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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §34Leitsatz
Zurückweisung von Anträgen auf Wiederaufnahme der Verfahren mangels Vorliegen eines WiederaufnahmegrundesSpruch
Die Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit Berufungsbescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 23. August 1994 wurde jeweils der Berufung der Antragstellerinnen - einer türkischen Staatsangehörigen und ihrer minderjährigen Töchter - gegen die Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I., mit denen ein befristetes Aufenthaltsverbot bzw. die Ausweisung ausgesprochen worden war, keine Folge gegeben und es wurden die angefochtenen Bescheide bestätigt. Die dagegen an den Verfassungsgerichtshof erhobenen und zu B 2070-2072/94 protokollierten Beschwerden wies der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 28. Februar 1995 als verspätet zurück.
2. Mit dem vorliegenden, am 22. Mai 1995 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz begehren die Antragstellerinnen die Wiederaufnahme dieser Beschwerdeverfahren mit der Begründung, daß in den Beschwerden aufgrund eines in der Sphäre des Rechtsvertreters der Antragstellerinnen gelegenen Versehens das Zustelldatum der bekämpften Bescheide unrichtig bezeichnet worden sei; diese Bescheide seien nämlich nicht wie angegeben am 25., sondern vielmehr erst am 30. August 1994 zugestellt worden, sodaß die Beschwerden rechtzeitig beim Verfassungsgerichtshof eingebracht worden seien. Weiters wird ausgeführt:
"Nach der Rechtsprechung des VfGH (VfSlg. 2614) bedeutet die Anordnung 'sinngemäße Anwendung' aber nicht und kann nicht bedeuten, daß die Normen der ZPO jedesmal, falls das zur Regelung des Verfahrens vor dem VfGH in erster Linie berufene VfGG keine Sondervorschriften enthält, heranzuziehen sind; sie sind nur dann heranzuziehen, wenn die sachlichen Voraussetzungen für ihre Anwendung mit denen der ZPO parallel laufen.
Dies bedeutet, daß auch, sofern die Sachlage ähnlich gelagert ist, das VwGG Anwendung finden kann. Die Sachlage im hier genannten Fall entspricht genau jener, welche dem Gesetzgeber bei Kreierung des §45 Z. 2 VwGG vorschwebte. Jemand bringt eine Beschwerde gegen einen Bescheid ein und bezeichnet das Zustelldatum des Bescheides falsch.
Aufgrund derselben Fallkonstellation ist kein Grund ersichtlich, warum im gegenständlichen Fall nicht das VwGG sinngemäß anzuwenden ist."
In einem weiteren, beim Verfassungsgerichtshof am 7. Juni 1995 eingelangten Schriftsatz machen die Antragstellerinnen neben dem Wiederaufnahmsgrund des §45 Z2 VwGG noch den des §45 Z4 VwGG geltend und begründen dies damit, daß ihnen "bezüglich der irrtümlichen Annahme der Fristversäumung das Parteiengehör nicht eingeräumt" worden und daß anzunehmen sei, daß bei Einräumung desselben der Beschluß vom 28. Februar 1995 "anders gelautet hätte".
II. Die Wiederaufnahmsanträge sind nicht zulässig.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gelten für die Wiederaufnahme eines Verfahrens in den Fällen des Art144 B-VG, da §34 VerfGG 1953 eine nähere Regelung nicht enthält, nach §35 VerfGG 1953 sinngemäß die Bestimmungen der ZPO (§§530 ff). Der Verfassungsgerichtshof hat daher bei der Entscheidung über die vorliegenden Anträge auch die Bestimmung des §538 Abs1 ZPO über das Vorprüfungsverfahren sinngemäß anzuwenden, wonach eine (Wiederaufnahms-)Klage insbesondere dann zurückzuweisen ist, wenn sie nicht auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe gestützt ist (VfSlg. 11313/1987, 12993/1992).
Gemäß dem hier allein in Frage kommenden §530 Abs1 Z7 ZPO iVm. §35 Abs1 VerfGG 1953 - eine sinngemäße Anwendung des VwGG, wie sie der Beschwerde vorschwebt, ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen - ist Voraussetzung für die Zulässigkeit der Wiederaufnahmsklage das Hervorkommen von neuen Tatsachen oder Beweismitteln, deren Vorbringen und Benutzung im früheren Verfahren für die Partei eine günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Im vorliegenden Fall kann jedoch nicht von neuen Tatsachen und Beweismitteln gesprochen werden: Das Zustelldatum der angefochtenen Bescheide war nämlich zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung den Beschwerdeführerinnen und ihrem Rechtsvertreter bekannt und stellt somit keinesfalls eine neu hervorgekommene Tatsache oder ein neu hervorgekommenes Beweismittel dar (s. VfSlg. 11267/1987).
Daher waren die Wiederaufnahmsanträge schon mangels Vorliegen eines Wiederaufnahmsgrundes gemäß §538 Abs1 ZPO iVm. §530 Abs1 ZPO und den §§34 f VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / WiederaufnahmeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:B1568.1995Dokumentnummer
JFT_10049387_95B01568_00