Entscheidungsdatum
07.10.2021Norm
BFA-VG §22a Abs1 Z3Spruch
W150 2246860-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. KLEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geb. XXXX 1996, StA. PAKISTAN, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Steiermark (BFA-St) vom 20.09.2021, Zl. XXXX , sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 20.09.2021 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, Art 28 Abs. 1 und 2 Dublin VO, § 76 Abs. 2 Z 3 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1, Z 6 und Z 9 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF, Art 28 Abs. 1 und 2 Dublin VO, § 76 Abs. 2 Z 3 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1, Z 6 und Z 9 FPG idgF wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.
III. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF iVm § 1 Z 5 VwG-AufwErsV idgF, hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF abgewiesen.
B)
Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge auch: „BF“) wurde am 02.09.2021 am Hauptbahnhof Villach von der Polizei fremdenrechtlich kontrolliert, als er versuchte mit dem internationalen Reisezug NJ 233 in Richtung Italien zu reisen. Er konnte die für seinen rechtmäßigen Aufenthalt notwendigen Dokumente nicht vorweisen und war lediglich im Besitz eines Zugtickets von Linz nach Salzburg. Auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes wurde er gem. den Bestimmungen des FPG festgenommen.
2. Eine anschließende erkennungsdienstliche Behandlung ergab den folgenden – aus Rumänien stammenden - Treffer im Eurodac-System: - XXXX vom 22.08.2021.
3. Der BF wurde noch am 02.09.2021 von der PI Villach Bahnhof zu einer möglichen Schubhaftverhängung informativ befragt. Dabei gab er an, dass er nach Italien reisen wollte, dass er in Österreich keine Familie noch Freunde oder Bekannte hätte sowie dzt. an Bargeld € 11,38 Euro bei sich hätte. Er wäre gesund und hätte dzt. Kopfschmerzen.
4. In weiterer Folge wurde vom Polizeiamtsarzt seine Haftfähigkeit sowie ein Krätzebefall festgestellt. Die notwendigen Maßnahmen sowie Medikamentenverordnung wurden verordnet.
5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge auch: „BFA“ oder „belangte Behörde“) vom 02.09.2021 wurde gegen den BF zur Sicherung des Dublinverfahrens die Schubhaft angeordnet und es wurde ihm dieser Bescheid am 02.09.2021 um 10.00 Uhr nachweislich zugestellt.
6. Ebenfalls mit diesem Bescheid wurde ihm am 02.09.2021 um 10.00 Uhr das schriftliche Parteiengehör der Regionaldirektion Kärnten vom 02.09.2021 – Verfahren zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung – nachweislich zugestellt.
7. Bereits am 02.09.2021 wurde von der Regionaldirektion Kärnten die EAST WEST um Einleitung eines Konsultationsverfahren mit Rumänien ersucht.
8. Am 03.09.2021 um 15.10 Uhr brachte der BF im Stande der Schubhaft einen Asylantrag ein.
9. Am 03.09.2021 um 17.10 Uhr wurde er diesbezüglich niederschriftlich einvernommen und gab an, dass er nach Italien reisen wollte, da dort die Möglichkeiten für pakistanische Staatsangehörige bezüglich Asyl am besten wären.
10. Mit Schreiben der EAST WEST vom 03.09.2021 – samt Übersetzung - wurde ihm gem. § 28 Abs. 2 AsylG mitgeteilt, dass gemäß der Dublin-Verordnung ein Konsultationsverfahren mit Rumänien geführt wird.
11. Am 14.09.2021 wurde von der BBU ein Rückkehrberatungsgespräch durchgeführt und zeigte sich die VP nicht rückkehrwillig.
12. Am 16.09.2021 langte von den rumänischen Behörden die Zustimmung zu Ihrer Rückübernahme – Konsultationsverfahren - ein. Davon wurde der BF mit Verfahrensanordnung vom gleichen Tage schriftlich in Kenntnis gesetzt und dass beabsichtigt sei, seinen Asylantrag zurückzuweisen und dass für sein Asylbegehren Rumänien zuständig ist.
13. Am 17.09.2021 um 10:10 Uhr wurde dem BF die Ladung für die niederschriftliche Einvernahme im Asylverfahren nachweislich zugestellt.
14. Am 17.09.2021 um 20:15 Uhr wurde der BF aus medizinischen Gründen aus der Schubhaft entlassen und zur weiteren Behandlung in das Landeskrankenhaus Graz /LSF Psychiatrie überstellt.
15. Das BFA wurde vom Anhaltezentrum Vordernberg am 20.09.2021 um 07:13 Uhr schriftlich davon in Kenntnis gesetzt, dass der do. Ladung nicht entsprochen werden kann, da sich der BF im Landeskrankenhaus Graz befindet und dort stationär behandelt wird.
16. Am 20.09.2021 um 11:30 Uhr wurde die LPD Steiermark, Anhaltezentrum, vom Landeskrankenhaus Graz telefonisch in Kenntnis gesetzt, dass der BF keine Behandlung benötige und von dort im Laufe des Tages zu entlassen sein wird.
17. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 20.09.2021 wurde erneut im Mandatsverfahren gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zur Sicherung des Überstellungsverfahren angeordnet. Dieser Bescheid wurde dem BF am 20.09.2021 um 14:10 Uhr nachweislich zugestellt.
