TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/22 I403 2236474-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.03.2021
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Entscheidungsdatum

22.03.2021

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §66 Abs1
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I403 2236474-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bulgarien, vertreten durch die "BBU-GmbH", Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.10.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.03.2021 zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bulgarien, ist seit dem 07.05.2012 durchgehend im Bundesgebiet hauptgemeldet.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 12.06.2019 zur Zl. XXXX , rechtskräftig mit 10.09.2019, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des versuchten sexuellen Missbrauchs an einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach §§ 15, 205 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vierundzwanzig Monaten, davon sechzehn Monate bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

Am 25.11.2019 wurde der Beschwerdeführer während seiner Anhaltung in Strafhaft niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) hinsichtlich der beabsichtigten Erlassung einer gegen ihn gerichteten, aufenthaltsbeendenden Maßnahme einvernommen. Hierbei gab er an, „seit zehn Jahren“ im Bundesgebiet aufhältig zu sein und über eine Anmeldebescheinigung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zu verfügen. Er lebe mit seiner Lebensgefährtin und den beiden gemeinsamen, minderjährigen Töchtern in einem Haushalt in Wien. In Bulgarien würden sich noch sein Vater, ein Bruder und eine Schwester aufhalten, zu welchen er, bis zu seiner Inhaftierung, regelmäßig in telefonischem Kontakt gestanden sei. Er habe in Österreich fünf Jahre als Reinigungskraft sowie drei Jahre als Mietwagenfahrer gearbeitet. Seine Lebensgefährtin arbeite derzeit nicht aufgrund der kleinen Tochter und beziehe Arbeitslosengeld. Er bedaure sein strafrechtswidriges Fehlverhalten sehr und wolle nur zurück zu seiner Familie, arbeiten und sich um seine Kinder kümmern.

Mit schriftlicher Eingabe vom 06.12.2019 übermittelte der Beschwerdeführer der belangten Behörde Kopien seiner Anmeldebescheinigung sowie der Anmeldebescheinigungen seiner Lebensgefährtin und seiner Töchter, Ausweiskopien, Meldezettel sowie eine Bestätigung des AMS über den Bezug von Notstandshilfe seiner Lebensgefährtin.

Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 17.08.2020 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, binnen zwei Wochen etwaige Änderungen im Hinblick auf seine privaten oder familiären Verhältnisse bekannt zu geben sowie der Behörde „Einkommensbestätigungen“, „Aufenthaltstitel bzw. Anmeldebescheinigung der Kinder und Ehegattin in Kopie“ sowie „Schulbesuchsbestätigungen der Kinder“ vorzulegen. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer nicht nach.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 09.10.2020 wurde gegen den Beschwerdeführer „gemäß § 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ ein für die Dauer von sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). „Gemäß § 70 Abs. 3 FPG“ wurde ihm ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).

Am 14.10.2020 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe.

Gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 23.10.2020 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben und beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben; in eventu die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes reduzieren; in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen. Inhaltlich wurde insbesondere ausgeführt, der Beschwerdeführer befinde sich entgegen der Annahme der belangten Behörde, welche davon ausgegangen sei, dass er seit dem Jahr 2012 in Österreich aufhältig sei, bereits seit 2007 und somit seit dreizehn Jahren durchgehend in Österreich, sodass fallgegenständlich für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der qualifizierte Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG zur Anwendung gelange. Der Beschwerdeführer sei lediglich einmal strafgerichtlich verurteilt worden und seien hierbei seitens des Strafgerichts aufgrund seines ordentlichen Lebenswandels von der gegen ihn verhängten vierundzwanzigmonatigen Freiheitsstrafe sechzehn Monate bedingt nachgesehen worden, da dem weder spezial- noch generalpräventive Gründe entgegengestanden hätten. Aufgrund der familiären, beruflichen und sozialen Anbindung des Beschwerdeführers zu Österreich sei keine von ihm ausgehende nachhaltige, maßgebliche Gefährdung ersichtlich und erweise sich die Bemessung des Aufenthaltsverbotes als nicht nachvollziehbar und willkürlich. Auch stelle das verhängte Aufenthaltsverbot eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Kindeswohles seiner beiden minderjährigen, in Österreich lebenden Töchter dar und werde in diesem Zusammenhang die zeugenschaftliche Einvernahme der Lebensgefährtin und der älteren Tochter des Beschwerdeführers beantragt. Dem Beschwerdeschriftsatz angeschlossen wurden ein handschriftliches Schreiben der älteren Tochter des Beschwerdeführers, diverse Meldezettel sowie ein Beschluss des Landesgerichts XXXX vom 10.08.2020, Zl. XXXX , wonach die im Zuge der bedingten Entlassung des Beschwerdeführers ausgesprochene Weisung, eine deliktsaufarbeitende Psychotherapie zu absolvieren, aufgehoben werde.

