TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/21 G313 2226787-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.01.2021
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Entscheidungsdatum

21.01.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3

Spruch


G313 2226787-1/7E

Schriftliche Ausfertigung des am 02.12.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Rumänien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.11.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.12.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den/die Richter/Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS über die Beschwerde des/der Herman SUNA, geb. 10.10.1999, StA. Rumänien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.11.2019, Zl. 1251917308-191145585, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.12.2020, zu Recht erkannt:



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) wurde der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm. § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und dem BF gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Am 19.12.2019 wurde dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigen Verwaltungsakt vorgelegt.

4. Am 02.12.2020 wurde vor dem BVwG mit dem BF und seiner Rechtsvertretung – ein Vertreter der belangten Behörde ist zur Verhandlung nicht erschienen – im Beisein einer Dolmetscherin für die rumänische Sprache eine mündliche Verhandlung durchgeführt und in dieser das Erkenntnis mündlich verkündet.

5. Mit beim BVwG am 02.12.2020 eingelangtem Schreiben vom 02.12.2020 beantragte die Rechtsvertretung des BF die schriftliche Ausfertigung des am 02.12.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der BF ist Staatsbürger von Rumänien.

1.2. Er wurde am 11.11.2019 durch Exekutivbeamte der Landespolizeidirektion (im Folgenden: LPD) Wien einer Personenkontrolle unterzogen. Im Zuge dieser Kontrolle wurde festgestellt, dass der BF im Bundesgebiet nicht aufrecht gemeldet ist, keiner Erwerbstätigkeit nachgeht und über keine Barmittel verfügt.

Mit Schreiben des BFA vom 11.11.2019 wurde dem BF folglich die behördliche Beabsichtigung vorgehalten, gegen ihn eine Ausweisung zu erlassen. Diese Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme wurde dem BF am 11.11.2019 um 10:30 Uhr persönlich übergeben.

Mit diesem Schreiben des BFA wurde dem BF die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb einer Frist von 14 Tagen zum ihm vorgehaltenen Ergebnis der Beweisaufnahme und zu seinen persönlichen Verhältnissen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Der BF hat dazu keine Stellungnahme abgegeben.

1.3. Der BF weist vom 16.07.2018 bis 30.01.2019, vom 18.11.2019 bis 17.09.2020 und nunmehr seit 17.09.2020 an verschiedenen Andressen Hauptwohnsitzmeldungen im Bundesgebiet auf.

1.4. Er hielt sich jedoch bereits rund zwei Jahre vor seiner Wohnsitzanmeldung im Juli 2018 – im Jahr 2016 – im Bundesgebiet auf und ging vom 03.10.2016 bis 18.10.2016 in Österreich einer Beschäftigung nach.

Darauf folgten geringfügige Beschäftigungen vom 19.10.2017 bis 10.11.2017 und vom 13.12.2017 bis 16.12.2017, Beschäftigungen vom 12.03.2018 bis 15.03.2018 und vom 23.03.2018 bis 04.04.2018, eine geringfügige Beschäftigung vom 24.08.2018 bis 25.08.2018, Beschäftigungen vom 15.11.2018 bis 16.11.2018, 07.03.2019 bis 28.05.2019, 02.07.2019 bis 30.08.2019 und vom 25.09.2019 bis 02.10.2019, geringfügige Beschäftigungen vom 21.11.2019 bis 29.11.2019, am 12.02.2020, 22.02.2020, 25.02.2020, vom 03.03.2020 bis 11.03.2020 und vom 14.07.2020 bis 31.07.2020 sowie ein Beschäftigungstag am 10.11.2020.

Nunmehr geht der BF keiner Beschäftigung nach.

Der BF ist auch nicht sozialversichert.

1.5. Er wohnt im Bundesgebiet mit seinen Eltern und seinem 14 Jahre alten Bruder, der noch zur Schule geht, in einer Mietwohnung in gemeinsamem Haushalt zusammen. Die Mietkosten belaufen sich auf EUR 550,- monatlich.

1.6. Abgesehen von seinem mit ihm und seinen Eltern in gemeinsamen Haushalt lebenden Bruder hat der BF in Österreich weitere Geschwister. In Rumänien, wo der BF den Großteil seines Lebens verbracht und nach Erlassung der Ausweisung mit Bescheid des BFA vom 26.11.2019 im Februar 2020 die Führerscheinprüfung absolviert hat, hat der BF noch eine Tante und einen Onkel, zu diesen jedoch keinen Kontakt mehr.