18. Am 30.09.2021 langte um 09:30 Uhr die Meldung ein, dass sich der BF seit 07.35 Uhr im Hungerstreik befinde.
19. Am 30.09.2021 erhob der BF im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertreterin die verfahrensgegenständliche Beschwerde, in der er im Wesentlichen und soweit verfahrensrelevant ausführte, dass beim BF keine erhebliche Fluchtgefahr gegeben sei, es sei auch das Verfahren dazu nicht hinreichend gewesen, da dem BF im Vorfeld der Schubhaftverhängung lediglich vier Fragen in englischer Sprache gestellt worden seien, deren Beantwortung für sich genommen keine Schlüsse für das Bestehen von Fluchtgefahr zuließen. Durch den mittlerweile in Österreich gestellten Asylantrag zeige sich, dass der BF nun nicht mehr nach Italien weiterreisen wolle. Er werde sich auch nicht dem Verfahren und einer allfälligen Überstellung entziehen. Im Übrigen gelte der Vorrang des gelinderen Mittels.
Es werde daher beantragt, das BVwG möge
-) eine mündliche Verhandlung durchführen;
-) den angefochtenen Bescheid beheben und aussprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgte;
-) aussprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des BF nicht vorliegen;
-) dem BF Aufwandersatz im Umfang allfäliger Barauslagen und der Eingabengebühr iHv EUR 30 zuerkennen.
20. Das BFA legte am 01.10.2021 die Verfahrensakten vor und führte in seiner Stellungnahme im Wesentlichen und soweit verfahrensrelevant aus, dass mittlerweile bereits die Zustimmung der rumänischen Behörden im Konsultationsverfahren vor und es sei daher sein Asylbegehren wegen Zuständigkeit Rumäniens zurückzuweisen.
Nach Ansicht der ho. Behörde liege aus folgenden Gründen sehr wohl erhebliche Fluchtgefahr vor.
Der BF habe sich schon zuvor dem Asylverfahren in Rumänien entzogen und wollte illegal nach Italien weiterreisen, da er sich dort bessere Chance erhoffte. In Österreich hielt er sich nur zur Durchreise auf. Nur durch den Aufgriff am Hauptbahnhof in Villach wurde die Weiterreise nach Italien verhindert.
Am 03.09.2021 brachte er im Stande der Schubhaft einen Asylantrag ein. Im Zuge der niederschriftlichen Erstbefragung gab er auch an, dass er deshalb nach Italien wollte, da dort für pakistanische Staatsangehörige die Chancen besser wären. Nach Rumänien möchte er nicht zurück.
Am 17.09.2021 um 20:15 Uhr wurde er auf Grund seines gezeigten Verhaltens in das Landeskrankenhaus Graz, LSF, überstellt. Bereits am 20.09.2021 wurde er in den Nachmittagsstunden wieder aus dem Krankenaus entlassen.
Die Anordnung des gelinderen Mittels ist nach ho. Ansicht nicht zielführend, da der BF sich bereits dem Asylverfahren in Rumänien entzogen habe und nach Italien weiterreisen wollte. Nur durch seinen Aufgriff am Hauptbahnhof in Villach konnte seine illegale Weiterreise verhindert werden. Dass er nicht nach Rumänien zurückkehren möchte, gab er auch anlässlich seiner Erstbefragung im Asylverfahren sowie anlässlich der mit ihm durchgeführten Rückkehrberatung an. Damit habe er mehrfach dokumentiert, dass er nicht bereit sei, die behördlichen Maßnahmen – Zurückweisung seines Asylantrages und beabsichtigte Verbringung nach Rumänien - zu akzeptieren.
Das für die Überstellung notwendige Dokument – Laissez Passer – könne auf Grund der Zustimmung Rumäniens nach Durchführbarkeit der Entscheidung jederzeit ausgestellt werden.
Nunmehr befinde sich der BF seit 30.09.2021 im Hungerstreik. Die Zustimmung zur Heilbehandlung sei von der ho. Behörde am 30.09.2021 erteilt worden.
21. Aufgrund eines gerichtlichen Auftrages vom 30.09.2021 übermittelte das BFA am 05.10.2021 eine aktuelle amtsärztliche Bestätigung vom gleichen Tage, welches die Haft- und Verhandlungsfähigkeit des BF bestätigte.
22. Am 06.10.2021 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprachen Urdu und Punjabi auf Wunsch des BF auf Punjabi statt, bei der der Vertreter des BF Akteneinsicht nahm.
Der BF gab dabei nach Rechtsbgelehrung zusammengefasst und soweit verfahrensrelevant an, sich zwar im Hungerstreik zu befinden aber eigentlich schon in der Lage zu sein, der Verhandlung physisch und psychisch folgen zu können. Er nehme derzeit nichts ein auch keine Tabletten. Die weitere Befragung entwickelte sich wie folgt:
„RI: Führen Sie Ihren Namen seit Ihrer Geburt?
BF: Ja. Ich habe meinen Namen von Geburt an.
RI: Wo sind Sie geboren?
BF: In Pakistan, in Wazirabad.
RI: Wazirabad ist eine Provinz oder sehe ich es falsch. Gibt es eine nähre Angabe?
BF: Wazirabad ist eine Stadt. Der Bezirk ist Gujran Wala.
RI: Sind Sie in Ihrem Heimatland Pakistan unter anderen Namen, Spitznamen, Kampfnamen, Rufnamen bekannt?