Am 29.10.2020 übermittelte der "Verein Menschenrechte Österreich" der belangten Behörde eine Ausreisebestätigung, wonach der Beschwerdeführer am 28.10.2020 mit dem Bus von Österreich nach Bulgarien ausgereist sei.

Am 04.03.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung abgehalten, im Zuge derer die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, N.N., sowie die gemeinsame ältere Tochter, M.H., mittels Videokonferenz als Zeuginnen zur gegenständlichen Beschwerdesache einvernommen wurden. Auch die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers nahm über Videokonferenz an der Beschwerdeverhandlung teil. Der Beschwerdeführer selbst, welcher sich zum Zeitpunkt der Verhandlung angesichts seiner freiwilligen Ausreise bereits in Bulgarien aufhielt, hatte sich vorab über seine Rechtsvertretung entschuldigen lassen und vorgebracht, dass es ihm aufgrund bürokratischer Hürden für die Wiedereinreise sowie den geltenden Quarantäne-Bestimmungen vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie nicht möglich sei, an der Verhandlung teilzunehmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Bulgarien und somit EWR-Bürger. Seine Identität steht fest.

Er musste sich im Februar 2021 in Bulgarien einer Operation im Zusammenhang mit Nierensteinen unterziehen. Ansonsten ist er gesund und erwerbsfähig.

Der Beschwerdeführer hatte bereits vom 07.12.2005 bis 12.09.2007 (mit einer Unterbrechung von drei Wochen) einen Nebenwohnsitz in Österreich angemeldet. Vom 12.09.2007 bis zum 25.09.2008 war er in Österreich hauptgemeldet. Seit dem 07.05.2012 ist er wiederum durchgehend in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Lebensgefährtin und seinen beiden Töchtern hauptgemeldet, wobei er sich vom 11.05.2019 bis zum 24.05.2019 und vom 15.10.2019 bis zum 12.03.2020 in einer Justizanstalt, überdies vom 12.03.2020 bis zum 28.03.2020 in einem Polizeianhaltezentrum befand.

Am 25.03.2015 wurde ihm seitens des Amtes der XXXX Landesregierung eine Anmeldebescheinigung für den Aufenthaltszweck "Arbeitnehmer" gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 NAG ausgestellt. Seine Lebensgefährtin N.N. (IFA-Zl. XXXX ), mit welcher er seit über zwanzig Jahren in einer Beziehung lebt, sowie die beiden gemeinsamen minderjährigen Töchter M.H. (geb. September 2003; IFA-Zl. XXXX ) und L.H. (geb. Juni 2015; IFA-Zl. XXXX ), alle bulgarische Staatsangehörige, halten sich ebenfalls auf Grundlage von Anmeldebescheinigungen rechtmäßig im Bundesgebiet auf. M.H. kam im Alter von etwa acht Jahren mit ihren Eltern nach Österreich, während L.H. bereits in Österreich geboren wurde.

Der Vater, ein Bruder und eine Schwester des Beschwerdeführers leben in Bulgarien und steht er in Kontakt zu seinen Angehörigen in seinem Herkunftsstaat. Zum Entscheidungszeitpunkt lebt er bei Verwandten von N.N.