1.7. Der BF stellte am 22.11.2019 einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung (Arbeitnehmer). Eine solche ist ihm jedoch bislang nicht erteilt worden.

1.8. Der BF brachte in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 02.12.2020 vor, von seinen Eltern unterstützt zu werden und Kost und Unterkunft zu erhalten. Eine von seinen Eltern abgegebene Unterstützungserklärung konnte der BF jedoch nicht vorlegen.

Die Eltern des BF gehen ebenso wie der BF keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Die Mutter des BF, welcher am 27.09.2018 eine Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmerin erteilt wurde, bezieht nunmehr Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung – ihr letztes Beschäftigungsverhältnis endete Ende Juni 2019, und der Vater des BF, welcher in Österreich von Mai bis August 2016 und von März bis April 2017 erwerbstätig war und ab 2019, zuletzt im Oktober 2019, geringfügigen Beschäftigungen nachgegangen ist, geht, um den familiären Lebensunterhalt bestreiten zu können, in Österreich „Schwarzarbeit“ nach.

Regelmäßige Erwerbseinkünfte haben demnach weder der BF noch seine Eltern.

1.9. Der BF kann nicht Deutsch sprechen und konnte abgesehen von seiner fehlenden sprachlichen Integration auch keine anderweitigen berücksichtigungswürdigen Integrationsschritte im Bundesgebiet setzen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BvwG.

2.2. Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht durchgeführten Ermittlungsverfahrens:

Die Identität und Staatsangehörigkeit des BF ergaben sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

Dass der BF am 11.11.2019 durch Exekutivbeamte der LPD Wien einer Personenkontrolle unterzogen und im Zuge dieser Kontrolle festgestellt wurde, dass der BF im Bundesgebiet nicht aufrecht gemeldet ist, keiner Erwerbstätigkeit nachgeht und über keine Barmittel verfügt, ergab sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

Mit Schreiben des BFA vom 11.11.2019 wurde dem BF folglich die behördliche Beabsichtigung vorgehalten, gegen ihn eine Ausweisung zu erlassen. (AS 9ff). Diese Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme wurde dem BF durch Übergabe an ihn am 11.11.2019 um 10:30 Uhr ordnungsgemäß zugestellt (AS 11). Mit diesem Schreiben des BFA wurde dem BF die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb einer Frist von 14 Tagen zum ihm vorgehaltenen Ergebnis der Beweisaufnahme und zu seinen persönlichen Verhältnissen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Der BF hat dazu jedoch keine Stellungnahme abgegeben.

Die Feststellungen zu den Wohnsitzmeldungen des BF im Bundesgebiet beruhen auf einem Zentralmelderegisterauszug.

In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG von der verhandelnden Richterin auf die im Zentralen Melderegister ersichtlichen Meldelücke angesprochen und befragt, wo sich der BF während der Meldelücke vom 30.01.2019 bis 18.11.2019 aufgehalten habe, gab dieser an:

„Ich glaube, weil ich abgemeldet wurde.“ (VH-Niederschrift, S. 4)

Darauf folgte folgender Wortwechsel des BF mit der verhandelnden Richterin (im Folgenden: „VR“):

„VR: Von wem sind Sie abgemeldet worden?

BF: Von meinem Bruder.

VR: Warum?

BF: Weil wir zu viele in der Wohnung waren. Erst später habe ich meine Wohnung gemietet.“ (VH-Niederschrift, S. 4)

Da der BF während der besagten Meldelücke vom 30.01.2019 bis 18.11.2019 in den Zeiträumen vom 07.03.2019 bis 28.05.2019, vom 02.07.2019 bis 30.08.2019 und vom 25.09.2019 bis 02.10.2019 bei einem Dienstgeber in Österreich beschäftigt war, ist jedenfalls von sich mit diesen Beschäftigungszeiten deckenden Aufenthaltszeiten im österreichischen Bundesgebiet auszugehen.

Dass der BF mit seinen Eltern und seinem Bruder in einer Wohnung in gemeinsamem Haushalt zusammenlebt, ergab sich aus der diesbezüglich glaubhaften Angabe des BF in der mündlichen Verhandlung (VH-Niederschrift, S. 7).