BF: Nein.
RI: Sind Sie in anderen Ländern dieser Erde, einschließlich Österreich, unter anderen Namen bzw. Identitäten in Erscheinung getreten?
BF: Nein.
RI: Haben Sie irgendwelche Dokumente (Ausweise, Bestätigungen, etc.) die ihre Person oder Familienangehörige betreffen, die Sie neu erhalten haben oder alte Dokumente, die Sie mir heute vorweisen wollen?
BF: Ich habe in meinem Handy ein Bild von meinem Reisepass. Von meinem Reisepass und von meinem Personalausweis.
RI: Das heißt, Sie haben einen Reisepass?
BF: Ich habe ein Foto in meinem Handy.
RI: Ich stelle die Frage anders. Wurde Ihnen schon einmal von Ihrem Heimatland ein Reisepass ausgestellt?
BF: Ja.
RI: Wann war das?
BF: Im Jahre 2016.
RI: Wo befindet sich dieser Reisepass?
BF: Das weiß ich nicht. Den habe ich verloren. Ich habe nur mehr die Bilder.
RI: Wo haben Sie den Reisepass verloren?
BF: In Griechenland.
RI: Wie kam es dazu, dass Sie Ihren Reisepass verloren haben?
BF: In Wahrheit war der Reisepass abgelaufen und ich habe ihn bei meiner Ausreise aus Griechenland weggeworfen.
RI: Haben Sie schon versucht ein neues Reisedokument zu erlangen?
BF: Ich war die meiste Zeit unterwegs und bin in Österreich in Schubhaft. Ich hatte noch keine Möglichkeit dazu.
RI: Gehören Sie einer Kirche oder Religionsgemeinschaft an? Wenn ja, welcher? Wenn nein, haben Sie ein religiöses Bekenntnis?
BF: Islam.
RI: Welche Art von Islam?
BF: Ich glaube an einen humanitären Islam und an die Rechtsprechung der Hanafiten.
RI: Darf ich das so verstehen, dass Sie sich als sunnitischer Moslem bezeichnen?
BF: Ja.
RI: Wie äußert sich ihre religiöse Überzeugung? Woran können Außenstehende erkennen, dass sie sunnitischer Moslem sind?
BF: Ich versuche gut zu den Menschen zu sein. Ich versuche auch fünf Mal zu beten und einen Bart habe ich auch.
RI: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?
BF: Sakka (phonetisch).
RI: Ihr Mobiletelefon befindet sich derzeit bei Ihren Effekten. Haben Sie der Behörde die Fotos von Ihren darauf gespeicherten Dokumenten vorgewiesen?
BF: Bis jetzt noch nicht.
RI: Warum nicht?
BF: Bei meiner ersten Einvernahme habe ich dem Dolmetscher gesagt, dass ich die Bilder am Mobiltelefon habe. Er hat gemeint, das sei jetzt nicht so wichtig.
RV: In der Asylrechtlichen Erstbefragung wurde der BF nach Dokumenten Kopien gefragt, worauf er geantwortet hat, „ich habe Fotos auf meinem Handy“. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der BF bereits in Haft und er wurde in weiterer Folge von der Behörde nicht zur Vorlage der Kopie aufgefordert.
RI: Wann Sind Sie aus Pakistan geflüchtet?
BF: Am 22.09.2019.
RI: Warum wissen Sie das noch so genau?
BF: Da habe ich mein Heimatland verlassen. Das merkt man sich.
RI: Wie haben Sie Ihr Heimatland verlassen?
BF: Ich bin mit dem Flugzeug in die Türkei geflogen.
RI: Wollten Sie in der Türkei bleiben?
BF: Nein, das habe ich nicht vorgehabt. Ich wollte in ein Land, wo ich auch einen Antrag für meine Mutter stellen kann. Außerdem wurde ich in der Türkei zwei bis drei Mal von den Kurden überfallen.
RI: Woher wissen Sie, dass das Kurden waren?
BF: Das ist dort eine sehr bekannte Bande der Kurden.
RI: Wo war das, in welcher Stadt?
BF: Das war in Istanbul, im Stadtteil Karadeniz.
RI: Sie sind wie lange in der Türkei geblieben?
BF: Ca. 9 Monate.
RI: Warum sind Sie so lange dortgeblieben, wenn Sie in ein anderes Land wollten?
BF: Ich hatte nicht genug Geld für die sofortige Weiterreise. Ich habe zwei Mal versucht die Grenze zu überqueren, aber es hat nicht geklappt. Einmal hat mich sogar der ORF bei der türkischen Grenze interviewt.
RI: Woher wissen Sie, dass das der ORF war?
BF: Es stand groß auf dem Mikrofon ORF.
RI: Sie sind dann doch weitergereist, wohin?
BF: Nach Griechenland.
RI: War das Ihr Wunschziel?
BF: Ja, ich hatte vor in Griechenland zu bleiben. Ich habe dann ein Jahr lang dort gewartet und habe nicht einmal eine Aufenthaltskarte bekommen. Deshalb habe ich mich entschieden weiter zu reisen.
RI: Sie haben also den griechischen Behörden damals den Reisepass vorgelegt?
BF: Ja, der griechischen Polizei.
RI: Und dann sind Sie weitergereist nach einem Jahr?
BF: Ja.
