TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/23 G301 2234773-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.06.2021
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Entscheidungsdatum

23.06.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4

Spruch


G301 2234773-2/16E

Schriftliche Ausfertigung des am 16.04.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Haiti, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Stefan MAKAS, LL.M., in XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 21.10.2020, Zl. XXXX, betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.04.2021 zu Recht:

A)

I.       Der Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides (betreffend Einreiseverbot) wird teilweise Folge gegeben und dieser Spruchpunkt dahingehend abgeändert, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf zwei (2) Jahre herabgesetzt wird.

II.      Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Steiermark – Außenstelle Leoben, dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) zugestellt am 22.10.2020, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Haiti zulässig ist (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von vier (4) Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt V.) sowie gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt VI.).

Mit dem am 23.11.2020 beim BFA, Regionaldirektion Steiermark – Außenstelle Leoben, eingebrachten und mit 19.11.2020 datierten Schriftsatz erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid in vollem Umfang.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 30.11.2020 vom BFA vorgelegt.

Mit Beschluss des BVwG vom 03.12.2020 wurde der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 16.04.2021 in der Außenstelle XXXX eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF im Beisein eines bevollmächtigten Rechtsvertreters sowie ein bevollmächtigter Vertreter der belangten Behörde teilnahmen. Nach Schluss der Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet.

Mit dem am 30.04.2021 eingebrachten und mit demselben Tag datierten Schriftsatz beantragte der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger der Republik Haiti und im Besitz eines am XXXX.2017 ausgestellten und bis zum XXXX.2022 gültigen haitianischen Reisepasses.

Der BF reiste erstmals am 18.05.2010 mit einem bis 15.10.2010 gültigen Touristenvisum in Österreich ein und hält sich seit diesem Zeitpunkt im Bundesgebiet auf. Am 27.11.2019 reiste er nach Spanien, um dort als Straßenmusiker aufzutreten. Am 05.08.2020 reiste der BF mit dem Zug von Italien kommend wieder in Österreich ein. Dabei wurde er ohne die für die rechtmäßige Einreise erforderlichen Dokumente aufgegriffen, festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum (PAZ) überstellt. Am 06.08.2020 erfolgte eine fremdenrechtliche Einvernahme des BF vor dem BFA zur Prüfung einer Rückkehrentscheidung.

Der BF verfügte im Zeitraum von XXXX.2011 bis XXXX.2015 über einen stets verlängerten Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ sowie von XXXX.2015 bis XXXX.2017 über einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“, der zuletzt bis XXXX.04.2020 verlängert wurde.

Am 29.09.2020 langte ein vom Rechtsvertreter postalisch am 28.09.2020 übermittelter (Postaufgabestempel) Verlängerungsantrag des BF nach § 24 NAG bei der Bezirkshauptmannschaft XXXX (im Folgenden: BH XXXX) ein. Das diesbezügliche Verfahren wurde nach erfolgter Mitteilung an das BFA betreffend Prüfung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gemäß § 25 Abs. 1 NAG ausgesetzt.

Der BF befand sich im Zeitraum von XXXX .2020 bis XXXX .2020 in Schubhaft. Nach Beendigung der Schubhaft wurde über den BF mit Bescheid des BFA vom XXXX .2020 ein gelinderes Mittel nach § 77 FPG in Gestalt einer periodischen Meldeverpflichtung bei der zuständigen Polizeiinspektion auferlegt. Dieser kam der BF zuletzt am XXXX.10.2020 nach. Seitdem war sein Aufenthaltsort, jedenfalls bis zu seinem persönlichen Erscheinen bei der mündlichen Verhandlung am 16.04.2021, nicht mehr bekannt.

Der BF ist seiner Meldeverpflichtung nach dem Meldegesetz nicht nachgekommen, da er zumindest bis zum XXXX.03.2021 eine Abmeldung beim Meldeamt unterlassen hat.

Der BF weist in Österreich folgende rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen auf:

01) LG F.STRAFS. XXXX XXXX vom XXXX.2016 RK XXXX.2016

§ 105 (1) StGB

§ 83 (1) StGB

§ 107 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat XXXX.2014

Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu LG F.STRAFS. XXXX XXXX RK XXXX 2016

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG F.STRAFS. XXXX XXXX vom XXXX.2016

02) LG F.STRAFS. XXXX XXXX vom XXXX .2016 RK XXXX.2016

§§ 83 (1), 84 (2) Z 4 StGB

§ 15 StGB § 269 (1) 3. Fall StGB

Datum der (letzten) Tat XXXX.2015

Freiheitsstrafe 12 Monate, davon Freiheitsstrafe 8 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum XXXX.2016

zu LG F.STRAFS. XXXX XXXX RK XXXX.2016

Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am XXXX.2016

LG F.STRAFS. XXXX XXXX vom XXXX.2016

zu LG F.STRAFS. XXXX XXXX RK XXXX.2016

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum XXXX.2016

LG F.STRAFS. XXXX XXXX vom XXXX.2020

Festgestellt wird, dass der BF die mit den oben genannten Urteilen festgestellten strafbaren Handlungen begangen und das in den Urteilen jeweils näher umschriebene strafbare Verhalten gesetzt hat.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen (LGS) XXXX vom XXXX.2016 wurde der BF wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB nach dem Strafsatz des § 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten rechtskräftig verurteilt, wobei der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt durch künftiges Wohlverhalten nachgesehen wurde.

Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der BF seine Ex-Frau am XXXX.2013 mit Gewalt zur Abstandnahme davon die Wohnung zu verlassen und die Polizei zu verständigen, nötigte, indem er sie, als sie die Wohnung verlassen wollte, zurückhielt und sie im Schlafzimmer gegen die Wand schlug. Durch diese Handlung sowie zwei weitere Handlungen am XXXX.2013 und XXXX.2014 seine Ex-Frau am Körper verletzte und sie gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er wiederholt sinngemäß äußerte, dass er sie schlagen und ihr den Hals brechen werde sowie indem er seine Hände um ihren Hals legte und so tat als würde er sie würgen. Bei der Strafbemessung wurden vom Strafgericht der bisherige ordentliche Lebenswandel als mildernd, hingegen das Zusammentreffen mehrerer Vergehen als erschwerend gewertet. Die auf drei Jahre festgelegte Probezeit wurde mit Urteil des LGS XXXX vom XXXX.2016 auf insgesamt fünf Jahre verlängert.

Mit Urteil des LGS XXXX vom XXXX.2016 wurde der BF wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs. 1 dritter Fall StGB sowie wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Ziffer 4 StGB gemäß § 269 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, wobei ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von acht Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, rechtskräftig verurteilt.

Demnach hat der BF am XXXX.2015 in XXXX versucht, Polizeibeamte mit Gewalt an einer Amtshandlung (Identitätsfeststellung gemäß § 35 SPG) zu hindern, indem er den Beamten zurief „Why do you do this to me? You control me only because I`m black! You´re a racist! Fuck you!“ In der Folge schrie er einen Beamten an und versetzte ihm einen Faustschlag gegen den rechten Unterarm und zwei Faustschläge gegen das Gesicht. Der BF versuchte sich, durch heftige Gegenwehr seiner Festnahme nach der oben dargestellten Tat zu entziehen, wodurch er einen Polizeibeamten während und wegen der Vollziehung seiner Aufgaben und Erfüllung seiner Pflichten vorsätzlich am Körper verletzte, wodurch dieser ausgeprägte Rötungen im Bereich des linken Jochbogens und am rechten Unterarm erlitt. Bei der Strafbemessung wurden vom Strafgericht, der teilweise Versuch als mildernd, hingegen die Tatbegehung innerhalb offener Probezeit, der rasche Rückfall, das Zusammentreffen von zwei Vergehen sowie eine einschlägige Vorstrafe als erschwerend gewertet.

Der BF befand sich im Zeitraum von XXXX.2016 bis XXXX.2016 durchgehend in Haft (zunächst in Untersuchungshaft, sodann in Strafhaft), die zuletzt in der Justizanstalt XXXX vollzogen wurde.

Derzeit ist gegen den BF ein Strafverfahren nach dem Suchtmittelgesetz (SMG) beim BG XXXX anhängig.

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft XXXX (BH XXXX) vom XXXX.2019, GZ: XXXX, wurde der BF wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Mindestsicherungsgesetz gemäß § 16 Abs. 1 iVm. § 23 Stmk. Mindestsicherungsgesetzes zu einer Geldstrafe in Höhe von 365,00 Euro sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen und 15 Stunden verurteilt.

Mit Strafverfügung des Bürgermeisters der Stadt XXXX vom XXXX.2018, GZ: XXXX, wurde der BF wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Straßenmusikverordnung (Darbietung von Straßenmusik durch Verwenden einer Verstärkeranlage) gemäß § 7 StraßenmusikVO 2012 iVm. § 42 Abs. 1 Statutes der Landeshauptstadt XXXX 1967 zu einer Geldstrafe in Höhe von 60,00 Euro sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag verurteilt. Die Strafverfügung erwuchs am XXXX.2018 in Rechtskraft.

Mit Strafverfügung des Bürgermeisters der Stadt XXXX vom XXXX.2018, GZ: XXXX, wurde der BF wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Eisenbahngesetz gemäß § 162 Abs. 1 iVm. § 46 und § 47b Abs. 1 Eisenbahngesetz 1957 (EisbG) (Erregung öffentlichen Ärgernisses durch lautstarkes Musizieren/Getrommel mit Hilfe eines Verstärkers innerhalb einer Eisenbahnanlage) zu einer Geldstrafe in Höhe von 70,00 Euro sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden gemäß § 16 VStG verurteilt. Die Strafverfügung erwuchs am XXXX.2018 in Rechtskraft.

