Entscheidungsdatum
03.03.2021Norm
AsylG 2005 §13 Abs1Spruch
I417 2215313-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Friedrich Johannes ZANIER über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX alias XXXX ), geb. XXXX (alias XXXX alias XXXX ), StA. Angola, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.02.2019, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt IV. stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.
III. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Angolas, stellte erstmals am 01.12.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen er im Wesentlichen mit einer politischen Verfolgung begründete, da er sich in der Opposition betätigt habe und sich als Wahlhelfer in der Provinz M‘Banza Kongo geweigert habe, an einer Wahlfälschung mitzuwirken. Aus diesem Grund sei gegen ihn ein Haftbefehl erlassen worden und sei er bereits einmal aus dem Gefängnis geflohen.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 22.06.2018 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Zudem wurde ihm kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Angola zulässig ist. Des Weiteren wurde ihm eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gewährt und festgestellt, dass er das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 10.01.2018 verloren hat. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.
3. Am 10.12.2018 stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Zu den Gründen seiner neuerlichen Antragstellung gab der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, er habe bei seinem ersten Asylantrag bezüglich seiner Fluchtgründe die Wahrheit gesagt und seien dieselben Gründe nach wie vor aufrecht. Die österreichischen Behörden hätten ihm allerdings nicht geglaubt, weshalb er erneut um Asyl ansuche, um diese Gründe genauer erklären zu können.
4. Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde gemäß § 29 Abs. 3 und § 15a AsylG wurde dem Beschwerdeführer am 17.12.2018 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
5. In der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 09.01.2019 gab der Beschwerdeführer befragt zu den Gründen für die neuerliche Antragstellung zu Protokoll, er könne nicht in seine Heimat zurückkehren und sei sein Leben in Angola in Gefahr, da er dort nicht als Angolaner betrachtet werde. Er sei zwar in Angola geboren, aber mit neun Monaten mit seinen Eltern aufgrund des Krieges in den Kongo geflohen. Daher befürchte er im Falle seiner Rückkehr wie ein Kongolese behandelt zu werden und aufgrund des bestehenden Haftbefehls aus dem Jahr 2016 eingesperrt zu werden.
6. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 11.02.2019 wies die belangte Behörde den Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und wurde festgestellt, dass er das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 10.01.2018 verloren hat (Spruchpunkt IV.)
7. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seiner damals ausgewiesenen Rechtsberatung vom 25.02.2019 das Rechtsmittel der Beschwerde und monierte inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für den Beschwerdeführer günstigerer Bescheid erzielt worden wäre. Zudem beantragte er die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.
8. In weiterer Folge legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Angola, Angehöriger der Volksgruppe der Bakongo und bekennt sich zum christlichen Glauben. Seine Identität steht nicht fest.
Am 10.01.2018 wurde gegen den Beschwerdeführer wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen Anklage erhoben. In weiterer Folge wurde das Strafverfahren am Bezirksgericht XXXX zu XXXX diversionell erledigt und gemäß § 203 Abs. 4 StPO iVm § 199 StPO eingestellt.
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer stellte am 01.12.2017 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 22.06.2018 als unbegründet abgewiesen wurde. Diesen Antrag begründete er im Wesentlichen damit, dass er aufgrund eines Haftbefehls in Angola gesucht werde und bei einer Rückkehr eingesperrt werden würde.
Am 10.12.2018 stellte er den gegenständlichen ersten Folgeantrag, jedoch wurden keine neuen Fluchtgründe vorgebracht und hat sich die individuelle Situation für den Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat nicht in einem Umfang verändert, dass von einer wesentlichen Änderung des Sachverhalts auszugehen ist. Der Beschwerdeführer behauptete insbesondere nicht, dass es seit dem rechtskräftigen Abschluss des Vorverfahrens zu neuerlichen Vorfällen im Herkunftsstaat gekommen sei, welche im Zusammenhang mit seinem Fluchtvorbringen stehen würden.
Es liegt daher keine Änderung der Sachlage zwischen der Rechtskraft des Bescheides der belangten Behörde vom 22.06.2018 und der Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides vom 11.02.2019 vor. Auch in Bezug auf die Situation in Angola war keine wesentliche Änderung eingetreten, ebenso wenig liegt eine Änderung der Rechtslage vor.