RI: Und wohin sind Sie gereist?
BF: Nach Mazedonien.
RI: Dort waren Sie aber nicht lang, oder?
BF: Dann weiter nach Serbien und dann nach Rumänien. In diesen Ländern war ich nur ein paar Tage. Zum Schluss bin ich dann nach Ungarn und von Ungarn aus nach Österreich.
RI: Warum sind Sie von Serbien nicht direkt nach Ungarn?
BF: Es haben alle dort gesagt, dass es einfacher ist über Rumänien zu reisen.
RI: Sie haben in Rumänien einen Asylantrag gestellt. Ist das richtig?
BF: Das ist richtig. Aber ich wurde dort in dem Camp von der Polizei geschlagen. Der Dolmetscher dort hat mir erklärt, dass die Chance fast null ist in Rumänien Asyl zu bekommen.
RI: Warum sind Sie dann nach Salzburg gereist?
BF: Bei meiner Ankunft in Österreich hatte ich keine Unterkunft und keinen Platz zum Schlafen. Ich habe mich herumgefragt und mich dazu entschlossen nach Italien zu reisen. Deshalb bin ich nach Salzburg gefahren.
RI: Wo sind Sie denn in Österreich angekommen?
BF: Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich in Linz und in Salzburg war.
RI: Wie sind Sie denn nach Linz gekommen?
BF: Mit dem Zug. Ich habe Leute gefragt und die haben mir gesagt, dass es in Linz ein Flüchtlingslager gibt.
RI: Wo haben Sie diese Leute gefragt?
BF: Das war in einer Ortschaft auf der Straße.
RI: Aber Sie haben mir vorher gesagt, dass Sie mit dem Zug gefahren sind?
BF: Vor der Zugfahrt habe ich diese Leute gefragt.
RI: In Ungarn oder wo?
BF: In Österreich.
RI: Und wo in Österreich?
BF: In der Nähe von Linz. Nach einer halben Stunde Zugfahrt war ich dann in Linz.
RI: Darf ich das so verstehen, dass Sie von Ungarn nach Österreich mit dem Zug gefahren sind?
BF: Nein.
RI: Sie haben aber vorhing gesagt, dass Sie mit dem Zug gekommen sind?
BF: Nein, ich habe gesagt, ich bin von Linz mit dem Zug nach Salzburg gefahren.
RI: Dann verraten Sie mir bitte, warum Sie nicht in Ungarn geblieben sind und wie Sie von Ungarn nach Österreich gekommen sind?
BF: Ich wurde zusammen mit anderen in Rumänien in den Laderaum eines LKWs gebracht. Der Schlepper erklärte uns, dass wir nach zwei Tagen in Österreich ankommen werden. Dieser LKW hat mich nach Österreich gebracht. Er ist nur durch Ungarn durchgefahren.
RI: Das heißt, Sie sind irgendwo in Österreich aus dem Auto ausgestiegen?
BF: Ja.
RI: Woher wissen Sie dann, dass Sie dazwischen in Ungarn waren?
BF: Das hat der Schlepper erklärt, dass wir in Ungarn durchfahren werden.
RI: Warum sind Sie in Österreich nicht zu den Behörden gegangen und haben einen Asylantrag gestellt?
BF: Ich kannte in Österreich niemanden. Ich kannte mich auch nicht gut aus. Ich wollte eigentlich weiter nach Italien.
RI: Warum wollten Sie nach Italien?
BF: Ich habe von Freunden und Bekannten gehört, dass es in Italien mehr Arbeit gibt und man auch schneller zu Papieren kommt.
RI: Haben Sie eigentlich damals in Linz im Flüchtlingslager übernachtet?
BF: Nein.
RI: Wo haben Sie dann übernachtet?
BF: Ich habe die Nacht in Zügen verbracht. Ich wusste nicht, in welche Richtung ich fahren soll. Ich wollte eigentlich schon in Flüchtlingslager in Österreich, aber niemand konnte mir erklären wo es sei.
RI: Warum haben Sie nicht einen Bahnbeamten oder einen Polizisten gefragt, wo sich das Flüchtlingslager befindet?
BF: Ich habe zwei bis drei Personen gefragt, aber nicht verstanden.
RI: Sie haben es aber dann bis nach Villach geschafft.
BF: Ja, das stimmt. Ich hatte die ganze Zeit Angst, dass mich die Polizei ins Gefängnis bringt, deshalb habe ich keinen Polizisten gefragt.
RI: Haben Sie noch Verwandte (z.B. Eltern, Kinder, Geschwister, Ehegattin) in Ihrer Heimat Pakistan?
BF: Meine Mutter und zwei Brüder sind in Pakistan. Mein Vater ist auch in Pakistan. Er hat sich aber vor zehn Jahren von uns getrennt und lebt wo anders.
RI: Haben Sie noch Verwandte in Österreich oder anderen Ländern dieser Erde?
BF: In Italien habe ich einen Onkel ms. Ich möchte aber nicht zu ihm.
RI: Sind Sie ledig, verheiratet, verwitwet, geschieden, in einer eingetragenen Partnerschaft oder in einer Lebensgemeinschaft?
BF: Ledig.
RI: Haben Sie Kinder?
BF: Nein.
RI: Haben Sie eine Freundin?
BF: Nein.
RI: Sind Sie geschlechtlich anders als heterosexuell Orientiert?