Der Beschwerdeführer scheint erstmalig mit Juli 2015 im Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger auf. Er ging in Österreich zwischen Juli 2015 und September 2019 regelmäßig zumeist kurzzeitigen Erwerbstätigkeiten für jeweils einige Monate als Arbeiter sowie geringfügig beschäftigter Arbeiter nach, häufig unterbrochen durch den Bezug von bedarfsorientierter Mindestsicherung, Krankengeld, "Notstandshilfe, Überbrückungshilfe" und Arbeitslosengeld. Zuletzt ging er von 19.07.2018 bis 13.11.2018, von 17.11.2018 bis 02.06.2019 sowie von 01.07.2019 bis 15.09.2019 angemeldeten Erwerbstätigkeiten als geringfügig beschäftigter Arbeiter nach. Eine nachhaltige Integration des Beschwerdeführers auf dem österreichischen Arbeitsmarkt ist nicht gegeben.

Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, N.N., bezieht seit Dezember 2017 durchgehend – mit kurzzeitigen Unterbrechungen von zumeist wenigen Tagen – "Notstandshilfe, Überbrückungshilfe", zusätzlich Familienbeihilfe. Überdies ist sie seit 08.07.2020 laufend als geringfügig beschäftigte Arbeiterin gemeldet, wenngleich sie in der Beschwerdeverhandlung angab, dass ihr derzeit eine Erwerbsausübung aufgrund ihrer Töchter ohne weitere familiäre Unterstützung nicht möglich sei. M.H. besucht in Österreich das Gymnasium, L.H. den Kindergarten. L.H. leidet an einer Lungenentzündung, während N.N. an diversen orthopädischen Problemen an den Bandscheiben, an der Wirbelsäule sowie am Knie leidet. Eine anstehende Operation am Knie musste sie verschieben, da sie nach der Ausreise des Beschwerdeführers niemanden in Österreich hat, welcher temporär die Beaufsichtigung ihrer Töchter übernehmen könnte. M.H. und L.H. verfügen über keine qualifizierten Bulgarisch-Kenntnisse, da sie im gemeinsamen Haushalt mit ihren Eltern stets Türkisch sprachen.

Der Beschwerdeführer weist keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, gesellschaftlicher oder kultureller Hinsicht auf.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 12.06.2019 zur Zl. XXXX , rechtskräftig mit 10.09.2019, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des versuchten sexuellen Missbrauchs an einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach §§ 15, 205 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vierundzwanzig Monaten, davon sechzehn Monate bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass er im Februar 2019 im Zuge einer nächtlichen Fahrt im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Mietwagenfahrer einen weiblichen, auf seiner Rückbank liegenden Fahrgast, welcher unter einer starken Alkoholisierung eingeschlafen und somit wehrlos war, unter Ausnützung dieses Zustands zu missbrauchen versuchte, indem er ihr die Leggins und Unterhose herunterzog, sodann ihre Beine spreizte, diese nach oben hielt und anschließend vaginal in sie einzudringen versuchte, wobei es nur aufgrund dessen beim Versuch geblieben war, da das Opfer aufwachte und sich von der Rückbank auf den Boden fallen ließ, um das Vorhaben des Beschwerdeführers zu unterbinden. Aufgrund der Gegenwehr sowie dem Umstand, dass er einige Passanten auf der Straße sah, bekam der Beschwerdeführer Angst entdeckt zu werden und ließ im Bewusstsein, sein Vorhaben nicht mehr unentdeckt weiterführen zu können, von seinem Opfer ab. Als mildernd wurden im Rahmen der Strafbemessung das reumütige Geständnis sowie der bisher ordentliche Lebenswandel des Beschwerdeführers gewertet, überdies, dass die Tat beim Versuch geblieben war. Erschwerende Umstände wurden nicht ins Treffen geführt.

