Entscheidungsdatum
09.09.2021Norm
AlVG §38Spruch
W141 2238329-2/3E
BESCHLUSS!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Rebecca FIGL-GATTINGER und
Josef HERMANN, als Beisitzer über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des XXXX , geboren am XXXX , VN XXXX , bevollmächtigt vertreten durch RA Mag. Isabelle PELLECH LL.M., Rechtsanwältin in Wien, vom 13.08.2021 beschlossen:
A)
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 13.08.2021 wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.01.2021 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Hietzinger Kai in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 18.12.2020 als unbegründet abgewiesen und der Beschwerdeführer zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe für die Zeiträume 01.01.2018 bis 20.03.2018, 17.04.2018 bis 06.06.2018, 07.07.2018 bis 17.09.2018 und 27.09.2018 bis 31.12.2018, in Höhe von € 4.865,92 verpflichtet.
Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in den Zeiträumen 01.01.2018 bis 20.03.2018, 17.04.2018 bis 06.06.2018, 07.07.2018 bis 17.09.2018 und 27.09.2018 bis 31.12.2018, sohin 299 Tage, Notstandshilfe in Höhe von täglich € 30,31, sohin insgesamt
€ 9.062,69 bezogen habe. Er sei im Jahr 2018 selbstständig erwerbstätig gewesen und habe ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erzielt sowie sei er Pflichtversichert in der Pensionsversicherung gewesen. Der Bescheid des Finanzamtes XXXX vom 10.03.2020 sei rechtskräftig, da der Beschwerdeführer nicht dagegen vorgegangen sei.
Der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz sei auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergebe, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebühre; in diesem Fall dürfe jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Behörde bei ihrer Entscheidung über den Widerruf und die Rückforderung eines Notstandshilfebezugs an den Spruch des Einkommensteuerbescheides gebunden ist, wobei diese Regelung der Erleichterung des praktischen Vollzugs des AlVG in Bezug auf die dort geregelten Geldleistungen dient (VwGH 07.08.2017, Ra 2016/08/0140 mwN).
Aus dem Einkommenssteuerbescheid 2018 gehe hervor, dass der Beschwerdeführer Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von € 6.000,00 minus € 60,00.- Pauschalbetrag für Sonderausgaben gehabt habe, dies ergebe ein jährliches Nettoeinkommen in Höhe von
€ 5.940,00.
Der Rückforderungsbetrag in Höhe von € 9.062,69 (€ 30,31 x 299 Tage) übersteige das vom Beschwerdeführer im Jahr 2018 erzielte Einkommen in Höhe von € 5.940,00.
Daher sei der Rückforderungsbetrag mit dem erzielten Einkommen laut Einkommensteuerbescheid zu begrenzen. Das jährliche Nettoeinkommen in Höhe von
€ 5.940,00 : 365 Tage x 299 Tage Notstandshilfebezug ergebe einen Rückforderungsbetrag in Höhe von € 4.865,92.
2. Am 13.08.2021 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend dem zeitgleich übermittelten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ein.
Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 11.03.2021 den neuen Einkommenssteuerbescheid vom 10.03.2021 betreffend das Jahr 2018 erhalten. Er habe mit dem AMS und dem Bundesverwaltungsgericht telefonisch Kontakt aufgenommen, aber keine genauen Informationen über das weitere Vorgehen erhalten bzw. allenfalls missverstanden, dass er einen Antrag auf Wiederaufnahme bezüglich des Einkommenssteuerbescheides stellen müsse. Der Beschwerdeführer sei davon ausgegangen, dass er dem durch die Stellung des Antrages auf Aufhebung des Einkommenssteuerbescheides vom 10.03.2020 und Erhalt des Einkommenssteuerbescheides vom 10.03.2021 bereits nachgekommen sei. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer dringend aus der Wohnung seines Vaters ausziehen müssen und habe daher nur einen eingeschränkten Zugang zu seinen Unterlagen gehabt.
Der Beschwerdeführer habe erst nach Rücksprache und Information durch seinen Steuerberater am 05.08.2021 Kenntnis von der Notwendigkeit der Antragstellung betreffend Wiederaufnahme erfahren und unmittelbar die bevollmächtigte Vertreterin damit beauftragt. Die Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens und auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfolgten daher innerhalb der zweiwöchigen Frist.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Das Bundesverwaltungsgericht geht von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus.
