TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/9 W140 2241659-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.06.2021
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Entscheidungsdatum

09.06.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch


W140 2241659-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. HÖLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. Pakistan gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.03.2021, Zl. XXXX zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (BF), ein pakistanischer Staatsangehöriger, reiste am 20.01.2011 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 21.01.2011 einen Erstantrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

Der Antrag vom 21.01.2011 wurde zuletzt mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 24.09.2019, Zl. XXXX , hinsichtlich des Antrages auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ihm wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Weiters wurde eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Es wurde festgestellt, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 12.09.2019 verloren hatte (Spruchpunkt VI.). Weiters wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 4 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.), einer Beschwerde gegen die Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VIII.) und festgehalten, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt IX.). Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 18.11.2019, Zl. XXXX , bestätigt. Das Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

Mit Bescheid des BFA vom 24.02.2020, Zl. XXXX , wurde über den BF die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung mit der Maßgabe angeordnet, dass die Rechtsfolgen nach der Entlassung aus der Strafhaft eintreten sollten. Das BFA beabsichtigte den BF am 10.02.2021 in sein Heimatland abzuschieben. Nach seiner Entlassung aus der Strafhaft am 04.01.2021 befand sich der BF in Schubhaft. Am selben Tag trat der BF in Hungerstreik, den er am 05.01.2021 beendete. Am 05.01.2021 stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft einen Asylfolgeantrag.

Der BF wurde am 07.01.2021 einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, in welcher unter anderem ausgeführt wurde:

„(…) 6. Ihr Verfahren wurde am 20.11.2019 bereits rechtskräftig entschieden.

Warum stellen Sie jetzt einen (neuerlichen) Asylantrag? Was hat sich seit der Rechtskraft konkret gegenüber Ihrem bereits entschiedenen Verfahren - in persönlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Gefährdungslage im Herkunftsstaat - verändert?

Erläutern Sie umfassend und detailliert sämtliche Gründe für Ihre neuerliche Asylantragstellung und legen Sie nun alle Ihnen nunmehr zur Verfügung stehenden (neuen) Bescheinigungsmittel vor. Ich stelle einen neuerlichen Antrag, weil ich keinen mehr in Pakistan kenne, ich habe keinen mehr von der Familie, ich bin ausgeschlossen. Ich habe noch immer Angst und Schrecken, ich habe mich in der österreichischen Gesellschaft eingefügt und ich kann in Pakistan nicht mehr leben, da ich dort meine Meinung nicht frei äußern kann. Ich lebe dort maximal 2 Wochen, die würden mich umbringen. Da ich auch keinen Glauben mehr habe werden sie mich sicher umbringen.

7. Haben Sie alle Ausreise-, Flucht, oder Verfolgungsgründe genannt?

Ja

8. Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat? (unbedingt auszufüllen)

Die werden mich umbringen.

9. Gibt es konkrete Hinweise, dass Ihnen bei Ihrer Rückkehr unmenschliche Behandlung,

unmenschliche Strafe, die Todesstrafe droht, oder sie mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen haben? (ja, welche?/keine)

keine

10. Seit wann sind Ihnen die Änderungen der Situation/Ihrer Fluchtgründe bekannt? (genaues Datum oder überprüfbarer Anlass)

Dies ist mir schon lange bekannt, eigentlich seit meiner Einreise.

11. Sonstige sachdienliche Hinweise

Ich bin seit 6 Jahren mit meiner Freundin zusammen und ich möchte unbedigt bei ihr bleiben.“

Mit Aktenvermerk vom 07.01.2021 wurde die gegen den BF angeordnete Schubhaft gem. § 76 Abs. 6 FPG aufrechterhalten. Am 11.01.2021 zündete der BF in seiner Zelle Kleidungsstücke an. Am 19.01.2021 trat der BF erneut in Hungerstreik, welchen er am 22.01.2021 beendete. Am 27.01.2021 brachte der BF einen ersten Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr beim BFA ein, welcher vom BFA abgelehnt wurde. Am 29.01.2021 wurde ein vom 10.02.2021 bis 10.05.2021 gültiges Heimreisezertifikat für den BF ausgestellt. Am 03.02.2021 musste die geplante Abschiebung auf Grund des noch laufenden Asylverfahrens storniert werden. Am 12.02.2021 wurde die Schubhaft infolge der Überstellung des BF in Strafhaft aufgehoben.

