TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/21 97/18/0036

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Veröffentlicht am 21.02.1997
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Index

20/02 Familienrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §20 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des R, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 31. Dezember 1996, Zl. SD 828/96, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer habe nach Erteilung eines kurzfristig gültigen Sichtvermerkes am 20. März 1990 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und danach einen Befreiungsschein und aufgrund dessen in weiterer Folge Sichtvermerke, zuletzt am 12. März 1993 mit einer Gültigkeit bis 11. März 1995, erhalten. Im Jahr 1994 habe die Fremdenpolizei davon Kenntnis erhalten, daß die Ehe des Beschwerdeführers vom Bezirksgericht Liesing am 27. April 1993 gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden sei (rechtskräftig seit 18. November 1993). Ein Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung sei vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 20. Februar 1995 abgewiesen worden. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers sei somit seit Ablauf der Gültigkeitsdauer des Sichtvermerkes (11. März 1995) nicht mehr rechtmäßig. Der Bundesminister für Inneres habe der dagegen erhobenen Berufung im Hinblick auf die Scheinehe keine Folge gegeben (Bescheid vom 19. Oktober 1995). Der Verwaltungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom 25. Jänner 1996, Zl. 95/19/1835, eine dagegen eingebrachte Beschwerde unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung, wonach eine rechtsmißbräuchlich geschlossene Ehe den Schluß rechtfertige, daß der (weitere) Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung gefährde, abgewiesen. Der Beschwerdeführer sei wegen seines illegalen Aufenthaltes auch rechtskräftig bestraft worden.

Wie ausgeführt, stelle nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Eheschließung, die nur den Zweck verfolge, dem Fremden fremdenrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu verschaffen, einen evidenten Rechtsmißbrauch dar, der dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzuhalten sei, weshalb der Aufenthalt eines solchen Fremden die öffentliche Ordnung i.S. des § 18 Abs. 1 FrG gefährde. Dazu komme, daß der Beschwerdeführer mit Ablauf der ihm zuletzt aufgrund der nichtig erklärten Ehe erteilten, bis 11. März 1995 gültig gewesenen Aufenthaltsberechtigung, also seit nunmehr bald zwei Jahren, nicht mehr aufenthaltsberechtigt und deswegen auch bestraft worden sei.

Was die Tatbestände der §§ 19 und 20 FrG anlange, so verweise der Beschwerdeführer auf seinen siebenjährigen Aufenthalt sowie den Umstand, daß seine frühere, geschiedene Gattin sowie zwei Töchter (mit jeweils eigener Familie) und ein Sohn mit 21 Jahren im Bundesgebiet lebten und daß er selbst einer Beschäftigung nachgehe. Während ein Familienleben i.S. einer unmittelbaren Gemeinschaft mit nahen Angehörigen vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet werde - die Kinder lebten zwar in Österreich, seien aber schon erwachsen und hätten bereits selbst Familien - ergebe sich daraus und aus der langen Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers ein Eingriff in sein Privatleben i.S. des § 19 FrG durch das Aufenthaltsverbot. Der Eingriff sei aber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, dringend geboten und daher zulässig. Die sich dabei ergebenden Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, der nie geltend gemacht habe, mit seinen Familienangehörigen zusammenzuleben, und der hier eine Scheinehe eingegangen sei, weshalb er sich auch nicht auf die dadurch unberechtigterweise erlangten fremdenrechtlichen Vorteile berufen könne, seien jedenfalls nicht so beträchtlich wie die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde wendet sich zunächst gegen die Feststellung der belangten Behörde, die Ehe des Beschwerdeführers sei mit Urteil des Bezirksgerichtes Liesing für nichtig erklärt worden; diese sei aktenwidrig.

Auch wenn dies zutreffen mag, so ist dieser Verfahrensmangel nicht wesentlich, ergibt sich doch aus dem im angefochtenen Bescheid zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 1996, Zl. 95/19/1835, betreffend Abweisung des Aufenthaltsbewilligungsantrages des Beschwerdeführers, daß dessen Ehe mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 25. August 1993 für nichtig erklärt worden ist, und zwar deshalb, weil sie ausschließlich zwecks Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigung eingegangen worden war. Diese Tatsache aber wird in der vorliegenden Beschwerde (wie im übrigen auch in der dem vorzitierten Erkenntnis zugrunde liegenden Beschwerde) nicht in Zweifel gezogen. Es besteht demnach kein Anlaß, nicht auch im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren von der (auf § 23 Ehegesetz gestützten) Nichtigerklärung der Ehe des Beschwerdeführers aus dem besagten Grund als wesentlicher Sachverhaltsannahme auszugehen.

2. Auf dem Boden dieser Feststellung stößt die rechtliche Schlußfolgerung der belangten Behörde, es handle sich bei dieser Eheschließung auf Seiten des Beschwerdeführers um einen Rechtsmißbrauch, der als gravierende Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens) anzusehen sei und solcherart die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige, auf keine Bedenken. Gleiches gilt für die von der belangten Behörde - unter der Voraussetzung der Bejahung eines relevanten Eingriffes in das Privatleben des Beschwerdeführers durch diese Maßnahme - vertretene Ansicht, daß die Verhängung des Aufenthaltsverbotes mit Rücksicht auf den Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten und demnach gemäß § 19 FrG zulässig sei (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 28. November 1996, Zl. 96/18/0511, mwN). Diese Beurteilung trifft vorliegend umso mehr zu, als sich der Beschwerdeführer - von ihm nicht in Abrede gestellt - schon seit fast zwei Jahren unrechtmäßig in Österreich aufhält und deswegen auch bestraft wurde.

