TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/27 W152 2194943-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.04.2021
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Entscheidungsdatum

27.04.2021

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W152 2194943-1/25E

W152 2194946-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Walter KOPP über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , und 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Volksrepublik China, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 25.04.2018, Zlen. 1167927400-171066333 (ad 1.) und 1167927008-171066279 (ad 2.), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.04.2021 zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und XXXX und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF, der Status des bzw. der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX und XXXX damit kraft Gesetzes jeweils die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Die Beschwerdeführer stellten jeweils am 14.09.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, worauf sie jeweils am 15.09.2017 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes und nach jeweils am 18.09.2017 erfolgter Einreisestattgebung (§ 31 Abs. 1 AsylG 2005) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils am 15.02.2018 vor diesem niederschriftlich einvernommen wurden.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland, wies dann mit den im Spruch genannten Bescheiden jeweils den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des bzw. der Asylberechtigten jeweils gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des bzw. der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat „China“ jeweils abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde hiebei jeweils gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Schließlich wurde jeweils gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der jeweiligen Antragsteller gemäß § 46 FPG nach „China“ zulässig sei (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI). Das Bundesamt stellte hiebei fest, dass die Beschwerdeführer Staatsangehörige der Volksrepublik China und Angehörige der Volksgruppe der Tibeter seien. Es drohe ihnen jedoch keine asylrelevante Gefahr.

Es wurde dann gegen die im Spruch genannten Bescheide fristgerecht Beschwerde erhoben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu den Beschwerdeführern wird festgestellt:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Volksrepublik China, wobei der Erstbeschwerdeführer den Namen XXXX und die Zweitbeschwerdeführerin – die Ehegattin des Erstbeschwerdeführers – den Namen XXXX tragen und am XXXX (Erstbeschwerdeführer) bzw. XXXX (Zweitbeschwerdeführerin) jeweils in XXXX in der Region Kham im Osten Tibets geboren wurden, wo sie bis zu ihrer Ausreise auch lebten. Beide sind Angehörige der Volksgruppe der Tibeter und der Religionsgemeinschaft der Buddhisten und verehren den Dalai-Lama.

Der Erstbeschwerdeführer führte am 06.07.2017 in seinem Heimatort mit zwei weiteren Tibetern eine Protestaktion gegen die chinesische Regierungspolitik in Tibet durch, wobei er Plakate, die mit verschiedenen Forderungen bezüglich der Freiheit Tibets versehen waren, auf eine Mauer klebte. Dazu klebte er weiters ein von seiner Mutter zur Verfügung gestelltes Foto des Dalai-Lama. Als sich die zwei weiteren Protagonisten dieser Aktion – die Aktion wurde gleichzeitig an verschiedenen Örtlichkeiten durchgeführt – nicht mehr beim Erstbeschwerdeführer meldeten, obwohl dies vereinbart war, begab er sich zunächst zu seiner Halbschwester. Nach einigen Tagen kehrte der Erstbeschwerdeführer aus Sorge um seine Mutter und seine Ehegattin in sein Elternhaus zurück. Da die Mutter des Erstbeschwerdeführers von kursierenden Gerüchten, dass zwei Tibeter von chinesischen Sicherheitsorganen verhaftet worden seien, erfuhr, trat der Erstbeschwerdeführer mit seiner Ehegattin die Flucht an. Im Rahmen eines im Jahre 2019 erfolgten Telefongespräches des Erstbeschwerdeführers mit seiner Mutter bestätigte diese nunmehr, dass die zwei weiteren Aktivisten verhaftet worden seien. Hiebei erfuhr der Erstbeschwerdeführer von seiner Mutter, dass chinesische Sicherheitsorgane bei ihr erschienen sind und nach dem Erstbeschwerdeführer fragten. In diesem Zusammenhang ist die Mutter des Erstbeschwerdeführers auch zur Zwangsarbeit verpflichtet worden.

In Österreich entfalten die Beschwerdeführer eine rege exilpolitische Tätigkeit. So sind sie Mitglieder der „Tibeter Gemeinschaft Österreich“ (TGÖ), wobei sie regelmäßig an Demonstrationen in Wien für ein freies Tibet teilnahmen, wobei diese auch vor die chinesische Botschaft führten. Die Beschwerdeführer nahmen hiebei am 10.03.2018, 10.12.2018, 10.03.2019 – die Zweitbeschwerdeführerin konnte aufgrund einer Erkrankung an der an diesem Tag erfolgten Demonstration nicht teilnehmen – und 10.03.2020 an diesen Demonstrationen teil, wobei der Erstbeschwerdeführer u.a. auch eine um seinen Hals geschlungene tibetische Flagge und eine Tafel mit der Aufschrift „No Human Rights in Tibet“ um den Hals trug. Seine Ehegattin trug hiebei u.a. ebenfalls eine Tafel, die mit der Aufschrift „Keine Menschenrechte in Tibet“ versehen war.

Feststellungen zur Lage in der „Autonomen Region Tibet“ (Xizang):

Das Autonome Gebiet Tibet (TAR) ist eines der fünf autonomen Gebiete Chinas. Die tibetischen Gebiete erstrecken sich jedoch über das autonome Gebiet hinaus, in die Provinzen Yunnan, Sichuan, Gansu und Qinghai. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung sind Tibeter (92,8 Prozent), gefolgt von den Han (6 Prozent), Hui (0,4 Prozent), Monba (0,3 Prozent), Deng/Dengba, Sharpa und Thami (0,2 Prozent), Lhoba (0,1 Prozent), Naxi (0,1 Prozent), Bai (0,03 Prozent), Uiguren (0,03 Prozent), Mongolen (0,03 Prozent) und Sonstigen (0,1 Prozent) (ÖB 10.2020; vgl. FH 2020).