Der am 05.01.2021 gestellte Asylfolgeantrag wurde mit Bescheid des BFA vom 05.03.2021, Zl. XXXX , gem. § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs in weiterer Folge in Rechtskraft.

Dem BF wurde mit Schreiben des BFA vom 08.03.2021 über die weiteren fremdenrechtlichen Maßnahmen in Kenntnis gesetzt und ihm zur Wahrung des Parteiengehörs eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. In der folgenden Stellungnahme vom 15.03.2021 führte der BF aus, er habe am 08.03.2021 einen Antrag auf freiwillige Ausreise gestellt, da er Rückkehrhilfe benötige. Die Rückkehrentscheidung habe der BF mit seiner Lebensgefährtin gemeinsam getroffen. Der BF werde in Pakistan eine Wohnung mieten, da er nicht zu seiner Familie könne, seine Lebensgefährtin heiraten und dann als ihr Ehemann legal wieder nach Österreich einreisen. Er wolle sich von der BBU und seiner Lebensgefährtin auf dem Flug nach Pakistan begleiten lassen. Das Einreiseverbot sei nach der Hochzeit aufzuheben, da es dann das Recht des BF sei, wieder nach Österreich zu kommen. Der BF würde jeder Verpflichtung nachkommen und wolle nach seiner Entlassung aus der Strafhaft bis zu seiner Ausreise bei seiner Lebensgefährtin leben.

Auch der zweite Antrag des BF auf freiwillige Rückkehr, am 15.03.2021 beim BFA eingelangt, wurde abgelehnt.

Der BF wurde zwischen den Jahren 2015 und 2021 vier Mal rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt. Er befand sich seit 12.02.2021 erneut in Strafhaft, als Entlassungstermin war der 12.06.2021 festgesetzt.

Mit gegenständlichem Bescheid des BFA- XXXX vom 29.03.2021 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung verhängt. Im Bescheid wurde ausgeführt, der BF halte sich nach Erlassung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbotes vom 24.09.2019 illegal im Bundesgebiet auf. Sein Folgeantrag auf internationalen Schutz sei – ebenfalls rechtskräftig – zurückgewiesen worden. Er habe seinen Lebensunterhalt zuletzt durch den Verkauf von Suchtgift bestritten und dürfe in Österreich keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen. Der BF verfüge weder über Barmittel noch ein gültiges Reisedokument und missachte die österreichische Rechtsordnung. Der BF habe die letzten Jahre seines Aufenthaltes vorwiegend in Strafhaft verbracht, habe keinen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet und versucht seine Abschiebung durch die missbräuchliche Stellung des neuerlichen Asylantrages zu verzögern. Der BF pflege in Österreich zwar eine Beziehung, habe jedoch mit seiner Lebensgefährtin bis dato in keiner Lebensgemeinschaft gelebt, zumal er sich seit Juni 2019 durchgehend in Haft befinde. Eine wesentliche Integration sei nicht feststellbar. Die angebliche Rückkehr- und Kooperationswilligkeit des BF sei nicht glaubhaft. Der BF habe in seiner Stellungnahme auch keine näheren Angaben zu seiner aktuellen Lebensgefährtin getätigt. Die Schubhaftverhängung sei notwendig, verhältnismäßig und als ultima ratio anzusehen.

