TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/16 I411 2227798-2

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Veröffentlicht am 16.03.2021
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Entscheidungsdatum

16.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I411 2227798-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Robert POLLANZ über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU GmbH), Leopold-Moses-Gasse 4 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Niederösterreich vom XXXX 2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text



Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin stellte nach illegaler Einreise am XXXX .2016 den Antrag, ihr in Österreich internationalen Schutz zu gewähren.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2016 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien für die Prüfung des Antrages gemäß Artikel 18 Abs. 1 lit. b der Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.). Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX .2016, GZ: XXXX , als unbegründet abgewiesen. Die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

3. Die Beschwerdeführerin verblieb im Bundesgebiet und stellte am XXXX .2019 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesamt mit Bescheid vom XXXX .2019, Zl. XXXX , abwies. Die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX .2020) vom XXXX .2020, GZ: XXXX , mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise auf drei Monate verlängert wird.

4. Am XXXX .2020 stellte die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 Abs 2 AsylG. In Ihrem Antrag gab sie zu ihrer Integration an, seit 2016 durchgängig im Bundesgebiet aufhältig zu sein, ein Zertifikat A1 zu besitzen sowie sich derzeit in Prüfungsvorbereitung für A2 bzw. B1 zu befinden und seit XXXX .2019 mit einem österreichischen Staatsangehörigen verheiratet zu sein.

5. Mit Schreiben vom XXXX .2020 teilte das Bundesamt der Beschwerdeführerin mit, dass beabsichtigt sei, ihren Antrag als unzulässig zurückzuweisen und sie die Möglichkeit habe, innerhalb von 2 Wochen ab Erhalt dieses Schriftsatzes eine Stellungnahme einzubringen.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX .2021 wurde dieser Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG nach § 58 Abs 10 AsylG als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Zugleich wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Das Bundesamt begründete seine Entscheidung damit, dass gegen die Beschwerdeführerin bereits eine Rückkehrentscheidung erlassen worden sei und aus ihrem Antragsvorbringen kein maßgeblich veränderter Sachverhalt im Hinblick auf das Privat und Familienleben hervorgehe.

7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die erhobene Beschwerde vom XXXX .2021, in welcher vorgebracht wird, dass das Ermittlungsverfahren der Behörde mangelhaft gewesen sei, da diese ihrer Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung des maßgebenden Sachverhalts nicht nachgekommen sei. Die Beschwerdeführerin hätte in einer mündlichen Einvernahme ihre fortgeschrittenen Deutschkenntnisse unter Beweis stellen können. Auch hätte sie darstellen können, dass ihr Privat und Familienleben sich weiter intensiviert habe. Im Rahmen der Ermittlungspflicht wäre die Behörde verpflichtet gewesen, die Beschwerdeführerin zu laden und zu den Umständen im Hinblick auf das Privat und Familienleben befragen müssen. Es sei als maßgebliche Veränderung zu sehen, dass die Beschwerdeführerin nunmehr fast 5 Jahre im Bundesgebiet und seit 2018 bei ihrem Ehegatten aufhältig sei.

8. Mit Schriftsatz vom XXXX .2021 legte das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die strafrechtlich unbescholtene Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Nigerias. Ihre Identität steht fest. Sie ist volljährig, Angehörige der Volksgruppe Benin und stammt aus Benin City. Sie bekennt sich zum christlichen Glauben. Ihr Vater ist verstorben, ihre Mutter und eine etwa 19-jährige Schwester leben noch in Nigeria. Die Beschwerdeführerin besuchte etwa sechs Jahre lang die Schule und verfügt über keine Berufsausbildung. Sie hat noch Kontakte nach Nigeria.

Sie hält sich mindestens seit dem XXXX .2016 in Österreich auf und heiratete am XXXX .2019 einen österreichischen Staatsbürger, den sie im Dezember 2018 über das Internet kennengelernt hatte. Seit der Eheschließung besteht ein gemeinsamer Wohnsitz und ihr Ehemann kommt für den Unterhalt der Beschwerdeführerin auf.