Dass sich die monatlichen Mietkosten für ihre Wohnung auf EUR 550,- belaufen, konnte durch die diesbezüglich glaubhafte Angabe des BF in der mündlichen Verhandlung ebenso glaubhaft gemacht werden (VH-Niederschrift, S. 8).

Dass der mit ihm und seinen Eltern in gemeinsamem Haushalt lebende Bruder des BF 14 Jahre alt ist und noch zur Schule geht, wurde durch seine diesbezüglich glaubhafte Angabe in der mündlichen Verhandlung glaubhaft gemacht (VH-Niederschrift, S. 8).

Dass der BF abgesehen von seinem mit ihm und seinen Eltern in gemeinsamem Haushalt lebenden Bruder noch weitere Geschwister im Bundesgebiet hat, beruht auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung bzw. den vom BF im Zuge der mündlichen Verhandlung auf einem der VH-Niederschrift beigelegten Zettel aufgeschriebenen Namen seiner Geschwister (VH-Niederschrift, 7).

Dass der BF zu seiner Tante und seinem Onkel in Rumänien keinen Kontakt mehr hat, beruht auf dem diesbezüglich glaubhaften Beschwerdevorbringen (AS 43).

Dass der BF, der, obwohl er mit seiner Tante und seinem Onkel in Rumänien keinen Kontakt mehr hat, in seinem Herkunftsstaat den Großteil seines Lebens verbracht hat und nach der mit Bescheid des BFA vom 26.11.2019 gegen ihn erlassenen Ausweisung am 17.02.2020 in Rumänien die Führerscheinprüfung absolviert hat, zeugt von noch vorhandenen gegenständlich berücksichtigungswürdigen Bindungen dorthin.

Die Feststellungen zur ehemaligen Erwerbstätigkeit bzw. nunmehrigen Erwerbslosigkeit des BF und seiner Eltern beruhen auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt bzw. den diesbezüglichen Ergebnissen aus entsprechenden Anfragen im AJ WEB Auskunftsverfahren.

Dass der BF im Bundesgebiet teilweise geringfügigen und außer einer etwas über zwei Monate langen ununterbrochenen Beschäftigung nur ein- bis mehrtägigen Beschäftigungen nachgegangen ist, ergab sich ebenso aus dem AJ WEB Auskunftsverfahren.

Die Rechtsvertretung des BF gab in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG an, der BF sei seiner Ausreiseverpflichtung nachgekommen. Die verhandelnde Richterin gab jedoch an, ein gegenständlicher Nachweis sei nicht erbracht worden, der BF sei nach wie vor in Österreich gemeldet gewesen. Daraufhin verwies die Rechtsvertretung des BF auf die Führerscheinprüfung des BF am 17.02.2020 in Rumänien hin. (VH-Niederschrift, S. 8).

Aus dem AJ WEB Auskunftsverfahren geht jedenfalls hervor, dass der BF nach der mit Bescheid des BFA vom 26.11.2019 gegen ihn erlassenen Ausweisung zwecks einer geringfügigen Erwerbstätigkeit am 12.02.2020 im österreichischen Bundesgebiet aufhältig war und am 22.03.2020, 25.02.2020 und 10.11.2020 weiteren geringfügigen Beschäftigungen in Österreich nachgegangen ist.

Eine begründete Aussicht auf eine Einstellung konnte der BF nicht nachweisen.

Der BF gab in seiner Beschwerde an, mit seinen Eltern in gemeinsamem Haushalt zu leben und von ihnen auch finanziell unterstützt zu werden (AS 43).

Folgender Wortwechsel des BF mit der verhandelnden Richterin in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 02.12.2020 wird im Folgenden wiedergegeben (dabei „VR“ für „verhandelnde Richterin“):

„VR: Was machen Ihre Eltern beruflich?

BF: Meine Mutter bezieht Leistungen aus dem AMS. Mein Vater hat gearbeitet und hat wegen Corona keine Arbeit.

VR: Bezieht der Vater Arbeitslosengeld?

BF: Das weiß ich nicht. Ich glaube eher nicht.

VR: Wovon leben sie dann alle?

BF: Meine Mutter und mein Vater helfen mir.

VR: Inwiefern?

BF: Ich wohne und esse bei ihnen. Ich lebe bei meinen Eltern.