Der BF erhob mit Schriftsatz vom 20.04.2021 durch seine vormalige Rechtsvertretung Beschwerde gegen den Bescheid vom 29.03.2021 und führte im Wesentlichen aus, der BF wolle freiwillig nach Pakistan zurückkehren, beide Anträge auf freiwillige Rückkehr seien jedoch abgelehnt worden. Der BF befinde sich noch bis 12.06.2021 in Strafhaft, das HRZ weise jedoch lediglich eine Gültigkeit bis 10.05.2021 auf. Der BF habe in seiner Stellungnahme dargelegt, dass er bis zu seiner Ausreise bei seiner Freundin leben könne. Er wolle nach Ablauf des Einreiseverbotes mit seiner zukünftigen Ehefrau nach Österreich zurückkehren und verfüge sohin in Österreich über ein schützenswertes Familienleben. Der BF sei kooperativ und bereit, an einem festgesetzten Termin auszureisen. Einem gelinderen Mittel würde er in jedem Fall Folge leisten. Fluchtgefahr liege nicht vor. Die Behörde habe es unterlassen, den BF zur Anwendung gelinderer Mittel zu befragen. Die Abschiebung habe aufgrund der Verlegung der Einvernahme des BF Ende Jänner nicht durchgeführt werden können, was dem BF – auch im Hinblick auf seinen Folgeantrag – nicht anzulasten sei. Die Behörde sei nicht in der Lage darzulegen, dass eine zeitnahe Abschiebung des BF nach dessen Strafende realistisch sei. Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit seien nicht gegeben. Beantragt wurden die Beschwerdestattgabe, die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie Kostenersatz.

Mit Vorlageschriftsatz des BFA vom 21.04.2021 langte auszugsweise folgende Stellungnahme des BFA beim BVwG ein:

„(…)Bemerkungen zum Verfahren:

Die Verfahrenspartei befindet sich seit 12.02.2021 wieder in der Justizanstalt XXXX in Strafhaft und wird am 12.06.2021 - Strafhaftende - entlassen. Die gegenständliche Maßnahme tritt erst nach seiner Entlassung aus der Strafhaft ein. Die VP befindet sich dzt. noch nicht in Schubhaft. (…)

Zu der in der Beschwerde angeführten Begründung wird folgendes auszuführen:

Richtig ist, dass die VP zuletzt 2 Anträge auf freiwillige Rückkehr stellte. Zuvor hatte er aber durch seinen Asylfolgeantrag – am 05.01.2021 - seine bereits geplante Außerlandesbringung vereitelt. Auch während seiner Anhaltung in Schubhaft vom 04.01.2021 – 12.02.2021 versuchte er schon durch sein Verhalten – Hungerstreik, Verschlucken einer Gabel, Anzünden einer Matratze – die weiteren fremdenrechtlichen Maßnahmen zu verhindern. Richtig ist, wie in der Beschwerde angeführt, dass er mittlerweile 2 Anträge auf freiwillige Rückkehr einbrachte. Dies Kostenübernahme wurde auf Grund seines dargestellten Verhaltens und da die Abschiebung bereits für den 10.02.2021 geplant war, abgewiesen. Aber wie sich aus seiner Stellungnahme vom 15.03.2021 ergibt,

Richtig ist, dass das ha. aufliegende Heimreisezertifikat nur bis zum 10.05.2021 gültig ist. Nicht richtig ist, dass es sich dabei um eine Verlängerung handelt. Die Ausstellung war – im Hinblick auf die bereits geplante Charterrückführung am 10.02.2021 – nicht mehr zu stoppen, sodass dieses von seiner Vertretungsbehörde ausgestellt wurde. Nach den ho. Informationsstand, kann eine Neuausstellung erst nach Ablauf (10.05.2021) beantragt werden und ist dieser Termin bereits vorgemerkt. Für eine zeitgerechte Neuausstellung bzw. bis zum dzt. geplanten Rückführungszeitpunkt sind dzt. keine Hindernisgründe bekannt.

Zu seiner Freundin wird ausgeführt, dass von dieser keinerlei Daten ha. aufscheinen bzw. auch erst jetzt in seiner Stellungnahme vom 15.03.2021 bekannt wurde, dass diese existiert.

Ebenso ist für die Behörde auch nicht erkennbar, dass hier ein schützenswertes Familienleben vorliegt, zumal sich die VP bereits seit Juni 2019 durchgehend in Haft (U-Haft, Strafhaft, Schubhaft und letztendlich Strafhaft) befand bzw. befindet.

Wie sich aus dem Erkenntnis des BVwG vom 18.11.2019 entnehmen lässt, führte er do. eine 4-jährige Beziehung zu einer namentlich genannten Frau an, mit welcher er bis zu seiner Inhaftierung in keiner Lebensgemeinschaft lebte. Diese Beziehung stand der Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht entgegen und wurde in II. Instanz bestätigt.

