TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/16 W222 2238691-1

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Veröffentlicht am 16.08.2021
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Entscheidungsdatum

16.08.2021

Norm

AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W222 2238691-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Obregon über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch RA Dr. Joachim Rathbauer, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 iVm § 55 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Indiens, stellte am 23.11.2016 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde der Antrag abgewiesen und gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer verblieb im Bundesgebiet und ehelichte am XXXX .03.2020 eine indische Staatsangehörige.

Am 06.10.2020 stellte der Beschwerdeführer Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005. Dem Antragformular lag unter anderem eine Kopie seiner Geburtsurkunde und seines Reisepasses, gültig von 18.08.2016 bis 17.08.2026, bei.

In einer Einvernahme durch das BFA am 04.11.2020 wurde der BF darüber belehrt, dass er innerhalb von vier Wochen seinen Reisepass vorzuweisen habe. Auf die Möglichkeit der Stellung eines Antrags auf Heilung des Mangels nach § 4 AsylG-DV wurde hingewiesen. Für die Heilung sei eine Bestätigung der Botschaft, dass kein Reisepass ausgestellt werde, notwendig. Die Geburtsurkunde des Beschwerdeführers im Original wurde im Zuge der Einvernahme sichergestellt.

In einer Stellungnahme vom 26.11.2020 brachte die Ehefrau des Beschwerdeführers vor, dass die indische Botschaft ihrem Mann mitgeteilt habe, dass kein Reisepass für ihn ausgestellt werde, da er noch Asyl habe. Ihm sei auch keine Bestätigung über die Verweigerung eines neuen Reisepasses ausgestellt worden. Die Botschaft habe ihm mitgeteilt, dass er seinen Aufenthaltstitel abgeben müsse, damit ihm ein neuer Reisepass ausgestellt werde. Sie ersuche daher die Behörde, dem Beschwerdeführer auf Basis der Kopie seines Reisepasses einen Aufenthaltstitel auszustellen, damit ihm ein Reisepass ausgestellt werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 Abs. 1 und § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 als unzulässig zurück.

Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe entgegen der gesetzlichen Anforderungen sein Identitätsdokument, nämlich seinen Reisepass, nicht im Original vorgelegt, weshalb sein Antrag zurückzuweisen sei. Er habe auch keinen Heilungsantrag nach § 4 AsylG-DV gestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist indischer Staatsangehöriger und stellte am 23.11.2016 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde der Antrag abgewiesen und gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

1.2. Am 06.10.2020 stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005. Im Zuge dieses Antrags wurden die Geburtsurkunde des Beschwerdeführers im Original und eine Kopie seines Reisepasses, gültig von 18.08.2016 bis 17.08.2026, vorgelegt.

1.3. Dem Beschwerdeführer wurde in der Einvernahme vom 04.11.2020 aufgetragen, seinen Reisepass im Original binnen vier Wochen vorzulegen. Er wurde ebenso über die Möglichkeit der Stellung eines Antrags auf Heilung des Mangels nach § 4 AsylG-DV belehrt.

1.4. Der Beschwerdeführer hat keinen Reisepass im Original vorgelegt, ebenso wenig eine Bestätigung der Vertretungsbehörde seines Herkunftsstaates, dass ihm ein solcher auch in Zukunft nicht ausgestellt werde, samt Begründung, oder eine Bestätigung über die Antragstellung eines Reisepasses, ausgestellt von der Vertretungsbehörde seines Herkunftsstaates.

Der Beschwerdeführer stellte keinen Antrag auf Heilung nach § 4 AsylG-DV. Er erbrachte auch keine Nachweise darüber, dass ihm die Beschaffung eines Reisepasses nicht möglich oder nicht zumutbar sei.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu 1.1. und 1.2. basieren auf der Aktenlage.

Die Feststellung über die Belehrung des BF in der Einvernahme vom 04.11.2020 basiert auf dem Einvernahmeprotokoll (Aktenseite 151 bis 155)

Die Feststellung unter 1.4. beruht ebenfalls aus der Aktenlage.

Der Beschwerdeführer stellte keinen Heilungsantrag und wies darüber hinaus auch nicht nach, dass ihm die Beschaffung eines Reisepasses nicht möglich sei. Er ist im Besitz einer Kopie seines noch gültigen Reisepasses. Der Beschwerdeführer machte im Verfahren zum Verbleib dieses Reisepasses keinerlei Angaben.

Sollte der Beschwerdeführer nicht mehr im Besitz dieses Reisepasses sein, so ist mittels der Kopie des Reisepasses die Ausstellung eines Ersatzdokuments durch die indische Botschaft möglich. Es gehört zu den Kernaufgaben eine Vertretungsbehörde, den im Ausland befindlichen Staatsangehörigen im Fall des Verlusts ihres Reisepasses (etwa durch Diebstahl) ein Ersatzdokument auszustellen. Da dem Beschwerdeführer schon einmal von den indischen Behörden ein Reisepass ausgestellt wurde und er über eine Kopie verfügt, liegen der Vertretungsbehörde alle notwendigen Daten vor. Weshalb gerade im Fall des Beschwerdeführers die Ausstellung eines Reisepasses trotz Vorlage einer Kopie nicht möglich sein sollte, wurde nicht dargelegt.

