TE Vwgh Erkenntnis 1988/3/28 87/10/0151

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Veröffentlicht am 28.03.1988
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Index

Naturschutz Landschaftsschutz Umweltschutz
L55002 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Kärnten
L55003 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Niederösterreich
L55004 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Oberösterreich
L55008 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Vorarlberg
L55053 Nationalpark Biosphärenpark Niederösterreich
L55302 Geländefahrzeuge Motorschlitten Kärnten
L80008 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Vorarlberg
L81518 Umweltanwalt Vorarlberg
L82000 Bauordnung
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
50/01 Gewerbeordnung

Norm

AVG §59 Abs1
BauRallg
B-VG Art130 Abs2
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art49 Abs1
GewO 1973 §72 Abs2
LSchG Vlbg 1982 §3 Abs5
NatSchG Krnt 1986 §5 Abs1 liti
NatSchG NÖ 1977 §4
NatSchG OÖ 1982 §4 Abs1 Z2
RPG Vlbg 1973 §16 Abs3
RPG Vlbg 1973 §20 Abs1
RPG Vlbg 1973 §28 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Waldner und Dr. Sittenthaler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde der I KG in H, vertreten durch Dr. Reinhold Moosbrugger, Rechtsanwalt in Dornbirn, Grabenweg 3a, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 10. August 1987, Zl. IVe-223/42, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Vorarlberger Landschaftsschutzgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 30. Jänner 1985 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 lit. f in Verbindung mit § 10 des Vorarlberger Landschaftsschutzgesetzes, LGBl. Nr. 1/1982 (im folgenden kurz: LSchG) die Bewilligung für die Errichtung einer Doppelsesselbahn nach Maßgabe der Plan- und Beschreibungsunterlagen versagt.

In der Begründung führte die Behörde erster Instanz zunächst unter Hinweis auf § 20 Abs. 1 des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes - RPG (LGBl. Nr. 15/1973) aus, die geplante Doppelsesselbahn befinde sich laut Flächenwidmungsplan der Gemeinde M. in der Freifläche „Landwirtschaftsgebiet“. Nach § 16 Abs. 3 RPG dürften in Landwirtschaftsgebieten nur Anlagen für land- und forstwirtschaftliche Zwecke errichtet werden. Die Errichtung der geplanten Bahn würde somit dem Flächenwidmungsplan widersprechen, sodaß schon aus diesem Grund die beantragte Bewilligung nicht erteilt hätte werden können. Ganz abgesehen davon dürfe gemäß § 10 Abs. 1 LSchG eine Bewilligung nur erteilt werden, wenn Gewähr bestehe, daß Interessen des Landschaftsschutzes nicht verletzt werden. Aufgrund von darauf und auf § 10 Abs. 2 LSchG (wonach eine Bewilligung dennoch erteilt werden kann, wenn andere öffentliche Interessen überwiegen) Bezug nehmenden (näher dargelegten) Gründen kam die Erstbehörde zum Schluß, daß nur private, nicht aber öffentliche Interessen für den Bau des Liftes gegeben seien; selbst wenn also die (entsprechende) Flächenwidmung gegeben wäre, hätte die Erteilung der landschaftsschutzbehördlichen Bewilligung aus den näher angeführten Gründen versagt werden müssen.

Der dagegen erhobenen Berufung, in der sich die Beschwerdeführerin u.a. gegen eine auf § 20 Abs. 1 RPG gestützte Versagung der angestrebten Bewilligung aussprach, gab die Vorarlberger Landesregierung (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 10. August 1987 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit den §§ 3 Abs. 1 lit. f und 10 Abs. 2 LSchG keine Folge. In der Begründung dieses Bescheides befaßte sie sich mit der Frage der Bewilligungsfähigkeit des Projektes nach der Vorschrift des § 10 LSchG, verneinte diese und ging auf die Frage der Bewilligungsfähigkeit im Zusammenhang mit § 20 Abs. 1 RPG nicht ein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Mit Beschluß vom 8. Februar 1988 hat der Verwaltungsgerichtshof den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens Gelegenheit gegeben, zur Frage Stellung zu nehmen, ob im Hinblick auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides die angestrebte Bewilligung schon im Grunde des § 20 Abs. 1 RPG nicht habe erteilt werden können, zumal eine Änderung der Sach- und Rechtslage nach der Aktenlage bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht eingetreten sei; die Beschwerde könne sich schon deshalb als unbegründet erweisen, ohne daß in die Frage einzugehen wäre, ob die Versagung (auch) auf § 10 LSchG gestützt hätte werden können. Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens haben zu diesem Beschluß eine Stellungnahme abgegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. den Beschluß vom 8. April 1986, Zl. 86/14/0032) vermag lediglich der die Rechte der Partei gestaltende oder feststellende Teil des Bescheides, nämlich sein Spruch, eine Rechtsverletzung bewirken; nur wenn der Spruch Rechte des Beschwerdeführers verletzt, kann dies zur Aufhebung des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit führen.

Die vorliegende Beschwerde wird daher - ohne daß untersucht zu werden braucht, ob der angefochtene Bescheid auf in der Vorschrift des § 10 LSchG gelegene Gründe gestützt werden konnte - als unbegründet abzuweisen sein, wenn die von der Beschwerdeführerin angestrebte Bewilligung wegen Verstoßes gegen § 20 Abs. 1 RPG nicht zu erteilen war.