1. Feststellungen (entscheidungswesentlicher Sachverhalt):
Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.01.2021 wurde dem Beschwerdeführer am 01.02.2021 zugestellt.
Der Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 10.03.2021 (Einkommenssteuerbescheid 2018) wurde dem Beschwerdeführer am 11.03.2021 zugestellt. Der Bescheid des Finanzamt Österreich vom 10.03.2021 (Bescheid über die Aufhebung des Einkommenssteuerbescheides 2018 vom 10.03.2020) wurde dem Beschwerdeführer am 11.03.2021 zugestellt. Ab diesem Zeitpunkt war der Beschwerdeführer in Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes.
Die Frist zur Erhebung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens endete bereits am 25.03.2021.
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand langten am 13.08.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt, insbesondere dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht vom 25.01.2021 und den eigenen Angaben des Beschwerdeführers.
Die Bescheide des Finanzamtes Österreich jeweils vom 10.03.2021 liegen im Akt auf. Dass diese am 11.03.2021 zugestellt wurde, wird vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers im Antrag auf Wiedereinsetzung in die Wiederaufnahmefrist angegeben.
Die Feststellungen zum Einbringen des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens und auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, ergeben sich aus dem Protokollierungsvermerk des Bundesverwaltungsgerichtes.
Dass die Frist zur Erhebung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens bereits am 25.03.2021 abgelaufen ist, ergibt sich aus § 32 Abs. 2 VwGVG.
Im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nach Erhalt des neuen Einkommenssteuerbescheides vom 10.03.2021 bzw. der Bestätigung der SVS vom 17.03.2021 telefonisch Kontakt zum Bundesverwaltungsgericht und zum AMS aufgenommen habe, aber keine Auskunft über das weitere Vorgehen erhalten habe und daher davon ausgegangen sei, dass er alle erforderlichen Schritte bereits unternommen habe. Diese Ausführungen sind nicht glaubhaft und kann ihnen nicht gefolgt werden, da der Beschwerdeführer aufgrund des Vorliegens eines rechtskräftigen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes über den Widerruf und die Rückforderung der Notstandshilfe nicht davon ausgehen konnte, dass mit Erlass eines neuen Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2018 und die Einholung einer Bestätigung von der SVS, keine weiteren Schritte erforderlich wären. Beim Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht handelt es sich um ein von jenem des Finanzamtes und der SVS vollständig unabhängigen Verfahrens, dies musste auch dem Beschwerdeführer als juristischer Laie bewusst sein. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Beschwerdeführer bereits während dem laufenden Verfahren vor dem AMS und dem Bundesverwaltungsgericht bewusst war, dass die Behörde und das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung aufgrund des geltenden Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2018 treffen werde und er trotzdem erst am 02.03.2021, sohin ein Monat nach Erhalt des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes einen Antrag auf Aufhebung des Einkommenssteuerbescheides gestellt hat. Bereits daraus lässt sich eine offenkundige Sorglosigkeit des Beschwerdeführers in seinen rechtlichen Angelegenheiten erkennen. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nach Erhalt des neuen Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2018, allenfalls nach kurzen telefonischen Kontaktaufnahmen mit dem AMS und dem Bundesverwaltungsgericht, keine weiteren Schritte gesetzt hat, obwohl er zweifelsfrei erkennen hätte müssen, dass er aufgrund eines rechtskräftigen Erkenntnisses weitere Schritte betreffend Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht setzen muss. Es wäre ihm bereits im März möglich und zumutbar gewesen, die bevollmächtigte Vertreterin zu kontaktieren, um sich über die notwendigen Schritte zu informieren.
