TE Vwgh Beschluss 2021/8/19 Ra 2021/22/0164

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Veröffentlicht am 19.08.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AVG §60
BFA-VG 2014 §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGG §25a Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §34a Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision des R S, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2. März 2021, Zl. W232 2236128-1/3E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 und Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 25. September 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde) den Antrag des Revisionswerbers, eines kosovarischen Staatsangehörigen, vom 15. Mai 2020 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab. Unter einem erließ die belangte Behörde gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach § 46 FPG in den Kosovo zulässig sei, gewährte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 2. März 2021 wurde die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet abgewiesen und sein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zurückgewiesen. Die Revision erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Ab. 4 B-VG für nicht zulässig.

Das BVwG stellte fest, dass der Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 26. Jänner 2010 abgewiesen worden sei und der Revisionswerber am 2. Februar 2010 freiwillig aus Österreich ausgereist sei. Nach seinen eigenen Angaben halte er sich nunmehr seit 2014/2015 durchgehend in Österreich auf. Eine Wohnsitzmeldung sei (erst) seit dem 25. April 2020 ersichtlich. Der Revisionswerber sei (vor seiner Einreise) im Kosovo berufstätig gewesen, wo auch noch sein Vater und weitere Verwandte lebten. In Österreich lebten seine Mutter und zwei Geschwister, die jeweils über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfügten. Der Revisionswerber werde von seinen Geschwistern finanziell unterstützt. Er spreche „etwas deutsch (Niveau A2)“ und habe einen Arbeitsvorvertrag vorgelegt.

Der Revisionswerber verfüge - so das BVwG in seiner rechtlichen Beurteilung - zwar über familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Es werde auch nicht verkannt, dass er mit seinen Angehörigen im gemeinsamen Haushalt lebe und von ihnen finanzielle Unterstützung erhalte. Allerdings weise der Revisionswerber erst seit kurzem eine Wohnsitzmeldung in Österreich auf und der gemeinsame Wohnsitz sei zu einer Zeit begründet worden, zu dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sei, zumal er angegeben habe, sich aus Angst vor einer Abschiebung nicht gemeldet zu haben. Zudem sei der Revisionswerber im Kosovo aufgewachsen und dort berufstätig gewesen und sein Vater sowie weitere Verwandte lebten noch dort. Im Hinblick darauf relativiere sich ein besonderes Naheverhältnis zwischen dem erwachsenen Revisionswerber und seinen in Österreich lebenden Angehörigen. Zwar habe der Revisionswerber angegeben, sich um seine Mutter zu kümmern, allerdings befänden sich zwei Geschwister des Revisionswerbers in Österreich und die Mutter sei somit nicht auf sich allein gestellt. Im Zusammenhang mit dem Privatleben des Revisionswerbers verwies das BVwG auf seine Bemühungen, die deutsche Sprache zu erlernen, und auf den vorgelegten Arbeitsvorvertrag, aus dem allerdings kein erreichter Grad an beruflicher Integration ableitbar sei. Der unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Revisionswerber habe offenbar stets die Absicht gehabt, in Österreich zu bleiben, jedoch bislang (vor dem gegenständlichen Antrag) keine Schritte unternommen, seinen illegalen Aufenthalt zu legalisieren. Unzumutbare Härten in einer Rückkehr des Revisionswerbers in seinen Herkunftsstaat seien nicht zu erkennen, zumal er dort über enge familiäre Anknüpfungspunkte verfüge und ihm eine finanzielle Unterstützung durch seine Geschwister - sofern notwendig - auch im Kosovo zukommen könne. Zudem könne der Kontakt mit seinen in Österreich aufhältigen Angehörigen durch Besuche und über moderne Kommunikationsmittel aufrechterhalten werden. Im Ergebnis überwiege das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes die persönlichen Interessen des Revisionswerbers an einem Verbleib im Bundesgebiet.

Im Anschluss an Ausführungen zur Zulässigkeit der Abschiebung und zur Erforderlichkeit der sofortigen Ausreise hielt das BVwG fest, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG abgesehen werden könne.

3        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit Beschluss vom 8. Juni 2021, E 1062/2021, abgelehnt und die dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wurde.