Am 12.03.2020 wurde der Beschwerdeführer bedingt, unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren, aus der Freiheitsstrafe entlassen und ihm mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom 12.03.2020 zur Zl. XXXX die Weisung erteilt, eine deliktsaufarbeitende Psychotherapie zu absolvieren. Mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom 10.08.2020 zur Zl. XXXX wurde diese Weisung aufgehoben, mit der Begründung, der Bewährungshelfer habe dem Strafgericht berichtet, der Beschwerdeführer komme gut mit seinem Leben zurecht und habe eine gute Beziehung sowie ein erfülltes Sexualleben mit seiner Lebensgefährtin. Da sich der Beschwerdeführer bereit erklärt habe, mit dem bestellten Bewährungshelfer auch intime persönliche Themen, sein Frauenbild, seine Sexualität und sein Beziehungsleben zu besprechen, könne einer Aufhebung der Therapieweisung zugestimmt werden.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

Überdies wurde Beweis aufgenommen durch die Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 04.03.2021 vor dem Bundesverwaltungsgericht, im Zuge derer die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, N.N., sowie die gemeinsame ältere Tochter, M.H., mittels Videokonferenz als Zeuginnen zur gegenständlichen Beschwerdesache einvernommen wurden. Auch die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers nahm über Videokonferenz an der Beschwerdeverhandlung teil.

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines vor den österreichischen Behörden im Original vorgelegten – und sich in Kopie im Akt befindlichen - bulgarischen Personalausweises Nr. XXXX fest.

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinen Familienverhältnissen in Bulgarien, seinem Gesundheitszustand und seiner Erwerbsfähigkeit ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren. Dass er sich im Februar 2021 in Bulgarien einer Operation im Zusammenhang mit Nierensteinen unterziehen musste, ergibt sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben seiner Rechtsvertretung sowie der Zeugin N.N. im Rahmen der Beschwerdeverhandlung.

Dass der Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt bei Angehörigen von N.N. in Bulgarien lebt, ergibt sich aus deren diesbezüglich glaubhaften Angaben im Rahmen der Beschwerdeverhandlung.

Die Feststellungen zu den Haupt- und Nebenwohnsitzmeldungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet als auch zum gemeinsamen Wohnsitz mit seiner Lebensgefährtin und den beiden Töchtern ergeben sich aus einer Abfrage im zentralen Melderegister der Republik.

Die Feststellungen zum Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers, seiner Lebensgefährtin und seiner beiden Töchter in Österreich auf Grundlage von Anmeldebescheinigungen nach dem NAG ergeben sich aus den seitens des Beschwerdeführers mit schriftlicher Eingabe vom 06.12.2019 in Kopie vorgelegten Anmeldebescheinigungen von ihm, seiner Lebensgefährtin und seinen beiden Töchtern, in Zusammenschau mit einer Abfrage im Informationsverbund zentrales Fremdenregister.

Die Versicherungszeiten des Beschwerdeführers in Österreich als Arbeiter sowie geringfügig beschäftigter Arbeiter, als auch die Feststellungen zu seinem Bezug von bedarfsorientierter Mindestsicherung, Krankengeld, "Notstandshilfe, Überbrückungshilfe" und Arbeitslosengeld ergeben sich aus einer Abfrage im Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger, ebenso wie die angemeldete Erwerbstätigkeit von N.N. als geringfügig beschäftigte Arbeiterin seit 08.07.2020, sowie die Feststellungen zu ihrem Bezug von "Notstandshilfe, Überbrückungshilfe" seit Dezember 2017. Dass N.N. überdies noch Familienbeihilfe bezieht, ergibt sich aus ihren glaubhaften Angaben in der Beschwerdeverhandlung.

Der Schulbesuch der älteren Tochter M.H. sowie der Kindergartenbesuch der jüngeren Tochter L.H. ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers und der beiden Zeuginnen im Verfahren, ebenso wie der Umstand, dass M.H. im Alter von etwa acht Jahren mit ihren Eltern nach Österreich kam, während L.H. bereits in Österreich geboren wurde.

Die Feststellungen zu den gesundheitlichen Beeinträchtigungen von N.N. und L.H. ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben von N.N. im Rahmen der Beschwerdeverhandlung, ebenso wie der Umstand, dass die beiden Töchter über keine qualifizierten Bulgarisch-Kenntnisse verfügen, da sie im gemeinsamen Haushalt mit ihren Eltern stets Türkisch sprachen.