BF: Hetero.
RI: Welche Schul- bzw. Berufsausbildungen haben Sie?
BF: Ich habe elf Jahre die Grundschule besucht.
RI: Welchem Beruf sind Sie vor Ihrer Flucht nachgegangen?
BF: Ich habe bei einer Firma als Verkäufer gearbeitet und dazu habe ich in der Gastronomie gearbeitet.
RI: Haben Sie in Pakistan einer Miliz oder bewaffneten Gruppe angehört oder dem Militär oder sonst eine Kampfausbildung erhalten?
BF: Nein, weder noch.
RI: Was genau befürchten Sie im Falle Ihrer Rückkehr nach Pakistan?
BF: Mein Vater hat uns vor zehn Jahren verlassen. Er hat damals mit einem Partner zusammen illegale Geldgeschäfte betrieben. 2016 ist sein Partner gestorben. Mein Vater und sein Partner schuldeten sehr vielen Leuten Geld. Diese Leute haben mich in Pakistan belästig und unter Druck gesetzt. Sie wollen von mir wissen, wo mein Vater ist und wie sie zu ihrem Geld kommen. Diese Gläubiger haben mehrmals gedroht, dass sie mich oder einen meiner Brüder entführen werden.
RI: Wollten Sie in Italien einen Asylantrag stellen?
BF: Ja.
RI: Warum haben Sie jetzt in Österreich einen Asylantrag gestellt?
BF: Ich wusste anfangs nicht, dass ich in Österreich ein Asylantrag stellen kann. Als mir das später ein Polizist erklärt hat, habe ich mich in Österreich sicher gefühlt und deshalb einen Antrag gestellt.
RI: Wurden Sie in Österreich oder einem anderen Staat wegen Straftaten verurteilt?
BF: Nein. Ich war in Griechenland in Haft wegen illegalem Aufenthalt.
RI: Ich bringe Ihnen zur Kenntnis: Das amtsärztliche Gutachten vom 05.10.2021 besagt, dass Sie Haft- und Verhandlungsfähig sind.
BF: Ich habe seit ca. einem Monat mentalen Stress und es wird immer schlimmer.
RI an RV: Haben Sie Fragen?
RV: Sie waren ca. ein Jahr in Griechenland aufhältig. Haben Sie dort versucht ein Asylverfahren zu betreiben?
BF: Ich habe intensiv versucht mein Verfahren in Griechenland zu führen. Ich habe regelmäßig Mails an die Behörde geschickt und war auch selber am Amt. Ich wurde aber immer weggeschickt, weil ich keinen Termin hatte.
RV: Wenn Sie heute entlassen werden, was würden Sie dann machen?
BF: Ich würde sofort ins Flüchtlingslager fahren und dort mein Verfahren abwarten.
RI: In welches Flüchtlingslager?
BF: Ich weiß, dass es Flüchtlingslager in Wien gibt. Ich würde die Polizei fragen.
RV: Dazu würde ich gerne anmerken, dass es dem BFA obliegt, dem BF eine Unterkunft im Rahmen der Grundversorgung zuzuweisen.
RI: Der BF hat von einem Flüchtlingslager gesprochen, als ob er ein bestimmtes damit meinte.
RV: Ich habe keine weiteren Fragen mehr und möchte anmerken, dass der BF wie angegeben eine Passkopie auf seinem Mobiltelefon gespeichert hat und dass er auch den E-Mailverkehr mit den griechischen Behörden vorzeigen könnte.
Die Dublinverordnung verlang für die Verhängung der Schubhaft Fluchtgefahr in erheblichen Ausmaß. Wie das Beweisverfahren gezeigt hat, liegt eine solche erhebliche Fluchtgefahr gegenständlich nicht vor. Insbesondere hat der BF alle Fragen wahrheitsgemäß beantwortet und an der Befragung mitgewirkt. Weiters hat er angegeben, dass er sich dem Verfahren nicht entziehen wird und in diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass im Asylverfahren noch keine Entscheidung ergangen ist und wir uns nach wie vor in einem frühen Verfahrensstadium befinden. Die belangte Behörde konnte im Verfahren nicht darlegen, dass sie das Asylverfahren mit der gebotenen Zügigkeit betrieben hat. Zwar ist es nachvollziehbar, dass der Einvernahmetermin am 21.09. wegen der Verbringung des BF in ein Spital storniert wurde, jedoch sind keine Gründe ersichtlich warum die Einvernahme nicht in dem seither verstrichenen Zeitraum nachgeholt wurde. Eine Einvernahme in der Kalenderwoche 40, wie in der Stellungnahme ausgeführt, erscheint nicht realistisch, da es sich um die gegenständliche Woche handelt und in dieser nur noch zwei Werktage zur Verfügung stünden. Gemäß Artikel 9 Abs. 1 der Aufnahmerichtlinie, welche auch für das Dublinverfahren relevant ist, rechtfertigen Verzögerungen in den Verwaltungsverfahren, die nicht dem BF anzulasten sind, kein Fortdauern der Schubhaft. Ungeachtet der Haftfähigkeit ist bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft auch der aktenkundige psychisch labile Zustand des BF zu berücksichtigen (Verweis insbesondere auf das im Akt liegende Gutachten vom 20.09.2021).
RI an BF: Haben Sie noch Fragen oder möchten Sie mir noch etwas sagen?