Der BF verfügt in Österreich über keine familiären Bindungen. Die seit dem Jahr XXXX vom BF geschiedene Ex-Frau, welche österreichische Staatsbürgerin ist, sowie der gemeinsame am XXXX geborene Sohn, der ebenso österreichischer Staatsbürger ist, sind seit XXXX.2017 nicht mehr im österreichischen Bundesgebiet aufhältig und leben seit XXXX 2019 in den Niederlanden. Der Ex-Frau des BF kommt das alleinige Obsorgerecht für den minderjährigen Sohn zu. Der BF hatte seinen Sohn eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung zufolge zum letzten Mal persönlich im Zuge eines Besuchs in Frankfurt im XXXX 2018 getroffen. Der BF ist weiters leiblicher Vater einer 17-jährigen Tochter, die gemeinsam mit ihrer Mutter in Haiti lebt.

Die Muttersprache des BF ist haitianisches Französisch, allerdings verfügt der BF auch über gute Deutschkenntnisse. Der BF war abgesehen von kurzen Arbeitsverhältnissen, die nie über die Dauer weniger Monate hinausreichten, während des Großteils seiner in Österreich verbrachten Zeit beschäftigungslos. In den letzten fünf Jahren (ab 2016) war der BF insgesamt lediglich etwa sieben Monate in unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen jeweils für wenige Monate beschäftigt. Der BF verfügt über private Bindungen in Form von Freundschaften im Bundesgebiet.

2. Beweiswürdigung:

Der angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht in der mündlichen Verhandlung und auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

Die Feststellungen zur Einreise und zum Aufenthalt des BF in Österreich und in Spanien sowie zu seiner Festnahme und Anhaltung nach erfolgter Rückreise über Italien ergeben sich aus den unbestritten gebliebenen Feststellungen im Bescheid des BFA und aus den eigenen Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung am 16.04.2021 sowie aus den Eintragungen im Zentralen Melderegister (ZMR).

Die Feststellungen zu den Aufenthaltstiteln des BF in Österreich (zuletzt verlängert bis XXXX.04.2020) beruhen auf den unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid und den übereinstimmenden Eintragungen im Integrierten Zentralen Fremdenregister (IZR).

Die im Zusammenhang mit dem am 29.09.2020 bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft eingelangten Verlängerungsantrages des BF getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Akteninhalt des NAG-Aktes (Verwaltungsakt/NAG, AS 187). Auf den Vorhalt in der mündlichen Verhandlung, warum er den Verlängerungsantrag nicht zeitgerecht vor Ablauf seines zuletzt erteilten Aufenthaltstitels mit XXXX.04.2020 bei der zuständigen Aufenthaltsbehörde gestellt habe, rechtfertigte sich der BF dahingehend, dass er das zum ersten Mal in elf Jahren übersehen habe und eine telefonische Kontaktaufnahme von Spanien aus mit den zuständigen Behörden aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen sei.

Die Feststellung, dass über den Verlängerungsantrag des BF von der zuständigen Aufenthaltsbehörde bisher nicht entschieden wurde, stützt sich auf den Akteninhalt des vorliegenden NAG-Aktes, im Besonderen auf die AS 1, 187 und 299, aus dem hervorgeht, dass mit Schreiben der BH XXXX vom 26.11.2020 das BFA ersucht wurde, gemäß § 25 Abs. 1 NAG zu prüfen, ob aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den BF zulässig seien und dass nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren festgestellt worden sei, dass der BF die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 2 NAG (ausreichende Existenzmittel, umfassender Krankenversicherungsschutz, öffentliche Ordnung und Sicherheit) nicht beigebracht habe. Gleichzeitig wurde das diesbezügliche Verfahren nach dem NAG mit Anordnung vom 24.11.2020 bis zu Entscheidung des BFA nach § 25 Abs. 1 NAG ausgesetzt.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen, wonach ein durchgehender rechtmäßiger Aufenthalt des BF in Österreich vorliege, da es dem Aufenthalt in Spanien und der COVID-19-Pandemie geschuldet sei, dass der Verlängerungsantrag nach dem NAG nicht rechtzeitig gestellt worden sei und dies ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis darstelle, ist entgegenzuhalten, dass die zuständige Aufenthaltsbehörde bisher über diesen Verlängerungsantrag des BF nicht entschieden hat, weshalb der BF demnach nach Ablauf des letzten Aufenthaltstitels über keine Berechtigung zum Aufenthalt mehr verfügte. Abgesehen davon ist dem Vorbringen entgegenzuhalten, dass ein Aufenthalt in einem anderen EU-Staat mit einem Aufenthaltstitel für Österreich grundsätzlich nach Unionsrecht (Art. 21 SDÜ) nur für drei Monate zulässig ist, weshalb eine Rückkehr unter Beachtung dieser Drei-Monats-Frist jedenfalls bis Ende Februar 2021 und somit noch vor dem Beginn der Einreisebeschränkungen in Österreich auf Grund der COVID-19-Pandemie, erfolgen hätte müssen.

Die Feststellung zur Anhaltung des BF in Schubhaft von XXXX.2020 bis XXXX .2020 beruht auf den unzweifelhaften Eintragungen im IZR.