Es besteht ein aufrechtes Familienleben und die Beschwerdeführerin ist in der Familie ihres Mannes gut integriert. Sie hat auch eine enge Beziehung zu den zwei Söhnen ihres Ehemannes aus einer früheren Beziehung. Sie spricht Deutsch auf Niveau A1.

Die Beschwerdeführerin ist trotz der gegen sie seit XXXX .2020 bestehenden Rückkehrentscheidung ihrer Ausreiseverpflichtung aus Österreich nicht nachgekommen.

1.2. Zur Änderung des Sachverhalts seit der Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes am XXXX .2020:

Aus dem begründeten Antragsvorbringen der Beschwerdeführerin geht im Vergleich zur rezenten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung vom XXXX .2020 ein im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung erforderlich machen würde, nicht hervor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz.

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes, des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie des Aktes zum vorangegangenen Asylverfahren.

2.2 Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin ergeben sich aus dem angefochtenen Bescheid sowie dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX .2020, GZ: XXXX .

Die Identität der Beschwerdeführerin steht aufgrund des vorgelegten Reisepasses, welcher am XXXX .2019 von der nigerianischen Botschaft in Wien ausgestellt wurde, fest.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus dem Auszug aus dem Strafregister vom XXXX .2021.

Dass gegen die Beschwerdeführerin eine aufrechte Rückkehrentscheidung besteht, ergibt sich aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX .2020, GZ: XXXX . Da sie laut Auszug aus dem zentralen Melderegister vom XXXX .2021 weiterhin einen aufrecht gemeldeten Wohnsitz in Österreich hat und nicht ausgereist ist, kam sie ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach.

2.3. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin:

Vom Bundesverwaltungsgericht ist im gegenständlichen Verfahren zu prüfen, ob zwischen der Rechtskraft des vorangegangenen Erkenntnisses vom XXXX .2020 und der Zurückweisung des gegenständlichen Antrages mit dem angefochtenen Bescheid eine wesentliche Änderung beim Privat und Familienleben der Beschwerdeführerin eingetreten ist.

Die Beschwerdeführerin brachte im gegenständlichen Fall vor, seit XXXX .2019 mit einem österreichischen Staatsangehörigen verheiratet zu sein, ihre Deutschkenntnisse im Selbststudium verbessert, sich nunmehr seit fast 5 Jahren im Bundesgebiet aufgehalten und ihr Privat sowie Familienleben intensiviert zu haben.

Aus diesen Umständen ergibt sich jedoch kein maßgeblich veränderter Sachverhalt. Zwischen dem Erkenntnis vom XXXX .2020 und der angefochtenen Entscheidung vom XXXX .2021 liegen nur knapp vier Monate und die bloße Verlängerung ihres Aufenthalts um diesen kurzen Zeitraum stellt keine relevante Änderung dar, zumal die Beschwerdeführerin verpflichtet gewesen wäre, Österreich zu verlassen.

Hinsichtlich des in Österreich geführten Familienlebens hat sich seither ebenfalls keine Änderung ergeben. Im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX .2020 ist bereits festgestellt sowie berücksichtigt worden, dass die Beschwerdeführerin mit einem österreichischen Staatsangehörigen verheiratet ist, mit ihm seit der Eheschließung einen gemeinsamen Haushalt führt und in der Familie ihres Ehemannes gut integriert ist (S. 3 des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX .2020, GZ: XXXX ).

Des Weiteren kann auch aus ihrer Angabe, ihre Deutschkenntnisse im Selbststudium verbessert zu haben, keine wesentliche Sachverhaltsänderung gewonnen werden, welche eine meritorische Prüfung des Antrags erforderlich machen würde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1.    Zur Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1.  Rechtslage, Erläuterungen und Rechtsprechung

Nach § 58 Abs 10 AsylG sind Anträge gemäß § 55 AsylG als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1803 BlgNR 24. GP 50) legen zur Bestimmung des § 58 Abs 10 AsylG Folgendes dar:

"Der neue (Abs. 10) entspricht im Wesentlichen § 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011. Mit der Neuerrichtung des Bundesamtes und der damit einhergehenden Verfahrensvereinfachung und organisatorischen Umstrukturierung ist die Einbindung der zuständigen Sicherheitsdirektion entfallen. Die Beurteilung bzw. Prüfung erfolgt nun durch das Bundesamt. Dementsprechend sind Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes hat sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass - im Rahmen einer Neubewertung - wenn ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, ein Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird."