BF: Ich möchte noch einmal versichern, dass ich Österreich nicht verlassen werde. Ich werde im Flüchtlingslager bleiben und mich um mein Verfahren kümmern.
RI: Es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass Rumänien für Ihr Verfahren zuständig ist und Sie daher nach Rumänien zurückkehren müssten. Was sagen Sie dazu?
BF: Wenn das so entschieden wird, dann werde ich nach Rumänien fahren müssen.
23. Am 07.10.2021 gab das BFA auf fernmüdliches Ersuchen hin gegen 11:15 bekannt, dass der BF ihm soeben vorgeführt wurde und bezüglich seines Asylverfahrens einvernommen werde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird der oben dargelegte Verfahrensgang zur Feststellung erhoben.
1.2. Der BF ist nach seinen eigenen Angaben zufolge Staatsangehöriger von Pakistan. Seinen Reisepass hat er eigenen Angaben zufolge anlässlich seiner Ausreise aus Griechenland weggeworfen. Er verfügt nur mehr über Fotos seiner Reisedokumente. Seine Identität steht daher nicht zweifelsfrei fest.
Der BF besitzt weder die österreichische Staatsbürgerschaft, noch die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates und verfügt über keine Aufenthaltsberechtigung in Österreich oder in einem anderen Mitgliedsstaat der EU.
Der BF ist gesund. Es sind keine Hinweise auf eine Zugehörigkeit zu einer der CoVid-19-Risikogruppen bekannt. Er ist volljährig. Der BF verfügt über keine gültigen Reisedokumente und hat sich bis dato, also seit ca. 50 Tagen auch nicht um die Erlangung solcher bemüht.
Der BF verfügt über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich und ist auch sozial nicht verankert.
Der BF hat bereits in Griechenland und Rumänien Asylanträge gestellt und - bislang erfolgreich - versucht, sich durch illegalen Grenzübertritte nach Nordmazedonien, Serbien, Rumänien, Ungarn, Österreich und zuletzt Italien den Verfahren zu entziehen.
Der BF möchte in Italien einer Beschäftigung nachgehen.
Der BF ist mittellos.
Der BF ging in Österreich bis dato keiner legalen Erwerbstätigkeit nach.
Der BF hat offensichtlich in Verzögerungsabsicht im Stande der Schubhaft in Österreich am 03.09.2021 einen Asylantrag gestellt. Dazu wurde ihm von der belangten Behörde noch am gleichen Tage mitgeteilt, dass Konsultationen gemäß der Dublin [III]– Verordnung mit Rumänien geführt werden.
Bezüglich seiner Fluchtgründe auf sein Heimatland Pakistan bezogen hat der BF nur angegeben, dass sein Vater Männern Geld schulde und diese das Geld nun von ihm eintreiben wollten. Auch sonst hat er bislang nur wirtschaftliche Gründe ins Treffen geführt. Es liegen daher augenscheinlich keine Fluchtgründe im Sinne der GFK vor.
1.3. Die Anordnung der Schubhaft ist allein dem bisher gesetzten Verhalten des BF zuzurechnen, nämlich:
- Der BF ha bereits in zwei Mitgliedsstaaten der EU (Griechenland und Rumänien) Asylanträge gestellt und sich diesen durch illegale Grenzübertritte entzogen.
- Der BF wollte nicht in Österreich bleiben, sondern nach Italien, wo sein Onkel mütterlicherseits wohnt, um dort einer Beschäftigung nachzugehen.
- Der BF ist definitiv nicht ausreisewillig. Er hat zwar in der Vergangenheit bewiesen, dass er sehr wohl in der Lage ist, über viele Grenzen hinweg zu reisen, er möchte jedoch nicht nach Rumänien zurück.
- Der Folgeantrag ist wenig glaubhaft und dient der Verfahrensverzögerung.
- Die vom BF vorgebrachte Suizidgefährdung diente seiner Enthaftung, wurde fachärztlich psychiatrisch stationär abgeklärt und stellt sich als nicht gegeben dar.
- Der vom BF vor einigen Tagen angetretene Hungerstreik dient ebenfalls zumindest der Verfahrensverzögerung.
1.6. Es bestand zum Zeitpunkt der Schubhaftanhaltung und es besteht aktuell erhebliche Fluchtgefahr seitens des BF.
1.7. Die aufgrund der aktuellen Covid-19 Pandemie ergriffenen Maßnahmen der Bundesregierung schränken die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht ein.
2. Beweiswürdigung:
Die Angaben zum Alter und der Staatsangehörigkeit ergeben sich aufgrund der diesbezüglich durchaus glaubhaften Angaben des BF und sind auch aufgrund der durchgeführten mündlichen Verhandlung sowohl augenscheinlich als auch durch seine Sprachkenntnisse bestätigt.
Dass der BF seine Reisedokumente nicht verloren hat, sondern sich ihrer bewusst entledigt hat, ergab sich im Zuge seiner Befragung durch sein letztliches disbezügliches Eingeständnis.
Die umfangreichen Reisebewegungen des BF erscheinen durch seine diesbezüglich durchaus glaubhaften Angaben bestätigt und finden auch durch den rumänischen Eurodac-Treffer als teilweise bestätigt. Die versuchte illegale Weiterreise des BF nach Italien ergibt sich aufgrund seiner Festnahme im Zug in Villach.
