Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, in der Revisionssache des A A in W, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jordangasse 7/4, gegen das am 19. Juni 2020 mündlich verkündete und am 7. August 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Juni 2020, L529 2212077-1/21E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak aus der Provinz Diyala, stellte am 17. April 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 6. November 2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr.
3 Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde mit Bescheid des BFA vom 8. November 2016 bis zum 6. November 2018 verlängert.
4 Mit Bescheid des BFA vom 27. November 2018 wurde dem Revisionswerber der mit Bescheid des BFA vom 6. November 2015 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und der Antrag des Revisionswerbers vom 14. September 2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung abgewiesen (Spruchpunkt II.). Das BFA erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise legte das BFA mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.).
5 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
6 In seiner Begründung hielt das BVwG, das die Aberkennung ebenso wie das BFA auf § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 stützte, - soweit hier maßgeblich - zunächst fest, dass der Revisionswerber über ein familiäres Netz im Irak verfüge und er mit seinen Familienangehörigen in Kontakt stehe. Die Versorgung der Familie im Irak sei gesichert. Der Revisionswerber habe eine abgeschlossene Schulbildung und verfüge über Arbeitserfahrung als Friseur im Irak. Er sei gesund, arbeitsfähig und unbescholten. Der Revisionswerber verfüge über einen irakischen Reisepass, einen österreichischen Konventionspass und einen österreichischen Fremdenpass. Mit den dort vorgefundenen Einträgen seien im Zeitraum 2016 bis 2018 mehrfache Einreisen in den Irak und in den Iran dokumentiert, dies habe der Revisionswerber in der Verhandlung auch bestätigt. Zur Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten hielt das BVwG fest, dass sich die Sicherheitslage geändert hätte und das BFA zur Einleitung des Verfahrens zur Aberkennung berechtigt gewesen wäre. So sei die instabile Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Revisionswerbers und der innerstaatliche Konflikt im Irak, welche zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt hätten, zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr gegeben. Aufgrund des aktuellen Länderinformationsblattes vom 17. März 2020 sei nicht mehr von einer solchen extremen Gefährdungslage im ganzen Irak auszugehen, dass gleichsam jede Person, die sich dort aufhalte oder dorthin zurückkehre, einer unmittelbaren Gefährdung ausgesetzt sei. Aufgrund der spezifischen Berichtslage zur Herkunftsregion des Revisionswerbers sei eine solche Situation für den Revisionswerber als Zivilperson jedenfalls nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Darüber hinaus stehe dem Revisionswerber unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände und der vorliegenden Länderberichte mit Bagdad auch eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative offen.
7 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, das angefochtene, zunächst mündlich verkündete Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, welche zur Aberkennung des subsidiären Schutzes eine maßgebliche Änderung der Lage fordere. Eine solche Lageänderung lasse sich aus den aktuellen Länderinformationen jedoch nicht erkennen. Im Übrigen fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob mehrere Aufenthalte im Herkunftsstaat darauf hinwiesen, dass der Betreffende subsidiären Schutz nicht mehr benötige.
8 Nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung brachte der Revisionswerber eine Revisionsergänzung ein, in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, dass auch die schriftliche Ausfertigung mangelhaft begründet sei und von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 abweiche, da sich aus näher zitierten Länderberichten die vom BVwG angenommene Lageänderung nicht ergebe.
9 Das BFA hat zu dieser Revision keine Revisionsbeantwortung erstattet.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 4.1.2021, Ra 2020/18/0438, mwN).
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass eine Revision nicht zulässig ist, wenn das angefochtene Erkenntnis auf einer tragfähigen Alternativbegründung beruht und dieser Begründung keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zugrunde liegt (vgl. zur Unzulässigkeit einer Revision bei einer tragfähigen Alternativbegründung etwa VwGH 13.11.2019, Ra 2019/01/0326, mwN).
15 Die Revision führt in der Zulassungsbegründung aus, die Lage in der Herkunftsprovinz des Revisionswerbers habe sich nicht so wesentlich gebessert, dass eine Aberkennung des subsidiären Schutzes zulässig wäre. Dabei übersieht sie, dass das BVwG die Aberkennung auch auf das (nunmehrige) Vorhandensein einer (zumutbaren) innerstaatlichen Fluchtalternative in der irakischen Hauptstadt Bagdad gegründet hat (zur Zulässigkeit dieser Erwägung im Aberkennungsverfahren nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 vgl. VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153). Dem hält die Revision, die die zugrundegelegten Feststellungen des BVwG zudem nicht bestreitet, nichts entgegen.
16 Soweit die Revision „im Übrigen“ eine fehlende höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, „ob mehrere Aufenthalte im Herkunftsstaat darauf hinweisen, dass der Betreffende subsidiären Schutz nicht mehr benötige“ moniert, zeigt sie mit diesem bloß pauschal gehaltenen Vorbringen nicht auf, welche konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogene grundsätzliche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof erstmals zu lösen hätte.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 28. Juli 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020180303.L00Im RIS seit
23.08.2021Zuletzt aktualisiert am
03.09.2021