Der Lebensstandard der etwa 6 Millionen ethnischen TibeterInnen hat sich zwar erheblich verbessert, Tibet bleibt aber eine der ärmsten Regionen Chinas. Bei durchschnittlichem Jahreseinkommen, Lebenserwartung, Säuglings- und Kindersterblichkeit sowie Analphabeten-Rate schneidet die tibetische Bevölkerung nach wie vor signifikant schlechter ab als der Landesdurchschnitt. Politische Schlüsselpositionen in der TAR sind überwiegend mit Han - Chinesinnen und Chinesen besetzt, auch wenn einige Schlüsselpositionen mit Tibeterinnen und Tibetern besetzt sind. Jedoch ist fraglich, ob sie – als ausschließlich atheistische Parteimitglieder – die Belange der tiefreligiösen tibetischen Bevölkerungsmehrheit adäquat vertreten können. Vielmehr wird der tibetische Buddhismus als potentielle Quelle separatistischer Bewegungen mit größtem Misstrauen beäugt, streng kontrolliert und strukturell behindert. Die in ihrer Zahl begrenzten Nonnen und Mönche müssen laut Berichten Schulungskampagnen zur patriotischen Erziehung durchlaufen, die auch eine öffentliche Distanzierung vom Dalai-Lama beinhalten (AA 1.12.2020).

Die Bewegungsfreiheit innerhalb der TAR bleibt für die tibetische Bevölkerung maßgeblich durch Kontrollmaßnahmen eingeschränkt. Auch Reisen ins Ausland werden durch starke Verzögerungen bei der Passausstellung in Gebieten mit hohem Anteil ethnischer Minderheiten erschwert (AA 1.12.2020; vgl. HRW 14.1.2020). Die Behörden in Tibet weiten den Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie, verbesserten Personalausweisen und integrierten Überwachungssystemen aus, um die Bewegungen von Bewohnern und Reisenden in Echtzeit zu erfassen (FH 2020).

Die Zentralregierung verfolgt deshalb eine gezielte Strategie der wirtschaftlichen Entwicklung und Integration Tibets in die Volksrepublik, wobei die Erhaltung der Stabilität und der Kampf gegen Separatismus immer im Vordergrund stehen (AA 1.12.2020). In einer zweigleisigen Strategie wird der Separatismus rücksichtslos mit militärischer Gewalt zurückgedrängt, während wirtschaftliche Entwicklungen und Investitionen zur Verbesserung des Lebensstandards der Menschen als langfristige Lösung der Probleme eingeleitet werden (Mühlhahn 2017; vgl. AA 1.12.2020, ÖB 10.2020). Von diesen Verbesserungen profitieren Minderheiten jedoch nur eingeschränkt (AA 1.12.2020).

Unter der tibetischen Bevölkerung besteht große Frustration angesichts der chinesischen Politik der wirtschaftlichen Expansion, die wenig Rücksicht auf Mitbestimmung, kulturelles Erbe und religiöse Freiheit nimmt (ÖB 10.2020). Die Zentralregierung schränkt die Möglichkeiten der tibetischen Bevölkerung ein, ihre Kultur, Identität und ihren Glauben auszudrücken. So wird, wann immer möglich, der Unterricht in tibetischer Sprache durch Unterricht in chinesischer Sprache ersetzt (HRW 5.3.2020; vgl. RFA 9.4.2020).

Zudem werden von der Regierung großangelegte Umsiedlungen, Arbeitsvermittlungsprogramme und Massenverhaftungen mit dem Zweck betrieben, die Demographie der ethnischen Minderheitenregion in Tibet langfristig zu verändern. Ein stetiger Anstieg des Anteils der Han-Chinesen an der Bevölkerung der Regionen trägt dazu bei. Im Laufe des Jahres 2019 wurde über neue Initiativen und Anreize zur Förderung interethnischer Ehen berichtet (FH 4.3.2020).

Durch die Behörden in den tibetischen Gebieten wird die Religionsfreiheit, wie auch die freie Meinungsäußerung, die Bewegungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit weiterhin stark eingeschränkt (HRW 14.1.2020; vgl. ÖB 10.2020) und werden in einem höheren Ausmaß angewendet als in anderen Regionen des Landes (USDOS 11.3.2020).

Seit 2009 haben sich insgesamt 156 überwiegend junge ethnische Tibeterinnen und Tibeter (28 Frauen und 128 Männer) aus Protest gegen die Beschränkung ihrer religiösen und kulturellen Autonomie öffentlich selbst in Brand gesetzt. Der letzte Fall wurde im November 2019 berichtet. Über die wenigen Überlebenden, die von den chinesischen Behörden als Extremistinnen und Extremisten behandelt werden, fehlt meist jede Information (AA 1.12.2020). In den tibetischen Gebieten der Provinzen Sichuans, Gansus und Qinghais kam es seit 2009 zu über 100, meist tödlichen Akten von Selbstverbrennungen, die von religiösen Versammlungen, Protesten und schließlich einer oft gewaltsamen Auflösung durch Sicherheitsorgane gefolgt waren. Einige Tibeter wurden wegen Anstiftung zur Selbstverbrennung zu langjährigen Haftstrafen verurteilt (ÖB 10.2020).