Aus seiner Stellungnahme vom 15.03.2021 ist zu entnehmen, dass er von seiner „aktuellen“ Lebensgefährtin – ohne Angaben eines Namens - spricht, sodass davon auszugehen ist, dass diese Frauen nicht ident sind.

Die Anordnung des gelinderen Mittels ist nach ho. Ansicht nicht zielführend, da die VP bereits mehrfach bewiesen hat, dass er nicht bereit ist, die behördlichen Maßnahmen einzuhalten. Die VP hat durch sein Verhalten ausreichend seine Einstellung zu der österreichischen Rechtsordnung dokumentiert und ist keinesfalls vertrauenswürdig. Die VP wurde sogar während der Anhaltung in Strafhaft erneut straffällig und versuchte zuletzt durch seine Selbstverletzungen sowie der Asylfolgeantragsstellung aus der ho. 1. Schubhaft entlassen zu werden.

Weiters ist zu befürchten, dass die VP, nachdem sie keiner aufrechten Beschäftigung mehr nachgehen kann (dies auch bis zu seiner Verhaftung im Jahre 2019 nicht getan hat), den Lebensunterhalt, erneut durch die Begehung von strafbaren Handlungen bestreiten wird. So hat er bereits in den Vorjahren – sogar nach seiner stationären Behandlung – erneut seinen Lebensunterhalt durch den Verkauf von Drogen bestritten.

Anzumerken ist hier noch, dass die VP nicht wirklich vor hat im Heimatland zu bleiben, was aber der Sinn der Rückkehrhilfe ist. Vielmehr ergibt sich aus seiner Stellungnahme, dass er davon ausgeht, dass nach der Heirat mit einer österreichischen Staatsangehörigen, die Behörde das gg. Einreiseverbot aufzuheben hat, da ihm dann ein Aufenthaltsrecht zukomme.

Es wird beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge:

1. die Beschwerde als unbegründet abzuweisen

2. gem. § 22 BFA-VG festzustellen, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft sowie auch die weitere Anhaltung vorliegen, und

3. den Beschwerdeführer zum Ersatz der unten angeführten Kosten zu verpflichten.“

Nach Anfrage des erkennenden Gerichtes bei der für Heimreisezertifikate zuständigen Abteilung des BFA, erging seitens des BFA am 27.04.2021 nachstehende Anfragebeantwortung (auszugsweise):

„(…) bzgl. Ihrer Anfrage bzw. Fragen kann von XXXX (Rückkehrvorbereitungen) Folgendes beigetragen werden:
Werden aktuell Abschiebungen nach Pakistan durchgeführt, wann erfolgte die letzte erfolgreiche Abschiebung nach Pakistan.         
Es finden aktuell Abschiebungen statt, die letzten Abschiebungen fanden im Rahmen des Charters am 14.04.2021 statt. Angemerkt wird, der o.G war für den Charter im Februar gebucht gewesen, jedoch musste dieser Aufgrund der Überstellung in Strafhaft storniert werden.
Wann sind die nächsten Abschiebungen nach Pakistan geplant.         
Der nächste Charter nach Pakistan, findet Ende Juni statt. Aufgrund unseren Erfahrungen bis dato, kann davon ausgegangen werden, dass dieser auch stattfinden wird.
Welche konkreten Schritte zur Verlängerung des HRZ wurden im gegenständlichen Fall bereits unternommen.         
Für die Verlängerung des HRZ ist eine Flugbuchung bzw. Charterbuchung notwendig, daher konnte XXXX diesbezüglich noch nicht um Verlängerung ansuchen.
Mit welcher Verfahrensdauer für eine HRZ-Verlängerung für Pakistan ist anhand bisheriger Erfahrungswerte zu rechnen? Wann wurden zuletzt HRZ verlängert.          
Das HRZ kann, nach Vorlage der Flug- bzw. Charterbuchung jeder Zeit verlängert werden. Nach Übermittlung der Flugdaten, wird das HRZ zeitnah für den Flug/Charter verlängert. Angemerkt wird, trotz Lockdown in XXXX , werden HRZ und auch Verlängerungen seitens der pak. Botschaft ausgestellt. Die letzte HRZ Verlängerung wurde im Rahmen des letzten Charters ausgestellt.
Ist für die Verlängerung des HRZ ein Interview nötig und wenn ja, finden solche derzeit statt.         
Für eine HRZ – Verlängerung ist kein Interview notwendig. Die Zustimmung zur HRZ Ausstellung ist unbegrenzt gültig und daher sind auch Verlängerungen bei Vorlage von Flugdaten, jeder Zeit möglich. (…)“

