TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/10 96/04/0246

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Veröffentlicht am 10.12.1996
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Index

50/01 Gewerbeordnung;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AWG 1990 §2 Abs5;
AWG 1990 §3 Abs1;
AWG 1990 §3 Abs2;
GewO 1994 §356 Abs1;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der I in X, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 23. September 1996, Zl. VIb-221/540-1996, betreffend die Zurückweisung von Einwendungen und Berufungen in Angelegenheit der Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: V-Gesellschaft m.b.H. in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurden mit dem angefochtenen Bescheid die Einwendungen u.a. der Beschwerdeführerin gegen den von der mitbeteiligten Partei auf einem näher beschriebenen Standort vorgesehenen Zwischenlagerplatz für Wertstoffe sowie für verschiedene Abfallfraktionen sowie die Berufungen u.a. der Beschwerdeführerin gegen den am 12. Juni 1996 von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz mündlich verkündeten Bescheid als unzulässig zurückgewiesen. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, die mitbeteiligte Partei habe mit Eingabe vom 27. März 1996 bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz um Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Zwischenlagers für Wertstoffe sowie verschiedene Abfallfraktionen im Betriebsgelände der S. in X, H-Straße 38, angesucht. Über dieses Ansuchen habe die Bezirkshauptmannschaft Bregenz als Gewerbebehörde erster Instanz mit Kundmachung vom 24. Mai 1996 eine Augenscheinsverhandlung für den 12. Juni 1996 anberaumt. Diese Kundmachung sei den vorliegenden Aktenunterlagen zufolge in der Zeit vom 4. Juni bis 12. Juni 1996 an der Amtstafel der Gemeinde X angeschlagen worden. Ein Anschlag in den unmittelbar benachbarten Häusern, u.a. "Y 30 (I)" sei erst am 10. bzw. 11. Juni 1996 erfolgt. In der Folge sei zur Augenscheinsverhandlung am 12. Juni 1996 u.a. die Beschwerdeführerin nicht erschienen. Mit dem am 12. Juni 1996 im Zuge der Augenscheinsverhandlung mündlich verkündeten Bescheid sei seitens der Bezirkshauptmannschaft Bregenz der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung für die beantragte Errichtung und den Betrieb eines Zwischenlagers für Wertstoffe sowie für verschiedene Abfallfraktionen im Betriebsgelände der S. in X unter Vorschreibung verschiedener Auflagen erteilt worden. Die Verhandlungsschrift vom 12. Juni 1996 samt der schriftlichen Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides sei in der Folge durch die Bezirkshauptmannschaft Bregenz u.a. der Beschwerdeführerin nachweislich zugestellt worden. Gegen diesen Bescheid bzw. gegen den von der mitbeteiligten Partei beantragten Zwischenlagerplatz für Wertstoffe und verschiedene Abfallfraktionen habe u.a. die Beschwerdeführerin am 5. August 1996 Berufung bzw. Einwendungen erhoben. Sie habe in ihrer Eingabe im wesentlichen vorgebracht, daß sich die Berufung gegen die nicht gehörige Kundmachung bzw. gegen die nicht gehörige Ladung zur Augenscheinsverhandlung richte. Die Kundmachung sei zwei Tage vor der Augenscheinsverhandlung in den benachbarten Häusern angebracht bzw. in einen nicht mehr benützten Briefkasten gesteckt worden. Das Kundmachungsblatt sei dadurch erst zwei bzw. einen Tag vor der Augenscheinsverhandlung entdeckt worden. Als Nachbar wäre sie überdies persönlich vom Stattfinden der Augenscheinsverhandlung zu verständigen gewesen. Eine persönliche Ladung sei jedoch nicht erfolgt. Aufgrund dieser unzureichenden Kundmachung und Ladung sei es ihr nicht möglich gewesen, an der Augenscheinsverhandlung teilzunehmen. Aus diesem Grunde würde sie mit ihrer Eingabe Berufung bzw. Einwendungen gegen die Betriebsanlage mit der Begründung erheben, daß die Betriebsanlage das Leben und die Gesundheit der Nachbarn gefährde bzw. für die Nachbarn unzumutbare Belästigungen (Lärm und Geruch) mit