Die Beziehungen zwischen Chinas tibetischen Minderheiten und den Han-Chinesen bleiben nach den großen Unruhen von 2008 angespannt. Die staatliche Kontrolle wird durch einen massiven und offensiven Polizeieinsatz aufrechterhalten (BS 29.4.2020). In früheren Jahren flohen nach glaubhaften Berichten jedes Jahr mehrere tausend Tibeterinnen und Tibeter aus religiösen Gründen über die Grenze nach Nepal und weiter nach Nordindien. Ob dieser Trend anhält, ist aufgrund der Einschränkungen der Bewegungsfreiheit fraglich. Gruppen von tibetischen Flüchtlingen wurden wiederholt auf Druck Chinas von den nepalesischen Behörden nach China zurückgeschoben, wo über ihr weiteres Schicksal häufig keine Informationen zu erlangen sind (AA 1.12.2020).

Quellen:

• AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf, Zugriff 16.12.2020

• BS – Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): Country Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029406/country_report_2020_CHN.pdf, Zugriff 10.12.2020

• FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025907.html , Zugriff 10.12.2020

• FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Tibet, https://freedomhouse.org/country/tibet/freedom-world/2020, Zugriff 10.12.2020

• HRW – Human Rights Watch (5.3.2020): China: Tibetan Children Denied Mother-Tongue Classes, https://www.hrw.org/news/2020/03/05/china-tibetan-children-denied-mother-tongue-classes; Zugriff 11.12.2020

• HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022687.html, Zugriff 10.12.2020

• Mühlhahn, Klaus (2017): Die Volksrepublik China, Oldenbourg Grundriss der Geschichte Band 44, S. 150

• ÖB Peking (10.2020): Asylländerbericht Volksrepublik China

• RFA – Radio Free Asia (9.4.2020): Classroom instruction switch from Tibetan to Chinese in Ngaba sparks worry, anger, https://www.rfa.org/english/news/tibet/classroom-04092020184114.html; Zugriff 11.12.2020

• USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 -China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026349.html, Zugriff 10.12.2020

Tibetische Buddhisten sind aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen schweren Repressionen und Diskriminierungen ausgesetzt (USDOS 10.6.2020). Die Behörden schränken in den tibetischen Gebieten Religionsfreiheit, Rede-, Bewegungs- und Versammlungsfreiheit weiterhin stark ein (HRW 14.1.2020; vgl. AI 22.2.2018).

Der tibetische Buddhismus ist einem fortlaufenden Sinisierungsprozess ausgesetzt. Alle von der Regierung nicht genehmigten religiösen Gruppen und Aktivitäten sind verboten. Zuwiderhandeln wird mit schweren Strafen belegt. Im September 2018 eingeführte Regelungen verbieten die Verbreitung von Text, Foto, Audio oder Video von religiösen Aktivitäten wie Anbetung, Unterricht oder Verbrennung von Weihrauch im Internet ohne offizielle Genehmigung (TCHRD 16.6.2020).

Tibetische Buddhisten berichteten von schwerer gesellschaftlicher Diskriminierung in Bezug auf Beschäftigung, Wohnraum und Geschäftsmöglichkeiten (USDOS 10.6.2020).

Die individuelle Religionsausübung buddhistischer Laien ist in Tibet weitgehend gewährleistet, dagegen unterliegt der Lamaismus strukturellen Restriktionen. Diese bestehen z.B. in der Verhinderung von Klosterbeitritten vor Vollendung des 18. Lebensjahres und in der Beschränkung der Anzahl von Mönchen und Nonnen auf das „für die normale religiöse Versorgung der Bevölkerung erforderliche Maß“, neben „politischen Schulungen“ von Nonnen und Mönchen (AA 1.12.2020). In diesen Kampagnen muss der Dalai - Lama denunziert werden. Es werden Propagandafilme gezeigt und in der Regel wird man gezwungen, den Anspruch der KP, wonach China Tibet „befreit“ habe, anzuerkennen (FH 2020b).

Die Büros für religiöse Angelegenheiten legen fest, wer in Klöstern studieren darf. Obwohl ein Mindestalter von 18 Jahren für Mönche oder Nonnen festgelegt ist, akzeptieren einige Institutionen weiterhin jüngere Anwerber ohne Registrierung. Mönche und Nonnen müssen eine Erklärung unterzeichnen, in der sie sich vom Dalai-Lama distanzieren, die Unabhängigkeit Tibets ablehnen und der Regierung gegenüber Loyalität bekunden. Darüber hinaus hat die KPCh seit 2012 Ausschüsse von Regierungsbeamten in Klöstern eingerichtet, um ihre täglichen Abläufe zu verwalten und Indoktrinationskampagnen der Parteien durchzusetzen. Polizeidienststellen werden auch in kleineren Klöstern immer häufiger eingesetzt (FH 2.2020b).

Der Besitz von Materialien, welche Bezug zum Dalai-Lama haben, kann auch Schikanen durch die Behörden, Bestrafungen und Verhaftungen, Beschränkungen der gewerblichen Tätigkeit und den Verlust von Sozialleistungen nach sich ziehen. 2019 haben die Behörden Berichten zufolge ihre Bemühungen zur Durchsetzung des Verbots von Bildern des Dalai-Lama ausgeweitet und Inspektionen auch in entlegenen Gebieten des Landes durchgeführt (FH 2020b; vgl. USCIRF 4.2020).