Mit Mitteilung vom 10.05.2021 führte das BFA weiters aus:

„(…) Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erlaubt sich im gg. Beschwerdeverfahren – Schubhaft mitzuteilen, dass der für Ende Juni geplante Charter nach Pakistan nun am 15.06.2021 durchgeführt wird (Vorverlegung). 
Es ist beabsichtigt, die VP mittels diesen Charter abzuschieben und wurde auch bereits am heutigen Tag die Verlängerung bzw. Neubeantragung des bis heute gültigen Heimreisezertifikates (Flugdaten nun bekannt) vorgenommen. (…)“

Am 07.06.2021 langte beim BVwG folgende weitere Mitteilung des BFA, den BF betreffend, ein:

„(…) Bezugnehmend auf das do. Beschwerdeverfahren gegen den ho. Schubhaftbescheid teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit, dass die oa. VP am 06.06.2021 aus der XXXX entflohen ist.

In der Anlage werden daher das Fahndungsblatt der XXXX , XXXX , sowie 2 Aktenvermerke der ho. Behörde zur gefälligen Kenntnisnahme übermittelt.

Anzumerken ist noch, dass XXXX am 31.05.2021 die Info über die bevorstehende Charterrückführung am 15.06.2021 nachweislich zugestellt wurde. (…)“

Am 07.06.2021 wurden der Rechtsvertretung ( XXXX ) des BF die Stellungnahme des BFA vom 21.04.2021, die Anfragebeantwortung vom 27.04.2021 sowie die Mitteilungen vom 10.05.2021 und 07.06.2021 übermittelt und die Möglichkeit zum Parteiengehör eingeräumt.

Am 08.06.2021 teilte die vormalige Rechtsvertretung des BF mit, dass die Vertretungsvollmacht hinsichtlich des BF zurückgelegt werde.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und zum Verfahren:

Der BF ist pakistanischer Staatsangehöriger. Er besitzt weder die österreichische Staatsbürgerschaft, noch ist er in Österreich asylberechtigt bzw. subsidiär Schutzberechtigter. Er ist Fremder iSd FPG.

Der BF stellte nach rechtswidriger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 21.01.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Antrag vom 21.01.2011 wurde zuletzt mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 24.09.20219, Zl. XXXX , hinsichtlich des Antrages auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ihm wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Weiters wurde eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Es wurde festgestellt, dass der BF sein Recht zum Aufenthalts im Bundesgebiet ab dem 12.09.2019 verloren hatte (Spruchpunkt VI.). Weiters wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 4 Jahren befristetes Einreiseverbot gegen ihn erlassen (Spruchpunkt VII.), einer Beschwerde gegen die Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VIII.) und festgehalten, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt IX.).

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerden wurden mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.11.2019, Zl. XXXX , rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.

Der BF wurde mit Urteil eines Landesgerichtes vom 23.10.2015 zu Zl. XXXX wegen §§ 28a (1) 2. Fall, § 28a (4) Z 3 SMG, § 27 (1) Z 1 2. Fall SMG, §§ 28a (1) 5. Fall, 28a (4) Z 3 SMG, § 297 (1) 2. Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten, rechtskräftig seit 02.03.2016, verurteilt.

Der BF wurde mit Urteil eines Landesgerichtes vom 30.08.2018 zu Zl. XXXX wegen §§ 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG, §§ 27 (2a) 2. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten, rechtskräftig seit 30.08.2018, verurteilt.