3.1. Die Beschwerde meint, daß die belangte Behörde § 20 Abs. 1 FrG unrichtig angewendet habe. Bedacht zu nehmen gewesen sei auf die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seine familiären Bindungen. Der Gesetzgeber spreche nicht davon, daß ein gemeinsamer Haushalt mit den Familienangehörigen bestehen müsse. Im Hinblick darauf, daß ein Sohn, zwei Töchter und die geschiedene Gattin des Beschwerdeführers in Österreich lebten und aufenthaltsberechtigt seien, sei der Tatbestand des § 20 Abs. 1 Z. 1 und 2 FrG erfüllt. Es lägen damit "vehemente und massive private Interessen an einem Weiterverbleib in Österreich vor". Darüber hinaus sei bemerkenswert, daß die Ehe des Beschwerdeführers im Jahr 1993 aufgelöst, fremdenrechtliche Maßnahmen aber erst 1996 gesetzt worden seien. Es hätte berücksichtigt werden müssen, daß nach Auflösung der Ehe eine weitere Integration des Beschwerdeführers in Österreich erfolgt sei. Es wäre an der belangten Behörde gelegen gewesen, fremdenrechtliche Maßnahmen zu einem Zeitpunkt zu setzen, "als diese bereits nötig waren und die Integration des Beschwerdeführers nicht so weitgehend fortgeschritten war".

3.2. Die belangte Behörde hat den langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich und die Tatsache, daß die von ihm genannten Angehörigen sowie seine geschiedene Gattin hier leben, im Rahmen der Abwägung nach § 20 Abs. 1 FrG zu seinen Gunsten berücksichtigt. Die dabei zum Ausdruck gebrachte Bedachtnahme darauf, daß die Kinder des Beschwerdeführers bereits eigene Familien hätten (die beiden Töchter) bzw. schon erwachsen seien (der Sohn) und der Beschwerdeführer mit ihnen nicht zusammenlebe, begegnet keinem Einwand, bewirken doch diese Umstände, daß in der Regel - das Vorliegen einer Ausnahme im gegenständlichen Fall wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet - die Intensität der familiären Beziehungen nachläßt. Wenngleich der Beschwerde ungeachtet dessen einzuräumen ist, daß die privaten und - anders als die belangte Behörde meint auch die - familiären Interessen des Beschwerdeführers ein beachtliches Gewicht aufweisen, so wiegen sie doch nicht schwerer als das gegenläufige öffentliche Interesse. Dem Interesse der Allgemeinheit an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens (an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten) kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 24. Oktober 1996, Zl. 96/10/0435 mwN). Dieses Interesse wurde vom Beschwerdeführer in ganz erheblicher Weise beeinträchtigt: Sein Gesamtverhalten - Eingehung einer Ehe bloß zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen; viele Monate dauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, den er auch nach deswegen erfolgter Bestrafung fortgesetzt hat - zeigt mit aller Deutlichkeit seine Neigung, sich über für ihn maßgebliche österreichische Rechtsvorschriften hinwegzusetzen. Das darin begründete öffentliche Interesse an der Ausreise des Beschwerdeführers wird durch die Tatsache, daß seine Ehe bereits vor mehr als drei Jahren für nichtig erklärt wurde, deshalb nicht geschmälert, weil - abgesehen davon, daß dieser Zeitraum im gegebenen Zusammenhang keineswegs als lang zu werten ist - sein mit der rechtsmißbräuchlichen Eheschließung begonnenes, gegen das Schutzgut öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gerichtetes Fehlverhalten mit dem nun schon fast zwei Jahre dauernden unerlaubten Aufenthalt gleichsam nahtlos fortgesetzt wurde. Dem kann eine seit Nichtigerklärung der Ehe "fortgeschrittene" Integration des Beschwerdeführers nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, hätte doch eine aus einem überwiegend unrechtmäßigen Aufenthalt resultierende Integration nur untergeordnete Bedeutung.

Im Lichte der vorstehenden Ausführungen ist die Ansicht der belangten Behörde, daß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer auch im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG zulässig sei, nicht als rechtsirrig zu erkennen.

4. Die Beschwerdemeinung, daß die Behörde im vorliegenden Fall mit einer Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 FrG vorzugehen gehabt hätte, "da dies ein gelinderes Mittel darstellt, als dies das Aufenthaltsverbot ist", übersieht, daß sich das Fehlverhalten des Beschwerdeführers nicht im unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich erschöpft, sondern auch den mehrfach erwähnten Rechtsmißbrauch zum Gegenstand hat. Allein schon die in der rechtsmißbräuchlichen Schließung der Ehe gelegene Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens aber läßt - wie dargetan - die Auffassung der belangten Behörde, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung i.S. des § 18 Abs. 1 FrG gefährde, zutreffend erscheinen. Demnach hatte sie ein Aufenthaltsverbot zu erlassen. Für ein "gelinderes Mittel" war kein Raum.

5. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997180036.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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