Gemäß § 20 Abs. 1 RPG dürfen Bescheide aufgrund von Landesgesetzen, soweit sich aufgrund des betreffenden Landesgesetzes nichts anderes ergibt, dem Flächenwidmungsplan nicht widersprechen. Entgegen dieser Bestimmung erlassene Bescheide sind gemäß § 20 Abs. 1 leg.cit. mit Nichtigkeit bedroht.

Außer Streit steht, daß die geplante Doppelsesselbahn auf Grundflächen errichtet werden soll, welche die Flächenwidmung „Landwirtschaftsgebiet“ tragen. Nach § 16 Abs. 3 RPG dürfen auf so gewidmeten Flächen Gebäude und Anlagen für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke und Zuerwerbe einschließlich der dazugehörenden Wohnräume und Wohngebäude errichtet werden. Jegliche anders geartete Verbauung (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1985, Zl. 83/06/0213), sohin auch die in Rede stehende Errichtung des Doppelsesselliftes, widerspricht dieser Flächenwidmung.

Was den normativen Gehalt des § 20 Abs. 1 RPG anlangt, so kann dahinstehen, ob - wie die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme vom 10. März 1988 ausführt - im Flächenwidmungsplan allein eine baurechtliche Vorschrift zu sehen ist, weil es dem Gesetzgeber nämlich nicht verwehrt ist, nicht nur in baurechtlichen Vorschriften (nämlich im Vorarlberger Baugesetz, LGBl. Nr. 39/1972), sondern auch im Landschaftsschutzgesetz an den Flächenwidmungsplan als ein bei der Bescheiderlassung rechtserhebliches Sachverhaltselement anzuknüpfen und - wie die belangte Behörde zutreffend vermerkt - dem Flächenwidmungsplan „Tatbestandswirkung“ zuzuerkennen. Eine solche Vorgangsweise erscheint dem Verwaltungsgerichtshof verfassungsrechtlich unbedenklich und ist im übrigen keine Besonderheit des RPG, sondern wurde etwa auch im LSchG (vgl. § 3 Abs. 5) gewählt. Sollten sich aus der im eigenen Wirkungsbereich zu vollziehenden Planung durch die Gemeinde - wie die belangte Behörde meint - „Koordinationsschwierigkeiten“ ergeben, so wäre dies nur eine Folge des dargestellten normativen Gehaltes des § 20 Abs. 1 RPG. Daß der Gesetzgeber bei der Beschlußfassung des § 20 Abs. 1 RPG als „Landesgesetze“ nicht allein baurechtliche Vorschriften verstanden hatte, ergibt sich schon aus dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung, die sich von § 28 Abs. 1 leg.cit., wonach Bescheide auf Grund des „Baugesetzes“ einem Bebauungsplan nicht widersprechen dürfen, insoweit klar unterscheidet (vgl. im übrigen dazu auch die Regierungsvorlage zum RPG, 10. Beilage im Jahre 1972 zu den Sitzungsberichten des XXI. Vorarlberger Landtages, zum vorgesehenen § 17 Abs. 1 - jetzt § 20 Abs. 1 -, in welcher ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, daß dies „etwa bei Bewilligungen auf Grund des Baugesetzes, des Grundverkehrsgesetzes und des Naturschutzgesetzes ... eine Rolle spielen“ werde, wogegen zum vorgesehenen § 25 - jetzt § 28 - ausgeführt wurde: „Im einzelnen wirkt sich der Bebauungsplan bei der Erteilung von Baubewilligungen nach dem Baugesetz aus“).

Die Beschwerdeführerin bringt zum hg. Beschluß vom 8. Februar 1988 im wesentlichen vor, die Forderung des § 20 Abs. 1 RPG sei erfüllt, wenn die Bewilligung zur Errichtung der fraglichen Anlage unter der „Bedingung“ erteilt werde, daß vor Durchführung des Vorhabens noch eine Umwidmung der betreffenden Flächen in „Sondergebiet“ erfolge. Der Umstand, daß die von der Planung der Doppelsesselbahn tangierten Grundflächen bisher noch nicht umgewidmet worden seien, hätte ohne weiteres im angefochtenen Bescheid als Nebenbestimmung (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juli 1964, Slg. Nr. 6400/A) berücksichtigt werden können. Die Gemeindevertretung M. habe zwar in der Sitzung vom 12. Dezember 1986 die Änderung des Flächenwidmungsplanes beschlossen und der Landesregierung gemäß § 19 RPG zur Genehmigung vorgelegt, diese habe jedoch bisher darüber nicht abgesprochen.

Damit übersieht die Beschwerdeführerin, daß die belangte Behörde bei der in Rede stehenden Erledigung die Sach- und Rechtslage zur Zeit der Erlassung des angefochtenen Bescheides zu beachten hatte. Für die der Beschwerdeführerin vorschwebende Erteilung einer Bewilligung unter der von ihr angeführten Bedingung fehlt die Rechtsgrundlage (vgl. Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Auflage, S. 510, wonach jedenfalls bei gebundenen Entscheidungen - wie der vorliegenden - die Aufnahme von Nebenbestimmungen dem Legalitätsgebot unterliegt und die Beisetzung von solchen nur zulässig ist, wenn sie im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist).

Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 28. März 1988

Schlagworte

Auslegung Diverses VwRallg3/5 Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein Planung Widmung BauRallg3 Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4 Spruch und Begründung Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Allgemein VwRallg10/1 Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1988:1987100151.X00

Im RIS seit

20.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.08.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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