Der BF wurde mit Urteil eines Landesgerichts vom 11.07.2019 zu Zl. XXXX wegen § 127 StGB, §§ 27 (2a) 2. Fall, 27 (3), 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (1) Z 1 1. Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten, rechtskräftig seit 16.07.2019, verurteilt.

Der BF wurde mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 08.02.2021 zu Zl. XXXX wegen § 287 StGB, § 125 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten, rechtskräftig seit 12.02.2021, verurteilt. Der BF wurde am 12.02.2021 zur Verbüßung dieser Freiheitsstrafe in eine Justizanstalt überstellt und die mit Bescheid vom 24.02.2020 verhängte Schubhaft aufgehoben.

Der BF befand sich zu nachstehenden Zeiten in diversen Strafvollzugsanstalten in Haft:

1.       21.11.2016 bis 24.01.2017

2.       24.01.2017 bis 29.05.2018

3.       13.07.2018 bis 05.11.2018

4.       26.06.2019 bis 13.08.2019

5.       13.08.2019 bis 22.08.2020

6.       25.08.2020 bis 04.01.2021

7.       12.02.2021 bis 06.06.2021 (Flucht aus der Strafhaft)

Der BF befand sich zu nachstehenden Zeiten in diversen Polizeianhaltezentren (PAZ) in Anhaltung:

1.       04.01.2021 bis 12.02.2021

Der BF befindet sich seit 12.02.2021 in Strafhaft, als Entlassungstermin war der 12.06.2021 festgesetzt. Das BFA beabsichtigte die Schubhaft an diesem Tag in Vollzug zu setzen und den BF am 15.06.2021 abzuschieben. Am 06.06.2021 entfloh der BF aus der Strafhaft in der JA XXXX .

Mit Bescheid des BFA- XXXX , vom 29.03.2021 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Bescheid wurde dem BF am 06.04.2021 durch persönliche Übergabe zugestellt.

1.2. Zur Schubhaft:

Gegen den BF liegen eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung sowie ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot vor. Der BF hält sich seit Rechtskraft der Rückkehrentscheidung illegal in Österreich auf.

Der BF stellte zwei Anträge auf freiwillige Rückkehr, die vom BFA abgelehnt wurden.

Der BF befand sich im Zuge der Anhaltung in Schubhaft von 04.01.2021 bis 12.02.2021 zweimal, von 04.01.2021 bis 05.01.2021 sowie 19.01.2021 bis 22.01.2021, in Hungerstreik. Der BF wurde aufgrund eines bei ihm aufgefundenen Mobiltelefons sowie eines Ladekabels am 05.01.2021 als Disziplinierungsmaßnahme in eine Einzelzelle verlegt und drohte aufgrund dessen mit einem Suizidversuch. Am 11.01.2021 steckte der BF in seiner Zelle Kleidung in eine Spalte zwischen zwei Wandteilen und entzündete diese. Am 28.01.2021 verschluckte der BF eine Gabel und wurde ins Krankenhaus verbracht. Am 03.02.2021 fügte sich der BF mit dem Metallbügel aus einer FFP2 Maske am linken Unterarm Verletzungen zu und schrieb mit seinem Blut an die Zellenwand „LEBE FREI ODER STIRB“. Der BF war nicht zu einer Kooperation mit den Behörden bereit. Er war im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten als nicht vertrauenswürdig anzusehen.

Der BF stellte am 05.01.2021 aus dem Stande der Schubhaft in Missbrauchsabsicht einen Folgeantrag auf internationalen Schutz um seine bevorstehende Abschiebung zu vereiteln.

Der BF spricht Deutsch.

Der BF hat in Österreich seit etwa sechs Jahren eine Lebensgefährtin, mit der er jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt lebt. Er könnte bei ihr Unterkunft nehmen. Die Lebensgefährtin des BF konnte ihn bislang nicht zu regelkonformen Verhalten bewegen und von der Begehung von Straftaten abhalten. Die Beziehung hätte den BF nicht an einem Untertauchen gehindert. Er verbrachte seit Ende des Jahres 2016 bislang 3 Jahre und 8 Monate in Haft. Seit Juni 2019 befand er sich – abgesehen von 3 Tagen – in dauernder Anhaltung. Eine verfahrensrelevante Integration in Österreich besteht nicht.