Die Feststellung, dass der BF der ihm mit Bescheid des BFA vom XXXX.2020 auferlegten Meldeverpflichtung nach dem Fremdenpolizeigesetz (gelinderes Mittel) nach dem XXXX.10.2020 nicht mehr nachgekommen ist, beruht auf den unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid und wird zusätzlich durch die am 02.12.2020, 04.02.2021 und 19.02.2021 vom BFA übermittelten Meldeblätter der zuständigen Polizeiinspektion (OZ 2, OZ 5 und OZ 6), aus denen hervorgeht, dass sich der BF in den Zeiträumen von 18.11.2020 bis 30.11.2020, von 16.12.2020 bis 01.02.2021 und von 03.02.2021 bis 15.02.2021 unentschuldigt nicht bei der Polizeiinspektion gemeldet habe, belegt. Die Verletzung dieser Meldeverpflichtung wurde vom BF in der mündlichen Verhandlung auch nicht bestritten. Dazu befragt, gab der BF lediglich an, dass er seitdem (gemeint: seit Oktober 2020) bei einem Freund in XXXX leben würde, weil die Unterkunft in XXXX renoviert werden würde und er habe es sich nicht leisten können, jeden zweiten Tag zur Polizei zu gehen.

Die Feststellung, dass der BF seiner nach dem Meldegesetz bestehenden Meldeverpflichtung (Abmeldung beim Meldeamt), jedenfalls bis XXXX.03.2021 nicht nachgekommen ist, stützt sich auf die Anzeige der Polizeiinspektion XXXX vom XXXX.03.2021 (OZ 7). Aus dem diesbezüglichen Schreiben geht hervor, dass der BF von der Polizei im Zuge von mehreren Versuchen – zuletzt am XXXX.03.2021 zwecks Vorführung zum Strafantritt aufgrund von ausstehenden Verwaltungsstrafen – an dessen gemeldeter Hauptwohnsitzadresse nicht angetroffen worden sei.

Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen, zur Haft und zur Entlassung ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt, insbesondere den im Verwaltungsakt einliegenden Strafurteilen sowie den Eintragungen im Strafregister und im ZMR.

Die Feststellung zum derzeit beim BG XXXX anhängigen und gegen den BF gerichteten Strafverfahrens nach dem SMG beruht auf den übereinstimmenden Aussagen des Rechtsvertreters und des Behördenvertreters in der mündlichen Verhandlung am 16.04.2021.

Die Feststellungen zu den drei Verwaltungsübertretungen und den diesbezüglich rechtskräftig verhängten Geldstrafen bzw. Ersatzfreiheitsstrafen beruhen auf den im Gerichtsakt einliegenden Strafverfügungen der BH XXXX vom XXXX.2019 (OZ 11) sowie des Bürgermeisters der Stadt XXXX vom XXXX.2018 und XXXX.2018 (OZ 12).

Die Feststellung, dass die österreichische Ex-Frau des BF und sein minderjähriger Sohn seit XXXX.2017 nicht mehr in Österreich aufhältig sind, beruht auf den Feststellungen im Bescheid, die sich wiederum auf eine Abfrage im Zentralen Melderegister (ZMR) stützen und auch in der Beschwerde und der mündlichen Verhandlung vom BF nicht bestritten wurden. Dass die Ex-Frau und der Sohn des BF seit XXXX 2019 in den Niederlanden leben, stützt sich auf die von deutschen Behörden durchgeführte und dem BVwG per E-Mail vom BFA übermittelten Erkenntnisanfrage von Februar 2021 (OZ 6). Dieser Umstand wurde vom BF in der mündlichen Verhandlung auch nicht bestritten. Die Feststellung, dass der Ex-Frau des BF das alleinige Obsorgerecht für den minderjährigen Sohn zukommt, beruht auf der Vergleichsausfertigung des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX.2014 (Verwaltungsakt/NAG, AS 213).

Die Feststellung zu den guten Deutschkenntnissen des BF beruht auf der eigenen Wahrnehmung des erkennenden Gerichts in der mündlichen Verhandlung, die ohne Inanspruchnahme eines Dolmetschers völlig komplikationslos durchgeführt werden konnte.

Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit des BF in Österreich ergeben sich aus den glaubhaften Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung sowie aus den Eintragungen im Sozialversicherungsdatenauszug. Die Feststellung, dass der BF über private Bindung in Form von Freundschaften in Österreich verfügt, beruht auf den diesbezüglichen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Rückkehrentscheidung, Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat und Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen:

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid eine Rückkehrentscheidung erlassen und diese auf § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung, gestützt sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Herkunftsstaat Haiti festgestellt und einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.

Gemäß § 52 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z 1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z 2).

Gemäß § 11 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. Nr. I 100/2005 in der geltenden Fassung, dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet (Z 1); wenn der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist (Z 3); wenn der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte (Z 4).

Gemäß § 24 Abs. 1 NAG sind Verlängerungsanträge (§ 2 Abs. 1 Z 11) vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen; § 23 gilt. Danach gelten Anträge als Erstanträge. Nach Stellung eines Verlängerungsantrages ist der Antragsteller, unbeschadet der Bestimmungen nach dem FPG, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Über die rechtzeitige Antragstellung kann dem Fremden auf begründeten Antrag eine einmalige Bestätigung im Reisedokument angebracht werden, die keine längere Gültigkeitsdauer als drei Monate aufweisen darf. Diese Bestätigung berechtigt zur visumfreien Einreise in das Bundesgebiet. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, Form und Inhalt der Bestätigung durch Verordnung zu regeln.