sich bringe. Eine Prüfung, ob diese Einwendungen im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für ihre Erhebung eingebracht worden seien, habe jedoch ergeben, daß sie aufgrund der der Beschwerdeführerin spätestens am 11. Juni 1996 zugekommenen Kundmachung erst nach Ablauf der mit 25. Juni 1996 endenden zweiwöchigen Frist erhoben worden seien. Die Beschwerdeführerin habe daher im gegenständlichen Genehmigungsverfahren Parteistellung nicht erlangt, sodaß auch ihre Berufung als unzulässig zurückzuweisen gewesen wäre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht, daß ihr im gegenständlichen Bewilligungsverfahren Parteistellung "zu Unrecht wegen verspäteter Erhebung der Einwendungen" nicht aberkannt werde, verletzt. Sie bringt hiezu im wesentlichen vor, die Bezirkshauptmannschaft Bregenz habe in der (der Beschwerde beigelegten) Verhandlungskundmachung als Gegenstand des Verfahrens lediglich "die Errichtung und den Betrieb eines Zwischenlagers für Wertstoffe sowie verschiedene Abfallfraktionen" genannt, obwohl sich aus der dem Ansuchen der mitbeteiligten Partei beigelegten Stoffliste ergebe, daß es sich bei den Abfällen um gefährliche Abfälle im Sinne des § 2 Abs. 5 Abfallwirtschaftsgesetz handle. Der Inhalt der Kundmachung, in der mit keinem Wort erwähnt worden sei, daß in der Betriebsanlage gefährliche Abfälle gesammelt und zwischengelagert werden sollen, sei völlig irreführend, weil von einem unbefangenen Dritten nicht erkannt werden könne, daß und welche Einwendungen er gegen die beantragte Genehmigung erheben könne, solle und müsse. Erst aus der Verhandlungsniederschrift bzw. dem Bescheid habe sich erstmals ergeben, daß halogenierte Kohlenwasserstoffe gesammelt und zwischengelagert würden, zwar keine Behandlung im Sinne des AWG vorgesehen sei, wohl aber ein Umfüllen gleichartiger Produkte, Aufzeichnungs- und Nachweispflichten gemäß der Abfallnachweisverordnung einzuhalten und Lagerbereiche mit Gefahrensymbolen gemäß ADR-Klassen zu kennzeichnen seien. Erst mit der Zustellung der Niederschrift bzw. des Bescheides am 22. Juli 1996 sei für die Beschwerdeführerin erkennbar gewesen, daß "nicht nur Abfälle, sondern gefährliche Abfälle" gesammelt und zwischengelagert werden sollten. Erst am 29. Juli 1996 habe sie - durch die Ausführungen in der Niederschrift hellhörig geworden - bei der Gemeinde die Stoffliste eingeholt und erst ab diesem Zeitpunkt erahnen können, welche Auswirkungen auf ihr Grundstück möglich sein würden. Da eine Verhandlungskundmachung den Gegenstand des Verfahrens wiederzugeben habe, müsse sie verbal den Inhalt des Ansuchens enthalten, aus dem Art und Umfang der beantragten Genehmigung eindeutig zu erkennen sein müßten. Der Inhalt der in Rede stehenden Kundmachung lasse aber nicht eindeutig erkennen, daß in der zur Genehmigung beantragten Betriebsanlage gefährliche Abfälle gesammelt und zwischengelagert werden sollen. Die Kundmachung gebe also den Verhandlungsgegenstand nicht in der geforderten Art und Weise eindeutig wieder. Mangels Hinweis auf den Umstand, daß gefährliche Abfälle gesammelt und zwischengelagert werden sollen, habe aufgrund der Kundmachung für die Beschwerdeführerin noch nicht die Möglichkeit bestanden, ausreichend konkrete Einwendungen gegen die Betriebsanlage zu erheben. Art und Umfang des Betriebes hätten sich aus der Kundmachung erst dann eindeutig entnehmen lassen, wenn zum Wort "Abfallfraktionen" auch das Wort "gefährliche" hinzugefügt worden wäre. Ohne diesen Hinweis hätten die Nachbarn aber überhaupt nicht erkennen können, daß in ihre Rechtssphäre eingegriffen werde. Konkrete Einwendungen hätten ohne Kenntnis der Stoffliste von keinem Nachbarn erhoben werden können. Das Hindernis zur Erhebung von Einwendungen sei also frühestens mit Zustellung der Niederschrift am 22. Juli 1996, sicher aber erst am 29. Juli 1996 weggefallen. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde habe die Beschwerdeführerin daher rechtzeitig am 4. August 1996 Einwendungen erhoben.