Der BF verfügt nicht über ausreichend Barmittel um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Der BF geht keiner legalen Beschäftigung nach. Der BF verfügt seit August 2019 lediglich über Wohnsitzmeldungen in diversen Justizvollzugsanstalten und Polizeianhaltezentren.

Das BFA setzte zeitnah Schritte zur Effektuierung der Abschiebung des BF. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides lag ein gültiges Heimreisezertifikat (HRZ) für den BF vor. Die Zustimmung der pakistanischen Vertretungsbehörde zum HRZ ist unbegrenzt gültig, sodass eine Verlängerung dieses HRZ, nach Flugbuchung, jederzeit möglich war. Charterabschiebungen nach Pakistan können trotz der aktuellen Pandemiesituation regelmäßig durchgeführt werden. Das BFA konnte von einer kurzen Schubhaftdauer nach Ende der Strafhaft ausgehen. Die Abschiebung des BF ist für den 15.06.2021 geplant. Angemerkt wird, dass die Verlängerung des Heimreisezertifikates nunmehr bereits stattgefunden hat.

Am 06.06.2021 entfloh der BF aus der Strafhaft in der JA XXXX .

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person und zum Verfahren:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes bezüglich des BF. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und dem bisherigen Verfahren ergeben sich aus der Aktenlage.

Die genannten Bescheide sowie das Erkenntnis des BVwG liegen im Akt ein.

Die Vorstrafen des BF ergeben sich aus dem Strafregister.

Die Feststellungen zu den Aufenthalten des BF in Justizvollzugsanstalten sowie in Polizeianhaltezentren ergeben sich aus dem Zentralen Melderegister.

Die Feststellungen, die Barmittel des BF betreffend, ergeben sich aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung.

Die Anhaltung des BF in Strafhaft seit 12.02.2021 ist sowohl in der Anhaltedatei wie auch dem ZMR vermerkt. Der vorgesehene Entlassungstermin, die geplante Abschiebung und die Flucht des BF aus der Strafhaft sind der Stellungnahmen vom 21.04.2021 sowie den Mitteilungen des BFA vom 10.05.2021 und 07.06.2021 zu entnehmen.

Der Bescheid vom 29.03.2021 und der zugehörige Zustellnachweis liegen im Akt ein.

2.2. Zur Schubhaft:

Der fremdenrechtliche Status des BF - rechtskräftige Rückkehrentscheidung iVm einem auf die Dauer von 4 Jahren befristeten Einreiseverbot - ergibt sich aus der Aktenlage.

Die Anträge auf freiwillige Rückkehr des BF entsprechen dem übereinstimmenden Parteienvorbringen.

Die fehlende Vertrauenswürdigkeit ergibt sich aus dem bisherigen Verhalten des BF. Insbesondere aus dem festgestellten Verhalten des BF während seiner Anhaltung in Schubhaft sowie seiner wiederholten Missachtung der Rechtsordnung. Die Vorkommnisse im Zuge der Anhaltung sind der Anhaltedatei zu entnehmen. Dass er unkooperativ war ergibt sich ebenfalls aus seinem Verhalten wie auch aus den Angaben des BF in der Erstbefragung am 07.01.2021. Hier führte er unter anderem aus, auf keinen Fall von seiner Freundin weg zu wollen, was seine Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise zusätzlich konterkariert. Die Tatsache, dass der BF zwei Anträge auf freiwillige Rückkehr stellte, ist im Lichte der massiven Wehrhaftigkeit und exzeptionellen Regelverstöße nicht geeignet diesen Eindruck zu verändern. Es ist nicht glaubhaft, dass der BF gewillt war, freiwillig auszureisen bzw. sich für eine Abschiebung zur Verfügung zu halten, nachdem er schon während der kurzen Dauer seiner Anhaltung in Schubhaft vermehrt zum Ausdruck brachte, dass er an einer Kooperation mit den Behörden kein Interesse hatte. Es war dem BFA somit im Hinblick auf die festgestellte mangelnde Vertrauenswürdigkeit und Kooperationsbereitschaft nicht entgegenzutreten. Ergänzend wird festgehalten, dass der BF am 06.06.2021 aus der Strafhaft entfloh, was diesen Eindruck zusätzlich verstärkt.