Die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

Die Feststellungen bezüglich der seiner strafgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden strafbaren Handlung sowie den Erwägungen des Strafgerichts im Rahmen der Strafbemessung ergeben sich aus der im Akt enthaltenen Urteilsausfertigung des Landesgerichts XXXX zur Zl. XXXX , überdies aus der im Akt enthaltenen Urteilsausfertigung des Oberlandesgerichts Wien zur Zl. XXXX , welches einer Berufung des Beschwerdeführers gegen seine Verurteilung keine Folge gegeben hatte. Die Feststellungen hinsichtlich der dem Beschwerdeführer strafgerichtlich erteilten Weisung, eine deliktsaufarbeitende Psychotherapie zu absolvieren, welche in weiterer Folge wieder aufgehoben wurde, ergeben sich aus einer Abfrage im Strafregister der Republik in Zusammenschau mit einer dem Beschwerdeschriftsatz angeschlossenen Kopie des Beschlusses des Landesgerichts XXXX vom 10.08.2020 zur Zl. XXXX .

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Rechtslage:

Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG idgF BGBl. I Nr. 146/2020 lautet:

„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I. Nr. 87/2012).“

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu vorzunehmen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309).

§ 67 FPG setzt Art. 28 der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG; vgl. § 2 Abs. 4 Z 18 FPG) um. Diese mit "Schutz vor Ausweisung" betitelte Bestimmung lautet:

„(1) Bevor der Aufnahmemitgliedstaat eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt, berücksichtigt er insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat.

(2) Der Aufnahmemitgliedstaat darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen.

(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie

a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder

b) minderjährig sind, es sei denn, die Ausweisung ist zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.“

Nach dem 24. Erwägungsgrund der Freizügigkeitsrichtlinie soll der Schutz vor Ausweisung in dem Maße zunehmen, wie Unionsbürger und ihre Familienangehörigen in den Aufnahmemitgliedstaat stärker integriert sind.

Bei Unionsbürgern, die nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Daueraufenthaltsrecht iSd § 53a NAG und Art. 16 Freizügigkeitsrichtlinie erworben haben, ist nicht nur bei der Ausweisung, sondern auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in Art. 28 Abs. 2 Freizügigkeitsrichtlinie und § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG vorgesehene Maßstab - der im abgestuften System der Gefährdungsprognosen zwischen jenen nach dem ersten und dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FPG angesiedelt ist - heranzuziehen (vgl. VwGH 19.05.2015, Ra 2014/21/0057). Ein Aufenthaltsverbot gegen Personen, denen das Recht auf Daueraufenthalt zukommt, setzt demnach voraus, dass ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Die zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit werden nach Art. 28 Abs. 3 der Freizügigkeitsrichtlinie „von den Mitgliedstaaten festgelegt“. Den Mitgliedstaaten steht es frei, Straftaten wie die in Art. 83 Abs. 1 AEUV angeführten (also Terrorismus, Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern, illegaler Drogenhandel, illegaler Waffenhandel, Geldwäsche, Korruption, Fälschung von Zahlungsmitteln, Computerkriminalität und organisierte Kriminalität) als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses anzusehen, die geeignet sind, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen, und die damit unter den Begriff der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit fallen können, mit denen gemäß Art. 28 Abs. 3 der Freizügigkeitsrichtlinie eine Ausweisungsverfügung gerechtfertigt werden kann, sofern die Art und Weise der Begehung solcher Straftaten besonders schwerwiegende Merkmale aufweist (vgl. EuGH 22.05.2012, C-348/09).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art. 8 Abs. 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG idgF BGBl. I Nr. 146/2020 lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.“

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs. 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auf die privaten und familiären Verhältnisse (vgl. VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).

