TE Vwgh Erkenntnis 1973/11/22 1065/73

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Veröffentlicht am 22.11.1973
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Index

StVO
L85003 Straßen Niederösterreich
40/01 Verwaltungsverfahren
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

AVG §8 implizit
LStG NÖ 1956 §6
StVO 1960 §102
StVO 1960 §31 Abs1
StVO 1960 §98 Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dkfm. Dr. Porias und die Hofräte DDr. Dolp, Dr. Schmid, Dr. Schmelz und Dr. Rath als Richter, im Beisein des Schriftführers Ministerialoberkommissär Dr. Gancz, über die Beschwerde der HA in M, vertreten durch DDr. Wolfgang Hermann, Rechtsanwalt in Wien I, Rauhensteingasse 1, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. Jänner 1973, Zl. 1/7-4962-1972, betreffend Zurückweisung einer Berufung, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt DDr. Wolfgang Hermann, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 190,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Mödling ordnete mit Bescheid vom 9. März 1972 unter Berufung auf §§ 31 Abs. 1, 32 Abs. 1, 36 und 39 StVO 1960 an, daß der Verkehr in den Kreuzungsbereichen H-Straße - F-Straße und H-Straße - J-Straße im Ortsgebiet der Marktgemeinde M durch eine optische Verkehrsregelungsanlage zu regeln sei. Die Ausführung habe entsprechend dem vorgelegten Projekt des Dipl.-Ing. Dr. techn. HB und dem Ergebnis der beiden Verhandlungen vom 17. Februar 1969 und 20. Februar 1970, deren Verhandlungsschriften an den Bescheid angeschlossen seien und einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilden, zu erfolgen. Zur Begründung wurde angeführt, daß die im Spruch verfügte Anordnung aus Gründen der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs in den genannten Kreuzungsbereichen der Marktgemeinde M erforderlich geworden sei.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid, welcher ihr nicht zugestellt worden war, Berufung, in der sie ausführte, daß sie Eigentümerin des Hauses in M sei und dort einen ihr gehörigen Getränkeherstellungsbetrieb führe. Die Transporte aus diesem Betrieb seien bisher in der Weise durchgeführt worden, daß die Ladetätigkeit im Hof des Hauses erfolge und sowohl die betriebsfremden Zulieferer und Kunden, als auch die betriebseigenen Fahrzeuge, wozu insbesondere Lastkraftwagen mit Anhänger gehörten, durch die zum Hause gehörige Einfahrt auf die F-Straße führen. Nunmehr sei durch den angefochtenen Bescheid nicht nur eine optische Verkehrsregelungsanlage im Kreuzungsbereich F-Straße - H-Straße, sondern darüber hinaus auch noch im zweiten Satz des Spruches vorgesehen, daß die Ausführung entsprechend dem Projekt Dris. HB zu erfolgen habe. Nach diesem Projekt sei aber in der F-Straße vor der Hauseinfahrt der Beschwerdeführerin eine Verkehrsinsel zu errichten, die es unmöglich mache, mit den Fahrzeugen, insbesondere mit den Lastkraftwagen samt Anhänger in die Hauseinfahrt einzufahren. Eine straßenpolizeiliche Notwendigkeit zur Errichtung der Verkehrsinsel liege keinesfalls vor. Über deren Errichtung wäre richtigerweise nicht in einem straßenpolizeilichen Verfahren, sondern in einem Verfahren nach § 6 des Niederösterreichischen Landesstraßengesetzes abzusprechen gewesen. Ein solches Verfahren habe aber bisher nicht stattgefunden und die Landesstraßenverwaltung habe ohne ein solches Verfahren das Projekt bereits durchgeführt. Dadurch sei die Beschwerdeführerin in dem aus dem Baukonsens ihres Hauses erfließenden Frontrecht verletzt worden, da aus dem Benützungskonsens auch das Recht folge, die an der Grenze zum öffentlichen Gut errichteten Einfahrten .zu benützen. Dieses Recht könne aber nur im Enteignungsweg entzogen werden.

Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. Jänner 1973 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde darauf verwiesen, daß die Behörde gemäß § 36 Abs. 1 StVO 1960 zur Wahrung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unter Bedachtnahme auf die Verkehrserfordernisse zu bestimmen habe, ob und an welcher Stelle der Verkehr durch Arm- oder Lichtzeichen zu regeln sei. Aus dieser Bestimmung ergebe sich eindeutig, daß sich eine Entscheidung der Behörde auf Grund dieser Norm nur darauf zu beziehen habe, ob eine Verkehrsregelung zu erfolgen habe, wo diese durchzuführen sei und in welcher Form die Verkehrsregelung stattzufinden habe. Maßgebend sei bei dieser Entscheidung einzig und allein die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs. Hieraus ergebe sich weiterhin, daß mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 9. März 1972 lediglich in diesem Sinne zu entscheiden gewesen wäre, nämlich ausschließlich im Sinne des ersten Satzes des Spruches; weiters sei aus der bezüglichen Norm zu erschließen, daß in einem solchen Verfahren ausschließlich der Straßenerhalter Partei und eine Parteistellung Dritter ausgeschlossen sei. Es könne daher der Beschwerdeführerin bezüglich dieses Bescheidteiles keine Parteistellung zukommen und es sei daher eine Berufung unzulässig. Hinsichtlich des zweiten Satzes des Spruches stelle die Berufungsbehörde fest, daß es sich bei der Anlegung von Schutzwegen, der Aufbringung von Sperrflächen (Bodenmarkierungen) sowie der Errichtung einer Verkehrsinsel jeweils um Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs im Sinne des § 31 Abs. 1 StVO 1960 handle, die der Straßenerhalter auch ohne behördlichen Auftrag anzubringen befugt sei. Wenn im gegenständlichen Fall eine solche Anbringung von der Behörde bescheidmäßig angeordnet worden sei, so sei dies unrichtigerweise erfolgt, da es sich bei diesen Herstellungen um solche handle, denen entweder Verordnungscharakter zukomme oder die im Zusammenhang mit den aus dem Plan, der dem Dienststück beigeschlossen sei, erforderlichen straßenbaulichen Herstellungen eine Umgestaltung der Straße im Sinne des § 6 des Niederösterreichischen Landesstraßengesetzes darstellen. Soweit der Anordnung Verordnungscharakter zukomme, sei eine Berufung gegen diese unzulässig, da es sich Verordnungen um generelle Normen handle, die sich an die Allgemeinheit richten und bezüglich derer ein Berufungsrecht eines einzelnen nicht gegeben sei. Daher sei auch die Berufung der Beschwerdeführerin hinsichtlich dieses Ausspruches des angefochtenen Bescheides unzulässig. Soweit die Anordnung in das Gebiet des Straßenrechtes eingreife bzw. sich auf dieses auswirke, müsse festgestellt werden, daß eine solche Anordnung nicht mit dem bezüglichen Bescheid - gestützt auf die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 - getroffen hätte werden können; dies sei zweifelsohne auch nicht im Sinne der Behörde erster Instanz gewesen, da diese ein Verfahren nach dem Niederösterreichischen Landesstraßengesetz nicht durchgeführt habe. Ein solches Verfahren werde, wenn auch die bezüglichen Umgestaltungen bereits durchgeführt worden sein sollten, abzuführen sein, und es werde der Beschwerdeführerin in diesem Parteistellung im Sinne des § 6 Abs. 3 des Niederösterreichischen Landesstraßengesetzes zukommen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit dem Erkenntnis dieses Gerichtshofes vom 1. Juni 1973, B 38/73, wurde ausgesprochen, daß die Beschwerdeführerin durch den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. Jänner 1973 in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden sei. Die Beschwerde wurde daher abgewiesen und zur Entscheidung darüber, ob die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sei, an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

In der Beschwerdeergänzung bezeichnet die Beschwerdeführerin als Beschwerdepunkt (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG 1965), daß sie durch die angeordnete Schaffung von Schutzinseln in ihren Rechten auf Durchführung eines Verfahrens nach § 6 des Niederösterreichischen Landesstraßengesetzes sowie in dem sich aus dem Benützungskonsens ergebenden Recht zur Benützung der Hauseinfahrt ihres Hauses F-Straße 42 verletzt worden sei. Nach § 6 des Niederösterreichichen Landesstraßengesetzes, LGBl. 1956/100, bedürfe die bauliche Umgestaltung einer Landesstraße einer Bewilligung; hierüber sei eine Verhandlung durchzuführen, wobei den Anrainern Parteistellung zukomme. Im vorliegenden Fall habe jedoch die Bezirkshauptmannschaft Mödling mit dem Bescheid vom 9. März 1972 die Anlage einer Verkehrsinsel vor ihrem Haus und damit die Umgestaltung einer Landstraße angeordnet, ohne daß das nach § 6 des Niederösterreichischen Landesstraßengesetzes vorgeschriebene Verfahren durchgeführt und ihr Gelegenheit gegeben worden wäre, Einwendungen dagegen vorzubringen. Durch diesen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling sei daher der Landesstraßenverwaltung ein Verhalten vorgeschrieben worden, das ihr nach § 6 des Niederösterreichischen Landesstraßengesetzes verboten gewesen sei, weil eine dort erforderliche Bewilligung nicht erteilt worden sei. Beim Widerstreit des auf die Straßenverkehrsordnung 1960 gestützten Auftrages und dem Umgestaltungsverbot nach dem Niederösterreichischen Landesstraßengesetz vor Durchführung des dort vorgesehenen Verfahrens genieße aber die Regelung des Niederösterreichischen Landesstraßengesetzes 1956 gemäß § 102 StVO 1960 den Vorrang. Es dürften daher die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 nur soweit angewendet werden, als sie nicht mit den Bestimmungen des Niederösterreichischen Landesstraßengesetzes in Widerspruch stehen. Die Bezirkshauptmannschaft Mödling hätte, demnach, solange die Bewilligung nach dem Niederösterreichischen Landesstraßengesetz nicht vorgelegen sei, der Landesstraßenverwaltung einen auf die Straßenverkehrsordnung 1960 gestützten Auftrag zu einer nach dem Niederösterreichischen Landesstraßengesetz bewilligungspflichtigen Umgestaltung nicht erteilen dürfen. Erst wenn eine solche Bewilligung vorgelegen wäre, wäre sichergestellt gewesen, daß Anrainerrechte nicht betroffen werden könnten; erst danach wäre das weitere Verfahren nach der Straßenverkehrsordnung 1960, in welchem nur der Straßenverwaltung Parteistellung zukäme, zulässig gewesen. Gemäß § 102 StVO 1960 habe die Bezirkshauptmannschaft Mödling in dem von ihr durchgeführten Verfahren auch die Vorschriften des Niederösterreichischen Landesstraßengesetzes zu berücksichtigen, zumal sowohl die Straßenverkehrsordnung 1960 als auch das Niederösterreichische Landesstraßengesetz in Vollziehung Sache des Landes seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 9. März 1972 mangels Parteistellung zurückgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher lediglich zu prüfen, ob der Beschwerdeführerin in diesem mit dem Bescheid vom 9. März 1972 abgeschlossenen Verfahren Parteistellung zukam oder nicht.