Die Missbrauchsabsicht im Hinblick auf den zweiten Antrag des BF auf internationalen Schutz ergibt sich klar aus dem zeitlichen Zusammenhang der Geschehnisse, da der BF den Folgeantrag erst nach seiner Inschubhaftnahme stellte. Auch vermochte der BF keine neuen Gründe für die Antragstellung zu nennen. Es ist zudem nicht nachvollziehbar, weshalb der BF zunächst einen Folgeantrag auf internationalen Schutz stellte und bald darauf zwei Anträge auf freiwillige Ausreise. Ein weiterer Punkt, welcher an der Ernsthaftigkeit des Antrages zweifeln lässt, besteht darin, dass der BF den Antrag erst nach seiner Inschubhaftnahme stellte, obwohl er sich seit dem rechtskräftigen Abschluss seines ersten Asylverfahrens weiter in Österreich aufhielt und es ihm jederzeit möglich gewesen wäre einen solchen Antrag zu stellen. Aufgrund dieser Umstände stellt sich dem erkennenden Gericht klar dar, dass der BF den zweiten Asylantrag rein zur Verzögerung oder gar Verhinderung der bevorstehenden Abschiebung stellte.

Die Deutschkenntnisse des BF ergeben sich aus seiner Erstbefragung am 07.01.2021 und seiner selbst verfassten Stellungnahme vom 15.03.2021.

Die Feststellungen zur Beziehung des BF ergeben sich aufgrund der Angaben des BF in der Erstbefragung wie auch der Stellungnahme und zudem aus dem Erkenntnis des BVwG vom 18.11.2019. Dass kein gemeinsamer Haushalt besteht ist aufgrund der wiederholten Anhaltung des BF in Haft evident. Auch gab der BF zu keiner Zeit an, mit seiner Lebensgefährtin in einem Haushalt zu leben. Die Beziehung besteht zwar bereits seit einigen Jahren, jedoch verbrachte der BF mehr als die Hälfte dieser Zeit in Haft. Die Beziehung hinderte den BF augenscheinlich weder an strafrechtswidrigem Verhalten noch hielt sie ihn von seinen Handlungen im Zuge der Schubhaft ab. Das Faktum, dass der BF bei seiner Lebensgefährtin Unterkunft nehmen könnte ergibt aus den Angaben des BF. Die Möglichkeit der Unterkunftnahme ist jedoch nicht geeignet ihn an einem Untertauchen zu hindern, zumal aufgrund seines Vorverhaltens nicht glaubhaft ist, dass er sich für eine Abschiebung zur Verfügung halten würde. Eine verfahrensrelevante sonstige Integration ist nicht hervorgekommen und wurde auch nicht vorgebracht. Der BF ging keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und brachte ansonsten keinerlei soziale Kontakte im Bundesgebiet vor.

Dass der BF keiner legalen Erwerbstätigkeit nachging ist aus der Aktenlage ersichtlich. Ebenfalls die Tatsache, dass er – abgesehen von der Meldung in der Justizvollzuganstalt – über keinen ordentlichen Wohnsitz verfügt. Aus der Anhaltedatei gehen keinerlei verfügbare Barmittel des BF hervor. Hinsichtlich signifikanter Geldmittel des BF wurde auch kein Vorbringen erstattet.

Das behördliche Vorgehen ist im Akt dokumentiert. Die Feststellungen zum HRZ und zum Überstellungstermin ergeben sich aus den Stellungnahmen des BFA.

Die Flucht des BF aus der Strafhaft ergibt sich aus der Mitteilung des BFA vom 07.06.2021 und dem Fahndungsblatt der Landespolizeidirektion XXXX vom 06.06.2021.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.


3. Rechtliche Beurteilung

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1.       er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2.       er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3.       gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).


Zu Spruchpunkt A.I.) Bescheid vom 29.03.2021:

§ 76 FPG idgF lautet:

(1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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