Da der Zurückweisungsgrund gemäß § 58 Abs. 10 AsylG (vormals § 44b Abs. 1 Z 1 NAG) der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet ist, können die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhaltes als wesentlich anzusehen ist, auch für die Frage herangezogen werden, wann eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 58 Abs. 10 AsylG vorliegt. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides (bezogen auf § 58 Abs. 10 AsylG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Für diese Prognose ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen (vgl. VwGH 09.09.2013, 2013/22/0161; 09.09.2013, 2013/22/0215, mwN).

Ist Sache der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, darf sie demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist oder nicht, und hat dementsprechend - bei einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache - entweder (im Falle des Vorliegens entschiedener Sache) das Rechtsmittel abzuweisen oder (im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (vgl. VwGH 30. 5. 1995, 93/08/0207).

3.1.2.  Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Da das Bundesamt mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nur die Frage, ob die Zurückweisung des Antrags nach § 58 Abs. 10 AsylG zu Recht erfolgte.

Gegen die Beschwerdeführerin besteht seit dem XXXX .2020 eine Rückkehrentscheidung und die von ihr geltend gemachten Umstände im Rahmen des Verfahrens über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK zeigen keine maßgebliche Sachverhaltsänderung in Hinblick auf das Privat und Familienleben auf, die eine Neubeurteilung auf der Grundlage des Art. 8 EMRK erfordert.

Der Verwaltungsgerichtshof ging in seiner Entscheidung vom 27.01.2015, Ra 2014/22/0094, davon aus, dass weder ein Zeitablauf von ca. zwei Jahren zwischen der rechtskräftigen Ausweisung und dem Zurückweisungsbeschluss der Behörde noch verbesserte Deutschkenntnisse eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 44b NAG 2005 idF vor 2012/I/097 darstellen. Die Bestimmung des § 58 Abs. 10 AsylG entspricht im Wesentlichen dem § 44b NAG idF BGBl I Nr. 38/2011, weshalb die in Bezug auf die genannte Vorgängerbestimmung ergangene höchstgerichtliche Judikatur auch im gegenständlichen Fall anzuwenden ist (vgl. Filzwieser et al, Asyl- und Fremdenrecht, § 58 E11; mwN).

Außerdem sind beim Familienleben der Beschwerdeführerin keine relevanten Änderungen eingetreten.

Die Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK durch die belangte Behörde nach § 58 Abs. 10 AsylG erfolgte daher zu Recht.

3.2. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1. Rechtslage

Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist nach § 10 Abs 3 AsylG diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Gemäß § 52 Abs 3 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Mit Erkenntnis vom XXXX .2020, GZ: XXXX , wurde rechtskräftig entschieden, dass eine Rückkehr der Beschwerdeführerin nach Nigeria verhältnismäßig ist und keine Verletzung des Art 8 EMRK darstellt. Wie bereits dargelegt, hat sich seit dieser Entscheidung keine wesentliche Sachverhaltsänderung beim Privat und Familienleben der Beschwerdeführerin ergeben.

Aufgrund des Fehlens von maßgeblichen Integrationsschritten liegt kein schützenswertes Privatleben der Beschwerdeführerin vor. Sie konnte vor allem keine Deutschkenntnisse nachweisen, welche als maßgeblich angesehen werden könnten und ist weder erwerbstätig noch selbsterhaltungsfähig.

Sie führt zwar in Österreich ein Familienleben, jedoch fällt die gebotene Interessensabwägung zu Lasten der Beschwerdeführerin aus und die Rückkehrentscheidung stellt – wie im Folgenden begründet wird - keinen unzulässigen Eingriff im Sinne des Art. 8 EMRK dar.