Der Behörde ist ebenso beizupflichten, wenn sie die Ausführungen der Ehefrau des Beschwerdeführers in ihrer Stellungnahme vom 26.11.2020 als nicht glaubhaft erachtet. Dem Beschwerdeführer wurde nie der Status des Asylberechtigten zuerkannt und hat die indische Botschaft auch keine Kenntnis davon, welchen Aufenthaltsstatus indischen Staatsbürgern in Österreich zukommt. Das Vorbringen, dass dem Beschwerdeführer kein Reisepass ausgestellt werde, weil er in Österreich Asyl habe, ist daher nicht nachvollziehbar. Ebenso wenig logisch nachvollziehbar ist das Vorbringen, dass der Beschwerdeführer zur Ausstellung eines Reisepasses über einen Aufenthaltstitel verfügen müsse, den er bei der Botschaft abgeben müsse.

Die Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben, da der Beschwerdeführer keinen Antrag auf Heilung nach § 4 AsylG-DV gestellt hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016 (im Folgenden: BFA-VG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idF BGBl. I Nr. 50/2016, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt in der vorliegenden Rechtssache Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zu A)

Im vorliegenden Fall sind folgende Rechtsvorschriften maßgeblich:

Relevante Bestimmungen des Asylgesetz 2005:

Arten und Form der Aufenthaltstitel

§ 54. (1) Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen werden Drittstaatsangehörigen erteilt als:
1.         ‚Aufenthaltsberechtigung plus‘, die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 berechtigt,
2.         ‚Aufenthaltsberechtigung‘, die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt,
3.         ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘, die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt.

(2) – (5) […]

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus‘ zu erteilen, wenn
1.         dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2.         der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung‘ zu erteilen.


Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn
1.         der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2.         der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3.         einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,
4.         einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder
5.         ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
1.         sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,
2.         bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder
3.         gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist
1.         das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder
2.         der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn
1.         ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und
2.         die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.

[…]


Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

§ 60. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn
1.         gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder
2.         gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.

(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn
1.         der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,
2.         der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,
3.         der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und
4.         durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.

(3) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn
1.         dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können oder
2.         im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

[…]“

Relevante Bestimmungen der Asylgesetz-Durchführungsverordnung 2005 (AsylG-DV):

Verfahren

§ 4. (1) Die Behörde kann auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen:
1.         im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls,
2.         zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder
3.         im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(2) Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs. 1 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

[…]

Form der Urkunden und Nachweise für Aufenthaltstitel

§ 7. (1) Die nach § 8 bei dem amtswegigen Verfahren oder der Antragstellung erforderlichen Urkunden und Nachweise sind der Behörde jeweils im Original und in Kopie vorzulegen.

(2) – (4) […]

Urkunden und Nachweise für Aufenthaltstitel

§ 8. (1) Folgende Urkunden und Nachweise sind – unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den Abs. 2 und 3 – im amtswegigen Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 3) beizubringen oder dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 3) anzuschließen:
1.         gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG);
2.         Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument;
3.         Lichtbild des Antragstellers gemäß § 5;
4.         erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschaftsurkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde.

(2) Zusätzlich zu den in Abs. 1 genannten Urkunden und Nachweisen sind dem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG 2005 weitere Urkunden und Nachweise anzuschließen:
1.         Nachweis des Rechtsanspruchs auf eine ortsübliche Unterkunft, insbesondere Miet- oder Untermietverträge, bestandrechtliche Vorverträge oder Eigentumsnachweise;
2.         Nachweis über einen in Österreich leistungspflichtigen und alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz, insbesondere durch eine entsprechende Versicherungspolizze, sofern kein Fall der gesetzlichen Pflichtversicherung bestehen wird oder besteht;
3.         Nachweis des gesicherten Lebensunterhalts, insbesondere Lohnzettel, Lohnbestätigungen, Dienstverträge, arbeitsrechtliche Vorverträge, Bestätigungen über Pensions-, Renten- oder sonstige Versicherungsleistungen, Nachweise über das Investitionskapital, Nachweis eigenen Vermögens in ausreichender Höhe oder in den bundesgesetzlich vorgesehenen Fällen eine Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung.

(3) – (5) […]

Der Beschwerdeführer beantragte am 06.10.2020 einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005. Nachdem der Beschwerdeführer trotz entsprechender Belehrung keinen Reisepass vorlegte und auch keinen Antrag auf Heilung nach § 4 AsylG-DV stellte, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 als unzulässig zurück. Begründend führte es im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe entgegen der gesetzlichen Anforderungen seinen Reisepass nicht im Original vorgelegt. Gegenüber dem Beschwerdeführer sei am XXXX eine Rückkehrentscheidung erlassen worden, weshalb von der Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung abgesehen werde.