Seit 2009 haben sich rund 160 überwiegend junge ethnische Tibeter aus Protest gegen die Beschränkung ihrer religiösen und kulturellen Autonomie öffentlich selbst in Brand gesetzt. Über die wenigen Überlebenden, die von den chinesischen Behörden als Extremisten behandelt werden, fehlt meist jede Information. Hauptgrund für die in jüngsten Jahren niedrige Anzahl an Fällen ist die harsche Vorgehensweise der Behörden, insbesondere die Kollektivstrafen: Verwandten sowie auch Angehörigen der dörflichen oder klösterlichen Gemeinschaft drohen Freiheitsentzug oder Einschränkungen bei Sozialleistungen, Wohnraum und Zugang zu Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst. Darüber hinaus werden in einigen Fällen empfindlich hohe Geldstrafen verhängt (die teilweise quasi als Kaution zur Vorbeugung gegen weitere Selbstverbrennungen im Dorf hinterlegt werden und nach einem bestimmten Zeitraum wieder zurückerstattet werden sollten) (AA 1.12.2020; vgl. HRW 14.1.2020, USDOS 10.6.2020).

In früheren Jahren flohen nach glaubhaften Berichten von NGOs jedes Jahr mehrere tausend Tibeterinnen und Tibeter aus religiösen Gründen über die Grenze nach Nepal und weiter nach Nordindien. Ob dieser Trend anhält, ist aufgrund der Einschränkungen der Bewegungsfreiheit fraglich. Gruppen von tibetischen Flüchtlingen wurden wiederholt auf Druck Chinas von den nepalesischen Behörden nach China zurückgeschoben, wo über ihr weiteres Schicksal häufig keine Informationen zu erlangen sind (AA 1.12.2020).

Unter der tibetischen Bevölkerung besteht große Frustration angesichts einer chinesischen Politik der wirtschaftlichen Expansion, die wenig Rücksicht auf Mitbestimmung, kulturelles Erbe und religiöse Freiheit nimmt (ÖB 10.2020). Auswertung von Regierungsdokumenten, Berichten staatlicher Medien sowie von Satellitenbildern legen den Schluss nahe, dass Tibeter in der Autonomen Region Tibet in großem Ausmaß zwangsarbeitsähnlichen Maßnahmen ausgesetzt sind. Im Rahmen eines Programms zur Beseitigung von Armut für Tibeter ohne Beschäftigung („surplus laborer“) von Januar bis Juli 2020 wurden 543.000 Tibeter, insbesondere Bauern und Nomaden, Maßnahmen der beruflichen Ausbildung unterzogen. Etwa 50.000 von ihnen wurden danach als Arbeitskräfte innerhalb Tibets und etwa 3.000 in andere Landesteile umgesiedelt. Während ein Teil der Betroffenen dieses Angebot freiwillig angenommen hat, wird davon ausgegangen, dass auch Druck auf die „Umschuler“ ausgeübt wurde, bisherige traditionelle bäuerliche und nomadische Lebensweise zugunsten einer Lohnbeschäftigung aufzugeben (TJF 22.9.2020).

Quellen:

• AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf, Zugriff 16.12.2020

• AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World’s Human Rights - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424999.html, Zugriff am 26.11.2020

• FH – Freedom House (2020b): Freedom in the World 2020 – Tibet, https://freedomhouse.org/country/tibet/freedom-world/2020, Zugriff 9.12.2020

• HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022687.html, Zugriff 7.12.2020

• ÖB Peking (10.2020): Asylbericht Volksrepublik China

• TCHRD – Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (16.6.2020): 2019 Annual Report on Human Rights Situation in Tibet, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032430/annual-reportt-converted-1.pdf; Zugriff 11.12.2020

• TJF – The Jamestown Foundation (22.9.2020): Xinjiang’s System of Militarized Vocational Training Comes to Tibet, https://jamestown.org/program/jamestown-early-warning-brief-xinjiangs-system-of-militarized-vocational-training-comes-to-tibet/; Zugriff 7.12.2020

• USCIRF – US Commission on International Religious Freedom (4.2020): United States Commission on International Religious Freedom 2020 Annual Report; USCIRF – Recommended for Countries of Particular Concern (CPC): China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2028958/China_0.pdf, Zugriff 7.12.2020

• USDOS – US Department of State (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), https://www.ecoi.net/de/dokument/2031249.html, Zugriff 17.12.2020

Die etwa 6 Millionen ethnischen Tibeter leben außer in der „Autonomen Region Tibet“ (TAR) auch in den Nachbarprovinzen Qinghai, Gansu, Sichuan und Yunnan (ÖB 10.2020; vgl. AA 1.12.2020, DFAT 3.10.2019). Ihr Lebensstandard hat sich zwar erheblich verbessert, doch bleibt Tibet eine der ärmsten Regionen Chinas. Bei durchschnittlichem Jahreseinkommen, Lebenserwartung, Säuglings- und Kindersterblichkeit sowie Analphabeten-Rate schneiden Tibeter nach wie vor signifikant schlechter ab als der Landesdurchschnitt. Politische Schlüsselpositionen in der TAR sind überwiegend mit Han-Chinesen besetzt (AA 1.12.2020; vgl. FH 2.2019b).

Die staatliche Kontrolle wird durch einen massiven, demonstrativen Einsatz von Polizeikräften aufrechterhalten (BS 2020). Unter der tibetischen Bevölkerung besteht eine große Frustration angesichts einer chinesischen Politik der wirtschaftlichen Expansion, die wenig Rücksicht auf Mitbestimmung, kulturelles Erbe und religiöse Freiheit nimmt (ÖB 10.2020). Die Ausübung religiöser Aktivitäten wird in Tibet stark überwacht und ist teilweise eingeschränkt (ÖB 10.2020).