Dass der BF nach Italien reisen möchte, um dort einer Beschäftigung nachzugehen, hat er mehrfach bestätigt, wolle er nun seinen Onkel dort treffen oder auch nicht. Dass der BF nicht Rumänien zurück wolle hat er mehrfach dargetan. Seine nunmehrigen Angaben, dass er bereit sei, nach Rumänien zurückkehren zu wollen scheinen hingegen eher durch das Haftübel der Schubhaft motiviert und daher weniger glaubhaft.
Die gesundheitlichen Angaben ergeben sich aus mehreren amtsärztlichen Befunden und der Abklärung durch die psychiatrische Abteilung eines Landeskrankenhauses.
Die Angaben zu den – nicht GFK-relevanten – Fluchtgründen des BF ergeben sich aufgrund dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung doch sind auch diese Angaben zweifelhaft, da der BF anlässlich seiner Erstbefragung ausschließlich die schlechte wirtschaftliche- und Arbeitsmarktlage in Pakistan ins Treffen führte.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.2. Zu Spruchpunkt I. (Schubhaftbescheid):
3.2.1. § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.“
§22a BFA-VG bildet sohin im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage.
Materielle Rechtsgrundlage:
§ 76 FPG (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.
§ 77 FPG (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.
(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.
Dublin III VO Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013
Artikel 28
Haft
(1) Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt.
(2) Zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren, dürfen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.
(3) Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird.
Wird eine Person nach diesem Artikel in Haft genommen, so darf die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Verfahren gemäß dieser Verordnung durchführt, ersucht in derartigen Fällen um eine dringende Antwort. Diese Antwort erfolgt spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs. Wird innerhalb der Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.
Befindet sich eine Person nach diesem Artikel in Haft, so erfolgt die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat, sobald diese praktisch durchführbar ist und spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person durch einen anderen Mitgliedstaat oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Artikel 27 Absatz 3 keine aufschiebende Wirkung mehr hat.
Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen im Sinne des Unterabsatz 3 statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten. Die Artikel 21, 23, 24 und 29 gelten weiterhin entsprechend.
(4) Hinsichtlich der Haftbedingungen und der Garantien für in Haft befindliche Personen gelten zwecks Absicherung der Verfahren für die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat, die Artikel 9, 10 und 11 der Richtlinie 2013/33/EU.
Zu Spruchpunkt I. (Schubhaftbescheid, bisherige Anhaltung):
Wie aus dem Sachverhalt zu entnehmen ist, verfügt der BF über keinerlei wirtschaftliche bzw. finanzielle Ressourcen, welche für eine ordentliche Lebensführung notwendig sind. Darüber hinaus liegt auch keinerlei soziale Anbindung nach Österreich vor. Wohl liegt aber in der Person eines Onkels des BF eine solche in Bezug auf den Mitgliedsstaat Italien vor, jenen Staat, in den er anlässlich seines Aufgriffes versucht hat illegal einzureisen.
Für das erkennende Gericht ergibt sich aufgrund des erhobenen Sachverhaltes, dass der BF in keiner Weise gewillt ist, den Asylverfahren sowohl in Rumänien als auch Griechenland beizuwohnen bzw. an diesen mitzuwirken. Weiters steht auch für das Gericht fest, dass der BF durch die illegalen Ein- und Durchreisen von Griechenland über Nordmazedonien, Serbien, Rumänien, Ungarn und letztlich nach Österreich bis zur Zugabfahrt zur italienischen Grenze sich den rechtlichen Vorschriften entziehen will.
In Zusammenschau des sonstigen Verhaltens des BF (Vernichten seiner Identitätsdokumente, Suizidbehauptungen, Hungerstreik, Antragstellung erst im Stande der Schubhaft) ergibt sich dadurch eine „erhebliche“ Fluchtgefahr.
Somit steht es außer Zweifel, dass sich der BF auf jeden Fall einem behördlichen Verfahren auf Asyl mit der Gefahr der Rückbringung nach Rumänien entziehen werde. Die vom BF angegebene Mitwirkungsbereitschaft ist aufgrund des bisherigen Verhaltens desselben unglaubwürdig.
Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse betreffend des Verhaltens als auch der Einstellung des BF insbesondere der Tatsache, dass der BF klar und deutlich zum Ausdruck bringt, nicht freiwillig nach Rumänien zurückkehren zu wollen sowie des Vorhabens des BF, nach Italien zu seinem Onkel auszureisen, da es dort „in Italien mehr Arbeit gibt und man auch schneller zu Papieren kommt“ gelangt das Gericht zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen hinsichtlich der Anwendung gelinderer Mittel nicht vorliegen. In concreto geht das Gericht davon aus, dass beispielsweise der BF der Anordnung einer periodischen Meldeverpflichtung nicht nachkommen wird. Auch andere gelindere Mittel welche das Gesetz vorsehen würde, stehen im Widerspruch zum bisherigen Verhalten des BF. Eine Sicherheitsleistung kommt aufgrund der Mittelosigkeit des BF von vorneherein nicht in Frage.
Betreffend der Rückbringung nach Rumänien steht für das Gericht gegenwärtig fest, dass mit Rumänien ein Konsultationsverfahren eingeleitet wurde und dieses von Rumänien positiv beantwortet wurde. Zudem wird der BF aktuell zu seinem Asylantrag von der belangten Behörde einvernommen und es ist daher mit raschen Entscheidungen zu rechnen, wodurch die Zeit der Schubhaftdauer sehr kurz gehalten werden kann.