Mit der Begründung der Zurückweisung des Antrags des Beschwerdeführers ist die belangte Behörde im Recht:

Entgegen der Anforderung des § 8 Abs. 1 Z 1 und 2 iVm § 7 Abs. 1 AsylG-DV 2005 schloss der Beschwerdeführer seinem Antrag kein ein gültiges Reisedokument an und belastete seinen Antrag sohin mit einem Formmangel. Der Beschwerdeführer wurde im Wege der Einvernahme am 04.11.2020 von diesem Mangel in Kenntnis gesetzt und bekam eine vierwöchige Frist zur Behebung eingeräumt. Diese ließ er ungenutzt verstreichen und stellte bis zur Entscheidung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl auch keinen Antrag auf Heilung des aufgezeigten Mangels gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV 2005 (Umstände für eine Heilung kamen auch von Amts wegen nicht hervor).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 aus diesem Grund zu Recht gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurück.

Diese Bestimmung berechtigt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur dann zur Zurückweisung, wenn insbesondere Dokumente in Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten seitens des Drittstaatsangehörigen nicht beigebracht werden; die Verletzung von Mitwirkungsverpflichtungen, die mit der Erhebung von inhaltlichen Erteilungsvoraussetzungen im Zusammenhang stehen, berechtigt hingegen nicht zur Zurückweisung nach § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005, sondern begründet allenfalls die Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (vgl. VwGH 30.06.2015, Ra 2015/21/0039). Insofern hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Rechtslage zutreffend erkannt, wenn es den zurückweisenden Bescheid vom XXXX in seiner Begründung (nur) auf die Nichtvorlage des Reisepasses stützte.

Durch die Nichtvorlage seines Reisepasses belastete der Beschwerdeführer seinen Antrag mit Formmängeln. Die belangte Behörde wies daraufhin den Antrag zu Recht als unzulässig zurück. Damit lag dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu keinem Zeitpunkt überhaupt ein zulässiger Antrag vor, der eine weitere inhaltliche Bearbeitung möglich gemacht hätte.

Diese Rechtsauffassung ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht nicht nur bereits aus dem allgemeinen (verwaltungs-)verfahrensrechtlichen Grundsatz, dass ein Antrag zunächst die notwendigen formellen Erfordernisse erfüllen muss, bevor er inhaltlich zu behandeln ist, sondern wird auch in Zusammenhang mit den besonderen formellen Erfordernissen für alle im 7. Hauptstück des Asylgesetzes 2005 genannten Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gestützt: So sind die in § 8 Abs. 1 Z 1 bis 4 AsylG-DV 2005 genannten Urkunden und Nachweise für alle Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen beizubringen (vgl. den Verweis auf § 3 AsylG-DV 2005 iVm § 54 Abs. 1 AsylG 2005).

Da das Bundesamt keinen neuerliche Rückkehrentscheidung erließ, führte es auch keine Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK durch. Die angefochtene Entscheidung beschränkt sich auf die Zurückweisung des Antrags des Beschwerdeführers gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 sowie auf eine darauf bezogene Begründung. Verfahrensgegenstand vor dem Bundesverwaltungsgericht ist sohin allein die Frage, ob der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 zu Recht zurückgewiesen wurde. Mangels vorliegender Rückkehrentscheidung stellen darauf bezogene Fragen – insbesondere, ob diese aufenthaltsbeendende Maßnahme den Rechten des Beschwerdeführers nach Art. 8 Abs. 1 EMRK auf Dauer entgegenstünde – keinen Verfahrensgegenstand vor dem erkennenden Gericht dar. Dies ändert freilich nichts daran, dass den Beschwerdeführer eine Ausreiseverpflichtung bereits aufgrund der mit Bescheid vom XXXX rechtskräftig erlassenen asylrechtlichen Ausweisung trifft (§ 52 Abs. 8 FPG).

Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen.

Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass es dem Beschwerdeführer nach dem vorliegenden Verfahrensergebnis freisteht, einen – formgültigen – Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 zu stellen, im Rahmen dessen eine Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK durchzuführen wäre.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist – das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall sind die genannten Kriterien erfüllt, weil der für die Zurückweisung maßgebliche Sachverhalt durch die belangte Behörde vollständig erhoben wurde und nach wie vor die gebotene Aktualität aufweist. In der Beschwerdeschrift wird kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens des Bundesamts entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet. Eine Verhandlung konnte auch deshalb unterbleiben, weil selbst ein darin erörtertes Familienleben des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung der im vorliegenden Fall maßgeblichen Umstände keine anderslautende Entscheidung herbeigeführt hätte.

B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Da sich die gegenständliche Entscheidung auf eine klare Rechtsgrundlage stützt, ist die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.


Schlagworte

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK Ausreiseverpflichtung Formmangel Reisedokument Rückkehrentscheidung unzulässiger Antrag Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W222.2238691.1.00

Im RIS seit

29.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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