Tibeter werden unvermindert diskriminiert und in ihren Rechten auf freie Religionsausübung, freie Meinungsäußerung sowie Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit beschnitten (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 22.2.2018). Ethnische Tibeter sind mit einer Reihe von sozioökonomischen Nachteilen und diskriminierender Behandlung durch Arbeitgeber, Strafverfolgungsbehörden und andere offizielle Stellen konfrontiert. Die dominante Rolle der chinesischen Sprache in der Bildung und am Arbeitsmarkt schränken die Möglichkeiten für viele Tibeter ein (FH 2.2019b).

Als Mitglieder einer offiziell anerkannten Minderheitengruppe haben Tibeter bevorzugte Behandlung bei Zulassungsprüfungen für Hochschulen, was aber oft nicht genügt, um den Zugang auch zu sichern. Die restriktive Familienplanungspolitik wird auf Tibeter und andere ethnische Minderheiten nachsichtiger angewandt als auf ethnische Chinesen (FH 2.2019b).

Chinesische Infrastruktur- und Wirtschaftsförderungen sorgen jedoch für eine substanzielle Verbesserung der Versorgungslage und des Lebensstandards (ÖB 10.2020) Im Rahmen der Strategie der wirtschaftlichen Entwicklung und engeren Anbindung Tibets ist eine wirtschaftlich motivierte Zuwanderung von Han-Chinesen nach Tibet zu beobachten. Diese profitieren in der Regel überproportional von der wirtschaftlichen Förderung, u. a. wegen ihrer Sprachkenntnisse und oft höheren Ausbildungsstands. Menschenrechts-NGOs berichten von Sorgen der lokalen Bevölkerung über Landraub und Bergbauvorhaben, die oft mit Einschüchterung und Anwendung von Gewalt von Sicherheitskräften einhergehen (AA 1.12.2020).

Auch weiterhin kommt es in Tibet zu Fällen von Selbstverbrennungen, um gegen die chinesische Politik zu protestieren. Seit März 2009 ereigneten sich mindestens 155 Selbstverbrennungen in der TAR (HRW 14.1.2020; vgl. RFA 28.11.2019), mindestens zehn Selbstverbrennungen ereigneten sich von 2017 bis Mitte Jänner 2019 (HRW 17.1.2019; vgl. USDOS 21.6.2019, AI 22.2.2018). Einige Tibeter wurden wegen Anstiftung zur Selbstverbrennung zu langjährigen Haftstrafen verurteilt (ÖB 10.2020).

Quellen:

• AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf, Zugriff 16.12.2020

• AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World’s Human Rights - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424999.html, Zugriff am 23.10.2019

• BS – Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): Country Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029406/country_report_2020_CHN.pdf, Zugriff 7.12.2020

• DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (3.10.2019): DFAT Country Information Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019379/country-information-report-china.pdf, Zugriff 27.11.2020

• FH – Freedom House (2.2019b): Freedom in the World 2019 – Tibet, https://freedomhouse.org/country/tibet/freedom-world/2020; Zugriff 27.11.2020

• HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022687.html, Zugriff 27.11.2020

• HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002248.html, Zugriff 5.12.2020

• ÖB Peking (10.2020): Asylbericht Volksrepublik China

• RFA – Radio Free Asia (28.11.2019): Former Tibetan Monk Stages Fatal Self-Immolation Protest in Ngaba, https://www.rfa.org/english/news/tibet/ngaba-immolation-11282019081135.html, Zugriff 4.12.2020

• USDOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011096.html, Zugriff 4.12.2020

• USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026349.html, Zugriff 7.12.2020

Die beschriebenen Repressionen erfolgen landesweit nicht einheitlich. Da wegen der Größe des Landes und der historisch überkommenen Strukturen Einfluss und Kontrolle der Zentralregierung in den einzelnen Landesteilen unterschiedlich stark ausgeprägt sind, treten staatliche oder dem Staat zurechenbare Übergriffe in den Regionen unterschiedlich häufig auf. Daher kann es im Einzelfall möglich sein, durch einen Ortswechsel Repressalien auszuweichen. Allerdings ist ein Umzug von in der Volksrepublik China lebenden Chinesen in einen anderen Landesteil durch die restriktive Registrierungspraxis („Hukou“-System) nur schwer möglich (Verlust des Zugangs zu Bildung und Sozialleistungen). Für Personen aus ländlichen Gebieten ist es schwierig, legal in eine Stadt zu ziehen. Insbesondere für aus politischen Gründen Verfolgte gibt es keine sichere Ausweichmöglichkeit innerhalb Chinas (AA 1.12.2020).

Ein Untertauchen, also eine nicht registrierte Niederlassung in einen anderen Landesteil als jenem des Melde-Wohnorts, ist schwierig. Sowohl bei Inlandsflügen als auch bei Zugfahrten wird systematisch die Identität überprüft, auch Zugtickets können nur mit Personalausweis gekauft werden und sind nicht übertragbar. Kraftfahrzeuge mit Kennzeichen von außerhalb der Stadt oder der Provinz und deren Passagiere werden systematisch überprüft. Es besteht ein sehr effizientes System der Überwachung durch Nachbarschaftskomitees. In der Tibetischen Autonomen Region und in Xinjiang besteht eine besonders strenge Überwachung unter anderem durch das System der kollektiven Bestrafung von Dorfgemeinschaften und starken Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, wonach Personen, die ihr Dorf oder ihre Region verlassen wollen, hierfür Genehmigungen einholen müssen, welche teilweise nur für bestimmte andere Regionen ausgestellt werden. In Xinjiang werden darüber hinaus in von Uiguren bewohnten Gegenden an Straßensperren Identitätskontrollen – vor allem von jungen männlichen Uiguren – durch die bewaffnete Volkspolizei und die Volksbefreiungsarmee durchgeführt (ÖB 10.2020).