Hinsichtlich der Sicherheitslage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind zwischen dem Bescheid vom 22.06.2018 und dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11.02.2019 ebenso keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde das zum damaligen Zeitpunkt aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Angola vollständig zitiert und sind auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens keine etwaigen Änderungen bekannt geworden.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz.
Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.
Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, insbesondere zu seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppen- und Glaubenszugehörigkeit ergeben sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen sowie im vorangegangenen Asylverfahren. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.
Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegte, steht seine Identität nicht fest.
Die Feststellung zur Anklageerhebung gründet auf der „Verständigung der Behörde von der Anklageerhebung“ der Staatsanwaltschaft XXXX datiert mit 10.01.2018, welche auf Seite 81 des vorgelegten Verwaltungsakts der belangten Behörde zum vorausgegangenen Asylverfahren enthalten war. Demgegenüber gründet die Feststellung zur diversionellen Erledigung des Strafverfahrens auf dem am 26.02.2021 beim erkennenden Gericht eingelangten Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 16.04.2020 zu XXXX (OZ 10).
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.
Die Feststellungen zu seinem erstmaligen Antrag auf Asyl wurden den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten samt rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 22.06.2018 entnommen.
Im gegenständlichen Folgeverfahren bringt der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahmen im Wesentlichen vor, dass er im Erstverfahren bezüglich seiner Fluchtgründe die Wahrheit gesagt habe und diese Gründe nach wie vor aufrecht seien: Einerseits bestehe gegen ihn ein Haftbefehl, andererseits werde er in Angola als Kongolese behandelt.
Der Beschwerdeführer stützte sich somit in Hinblick auf das Vorbringen zum bestehenden Haftbefehl auf die bereits im Vorverfahren behaupteten Fluchtgründe, welche somit keine wesentlichen Änderungen der Sach- und Rechtslage im Bereich des Asylrechts zu bewirken vermögen.
Der Beschwerdeführer brachte weiters vor, er werde in Angola wie ein Kongolese behandelt. Dahingehend wurde in der eingebrachten Beschwerde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer der Minderheit der Bakongo angehöre und die Situation dieser Volksgruppe in Angola von der belangten Behörde in ihren Ermittlungen völlig außer Acht gelassen worden sei.
Dahingehend unterlässt der Beschwerdeführer es jedoch aufzuzeigen, inwiefern sich seit Erlassung des Bescheides der belangten Behörde am 22.06.2018 wesentliche Änderungen ergeben hätten. Im rechtskräftigen Bescheid der belangten Behörde vom 22.06.2018 wurde bereits die Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers zu den Bakongo festgestellt, sodass sich der Beschwerdeführer wiederum auf solche Umstände stützt, welche bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben.
Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher – wie schon die belangte Behörde - zum Schluss, dass der Beschwerdeführer in seinem verfahrensgegenständlichen zweiten Asylverfahren keine entscheidungsrelevanten neuen Fluchtgründe vorbrachte bzw. seine Gründe nicht dazu geeignet sind, eine wesentliche Änderung des Sachverhalts aufzuzeigen. Außerdem erstattete der Beschwerdeführer kein Vorbringen zu einer allenfalls geänderten Rechtslage im Bereich des Asyl- und Fremdenrechts.
Im gegenständlichen Fall ergaben sich weder eine maßgebliche Änderung in Bezug auf die den Beschwerdeführer betreffende Sicherheitslage im Herkunftsstaat, noch in sonstigen, in seiner Person gelegenen Umständen. In Bezug auf die individuelle Lage des Beschwerdeführers im Fall einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat kann keine maßgeblich andere Situation, dies in Bezug auf jenen Zeitpunkt, in dem zuletzt über seinen Antrag auf internationalen Schutz inhaltlich entschieden wurde, festgestellt werden. Auch wurde eine solche nicht substantiiert behauptet und ergibt sich nicht aus den vorliegenden Behördenakten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache (Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides):
Da die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung dieses Antrages, nicht aber der Antrag selbst.
Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (VwGH 21.03.1985, 83/06/0023, ua). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nichts anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl z.B. VwGH 27.09.2000, 98/12/0057; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd I, 2. Aufl. 1998, E 80 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).
Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (vgl. VwGH 08.09.1977, 2609/76).
Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben (nochmals) zu überprüfen. Die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH 19.09.2013, 2011/01/0187; VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235; VwGH 15.10.1999, 96/21/0097). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerseits den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; und die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I., 2. Aufl. 1998, E 90 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).
Ist davon auszugehen, dass ein Asylwerber einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz auf behauptete Tatsachen stützt, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die dieser jedoch nicht bereits im ersten Verfahren vorgebracht hat, liegt schon aus diesem Grund keine Sachverhaltsänderung vor und ist der weitere Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl. VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391; VwGH 24.08.2004; 2003/01/0431; VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315; VwGH 24.02.2000, 99/20/0173; VwGH 21.10.1999, 98/20/0467).
Ist Sache der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, darf sie demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist oder nicht, und hat dementsprechend - bei einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache - entweder (im Falle des Vorliegens entschiedener Sache) das Rechtsmittel abzuweisen oder (im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (vgl. VwGH 30.05.1995, 93/08/0207).
Bei Folgeanträgen sind die Asylbehörden auch dafür zuständig, mögliche Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus des Antragstellers einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 15.05.2012, 2012/18/0041).
Für das Bundesverwaltungsgericht ist daher Sache des gegenständlichen Verfahrens die Frage, ob die belangte Behörde den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.
Die Anwendbarkeit des § 68 AVG setzt gemäß Abs. 1 das Vorliegen eines der "Berufung" nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides, dh eines Bescheides, der mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht (mehr) bekämpft werden kann, voraus. Diese Voraussetzung ist hier gegeben, da der Bescheid der belangten Behörde vom 22.06.2018 zum vorangegangenen Asylverfahren in formelle Rechtskraft erwachsen ist.
Die belangte Behörde hat - wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung näher ausgeführt - völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass entschiedene Sache vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Auffassung der belangten Behörde an, dass die Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren nicht dazu geeignet sind, eine neue inhaltliche Entscheidung zu bewirken und dass darin kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden kann. Dies deswegen, da der Beschwerdeführer im gegenständlichen Folgeverfahren keinerlei neue Fluchtgründe vorbrachte.
Auch im Hinblick auf Art 3 EMRK ist nicht erkennbar, dass die Rückführung des Beschwerdeführers nach Angola zu einem unzulässigen Eingriff führen würde und er bei einer Rückkehr in eine Situation geraten würde, die eine Verletzung von Art 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder ihm jedwede Lebensgrundlage fehlen würde. Auch hier ergaben sich keine Sachverhaltsänderungen.
Da insgesamt weder in der maßgeblichen Sachlage und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden konnte.
Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache war daher rechtmäßig, weshalb die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. abzuweisen ist.
3.2. Zum Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 58 Abs. 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 („Aufenthaltstitel besonderer Schutz“) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5).
Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde unter Zitierung des § 57 AsylG ausgesprochen hat, dass ein „Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich jedoch unzweifelhaft, dass die belangte Behörde tatsächlich rechtsrichtig über eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG abgesprochen und eine solche nicht erteilt hat.
Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG („Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr iSd § 46 Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch wurde er Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG.
Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zum Verlust des Aufenthaltsrechts (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 13 Abs. 1 AsylG ist ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Verlust des Aufenthaltsrechtes (Abs. 2) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt.
Gemäß § 13 Abs. 2 AsylG verliert ein Asylwerber sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet, wenn
1. dieser straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3),
2. gegen den Asylwerber wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann, eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft eingebracht worden ist,
3. gegen den Asylwerber Untersuchungshaft verhängt wurde (§§ 173 ff StPO, BGBl. Nr. 631/1975) oder
4. der Asylwerber bei der Begehung eines Verbrechens (§ 17 StGB) auf frischer Tat betreten worden ist.