Zunächst ist besonders darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin nach der Entscheidung über ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz illegal im Bundesgebiet verblieb und kurz vor ihrer Eheschließung einen unberechtigten Asylantrag stellte. Sie hat dadurch versucht, vollendete Tatsachen zu schaffen und einen Aufenthalt in Österreich zu erzwingen. Darüber hinaus lernte sie ihren Ehemann im Jahr 2018 und sohin in einem Zeitpunkt kennen, in dem sie nicht davon ausgehen konnte, in Österreich bleiben zu können, insbesondere da bereits 2016 eine Außerlandesbringung nach Italien angeordnet wurde. Angesichts der genannten Gründe ist ihr ausgeprägtes Familienleben nur eingeschränkt schützenswert.

Des Weiteren wurde der gegenständliche Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK offenkundig mit der gezielten Absicht gestellt, um das Fremden- und Niederlassungsrecht zu umgehen. Der Gesetzgeber normierte im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) ein genaues Verfahren, unter welchen Umständen eine Familienzusammenführung zwischen einem österreichischen Staatsangehörigen und einem Drittstaatsangehörigen rechtlich möglich ist (siehe dazu insbesondere § 47 NAG).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in Fällen, in denen ein Fremder seinen in Österreich aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen (Ehegatten bzw. Kindern) nachgereist war und einen Antrag auf internationalen Schutz bzw. auf Erteilung eines Aufenthaltstitels missbräuchlich zur von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug gestellt hatte, festgehalten, dass in solchen Konstellationen das öffentliche Interesse besonders schwer wiegt, zumal von den Beteiligten nicht von einem (rechtmäßigen) Verbleib in Österreich ausgegangen werden konnte (vgl. VwGH, 21.02.2020, Ra 2020/18/0047-6 und VwGH, 23.01.2019, Ra 2018/19/0683, mwN).

Die öffentlichen Interessen an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens als Teil der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, des wirtschaftlichen Wohls des Landes durch Vermeidung unkontrollierter Zuwanderung wiegen im gegenständlichen Fall insgesamt höher als die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet. Allein ein durch Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt kann nämlich keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde zu einer Bevorzugung von rechtsmissbräuchlichem Verhalten führen und Personen, die sich rechtskonform verhalten, schlechter stellen. Eine Umgehung der Rechtsnormen des NAG durch Heranziehung von asylrechtlichen Normen ist verfehlt.

Ferner greift die Rückkehrentscheidung nicht derart gravierend in das Familienleben der Beschwerdeführerin ein. Eine vorübergehende Trennung von ihrem Ehemann und die Fortsetzung des Familienlebens in geringerer Intensität, etwa durch einen Kontakt über moderne Medien oder einen Besuch ihres Ehemanns in Nigeria, bis zum Abschluss des ordnungsgemäß geführten Verfahrens zur Erlangung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes ist zumutbar.

Insgesamt ergibt sich ein deutliches Überwiegen der öffentlichen Interessen iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK, insbesondere zur Erreichung eines geordneten Vollzuges des Fremdenwesens und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, sodass der Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführerin rechtmäßig ist.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.

3.3 Zum Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX .2020, GZ: XXXX , wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria zulässig ist und dass ihr der Status einer subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist. In dem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ausgeschlossen ist, was es verunmöglicht, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse vom 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und vom 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 – 0062).

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

3.4 Frist zur freiwilligen Ausreise (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 55 Abs 1 FPG wird mit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Der Beschwerdeführerin wurden 2 Wochen als Frist für die freiwillige Ausreise gewährt und besondere Umstände sind weder hervorgekommen noch vorgebracht worden. Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

4.       Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 VwGVG kann eine mündliche Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen ist.

Da der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK zurückzuweisen war, konnte die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung sohin unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung zur Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK bei einer aufrechten Rückkehrentscheidung und keiner maßgeblichen Änderung des Privat- und Familienlebens, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung Aufenthaltstitel Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK aufrechte Rückkehrentscheidung Ausreiseverpflichtung Bindungswirkung entscheidungsrelevante Sachverhaltsänderung entschiedene Sache erhebliche Unterschiedlichkeit freiwillige Ausreise Frist geänderte Verhältnisse Identität der Sache Integration Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung res iudicata Rückkehrentscheidung unzulässiger Antrag Vergleich wesentliche Änderung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I411.2227798.2.00

Im RIS seit

24.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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