Fehlen gemäß § 25 Abs. 1 NAG in einem Verfahren zur Verlängerung des Aufenthaltstitels Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 1 und 2, so hat die Behörde – gegebenenfalls nach Einholung einer Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl – den Antragsteller davon in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung gemäß §§ 52 ff. FPG beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012) zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, dass er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist zu äußern. Nach Ablauf dieser Frist hat die Behörde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – gegebenenfalls unter Anschluss der Stellungnahme des Fremden – zu verständigen. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG). Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (§ 9 Abs. 2 BFA-VG).

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 FPG halten sich Fremde unter anderem rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben.

Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:

Der BF ist Staatsangehöriger der Republik Haiti und als solcher Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Staatsangehörige der Republik Haiti unterliegen gemäß Anhang I zu Art. 3 Abs. 1 der Visumpflicht-Verordnung, VO (EU) 2018/1806, der Visumpflicht.

Der BF verfügte zuletzt über einen von XXXX.2017 bis XXXX.2020 gültigen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“. Die BH XXXX hat über den am 29.09.2020 eingebrachten Verlängerungsantrag des BF nach § 24 NAG nach einem durchgeführten Ermittlungsverfahren festgestellt, dass der BF die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 2 NAG nicht beigebracht habe. Mit Schreiben der BH XXXX vom 26.11.2020 wurde das BFA ersucht, gemäß § 25 Abs. 1 NAG zu prüfen, ob aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den BF zulässig seien. Mit Anordnung vom 24.11.2020 wurde das diesbezügliche Verfahren nach dem NAG bis zur Entscheidung des BFA nach § 25 Abs. 1 NAG ausgesetzt.

Eine Entscheidung der Aufenthaltsbehörde nach § 24 Abs. 2 NAG hinsichtlich der Geltung des erst nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des zuletzt innegehabten Aufenthaltstitels gestellten Antrages des BF als Verlängerungsantrag ist bislang nicht erfolgt.

Der BF verfügte demnach nach Ablauf des letzten Aufenthaltstitels über keine Berechtigung zum Aufenthalt mehr. Aus dem Beschwerdevorbringen, wonach der BF durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis (Aufenthalt in Spanien und COVID-19-Pandemie) an der rechtzeitigen Stellung des Verlängerungsantrages nach dem NAG gehindert worden sei, lässt sich aus den bereits in der Beweiswürdigung dargelegten Erwägungen für den BF nichts gewinnen.

Die belangte Behörde ist somit zu Recht davon ausgegangen, dass sich der BF zum Zeitpunkt der Erlassung der Rückkehrentscheidung unrechtmäßig in Österreich aufgehalten hat und stützte die Rückkehrentscheidung im angefochtenen Bescheid zutreffend auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG.

Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens aber ein hoher Stellenwert zu. Das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden im Bundesgebiet nach rechtskräftiger Abweisung eines Asylantrages bzw. ein länger dauernder unrechtmäßiger Aufenthalt stellt jedoch eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar, was wiederum eine Aufenthaltsbeendigung als dringend geboten erscheinen lässt (vgl. VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247).

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aus dem Blickwinkel des § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 EMRK zulässig ist, ist weiters eine gewichtende Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit dem Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen.

Auch wenn das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, so ist die bloße Aufenthaltsdauer freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247).

Im vorliegenden Fall ist zwar unbestritten, dass sich der BF bis zu seiner Ausreise nach Spanien bereits seit über neun Jahren durchgehend und überwiegend rechtmäßig in Österreich aufgehalten hat, allerdings ist dem gegenüberzustellen, dass der BF während seines Aufenthalts in Österreich zwei rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen aus dem Jahr 2016 aufweist und derzeit ein Strafverfahren nach dem SMG beim BG XXXX anhängig ist. Der BF wurde überdies drei Mal wegen der Begehung von Verwaltungsübertretungen bestraft, wobei der BF die auferlegten Geldstrafen nicht bezahlte und eine Vorführung zum Zwecke des Haftantritts wegen unbekannten Aufenthalts des BF nicht durchgeführt werden konnte.

Dem BF ist weiters vorzuhalten, dass er seiner periodischen Meldeverpflichtung (gelinderes Mittel nach § 77 FPG) bei der zuständigen Polizeiinspektion zuletzt am XXXX.10.2020 nachkam und seitdem sein Aufenthaltsort – auch dem BVwG – nicht mehr bekannt war. Außerdem ist der BF seiner Meldeverpflichtung nach dem Meldegesetz nicht nachgekommen, da er es zumindest bis zum XXXX.03.2021 unterlassen hat, sich beim Meldeamt abzumelden.

So sind dem BF einerseits strafgesetzliche und verwaltungsrechtliche Verstöße anzulasten, sowie eine Nichtbeachtung fremdenrechtlicher Bestimmungen. Der BF hielt seinen Aufenthaltsort im Verborgenen und nahm von sich aus – nach XXXX.10.2020 – keinen Kontakt mit den Behörden auf.