3.2. Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall:

Ausgehend von der durchgehenden Wohnsitzmeldung des Beschwerdeführers in Österreich seit 07.05.2012, wobei N.N. in der Beschwerdeverhandlung überdies angab, dass sie und der Beschwerdeführer bis zum Jahr 2014 „alle drei Monate wieder nach Bulgarien ausreisen“ hätten müssen, ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG mangels eines zehnjährigen kontinuierlichen Aufenthalts im Bundesgebiet im vorliegenden Beschwerdefall nicht maßgeblich.

Da dem Beschwerdeführer jedoch am 25.03.2015 seitens des Amtes der XXXX Landesregierung eine Anmeldebescheinigung für den Aufenthaltszweck "Arbeitnehmer" gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 NAG ausgestellt wurde und er somit durch seinen mehr als fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt – wie auch seitens seiner Rechtsvertretung in der Beschwerdeverhandlung zutreffend aufgezeigt – gemäß § 53 Abs. 1 NAG das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, gelangt gegenständlich der in § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG vorgesehene Gefährdungsmaßstab ("schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit") zur Anwendung.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 12.06.2019, rechtskräftig mit 10.09.2019, wegen des Verbrechens des versuchten sexuellen Missbrauchs an einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vierundzwanzig Monaten verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass er im Zuge einer nächtlichen Fahrt im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Mietwagenfahrer im Februar 2019 einen weiblichen, auf seiner Rückbank liegenden Fahrgast, welcher unter einer starken Alkoholisierung eingeschlafen und somit wehrlos war, unter Ausnützung dieses Zustands zu missbrauchen versuchte, indem er ihr die Leggins und Unterhose herunterzog, sodann ihre Beine spreizte, diese nach oben hielt und anschließend vaginal in sie einzudringen versuchte, wobei es nur aufgrund dessen beim Versuch geblieben war, da das Opfer aufwachte und sich von der Rückbank auf den Boden fallen ließ, um das Vorhaben des Beschwerdeführers zu unterbinden. Aufgrund der Gegenwehr sowie dem Umstand, dass er einige Passanten auf der Straße sah, bekam der Beschwerdeführer Angst entdeckt zu werden und ließ im Bewusstsein, sein Vorhaben nicht mehr unentdeckt weiterführen zu können, von seinem Opfer ab. Die Erfüllung des Gefährdungsmaßstabs des § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG wird im Falle des Beschwerdeführers bereits durch die hohe Sozialschädlichkeit seines strafrechtswidrigen Verhaltens an einem wehrlosen Opfer und sein sich daraus ergebendes Persönlichkeitsbild indiziert, wobei die sexuelle Ausbeutung von Frauen nach Art. 83 Abs. 1 AEUV ausdrücklich jenen Bereichen der besonders schweren Kriminalität zuzurechnen ist, welche eine grenzüberschreitende Dimension haben und für die ein Tätigwerden des Unionsgesetzgebers vorgesehen ist. Daher steht es den Mitgliedstaaten auch frei, Straftaten wie die in Art. 83 Abs. 1 AEUV angeführten als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses anzusehen, bei der die Gefahr der Wiederholung eine unmittelbare Bedrohung der Ruhe und der physischen Sicherheit der Bevölkerung darstellt (vgl. EuGH 22.05.2012, C-348/09) und hat auch der Verwaltungsgerichtshof bereits explizit festgehalten, dass das öffentliche Interesse am Schutz der körperlichen und der sexuellen Integrität anderer Personen hoch zu veranschlagen ist (vgl. VwGH 19.10.2004, 2001/21/0191).

Wesentlicher Ausgangspunkt für die Beurteilung des einer negativen Zukunftsprognose entgegenstehenden längeren Wohlverhaltens eines Fremden ist das für diese als tragend angesehene Fehlverhalten. Dabei fallen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit besonders ins Gewicht. Im Allgemeinen ist nach derartigen Taten ein ausreichend langer Zeitraum des Wohlverhaltens erforderlich, um eine positive Prognose gerechtfertigt erscheinen zu lassen und gilt dies umso mehr für strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung (vgl. VwGH 06.07.2020, Ra 2019/01/0426, mwN).