Der Verlust des Aufenthaltsrechtes ist dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Wird ein Asylwerber in den Fällen der Z 2 bis 4 freigesprochen, tritt die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Straftat zurück (§§ 198 ff StPO) oder wird das Strafverfahren eingestellt, lebt sein Aufenthaltsrecht rückwirkend mit dem Tage des Verlustes wieder auf.
Hat ein Asylwerber sein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Abs. 2 verloren, kommt ihm faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu (§ 13 Abs. 3 AsylG).
Gemäß § 13 Abs. 4 AsylG hat das Bundesamt im verfahrensabschließenden Bescheid über den Verlust des Aufenthaltsrechtes eines Asylwerbers abzusprechen.
Der Verlust des Aufenthaltsrechts in den in § 13 Abs. 2 AsylG 2005 genannten Fällen tritt ex lege ein (vgl. VwGH 15.3.2018, Ra 2018/21/0018). Der Verlust des Aufenthaltsrechts ist nach dem zweiten Satz des Abs. 2 dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung mitzuteilen. Das BFA hat gemäß § 13 Abs. 4 AsylG 2005 über den Verlust des Aufenthaltsrechts dann im verfahrensabschließenden Bescheid (deklarativ) abzusprechen. Nach den Materialien soll damit ein etwaiges Rechtschutzdefizit vermieden werden (vgl. VwGH 10.09.2020, Ro 2019/20/0006).
Gegen den Beschwerdeführer wurde am 10.01.2018 durch die Staatsanwaltschaft XXXX Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen erhoben, weshalb die belangte Behörde im gegenständlich angefochtenen Bescheid den Verlust seines Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet gemäß § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG ab dem 10.01.2018 ausgesprochen hat.
Mangels einer anschließenden Verurteilung des Beschwerdeführers bzw. aufgrund der beschlussmäßig ausgesprochenen Einstellung des Strafverfahrens lebt sein Aufenthaltsrecht gemäß § 13 Abs. 2 AsylG - trotz des deklarativen Ausspruches des Verlustes seines Aufenthaltsrechts im rechtskräftigen Bescheid der belangten Behörde vom 22.06.2018 – ex lege rückwirkend mit dem Tage des Verlustes wieder auf.
Da somit die Voraussetzungen nach § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt des erkennenden Gerichtes nicht gegeben sind, war der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dieser Spruchpunkt aufzuheben.
4. Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:
In der Beschwerde wurde vom Beschwerdeführer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Dabei wird übersehen, dass § 17 BFA-VG - anders als § 13 Abs. 3 und 4 und § 22 Abs. 1 und 3 VwGVG sowie § 30 Abs. 2 VwGG (vgl. VwGH 16.03.2016, Ra 2016/21/0081) - keine Rechtsgrundlage für einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung darstellt: Neben dem Rechtsschutz der amtswegigen Prüfung im Beschwerdeverfahren ist ein eigenes Provisorialverfahren betreffend eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 17 BFA-VG gesetzlich nicht vorgesehen. Es kann dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, er habe im Hinblick auf die Frage der aufschiebenden Wirkung einen doppelgleisigen Rechtsschutz schaffen wollen. Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 17 BFA-VG, wie ihn der Beschwerdeführer vorliegend in der Beschwerde gestellt hat, ist somit unzulässig. Das Bundesverwaltungsgericht ist verpflichtet, über einen unzulässigen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung in Form einer Zurückweisung zu entscheiden (VwGH 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).
5. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen sieht § 21 Abs. 6a BFA-VG vor, dass das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren – eine solche liegt gegenständlich vor – ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden kann.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2).
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin unterbleiben.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Asylverfahren Aufenthalt im Bundesgebiet Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltsrecht Aufenthaltstitel aufschiebende Wirkung berücksichtigungswürdige Gründe entschiedene Sache ersatzlose Teilbehebung Folgeantrag Identität der Sache Kassation Rechtsgrundlage Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung res iudicata Spruchpunktbehebung subsidiärer Schutz unzulässiger Antrag Voraussetzungen ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I417.2215313.1.00Im RIS seit
24.06.2021Zuletzt aktualisiert am
24.06.2021