Wenn im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführer während der laufenden Wiedereinsetzungsfrist aus der Wohnung seines Vaters ausziehen habe müssen, so geht aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 13.08.2021 hervor, dass sich der Beschwerdeführer am 21.04.2021 an einer neuen Adresse gemeldet hat, sohin unter Berücksichtigung der Pflicht zur Meldung der neuen Andresse binnen drei Tage ab Umzug davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer frühestens am 19.04.2021 in die neue Wohnung gezogen ist. Die Frist für den gegenständlichen Antrag betraf den Zeitraum zwischen 11.03.2021 und 25.03.2021 und ist es absolut unglaubhaft, dass der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum nur einen eingeschränkten Zugang zu seinen Unterlagen hatte, zumal der durchgehende Zugang zu notwendigen Unterlagen in der Sorgfaltspflicht des Beschwerdeführers liegt. Da der Beschwerdeführer bereits am 02.03.2021 einen Antrag auf Aufhebung des Einkommenssteuerbescheides aus dem Jahr 2018 stellte, musste ihm bereits ab diesem Zeitpunkt bewusst sein, dass dies Auswirkungen auf das – bereits abgeschlossene – Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hatte und es in der Sorgfaltspflicht des Beschwerdeführers gestanden hatte, dass er durchgehend Zugang zu den notwendigen Unterlagen hatte, dies ist auch während eines laufenden Umzugs jedenfalls möglich. Darüber hinaus kann der Umzug nicht als unabwendbares und unvorhergesehenes Ereignis gewertet werden, zumal er erst ca. einen Monat nach dem Ablauf der Antragsfrist in die neue Wohnung eingezogen ist.
Dass der Beschwerdeführer, nach seinen Angaben, erst am 05.08.2021, sohin fast fünf Monate nach Erhalt der Bescheide des Finanzamtes Österreich, durch seinen Steuerberater in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein Antrag auf Wiederaufnahme zu stellen ist, liegt sohin ausschließlich in der Sphäre des Beschwerdeführers.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Die entsprechende Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer.
Gemäß § 7 BVwGG bestehen die Senate aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Ist in Materiengesetzen die Mitwirkung fachkundiger Laienrichter an der Rechtsprechung vorgesehen, sind diese anstelle der Mitglieder nach Maßgabe der Geschäftsverteilung als Beisitzer heranzuziehen.
In der gegenständlichen Rechtssache obliegt somit die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Senat.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg. cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren, angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG hat über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bis zur Vorlage der Beschwerde die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich mit Beschluss zu entscheiden.
Zu A):
1. Entscheidung in der Sache:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (vgl. VwGH vom 25.11.2015, Ra 2015/06/0113 sowie VwGH vom 30.05.2017, Ra 2017/19/0113).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird (vgl.etwa VwSlg. 11.312/A sowie VwGH vom 21.05.1997, Zl. 96/21/0574). Den Antragsteller trifft somit die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat.
Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.01.2021, Zl.: W141 2238329-1, wurde dem Beschwerdeführer am 01.02.2021 zugestellt.
Der – neue – Einkommenssteuerbescheid des Finanzamtes Österreich für das Jahr 2018 vom 10.03.2021 wurde dem Beschwerdeführer am 11.03.2021 zugestellt.
Die zweiwöchige Frist zur Erhebung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens endete demnach mit Ablauf des 25.03.2021, weshalb der am 13.08.2021 eingebrachte Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verspätet erfolgte.
Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes. Ein solcher ist gegeben, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis unabwendbar ist, kommt es nach der Rechtsprechung (VwGH 24.01.1996, 94/12/0179) auf objektive Umstände an; nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann. Ob ein Ereignis unvorhergesehen ist, hängt demgegenüber nach der Rechtsprechung nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es von der Partei tatsächlich nicht einberechnet wurde und mit zumutbarer Vorsicht auch nicht vorhergesehen werden konnte (VwGH 03.04.2001, Zl. 2000/08/0214).
Ein Verschulden der Partei hindert die Wiedereinsetzung nur dann nicht, wenn es sich dabei lediglich um einen minderen Grad des Versehens (leichte Fahrlässigkeit) handelt. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Eine solche liegt dann vor, wenn der Partei ein Fehler unterläuft, der gelegentlich auch einer sorgfältigen Person unterlaufen kann (VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/20/0230). Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH 29.01.2014, Zl. 2001/20/0425).