Betreffend der behaupteten Rechtswidrigkeit des Bescheides des BFA ist auszuführen, dass es sich hiebei um einen Mandatsbescheid nach dem AVG handelt. Auf Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen sowie der dazu ergangenen Judikatur erfüllt der angefochtene Bescheid alle Erfordernisse, insbesondere jene der Begründungspflicht. Schlussfolgernd ist sowohl hinsichtlich der Formalerfordernisse als auch der materiellrechtlichen Erfordernisse der bekämpfte Schubhaftbescheid vom 20.09.2021 nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet.
Ebenfalls hat sich, entgegen der Annahme des BF, das BFA sehr wohl mit dem konkreten Sachverhalt auseinandergesetzt, da zwischenzeitlich Ermittlungen durchgeführt und auch eine Einvernahme des BF in seinem Asylverfahren erfolgt ist Wie dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen ist, unterzog das BFA die Angaben des BF einer Prüfung und würdigte sie auch entsprechend. Demnach geht die Behauptung, dass das BFA nicht eine Einzelprüfung, wie von der Judikatur gefordert, vorgenommen habe, ins Leere.
Seitens des BVwG wird festgehalten, dass die beantragte mündliche Verhandlung im Zusammenhang mit der Erhebung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes durchgeführt wurde. Ausschlaggebend für die Anberaumung und Durchführung der mündlichen Verhandlung ist die Objektivierung des Sachverhaltes und nicht die von der Rechtsvertretung in ihrer Beschwerde ins Treffen geführte, nicht antragsgemäße Entscheidung durch das BVwG.
Zu Spruchpunkt II. (Fortsetzung der Anhaltung):
§ 80 Abs. 1 FPG lautet:
„Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.“
Grundsätzlich gilt das gleiche wie oben unter „Zu Spruchpunkt I“ ausgeführte auch für die Frage der weiteren Anhaltung.
Der Beschwerdeführer hat sogar noch weitere Sachverhaltselemente gesetzt, die die Annahme einer erheblichen Fluchtgefahr rechtfertigen: So hat der Beschwerdeführer einmal Tabletten gehortet, also die verschriebene Dosis nicht eingenommen, weil er eben mit der Inhaftierung nicht einverstanden ist; dies zeigte mehr als deutlich seine Kooperationsunwilligkeit.
Auch wurde der Asylantrag in offensichtlicher Behinderungs- und Verzögerungsabsicht gestellt, denn zum einen wusste der BF schon von seinem Verfahren in Rumänien, dass Rumänien für ihn zuständig ist, sodass selbstverständlich der BF auch in Österreich offensichtlich damit rechnen musste, dass sein Verfahren in Österreich – oder Italien - gar nicht inhaltlich geprüft werden wird.
Zum Gesundheitszustand ist aktuell anzumerken, dass sich aufgrund der entsprechenden medizinischen Unterlagen eindeutig die Haftfähigkeit des BF ergibt und keine Suizidgefahr vorliegt. Somit ist davon auszugehen, dass der BF diese Angaben nur gemacht hatte, um sich aus der Schubhaft freizupressen.
Letztlich hat die vom Rechtsvertreter des BF monierte bisherige Verzögerung des Verfahrens der BF mit seiner Suizidbehauptung und seinem unbegründeten Asylantrag zu verantworten, dessen Grobprüfung in der heutigen Verhandlung die eindeutige Verzögerungsabsicht ergab; mit dem Abwartenmüssen auf die Durchsetzung der negativen Entscheidung aber verlängert sich wiederrum die Haftdauer. Zudem dient der rezent vom BF angetretene Hungerstreik ebenfalls der Freipressung aus der Schubhaft.
In diesem Sinne war die Fortsetzung der Anhaltung auszusprechen.
Zu Spruchpunkt III. und IV: (Kosten):
§ 35 VwGVG (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.
(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:
1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,
2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie
3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.
(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.
(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.
Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:
"1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro
2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro
3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro
4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro
5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro
6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro
7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro."
Auf Grundlage des festgestellten Sachverhaltes und der diesbezüglichen Beweiswürdigung, war hinsichtlich der Erlassung des Schubhaftbescheides, Anhaltung als auch die Fortsetzung der Schubhaft spruchgemäß zu entscheiden.
Die belangte Behörde ist auf Grund der Beschwerdeabweisungen vollständig obsiegende Partei, weshalb ihr die Kosten im entsprechenden Ausmaß zuzusprechen waren.
Der in der Beschwerde gestellte Antrag des BF auf Ersatz der Aufwendungen im beantragten Umfang war gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abzuweisen, da sie (gänzlich) unterlegene Partei ist und ein Aufwandersatz somit nicht in Betracht kommt. Kommissionsgebühren, Dolmetschergebühren und Barauslagen sind im gegenständlichen Verfahren nicht angefallen.
Zu B) Nichtzulassung der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Dublin III-VO Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft Identität illegale Ausreise Kostenersatz Mittellosigkeit öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Überstellung Untertauchen Verhältnismäßigkeit VerzögerungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W150.2246860.1.00Im RIS seit
29.10.2021Zuletzt aktualisiert am
29.10.2021