Der BF verfügt in Österreich über keine familiären Bindungen. Insoweit im Hinblick auf das Bestehen familiärer Bindungen auf den im Ausland lebenden minderjährigen Sohn, welcher österreichischer Staatsbürger ist, hingewiesen wurde, muss maßgeblich entgegengehalten werden, dass der Sohn bei der Kindesmutter lebt, wobei dem BF der aktuelle Aufenthaltsort – zumindest bis zur mündlichen Verhandlung – gar nicht bekannt war. Überdies besteht nach eigenen Angaben des BF seit XXXX 2018 kein persönlicher Kontakt mehr mit seinem Sohn.

Dass eine besondere Intensität der Beziehung zwischen dem BF und seinem minderjährigen Sohn bestünde, die allenfalls über eine emotionale Bindung zwischen Vater und Kind hinausginge, etwa in Gestalt eines persönlichen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Abhängigkeitsverhältnisses, war nicht anzunehmen, zumal die Obsorge des Sohns ausschließlich von der Kindesmutter sichergestellt wird. Es liegen keine Umstände vor, die auf Grund ihrer tatsächlichen Intensität für das Vorliegen eines aufrechten Familienlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK zwischen dem BF und seinem minderjährigen Sohn sprechen würden.

Auch wenn bei allen Entscheidungen, in denen Kinder betroffen sind, das Kindeswohl zu berücksichtigen ist, betrifft die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (Rückkehrentscheidung) gegen einen straffällig gewordenen Fremden primär diesen selbst (vgl. EGMR 01.12.2016, Salem, Zl. 77036/11).

Was die vorgebrachten Umstände des Privatlebens anbelangt, wird zwar nicht verkannt, dass der BF aufgrund der langen Dauer seines bislang überwiegend rechtmäßigen Aufenthalts zwar unbestritten über private Bindungen und gute Deutschkenntnisse verfügt, jedoch allein dieser Umstand noch keine umfassende und nachhaltige Integration ausmacht. So wird seine Integration dadurch abgeschwächt, dass er trotz seines mehrjährigen legalen Aufenthalts in Österreich im Großteil der Zeit beschäftigungslos war und seit dem Jahr 2016 insgesamt lediglich sieben Monate einer Berufstätigkeit nachging.

Es sind auch keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass der BF, etwa auf Grund seines längeren Aufenthalts außerhalb seines Herkunftsstaates, überhaupt nicht mehr in der Lage sein könnte, sich in Haiti wieder zurechtzufinden. Es kann somit auch nicht davon ausgegangen werden, dass dem BF die dortigen örtlichen Gegebenheiten überhaupt nicht bekannt wären und er sich dort nicht zurechtfinden würde, zumal er dort auch sozialisiert wurde und sprachkundig ist. Der BF ist auch gesund und arbeitsfähig. Er wird daher im Herkunftsstaat in der Lage sein, sich mit bereits ausgeübten Tätigkeiten oder gegebenenfalls mit anderen Tätigkeiten, wenn auch nur durch Gelegenheitsarbeiten, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Außerdem verfügt der BF in Haiti über familiäre Bindungen in Form seiner dort lebenden Tochter.

Im Lichte dieser nach § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotenen Abwägung hat sich somit insgesamt nicht ergeben, dass vorhandene familiäre oder nachhaltige private Bindungen des BF in Österreich das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts überwiegen würden. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, welche im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung (auf Dauer oder vorübergehend) unzulässig erscheinen ließen.

Angesichts dessen sind letztlich auch Schwierigkeiten bei der Gestaltung der Lebensverhältnisse, die infolge der Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat auftreten können, im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen und insgesamt an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit hinzunehmen (vgl. VwGH 15.03.2016, Ra 2015/21/0180).

Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffene amtswegige Feststellung keine konkreten Umstände dahingehend hervorgekommen, dass allenfalls auch unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens die Abschiebung in den Herkunftsstaat Haiti unzulässig wäre (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119).

Auch Umstände, dass vom BFA allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, liegen unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes nicht vor.

Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Zulässigkeit einer Abschiebung in den Herkunftsstaat und die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 vorliegen, war die Beschwerde insoweit (gegen die Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheides) als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zum Einreiseverbot:

Die belangte Behörde hat das gegenständliche – auf die Dauer von vier Jahren befristete – Einreiseverbot im Spruch des Bescheides auf § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung, gestützt und im Wesentlichen mit dem Umstand begründet, dass der BF auf Grund der von ihm begangenen Straftaten und der daraus resultierenden rechtskräftigen Verurteilungen sowie aufgrund seines bisherigen Fehlverhaltens eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Letztlich liege auch eine – gestützt auf die wirtschaftliche Situation des BF und die Umstände seines delinquenten Handelns – negative Gefährlichkeitsprognose vor.

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann vom Bundesamt mit Bescheid mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist (Z 1).

Gemäß § 53 Abs. 4 FPG beginnt die Frist des Einreiseverbotes mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

Gemäß § 53 Abs. 5 FPG liegt eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:

Der BF begründet die Beschwerde hinsichtlich des Einreiseverbotes damit, dass sich dieses auf eine rechtswidrig erlassene Rückkehrentscheidung stütze und somit in Folge ebenso rechtswidrig sei. Weitere Gründe für die behauptete Rechtswidrigkeit des Einreiseverbotes wurde nicht näher dargelegt.

Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 3 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.02.2013, Zl. 2012/18/0230).

Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat unter anderem nach § 53 Abs. 3 Z 1 FPG zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten oder zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist.

Der BF ist Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Der BF wurde mit Urteil des LGS XXXX vom XXXX.2016 wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs. 1 dritter Fall StGB sowie wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Ziffer 4 StGB gemäß § 269 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten rechtskräftig verurteilt, wobei ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von acht Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Diese Strafe ist nicht getilgt (§ 53 Abs. 5 FPG).

Die belangte Behörde hat das Einreiseverbot daher zu Recht auf § 53 Abs. 3 Z 1 FPG (Verurteilung zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten) gestützt.

Die vom BF verübten Straftaten, darunter strafbare Handlungen gegen die Freiheit (Nötigung und gefährliche Drohung), strafbare Handlungen gegen die Staatsgewalt (versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt) sowie strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, die in den oben angeführten Strafurteilen festgestellten Milderungs- und Erschwerungsgründe sowie die Art und Schwere der von ihm begangen Straftaten, insbesondere die mehrmals (am XXXX.2013, XXXX.2013 und XXXX.2014) erfolgte vorsätzliche Körperverletzung gegenüber seiner früheren Ehefrau sowie die schwere Körperverletzung eines Beamten im Rahmen einer Identitätskontrolle, zeigen, dass das persönliche Verhalten des BF eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellt, zumal der seither verstrichene Zeitraum als zu kurz anzusehen ist, um gänzlich von einem Wegfall der Gefährdung zu sprechen, zumal auch der Vollzug der bedingt auf eine verlängerte Probezeit von fünf Jahren nachgesehenen Freiheitsstrafe (LGS XXXX XXXX vom XXXX.2016 RK XXXX.2016) erst vor kurzer Zeit endete. Dabei kann zur Begründung einer Gefährdung auch das einer bereits getilgten Verurteilung zugrundeliegende Verhalten herangezogen werden (VwGH 20.08.2013, ZI. 2013/22/0113).

Darüber hinaus ist auch auf die drei Verwaltungsstrafen aus den Jahren 2018 und 2019, die über den BF wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Mindestsicherungsgesetz, der Straßenmusikverordnung und nach dem Eisenbahngesetz verhängt wurden, zu verweisen, woraus sich ebenfalls ableiten lässt, dass der BF nicht gewillt ist die gesetzlichen Regeln, die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit notwendig sind, zu befolgen. Überdies ist dem BF in diesem Zusammenhang eine mangelnde Bereitschaft seine Geldstrafen zu bezahlen, vorzuhalten.

Des Weiteren hat der BF auch gegen melderechtliche Vorschriften verstoßen, indem er es zumindest bis XXXX.03.2021 unterlassen hat, sich beim Meldeamt abzumelden, wodurch eine Vorführung zum Zwecke des Haftantritts wegen unbekannten Aufenthalts des BF nicht durchgeführt werden konnte. Ebenso wenig kam der BF einer ihm nach Beendigung der Schubhaft auferlegten periodischen Meldeverpflichtung bei der zuständigen Polizeiinspektion nach. Ein Fehlverhalten kann auch dann zur Beurteilung der Gefährdungsprognose herangezogen werden, wenn es nicht zu einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Bestrafung geführt hat (VwGH 22.01.2014, Zl. 2012/22/0246).

Dass, wie in der Beschwerde vorgebracht, die strafrechtlichen Verurteilungen aus dem Jahr 2016 stammen würden und die letzte Tathandlung am XXXX.2015 gesetzt worden sei, wird zwar nicht verkannt, dennoch zeigt sich insgesamt betrachtet, gestützt auf das oben aufgezeigte Fehlverhalten des BF, ein durch wiederholte und regelmäßige Verstöße gegen gesetzliche Normen und durch eine Missachtung fremdenrechtlicher Vorschriften geprägtes Persönlichkeitsbild. Außerdem lässt sich nicht erkennen, dass der BF gewillt ist, Konsequenzen für sein Handeln zu tragen. So bezahlte er Geldstrafen nicht ein und versuchte, sich durch Untertauchen dem Zugriff durch die Behörden zu entziehen.

Der unstete Lebenswandel des BF, fehlende finanzielle Mittel, die aufgezeigte Gewaltbereitschaft des BF, die Missachtung fremdenrechtlicher Vorschriften, das allgemeine Desinteresse an geltenden Gesetzen lassen eine Prognose für eine Tatwiederholungsgefahr jedenfalls nicht als unbegründet erscheinen, weshalb eine (erneute) Rückfälligkeit nicht ausgeschlossen werden kann.

All die aufgezeigten Umstände weisen insgesamt auf ein schwerwiegendes persönliches Fehlverhalten des BF hin, was eine Erheblichkeit der Gefahr annehmen lässt.

Die Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere von Verbrechen gegen Leib und Leben und gegen die Freiheit, stellen ein Grundinteresse der Gesellschaft dar. Zudem kommt den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 09.03.3003, ZI. 2002/18/0293).