Die Bewegungsfreiheit für Tibeter ist stark eingeschränkt (IHRWch 17.8.2018). Ohne zahlreiche Genehmigungen dürfen sie sich außerhalb ihres Wohngebietes nicht bewegen und auch nicht arbeiten. Das Alltagsleben für Tibeter ist durch eine Vielzahl von Kontrollen gekennzeichnet (ST 30.8.2019).

Seit 2016 gelten für die Einwohner Xinjiangs strenge Auflagen für den Erwerb von Reisedokumenten. Biometrische-Daten, eine DNA-Blutprobe, Fingerabdrücke sowie eine Stimmaufzeichnung und ein dreidimensionales Foto des Körpers müssen bei einem Antrag zur Verfügung gestellt werden (DZ 25.11.2016; vgl. BBC 7.6.2016). Personen in der Provinz Xinjiang müssen für Reisebewegungen zwischen Städten bei der Polizei eine Erlaubnis erwirken und eine Vielzahl von Kontrollpunkten durchlaufen. Es wird von einer Zunahme von Kontrollmaßnahmen auf Flughäfen, Bahnhöfen, sowie Kontrollpunkten an öffentlichen Bewegungslinien, wie Straßen, etc. berichtet (HRW 9.9.2018).

Die Meldekarte („Hukou-System“) ist weiterhin nötig für die (legale) Aufnahme einer Arbeit oder den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen. Chinesen, die keinen für ihre Zwecke gültigen Hukou haben (z.B. minderjährige Wanderarbeiter, welche offiziell noch nicht arbeiten dürften), verwenden mitunter gefälschte „Hukou-Karten“ oder solche von Verwandten (ÖB 10.2020).

Quellen:

• AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf, Zugriff 16.12.2020

• BBC – British Broadcasting Corporation (7.6.2016): Chinese police require DNA for passports in Xinjiang, http://www.bbc.com/news/world-asia-china-36472103 , Zugriff 27.11.2020

• DZ – Die Zeit (25.11.2016): China sammelt Pässe in Unruheprovinz ein, http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-11/china-xinjiang-konflikt-unruhen-bewohner-reisepaesse, Zugriff 27.11.2020

• FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025907.html, Zugriff 27.11.2020

• IHRWch – Informationsplattform Human Rights Schweiz (17.8.2018): Länderinformation: Menschenrechte in China, https://www.humanrights.ch/de/service/laenderinfos/china/, Zugriff 26.11.2020

• HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022687.html, Zugriff 26.11.2020

• NMoFA – Netherlands Ministry of Foreign Affairs (1.7.2020): Country of origin information report China

• ÖB Peking (13.8.2020): Auskunft des Vertrauensanwaltes

• ÖB Peking (28.5.2020): Auskunft des Vertrauensanwaltes

• ÖB Peking (10.2020): Asylländerbericht Volksrepublik China

• ST – Save Tibet (30.8.2019): Aktuelle Situation, https://tibet.at/tibet/land-und-leute/aktuelle-situation/, Zugriff 26.11.2020

• USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026349.html, Zugriff 26.11.2020

Grundsätzlich besitzen chinesische Staatsbürger nach ihrer Rückkehr nach China das Recht, sich wieder im Land niederzulassen und sich unter entsprechenden Bedingungen auch im „Hukou-System“ registrieren zu lassen. Voraussetzung dafür ist eine „Bescheinigung zur Rückkehr und Ansiedlung von Auslandschinesen“. Voraussetzungen für die Ausstellung einer solchen Rückkehrbescheinigung ist der Nachweis eines gesicherten Lebensunterhaltes und die Verfügbarkeit einer rechtlichen häuslichen Unterkunft für die rückkehrende Person. Auch wenn diese Bescheinigung verbindlichen Rechtsanspruch besitzt, obliegen dem Staat Möglichkeiten, diese Ansprüche bei Vorliegen von Straftaten betreffend der allgemeinen Sicherheit und Ordnung, deren Auslegung einen weiten Raum für Anschuldigungen bieten, zu verwehren. Für eine Registrierung an einem anderen Ort als dem bisherigen Lebensmittelpunkt sind zusätzliche lokal erlassene Bedingungen zu erfüllen, unter anderem auch eine Straffreiheit der Antragsteller (ÖB 10.2020).

Es erfolgen lückenlose, automatisierte Kontrollen an den Grenzkontrollstellen (ÖB 10.2020). Ein Asylantrag allein ist nach chinesischem Recht kein Straftatbestand. Personen, die China illegal, etwa unter Verletzung der Grenzübertritts-Bestimmungen verlassen haben, können bestraft werden (AA 1.12.2020). Es ist anzunehmen, dass die chinesischen Behörden über das Verhalten chinesischer Asylsuchender während ihres Aufenthalts außerhalb Chinas informiert sind (DFAT 3.10.2020). Im Oktober 2016 wurden zur Verstärkung der Überwachung von Auslandskontakten in einem ersten Schritt die Pässe der Einwohner Xinjiangs zurückgerufen. Zudem haben die Behörden in Xinjiang 2017 alle chinesischen Uigurinnen und Uiguren im Ausland aufgefordert, bis Ende Mai 2017 in die VR China zurückzukehren, um sich registrieren zu lassen. Verstöße dagegen können nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen von den chinesischen Behörden sanktioniert werden. Doch auch die freiwillige Rückkehr in der vorgegebenen Frist ist keine Garantie für Straffreiheit und Sicherheit (AA 1.12.2020).