Gemäß § 96 Abs. 1 StVO 1960 hat die Behörde, wenn sich an einer Straßenstelle wiederholt Unfälle mit Personen- und Sachschäden ereignen, festzustellen, welche Maßnahmen zur Verhütung weiterer Unfälle ergriffen werden können. Dabei kann die Behörde auch dem Straßenerhalter die Anbringung von Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs auftragen. Letzteres ergibt sich aus der Bestimmung des § 98 Abs. 3 StVO 1960, in der es heißt, daß der Straßenerhalter Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehre (§ 31 Abs. 1 StVO 1960) auch ohne behördlichen Auftrag anbringen darf. Nach § 36 Abs. 1 StVO 1960 hat die Behörde zur Wahrung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unter Bedachtnahme auf die Verkehrserfordernisse zu bestimmen, ob und an welcher Stelle der Verkehr durch Armzeichen oder durch Lichtzeichen zu regeln ist. Verkehrsampeln (Lichtzeichen) sind nach der Legaldefinition des § 31 Abs. 1 StVO 1960 Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs, die gemäß § 32 Abs. 1 StVO 1960 - von hier nicht in Betracht kommenden Sonderregelungen abgesehen - vom Straßenerhalter auf seine Kosten anzubringen und zu erhalten sind. Zu den Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs gehören nach der Legaldefinition des § 31 Abs. 1 StVO 1960 auch Schutzinseln.

Die Bezirkshauptmannschaft Mödling ordnete nun die Anbringung von Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (darunter auch im Zusammenhang mit der Ampelanlage die Errichtung einer Schutzinsel) aus den Gründen der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, sohin aus öffentlichen Interessen, an. Die Beschwerdeführerin hat sich in der mündlichen Verhandlung darauf berufen, § 102 StVO 1960 normiere in dem hier maßgeblichen Zusammenhang, daß durch dieses Bundesgesetz das Niederösterreichische Landesstraßengesetz nicht berührt werde. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist aus dieser Rechtsvorschrift für den zur Entscheidung stehenden Beschwerdefall jedoch nur ableitbar, daß der von der Straßenpolizeibehörde erteilte Auftrag, eine etwa nach landesgesetzlichen wegerechtlichen Vorschriften nötige Bewilligung nicht zu ersetzen vermag. Dies bedeutet aber - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - nicht, daß ihr im straßenpolizeilichen Verfahren Parteistellung zukäme, sondern lediglich, daß die Möglichkeit der Durchsetzung ihrer Interessen als Nachbar einer öffentlichen Straße im wegerechtlichen Verfahren gewahrt bleibt. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß ein wegerechtliches Verfahren nur durch einen Antrag der Straßenverwaltung in Gang gesetzt werden könnte. Da demnach davon auszugehen ist, daß über die Herstellung der Schutzinseln unter dem Gesichtspunkt der Interessen von Anrainern nach dem Niederösterreichischen Landesstraßengesetz 1956 in dem Bescheid vom 9. März 1972 nicht abgesprochen wurde, kam in diesem Verfahren außer dem Straßenerhalter dritten Personen eine Parteistellung nicht zu.

Demnach hat die belangte Behörde mit Recht die Berufung der Beschwerdeführerin mangels Parteistellung zurückgewiesen.

Die Beschwerde war sohin als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 14. November 1972, BGBl. Nr. 427.

Wien, am 22. November 1973

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1973:1973001065.X00

Im RIS seit

13.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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