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1.

das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z. 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2.

die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3.

die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb in Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interesse dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4.

die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5.

eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung aufgrund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

Gemäß § 356 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, ausgenommen in den Fällen des § 359b, aufgrund eines Ansuchens um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage eine Augenscheinsverhandlung anzuberaumen. Gegenstand, Zeit und Ort der Augenscheinsverhandlung sowie die gemäß Abs. 3 bestehenden Voraussetzungen für die Begründung der Parteistellung sind den Nachbarn durch Anschlag in der Gemeinde (§ 41 AVG) und durch Anschlag in den der Anlage unmittelbar benachbarten Häusern bekannzugeben; die Eigentümer der betroffenen Häuser haben derartige Anschläge in ihren Häusern zu dulden. Der Eigentümer des Betriebsgrundstückes und die Eigentümer der an dieses Grundstück unmittelbar angrenzenden Grundstücke sind persönlich zu laden.

Gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994 sind im Verfahren gemäß Abs. 1, unbeschadet des folgenden Satzes, nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an. Weist ein Nachbar der Behörde nach, daß er ohne sein Verschulden daran gehindert war, die Parteistellung nach dem ersten Satz zu erlangen, so darf er seine Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 auch nach Abschluß der Augenscheinsverhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen und ist vom Zeitpunkt seiner Einwendungen an Partei; solche Einwendungen sind vom Nachbarn binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für ihre Erhebung bei der Behörde einzubringen, die die Augenscheinsverhandlung anberaumt hat, und von dieser oder von der Berufungsbehörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden.

Zu Recht vertritt die Beschwerdeführerin zunächst die Auffassung, die zweiwöchige Frist des § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1994, innerhalb der ein Nachbar, der an der Erhebung von Einwendungen im Sinne des ersten Satzes gehindert war, seine Einwendungen nur rechtswirksam vorbringen kann, beginne erst zu laufen, sobald für den Nachbarn die Möglichkeit zur Erhebung von Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1994 besteht. Die Auffassung, daß diese Möglichkeit im vorliegenden Fall für die Beschwerdeführerin jedoch erst mit der Zustellung der Verhandlungsschrift bzw. des erstinstanzlichen Bescheides eröffnet worden wäre, vermag der Verwaltungsgerichtshof hingegen nicht zu teilen. Denn gemäß der von der Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde vorgelegten Verhandlungskundmachung, die ihr unbestrittenermaßen am Tag vor der Augenscheinsverhandlung (somit am 11. Juni 1996) zugekommen ist, wurde als Verhandlungsgegenstand das Ansuchen der mitbeteiligten Partei um die "Erteilung der gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Zwischenlagers für Wertstoffe sowie verschiedene Abfallfraktionen im Betriebsgelände der S. in X, H-Straße 38, gemäß den Einreichunterlagen" bezeichnet. Gleichzeitig wurde u. a. darauf hingewiesen, daß die Pläne während der Amtsstunden bis zum Verhandlungstag bei der Bezirkshauptmannschaft Brengenz und beim Gemeindeamt X zur Einsicht auflägen. Die Formulierung des Verhandlungsgegenstandes läßt - bei objektiver Betrachtung - eine Deutung dahin, es würden nur im Sinne des AWG nicht gefährliche Abfallfraktionen zwischengelagert, nicht zu. Vielmehr kommt nach dieser Formulierung die Zwischenlagerung von Abfällen jeglicher Beschaffenheit in Betracht. Die von der Beschwerdeführerin gerügte Undeutlichkeit oder Irreführung in der Formulierung des Verhandlungsgegenstandes trifft daher schon aus diesem Grunde nicht zu. Im übrigen verweist die Kundmachung auf die Einreichunterlagen, zu denen - wie die Beschwerdeführerin selbst ausführt - auch die Stoffliste zählte. Daß es der Beschwerdeführerin aber vor Zustellung der Verhandlungsniederschrift bzw. des erstinstanzlichen Bescheides nicht möglich gewesen wäre, in die Einreichunterlagen einzusehen, behauptet sie selbst nicht.

Wenn die belangte Behörde daher davon ausging, daß das durch die im Sinne des § 356 Abs. 1 GewO 1994 unzureichende Bekanntgabe der anberaumten Augenscheinsverhandlung bewirkte Hindernis für die Beschwerdeführerin, Einwendungen nach § 356 Abs. 3 erster Satz GewO 1994 zu erheben, im Sinne des zweiten Satzes dieser Bestimmung ab dem Zeitpunkt, in dem ihr die Kundmachung zugekommen war, nicht mehr gegeben war, so kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.

Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996040246.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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