In der Folge wurde die vorliegende außerordentliche Revision erhoben.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5        Der Revisionswerber bringt zunächst vor, das BVwG habe den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision lediglich mit der sinngemäßen Wiedergabe des Art. 133 Abs. 4 B-VG begründet. Eine solche Begründung sei unzureichend, dürfe sie doch nicht so kurz sein, dass die Parteien die Erfolgsaussichten einer Revision nicht einschätzen könnten.

6        Diesbezüglich genügt - abgesehen davon, dass sich die Ausführungen des BVwG nicht bloß auf eine Wiedergabe des Art. 133 Abs. 4 B-VG beschränken - der Hinweis, dass selbst ein Fehlen einer näheren Begründung des Ausspruchs nach § 25a Abs. 1 VwGG für sich betrachtet nicht dazu führen würde, dass die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG allein deshalb gegeben wären. Der Verwaltungsgerichtshof ist nämlich gemäß § 34 Abs. 1a VwGG an den nach § 25a Abs. 1 VwGG getätigten Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden, sondern überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision anhand der gemäß § 28 Abs. 3 VwGG dazu gesondert vorgebrachten Gründe (vgl. VwGH 14.4.2021, Ra 2020/22/0257, Pkt. 3.2., mwN).

7        Der Revisionswerber rügt weiters, das BVwG habe die von ihm beantragte Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterlassen. In dieser hätte er nachvollziehbar seine „außerordentliche soziale Integration“ in Österreich dokumentieren können; auch sei ihm nicht die Möglichkeit eingeräumt worden, „sämtliche Gründe“ für den beantragten Aufenthaltstitel darzulegen. Zudem hätte sich das BVwG einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit seiner Angaben verschaffen können.

8        Zu den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Kriterien für die Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung nach § 21 Abs. 7 BFA-VG kann zunächst auf das bereits zitierte hg. Erkenntnis Ra 2020/22/0257, Pkt. 4.2., mwN, verwiesen werden. Im vorliegenden Fall moniert der Revisionswerber lediglich pauschal das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung, ohne konkret darzulegen, welche außerordentliche soziale Integration bzw. welche für eine Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels sprechenden Gründe das BVwG unberücksichtigt gelassen habe. Unter Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer, der erst kurz vor der gegenständlichen Antragstellung erfolgten melderechtlichen Anmeldung und der zuvor - nach den eigenen Angaben des Revisionswerbers - aus Angst vor einer Abschiebung unterbliebenen Meldung (vgl. zur Bedeutung der Missachtung melderechtlicher Vorschriften und eines unbekannten Aufenthaltes etwa VwGH 30.4.2020, Ra 2019/21/0374, Rn. 12, mwN) sowie der fehlenden beruflichen Integration durfte das BVwG vorliegend vertretbar von einem eindeutigen Fall ausgehen, der es ihm ausnahmsweise erlaubte, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Verschaffung eines persönlichen Eindrucks vom Revisionswerber abzusehen. Auch eine - vom Revisionswerber behauptete - antizipierende Beweiswürdigung des BVwG ist nicht ersichtlich.

9        Dem Zulässigkeitsvorbringen, wonach das angefochtene Erkenntnis nicht den Anforderungen des § 60 AVG entspreche, ist entgegenzuhalten, dass die behaupteten Ermittlungs- und Begründungsmängel in keiner Weise näher konkretisiert werden und auch ihre Relevanz für den Verfahrensausgang nicht dargelegt wird (vgl. zum Erfordernis einer entsprechenden Relevanzdarstellung etwa VwGH 13.10.2020, Ra 2020/22/0186 bis 0187, Rn. 7 f, mwN).

10       Soweit der Revisionswerber schließlich noch ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des BVwG in ähnlich gelagerten Fällen als grundsätzliche Rechtsfrage ins Treffen führt, genügt der Hinweis, dass eine uneinheitliche Rechtsprechung eines Verwaltungsgerichtes für sich genommen nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B-VG erfüllt (vgl. VwGH 3.2.2021, Ra 2021/22/0019, Rn. 13, mwN).

11       In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

12       Ausgehend davon erübrigt sich eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 19. August 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021220164.L00

Im RIS seit

10.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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