Bei einer Gesamtbetrachtung aller aufgezeigten Umstände, des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes und in Ansehung der auf Grund des persönlichen Fehlverhaltens getroffenen Gefährdungsprognose kann daher eine Gefährdung von öffentlichen Interessen, insbesondere an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (Verhinderung von strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben sowie Einhaltung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften), als gegeben angenommen werden (vgl. VwGH 19.05.2004, Zl. 2001/18/0074).

Es kann daher der belangten Behörde nicht vorgeworfen werden, wenn sie im vorliegenden Fall von einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausging, welche die Anordnung eines Einreiseverbotes erforderlich machen würde, zumal diese Maßnahme angesichts der vorliegenden Schwere des Verstoßes gegen österreichische Rechtsnormen und des zum Ausdruck gekommenen persönlichen Fehlverhaltens zur Verwirklichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele geboten erscheint.

Was den räumlichen Geltungsbereich des Einreiseverbotes anbelangt, ist festzuhalten, dass alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union außer Irland, sowie die assoziierten Schengen-Staaten Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein an die Rückführungsrichtlinie gebunden sind (vgl. die Pressemitteilung der Europäischen Kommission IP/11/1097 vom 29.09.2011). Daraus folgt, dass sich der räumliche Umfang der in § 53 Abs. 1 FPG idF FrÄG 2011 festgelegten Anweisung schon aus den gesetzlichen in Verbindung mit den unionsrechtlichen Bestimmungen ergibt und somit die Staaten erfasst, für die die Rückführungsrichtlinie gilt. Dieses Gebiet ist nicht deckungsgleich mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Ausgenommen ist Irland und es kommen Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein dazu. In diesem Sinn ist der in § 53 Abs. 1 FPG idF FrÄG 2011 verwendete, offenbar aus der Rückführungsrichtlinie übernommene Begriff „Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten“ auszulegen. Es ist somit nicht erforderlich, im Spruch eines Bescheides, mit dem gemäß § 53 Abs. 1 FPG idF FrÄG 2011, somit iSd. Art. 11 Abs. 1 iVm. Art. 3 Z 6 Rückführungsrichtlinie ein Einreiseverbot erlassen wird, jene Staaten, für die das Verbot der Einreise und des Aufenthaltes ausgesprochen wird, noch einmal konkret zu nennen, sofern deutlich wird, dass es sich um ein Einreiseverbot handelt (VwGH 22.05.2013, Zl. 2013/18/0021). Für die Einschränkung des räumlichen Geltungsbereiches des Einreiseverbotes auf Österreich gibt es keine gesetzliche Grundlage (VwGH 28.05.2015, Ra 2014/22/0037).

Da sich das angeordnete Einreiseverbot als rechtmäßig erwiesen hat, war die Beschwerde insoweit gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG als unbegründet abzuweisen.

Im gegenständlichen Fall erweist sich allerdings die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Einreiseverbots von vier Jahren als nicht angemessen:

Ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG kann für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes sind das konkrete Fehlverhalten und der Unrechtsgehalt der begangenen Straftaten unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründen, aber auch die familiären und privaten Umstände des Betroffenen maßgeblich zu berücksichtigen.

Das dargestellte persönliche Fehlverhalten des BF ist jedenfalls Grundinteressen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere an der Verhinderung von Straftaten gegen Leib und Leben, zuwidergelaufen.

Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes sind das konkrete Fehlverhalten und der Unrechtsgehalt der begangenen Straftaten unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründen, aber auch die familiären und privaten Umstände des Betroffenen maßgeblich zu berücksichtigen.

Der lange – überwiegend legale – Aufenthalt des BF in Österreich sowie das Bestehen privater Bindungen in Österreich wurden von der belangten Behörde bei der Bemessung der Dauer nicht hinreichend berücksichtigt. Allerdings erweist sich im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung des Gesamtfehlverhaltens des BF eine Herabsetzung des Einreiseverbotes auf weniger als zwei Jahre als nicht angemessen, zumal das persönliche Fehlverhalten des BF nicht etwa in einem einmaligen „Fehltritt“ und einer daran folgenden Besserung seines Verhaltens bestand. Eine weitere Reduktion war somit nicht möglich.

Die mit dem Einreiseverbot einhergehende zeitweilige Unmöglichkeit seinen Sohn in den Niederlanden zu besuchen, ist im öffentlichen Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben, die Freiheit und einem geordneten Fremdenwesen in Kauf zu nehmen.

Im Hinblick darauf und unter Berücksichtigung der auf Grund des Fehlverhaltens und der sonstigen persönlichen Umstände des BF getroffenen Gefährlichkeitsprognose war die Dauer des Einreiseverbots daher spruchgemäß in angemessener Weise auf zwei Jahre herabzusetzen und der Beschwerde insoweit Folge zu geben.

3.3. Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist teilweise zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Einreiseverbot Herabsetzung individuelle Verhältnisse Interessenabwägung Milderungsgründe öffentliche Interessen private Interessen Resozialisierung Rückkehrentscheidung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G301.2234773.2.00

Im RIS seit

15.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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