle. Ungeachtet dessen, daß er in Wien geboren sei und hier mit seiner Familie lebe, sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme aufgrund des Dringend-geboten-seins nach § 19 FrG zu bejahen. Der Beschwerdeführer habe nicht nur zweimal gegen wesentliche der Verkehrssicherheit dienende Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes verstoßen, sondern darüber hinaus in schwerwiegendem Maß in fremdes Vermögen eingegriffen. Dem Beschwerdeführer liege diesbezüglich zur Last, am 8. Juli 1995 gemeinsam mit einem Mittäter eine andere Person beraubt zu haben, wobei der Beschwerdeführer ein Messer mit einer Klingenlänge von 15 cm drohend gegen das Opfer gerichtet habe. Angesichts der Schwere dieser Straftat und der darin zum Ausdruck kommenden krassen Mißachtung der körperlichen Sicherheit und des Eigentums anderer Menschen sei das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer, zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, aber auch - im Hinblick auf die Übertretungen des § 64 Abs. 1 KFG - im Interesse der Verkehrssicherheit (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten. Der Einwand des Beschwerdeführers, das Gericht habe "überhaupt keinerlei Erschwerungsumstände gewertet", vermöge daran nichts zu ändern, lasse doch allein die Höhe der rechtskräftigen Strafe sehr deutlich erkennen, daß das Gericht von einem nicht geringen Verschulden des Beschwerdeführers ausgegangen sei.

Im Lichte dieser Beurteilung habe auch die gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmende Interessenabwägung zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausschlagen müssen. Dabei sei einerseits darauf Bedacht zu nehmen gewesen, daß gerade an der Verhinderung der Eigentumskriminalität in der vom Beschwerdeführer begangenen Form ein besonders großes öffentliches Interesse bestehe, und andererseits zu bedenken gewesen, daß die aus dem lange dauernden inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbare Integration eine nicht unbeträchtliche Minderung aufgrund der Beeinträchtigung der dafür wesentlichen sozialen Komponente durch die schwere Straftat erfahren habe. Auch das Gewicht der Beziehung zu den Eltern werde schon im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer erwachsen sei, relativiert. Die belangte Behörde sei daher zur Auffassung gekommen, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

Das Verbot der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 20 Abs. 2 FrG, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes verliehen hätte werden können, komme dem Beschwerdeführer ebenfalls nicht zugute, weil die Ausnahmebestimmung einer Verurteilung wegen einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung verwirklicht worden sei.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 30. September 1996, Zl. B 802/96, u.a.).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren begehrt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen "einfachgesetzlicher formeller und materieller Rechtswidrigkeit".

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In der Beschwerde wird, ohne dies näher zu belegen, behauptet, der Beschwerdeführer sei nur einmal (am 28. März 1994) wegen Übertretung des § 64 Abs. 1 KFG rechtskräftig bestraft worden.

Demgegenüber findet die Feststellung im bekämpften Bescheid, daß der Beschwerdeführer zweimal wegen dieser Übertretung, und zwar am 10. März 1994 und am 28. März 1994 rechtskräftig bestraft worden sei, im Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten Deckung.

1.2. Die Feststellung, daß der Beschwerdeführer mit seit 23. Jänner 1996 rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (vom 11. Oktober 1995) wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 erster Satz, zweiter Fall StGB zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden sei, bleibt in der Beschwerde unbestritten.

1.3. Der von der belangten Behörde aus dem von ihr als maßgeblich festgestellten Sachverhalt gezogene Schluß auf die Verwirklichung der Tatbestände des § 18 Abs. 2 Z. 1 und Z. 2 FrG - das Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung zählt zu den gröbsten Verstößen gegen das Kraftfahrgesetz und stellt eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung i.S. des § 18 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. dar (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. November 1995, Zl. 95/18/1173) - begegnet keinen Bedenken. Daß durch das der gerichtlichen Verurteilung und den verwaltungsbehördlichen Bestrafungen zugrunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit in erheblichem Maß gefährdet werde, hat die belangte Behörde gleichfalls zutreffend erkannt. Es ist demnach auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt.

2.1. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde vor, keine Feststellungen zur familiären und beruflichen Situation des Beschwerdeführers getroffen zu haben, weshalb auch eine Abwägung i.S. der §§ 19 und 20 FrG nicht erschöpfend habe vorgenommen werden können. Das Aufenthaltsverbot hätte aufgrund der intensiven Bindung des Beschwerdeführers zu den in Österreich lebenden Familienangehörigen nicht verhängt werden dürfen, wozu komme, daß er zu seinem Heimatstaat Jugoslawien keinerlei Beziehung habe.

2.2. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer in Wien geboren sei und hier mit seinen Familienangehörigen zusammenlebe, einen "bedeutsamen Eingriff" in sein Privat- und Familienleben i.S. des § 19 FrG durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes angenommen hat. Dieser zutreffenden Annahme hat sie indes die ebenso zutreffende Beurteilung folgen lassen, daß aufgrund der Schwere der der gerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Tat und der sich darin manifestierenden krassen Mißachtung der körperlichen Integrität und des Eigentums anderer wie auch aufgrund der wiederholten Gefährdung der Verkehrssicherheit durch den Beschwerdeführer eine Beeinträchtigung maßgeblicher öffentlicher Interessen nach Art. 8 Abs. 2 MRK (am Schutz der öffentlichen Ordnung, an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, am Schutz der Rechte anderer) von solchem Gewicht vorliege, daß - ungeachtet der beträchtlichen persönlichen und familiären Interessen des Beschwerdeführers - die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten und demnach im Grunde des § 19 FrG zulässig sei. Daß der Beschwerdeführer behauptetermaßen keine Beziehungen zu seinem Heimatstaat hat, vermag daran nichts zu ändern, werden doch durch diesen Umstand - abgesehen davon, daß mit einem Aufenthaltsverbot keine Anordnung der Ausreise in ein bestimmtes Land verbunden ist - die ohnehin stark ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers nicht entscheidend verstärkt.

Unter Zugrundelegung der vorstehenden Überlegungen haftet auch der von der belangten Behörde durchgeführten Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG keine Rechtswidrigkeit an, zumal die Behörde in unbedenklicher Weise darauf Bedacht genommen hat, daß das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers durch die Schwere der ihm zur Last liegenden Straftat im Hinblick auf die damit verbundene Beeinträchtigung der für die Integration wesentlichen sozialen Komponente eine nicht unbeträchtliche Minderung erfahren hat (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die Erkenntnisse vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/18/0816, und vom 28. September 1995, Zl. 95/18/1212) und weiters berücksichtigen durfte, daß das Gewicht der familiären Beziehung des Beschwerdeführers zu seinen Angehörigen dadurch relativiert wird, daß er bereits erwachsen ist (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Zl. 95/18/1212).

3. Was die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 20 Abs. 2 FrG anlangt, so hat die belangte Behörde zutreffend festgehalten, daß der Beschwerdeführer wegen einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung verurteilt worden ist (vgl. § 143 erster Satz StGB). Hinsichtlich der die Verfassungswidrigkeit der besagten Ausnahmeregelung (§ 20 Abs. 2 zweiter Satzteil FrG) behauptenden Beschwerdeausführungen, die "ausdrücklich auch zum Vorbringen im allfälligen Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erhoben (werden)", genügt der Hinweis darauf, daß der mit eben diesen Ausführungen konfrontierte Verfassungsgerichtshof die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde mit Beschluß vom 30. September 1996, B 802/96, u.a., gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt hat.

4. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996180498.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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