Einige Gruppen (v.a. Angehörige der Minderheiten der Uiguren und Tibeter) sowie als politische bzw. Menschenrechtsaktivisten eingestufte oder im „Shuanggui“ System [ein nicht gesetzlich geregeltes Verfahren, welches eine zeitlich nicht näher begrenzte Arrestierung erlaubt] verfolgte Personen riskieren nach ihrer Rückkehr nach China regelmäßig unfaire Verfahren (ÖB 10.2020; vgl. AA 1.12.2020). Der Verbleib von Angehörigen dieser generalverdachtsmäßig als staatsgefährdend angesehenen Minderheiten bleibt nach deren Rückkehr oft ungeklärt, und es ist mit einem ungewissem, auf unbestimmte Zeit festgelegten Verbleib dieser Personengruppen zu rechnen (AA 1.12.2020).

Oppositionelle Betätigung im Ausland kann zu Problemen führen, wenn die Behörden der Ansicht sind, dass „Verbrechen gegen die nationale Sicherheit“ (etwa Verrat von Staatsgeheimnissen, Separatismus, Terrorismus) begangen wurden. Einige Gruppen (v.a. Angehörige der Minderheiten der Uiguren und Tibeter) sowie als politische- bzw. Menschenrechtsaktivisten eingestufte oder im „Shuanggui“ System verfolgte Personen riskieren nach ihrer Rückkehr nach China regelmäßig unfaire Verfahren (ÖB 10.2020).

Das chinesische Außenministerium konfisziert, annulliert oder verweigert die Verlängerung der Reisepässe von Uiguren und anderen im Ausland lebenden turksprachigen Muslimen, einschließlich Personen mit rechtmäßigem Daueraufenthaltsstatus oder Staatsbürgerschaft in anderen Ländern, als Zwangsmaßnahme, um sie zur Rückkehr nach Xinjiang zu bewegen (USDOS 10.6.2020).

Darüber hinaus fordert die Zentralregierung andere Regierungen auf, Uiguren, die aus China geflohen sind, in ihre Heimat rückzuführen (NYP 22.9.2019). China übt dabei auf seine Nachbarstaaten Druck aus, uigurische Flüchtlinge, die pauschal des „Terrorismus“ bezichtigt werden, beschleunigt nach China rückzuführen (DW 17.2.2020). Auch wurden entsprechende Auslieferungsabkommen mit einigen, an die Autonome Region Xinjiang grenzende Nachbarstaaten, wie Kasachstan (ÖB Nur-Sultan 7.2020a), Kirgisistan (ÖB Nur-Sultan 7.2020b), Tadschikistan (ÖB Nur-Sultan 8.2020) und Usbekistan (ÖB Moskau 17.5.2019) abgeschlossen. Die Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) beobachtet mit großer Sorge, dass sich der Einfluss Chinas bei der Verfolgung religiöser und ethnischer Minderheiten weltweit immer weiter ausdehnt, wie das Beispiel der Uiguren in der Türkei zeigt (IGFM 22.6.2020; vgl. NM 19.5.2020).

In den letzten Jahren kam es, vermutlich auf chinesischen Druck, immer wieder zur Abschiebung von uigurischen Asylwerbern aus Nachbarländern, zumeist aus Kambodscha, Thailand, Pakistan, Malaysia, Algerien und Ägypten (ÖB 10.2020; vgl. AA 1.12.2020, SZ 12.4.2019, DW 17.2.2020). Es gibt auch Berichte, wonach die chinesischen Behörden die Rückkehr von Uigurinnen und Uiguren mit Aufenthaltsrecht in EU-Mitgliedstaaten zur „Umerziehung“ in ihren Heimatorten in Xinjiang erzwingen. Oftmals werden dafür in China lebende Familienmitglieder als Faustpfand benutzt. Über den Verbleib der rückkehrenden Personen ist oft nichts bekannt (AA 1.12.2020).

Die Rückkehrsituation für mittellose, kinderreiche Personen ohne Aussicht auf einen Arbeitsplatz und ohne familiäre Anbindung in China, insbesondere auf dem Land, ist als schwierig zu beurteilen (ÖB 10.2020).

Quellen:

• AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf, Zugriff 16.12.2020

• DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (3.10.2020): DFAT Country Information Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019379/country-information-report-china.pdf; Zugriff 27. 11.2020

• DW – Deutsche Welle (17.2.2020): Exklusiv: Neue Beweise für Chinas willkürliche Unterdrückung der Uiguren, https://www.dw.com/de/exklusiv-neue-beweise-f%C3%BCr-chinas-willk%C3%BCrliche-unterdr%C3%BCckung-der-uiguren/a-52398868; Zugriff 9.12.2020

• IGFM – Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (22.6.2020): In der Türkei lebenden Uiguren droht gewaltsame Rückführung, https://www.igfm.de/erdogan-opfert-uiguren-fuer-wirtschaft-abschiebung-aus-tuerkei/; Zugriff 1.12.2020

• NM – Nordic Monitor (19.5.2020): Turkey-China extraction agreement may target Uyghurs living in Turkey, https://www.nordicmonitor.com/2020/05/turkey-china-extradition-agreement-may-targetuyghur-diaspora-in-turkey/, Zugriff 9.12.2020

• NYP – New York Post (22.9.2019): Pompeo blasts China’s treatment of minority Uighurs, https://nypost.com/2019/09/22/pompeo-blasts-chinas-treatment-of-minority-uighurs/, Zugriff 9.12.2020