Gerade in Zusammenhang mit Sexualdelikten zeigt sich eine hohe Rückfallwahrscheinlichkeit abhängig von verschiedenen Faktoren, wie etwa Unsicherheiten im Sozialkontakt, Depressivität, Ängstlichkeit, Zwanghaftigkeit u.dgl. (vgl dazu Brand, Verurteilte Sexualstraftäter: Evaluation ambulanter psychotherapeutischer Behandlung, 2005). Die Rückfallquoten von Sexualstraftätern zeigen u.a. bei Missbrauch von Kindern unter zehn Jahren, bei mangelnder Vorbeziehung zwischen Täter und Opfer, bei geringem oder keinem Alkoholeinfluss bei der Tat, aber auch bei ungünstiger Sozialisation des Täters ein erhöhtes Risiko auf, dass der Sexualstraftäter wieder rückfällig wird (vgl dazu Jost, Gefährliche Gewalttäter, 2012, Kapitel 5). In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass den Beschwerdeführer – als scheinbar nach außen hin gefestigte Person - weder sein intaktes Familienleben mit seiner Lebensgefährtin und seinen beiden Töchtern, noch seine Berufsausübung als Mietwagenfahrer von der Begehung eines Sexualverbrechens abgehalten haben. Auch bestand zwischen ihm und dem Opfer, einem Fahrgast, keinerlei Vorbeziehung und beging er die Untat offensichtlich in nüchternem Zustand, da das Strafurteil keine Alkoholisierung des Beschwerdeführers oder Indizien für eine solche erwähnt.

Vor dem Hintergrund, dass der Gesinnungswandel eines Straftäters nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. zuletzt VwGH 07.09.2020, Ra 2020/20/0184, mwN), kann angesichts der Haftentlassung des Beschwerdeführers vor lediglich etwa einem Jahr (im März 2020) noch nicht zuverlässig ausgeschlossen werden, dass er im Bundesgebiet fortan keine Sexualstraftaten mehr begehen wird. Den endgültigen Wegfall der durch sein strafrechtswidriges Fehlverhalten indizierten Gefährlichkeit wird der Beschwerdeführer, welcher sich nach wie vor in offener Probezeit befindet, erst durch einen noch deutlich längeren Zeitraum des Wohlverhaltens in Freiheit unter Beweis stellen müssen, wenngleich das Bundesverwaltungsgericht die positiv für ihn sprechenden Indizien durchaus nicht verkennt, wonach er lediglich einmal strafgerichtlich verurteilt wurde, der überwiegende Teil der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen wurde und zwischenzeitlich auch die ihm gerichtlich erteilte Weisung, eine deliktsaufarbeitende Psychotherapie zu absolvieren, nach positiven Berichten des Bewährungshelfers an das Strafgericht mit Beschluss vom 10.08.2020 aufgehoben worden ist.

Aus dem Gesagten ist somit davon auszugehen, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nach wie vor eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.

Bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes kann jedoch ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss anhand der Kriterien des § 9 Abs. 2 BFA-VG überprüft werden, ob im vorliegenden Fall ein Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Beschwerdeführers gegeben ist.

Unstreitig führt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet mit seiner Lebensgefährtin N.N. und den beiden gemeinsamen minderjährigen Töchtern M.H. (geb. September 2003) und L.H. (geb. Juni 2015), alle auf Grundlage von Anmeldebescheinigungen rechtmäßig in Österreich aufhältige, bulgarische Staatsangehörige, ein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben. Er hat bis zu seiner Inhaftierung im Oktober 2019 – und wiederum nach seiner Haftentlassung im März 2020, bis zu seiner freiwilligen Ausreise nach Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides - in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Lebensgefährtin und den beiden Töchtern gelebt, zum Haushaltseinkommen beigetragen und die Versorgung und Erziehung der Töchter gemeinsam mit N.N. sichergestellt. N.N. gab in der Beschwerdeverhandlung glaubhaft an, dass die Familie in hohem Maße auf die Anwesenheit des Beschwerdeführers im Bundesgebiet angewiesen ist. So war es ihr angesichts ihrer Verpflichtungen als (derzeit) alleinerziehende Mutter nicht möglich, eine Arbeitsstelle anzutreten, da Arbeitsbeginn bereits um 6 Uhr gewesen wäre, sie jedoch ihre jüngere Tochter L.H. zum Kindergarten bringen müsse. Auch habe sie eine anstehende Operation an ihrem Knie verschieben müssen, da im Falle ihres Krankenhausaufenthaltes ohne den Beschwerdeführer die Beaufsichtigung der beiden Töchter nicht sichergestellt werden könne und erweise sich auch die finanzielle Situation der Familie, nunmehr ohne den Beschwerdeführer, als äußerst schwierig.