Der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund muss bereits im Wiedereinsetzungsantrag bezeichnet und sein Vorliegen glaubhaft gemacht werden. Die Partei muss also jene Umstände, durch die sie an der Vornahme der Prozesshandlung gehindert wurde, konkret beschreiben. Glaubhaftmachung bedeutet, dass die Partei Beweismittel anbieten muss, durch die die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens des Wiedereinsetzungsgrundes dargetan wird. Es ist allein das Vorliegen des geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes zu prüfen. Eine amtswegige Prüfung, ob allenfalls weitere Gründe für eine Wiedereinsetzung vorliegen, ist nicht vorgesehen. Nach Ablauf der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag kann der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund auch nicht mehr ausgewechselt werden (VwGH 25.02.2003, Zl. 2002/10/0223).
Reine Behauptungen betreffend das Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes reichen demgemäß nicht aus. Die Partei, welche die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, hat alle Umstände, die den Wiedereinsetzungsantrag begründen, glaubhaft darzulegen und bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel zu ihrer Glaubhaftmachung anzuführen (VwGH 21.03.1997, Zl. 97/02/0093; 25.02.2003, Zl. 2002/10/2002). Ziel der Glaubhaftmachung ist, bei der Behörde die Überzeugung der Wahrscheinlichkeit der vorgebrachten Tatsache hervorzurufen, dh die Behörde muss zur Ansicht gelangt sein, die Tatsachenbehauptung sei wahrscheinlich für wahr zu halten (VfSlg 17.159/2004; Bernárd, ZfV 1981, 131). Der Antragsteller hat - allenfalls durch die Beibringung tauglicher Bescheinigungsmittel - auch glaubhaft zu machen, dass zwischen dem die Wiedereinsetzung begründenden Ereignis und der Fristversäumnis ein Kausalzusammenhang besteht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 116).
Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Wesentlichen damit, dass er nach Erhalt des Einkommenssteuerbescheides aus dem Jahr 2018 am 11.03.2021 telefonisch Kontakt zum AMS und dem Bundesverwaltungsgericht aufgenommen hat, er über die Notwendigkeit einer Antragstellung nicht informiert worden sei und davon ausgegangen sei, dass er alle notwendigen Schritte bereits gesetzt habe. Darüber hinaus habe er zu dieser Zeit dringend aus der Wohnung seines Vaters ausziehen müssen und daher nur eingeschränkten Zugang zu seinen Unterlagen gehabt. Der Beschwerdeführer habe erst am 05.08.2021 von seinem Steuerberater erfahren, dass er einen Antrag auf Wiederaufnahme stellen müsse.
Wie beweiswürdigend bereits ausgeführt, handelte der Beschwerdeführer nicht mit der gebotenen Sorgfalt, geht aus den Ausführungen im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hervor, dass er wusste, dass der neue Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2018 Auswirkungen auf das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.01.2021 hatte, hatte er ausschließlich aufgrund dieses Verfahrens beim Finanzamt Österreich den Antrag auf Aufhebung des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2018 gestellt. Der Beschwerdeführer hat es nach Erhalt des neuen Einkommenssteuerbescheides, allenfalls nach telefonischer Kontaktaufnahme mit dem AMS und dem Bundesverwaltungsgericht, unterlassen, weitere Schritte zu setzen, obwohl im bewusst sein musste, dass das Erkenntnis rechtskräftig und vollstreckbar ist. Selbst wenn er die Informationen des AMS und des Bundesverwaltungsgerichtes missverstanden hätte, wäre es an ihm gelegen, sich juristisch beraten zu lassen, zumal er auch als juristischer Laie nicht davon ausgehen konnte, dass die Einholung eines neuen Bescheides des Finanzamtes Österreich per se schon Auswirkungen auf das abgeschlossene, völlig unabhängige Verfahren haben kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass er sich bis zum 05.08.2021, sohin fast fünf Monate nach Erhalt des neuen Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2018, nicht weiter darum gekümmert hatte und keine weiteren Schritte gesetzt hatte. Der Beschwerdeführer hat seine bevollmächtigte Vertreterin erst aufgesucht, als er von seinem Steuerberater explizit dazu aufgefordert wurde.
Das Verhalten des Beschwerdeführers ist somit deutlich über dem tolerierbaren Grad des Verschuldens einzustufen und konnte der Beschwerdeführer die Einhaltung des erforderlichen Sorgfaltsmaßstabes nicht glaubhaft machen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Glaubhaftmachung Sorgfaltspflicht WiedereinsetzungsantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W141.2238329.2.00Im RIS seit
28.10.2021Zuletzt aktualisiert am
28.10.2021