• ÖB Moskau (17.5.2019): Auskunft der Konsularabteilung

• ÖB Nur-Sultan (7.2020a): Asylländerbericht Kasachstan

• ÖB Nur-Sultan (7.2020b): Asylländerbericht Kasachstan

• ÖB Nur-Sultan (8.2020): Asylländerbericht Turkmenistan

• ÖB Peking (13.8.2020): Auskunft des Vertrauensanwaltes

• ÖB Peking (10.2020): Asylländerbericht Volksrepublik China

• SZ – Süddeutsche Zeitung (12.4.2019): Wo die Moscheen verschwinden, https://www.sueddeutsche.de/politik/china-und-die-uiguren-wo-die-moscheen-verschwinden-1.4407686, Zugriff 26.11.2019

• USDOS – US Department of State (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), https://www.ecoi.net/de/dokument/2031249.html, Zugriff 1.12.2020

Die obigen Feststellungen zur Lage in der „Autonomen Region Tibet“ (Xizang) ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Volksrepublik China (generiert am 06.04.2021).

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahmen in den Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, in das dem Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der „Autonomen Region Tibet“ (Xizang) vorliegende Dokumentationsmaterial und durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.04.2021.

Die Feststellungen zu den Asylwerbern ergeben sich insbesondere aus deren im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung erstatteten glaubwürdigen Vorbringen und den vorgelegten Urkunden und Kopien von Farbfotografien. Hiebei konnten auch die Zweifel des Bundesamtes hinsichtlich der relevierten Aktion des Erstbeschwerdeführers am 06.07.2017 ausgeräumt werden. So konnte der Erstbeschwerdeführer schlüssig erklären, dass er sich aus Sorge um seine Mutter und seine Ehegattin wieder von seiner Halbschwester nach Hause begeben habe. Angesichts des glaubwürdigen Vorbringens des Erstbeschwerdeführers hinsichtlich des Telefonats mit seiner Mutter im Jahre 2019 erweisen sich auch die Zweifel der belangten Behörde an der bloßen Vermutung einer Verhaftung der zwei weiteren Aktivisten vom 06.07.2017 als obsolet. In diesem Zusammenhang wird betont, dass durch die rege exilpolitische Tätigkeit der Beschwerdeführer ohnedies relevante Nachfluchtgründe vorliegen. Weiters wird insbesondere auf die mit 09.05.2018 datierte Bestätigung des Büros des Dalai-Lama in Genf hingewiesen, wonach es sich bei den Beschwerdeführern einerseits um Tibeter handelt und andererseits die Beschwerdeführer ein Ehepaar sind. Schließlich wird auf deren Mitgliedsausweise der „Tibeter Gemeinschaft Österreich“ (TGÖ) und Kopien von Farbfotografien, die die Beschwerdeführer bei den genannten Demonstrationen in dargestellter Weise zeigen, hingewiesen.

Die Feststellungen zur Lage in der „Autonomen Region Tibet“ (Xizang) ergeben sich aus der oben genannten Quelle.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 33/2013 idgF (VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchpunkt A):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, iVm Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich (infolge von vor dem 1. Jänner 1951 eingetretenen Ereignissen/diese Worte in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention sind gemäß Art. 1 Abs. 2 des oben genannten Protokolls als nicht enthalten anzusehen) aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich (infolge obiger Umstände/diese Worte in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention sind ebenfalls gemäß Art. 1 Abs. 2 des oben genannten Protokolls als nicht enthalten anzusehen) außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Für eine „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr – Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung – bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, ua).

Rechtlich folgt aus dem festgestellten Sachverhalt, dass die Asylwerber Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sind. Die Umstände, dass beide Asylwerber aus der „Autonomen Region Tibet“ (Xizang) stammen, Angehörige der Volksgruppe der Tibeter und der buddhistischen Religionsgemeinschaft sind und den Dalai-Lama verehren, wobei der Erstbeschwerdeführer einerseits bereits in Tibet Plakate für die Freiheit Tibets affichierte und von chinesischen Sicherheitskräften in seinem Heimatort bereits gesucht wurde, wodurch er offensichtlich bereits ins Blickfeld chinesischer Sicherheitskräfte geraten ist, und andererseits mit seiner Ehegattin – der Zweitbeschwerdeführerin – eine rege exilpolitische Tätigkeit in Österreich entfaltet, wobei diese auch Demonstrationen vor die chinesische Botschaft in Wien führten, wodurch dies angesichts der festgestellten Überwachung chinesischer Staatsangehöriger im Ausland verschärfend wirkt, lassen die Asylwerber in der Volksrepublik China im erheblichen Maße gefährdet erscheinen. In beiden Fällen liegt daher wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Religion und der politischen Gesinnung vor, wobei bei der Zweitbeschwerdeführerin vor dem Hintergrund des festgestellten Systems der kollektiven Bestrafung in Tibet noch die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe von engen Familienangehörigen von Verfolgten hinzutritt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass den Fremden damit kraft Gesetzes jeweils die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Zur Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 1985/10 idgF (VwGG), hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Schließlich liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Hiebei wird einerseits auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und andererseits darauf verwiesen, dass der gegenständliche Fall ohnedies maßgeblich auf der Tatsachenebene zu beurteilen war.

Schlagworte

Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Demonstration exilpolitische Aktivität Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit inländische Schutzalternative innerstaatliche Fluchtalternative mündliche Verhandlung politische Aktivität politische Gesinnung Religionsausübung religiöse Gründe soziale Gruppe Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W152.2194943.1.00

Im RIS seit

14.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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