Auch erscheint den beiden Töchtern eine etwaige Fortführung des Familienlebens mit dem Beschwerdeführer in Bulgarien nicht zumutbar. Sie sprechen beide kein Bulgarisch. Die jüngere Tochter L.H. wurde bereits in Österreich geboren, während M.H., welche mittlerweile die sechste Klasse eines Gymnasiums besucht, den überwiegenden Teil ihres Lebens und ihre gesamte Jugend in Österreich verbracht hat. Das Verhältnis des Beschwerdeführers zu seiner Lebensgefährtin und seinen Töchtern erscheint ebenfalls eng und erwies er sich im Alltag grundsätzlich als verlässlicher und liebevoller Familienvater, wie die Zeuginnen zuletzt in der Beschwerdeverhandlung glaubhaft darzulegen vermochten.

Wenngleich die Intensität des Familienlebens zum gegebenen Zeitpunkt aufgrund der freiwilligen Ausreise des Beschwerdeführers nach Bulgarien im Oktober 2020 abgeschwächt ist, so kann aufgrund des erhobenen Sachverhaltes dennoch vom Bestehen eines finanziellen sowie emotionalen Abhängigkeitsverhältnisses von N.N. und den beiden gemeinsamen Töchtern zum Beschwerdeführer ausgegangen werden.

Dem daraus resultierenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich zur Aufrechterhaltung seines schützenswerten Familienlebens zu seiner Lebensgefährtin und den beiden gemeinsamen minderjährigen Töchtern steht das gewichtige öffentliche Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung gegenüber (vgl. VwGH 19.10.2004, 2001/21/0191).

Unter Berücksichtigung des Kindeswohls, welches gemäß Art. 24 Abs. 2 GRC (der Art. 1 Satz 2 BVG über die Rechte von Kindern entspricht) bei allen Kindern betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen eine vorrangige Erwägung sein muss (vgl. dazu insbesondere das EGMR-Urteil vom 16.04.2013, Udeh gegen die Schweiz, Nr. 12020/09) und in Ansehung der zuvor angeführten, durchaus für einen Wegfall der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers sprechenden Indizien (wenngleich eine solche noch nicht zuverlässig ausgeschlossen werden kann), als auch des Umstandes, dass der Beschwerdeführer – obwohl keine nachhaltige Verankerung auf dem österreichischen Arbeitsmarkt gegeben ist - zwischen Juli 2015 und September 2019 regelmäßig diversen Erwerbstätigkeiten als Arbeiter sowie geringfügig beschäftigter Arbeiter nachging und dadurch seine grundsätzlich vorhandene Arbeitswilligkeit unter Beweis gestellt hat, ist im Rahmen einer Gesamtschau und unter Abwägung aller Umstände das private Interesse an der Fortführung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers in Österreich geringfügig höher zu bewerten als das öffentliche Interesse an seiner Aufenthaltsbeendigung und erweist sich der mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verbundene Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Rahmen einer Gesamtschau letztlich als unverhältnismäßig.

Das mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides verhängte Aufenthaltsverbot erfolgte somit nicht zu Recht, was zugleich auch die Gegenstandslosigkeit des Ausspruchs hinsichtlich der Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) bedingt.

In Stattgabe der Beschwerde war der angefochtene Bescheid daher ersatzlos aufzuheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I403.2236474.1.00

Im RIS seit

30.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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