VR: Verfügen Sie über eine Unterstützungserklärung von Ihren Eltern?

BF: Nein.“ (VH-Niederschrift, S. 6)

Wie der BF in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG glaubhaft abgab, konnte der BF keine von seinen Eltern für ihn abgegebene Unterstützungserklärung vorlegen. Regelmäßige finanzielle Unterstützungsleistungen durch seine Eltern konnte der BF somit nicht glaubhaft machen.

Dass der BF nicht Deutsch spricht, geht mangels gegenteiligen Nachweises aus dem vorliegenden Akteninhalt hervor bzw. hat die verhandelnde Richterin in der mündlichen Verhandlung am 02.12.2020 angesprochen (VH-Niederschrift, S. 7).

Auch anderweitige Integrationsbemühungen des BF in Österreich gingen aus dem Akteninhalt nicht hervor.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.1.1. Der mit „Ausweisung“ betitelte § 66 FPG idgF lautet:

„§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.“

Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate

„§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1.       in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2.       für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3.       als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen

(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er

1.       wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;

2.       sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;

3.       sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder

4.       eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.

(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen.“

Anmeldebescheinigung

„§ 53. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), haben, wenn sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, dies binnen vier Monaten ab Einreise der Behörde anzuzeigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 51 oder 52) ist von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen.

(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass sowie folgende Nachweise vorzulegen:

1.       nach § 51 Abs. 1 Z 1: eine Bestätigung des Arbeitgebers oder ein Nachweis der Selbständigkeit;

2.       nach § 51 Abs. 1 Z 2: Nachweise über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz;

3.       nach § 51 Abs. 1 Z 3: Nachweise über die Zulassung zu einer Schule oder Bildungseinrichtung und über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz sowie eine Erklärung oder sonstige Nachweise über ausreichende Existenzmittel;

4.       nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;

5.       nach § 52 Abs. 1 Z 2 und 3: ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern ab Vollendung des 21. Lebensjahres und Verwandten des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung;

6.       nach § 52 Abs. 1 Z 4: ein Nachweis des Bestehens einer dauerhaften Beziehung mit dem EWR-Bürger;

7.       nach § 52 Abs. 1 Z 5: ein urkundlicher Nachweis einer zuständigen Behörde des Herkunftsstaates der Unterhaltsleistung des EWR-Bürgers oder des Lebens in häuslicher Gemeinschaft oder der Nachweis der schwerwiegenden gesundheitlichen Gründe, die die persönliche Pflege durch den EWR-Bürger zwingend erforderlich machen.“

Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate

„§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7.

(…).“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG idgF lautet wie folgt:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(…).“

3.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des in der mündlichen Verhandlung festgestellten Sachverhaltes ergab sich Folgendes:

Der BF ist rumänischer Staatsbürger und damit Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union.

Er weist vom 16.07.2018 bis 30.01.2019, nach einer Meldeunterbrechung vom 18.11.2019 bis 17.09.2020 und nunmehr seit 17.09.2020 an verschiedenen Andressen im Bundesgebiet Hauptwohnsitzmeldungen auf.

Er hielt sich jedoch bereits rund zwei Jahre vor seiner Wohnsitzanmeldung im Juli 2018 – im Jahr 2016 – im Bundesgebiet auf und ging vom 03.10.2016 bis 18.10.2016 in Österreich einer Beschäftigung nach.

Darauf folgten geringfügige Beschäftigungen vom 19.10.2017 bis 10.11.2017 und vom 13.12.2017 bis 16.12.2017, Beschäftigungen vom 12.03.2018 bis 15.03.2018 und vom 23.03.2018 bis 04.04.2018, eine geringfügige Beschäftigung vom 24.08.2018 bis 25.08.2018, Beschäftigungen vom 15.11.2018 bis 16.11.2018, 07.03.2019 bis 28.05.2019, 02.07.2019 bis 30.08.2019 und vom 25.09.2019 bis 02.10.2019, geringfügige Beschäftigungen vom 21.11.2019 bis 29.11.2019, am 12.02.2020, 22.02.2020, 25.02.2020, vom 03.03.2020 bis 11.03.2020 und vom 14.07.2020 bis 31.07.2020 sowie ein Beschäftigungstag am 10.11.2020.

Der BF gab in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG an, zur Arbeitssuche nach Österreich gekommen zu sein, dann auch eine Arbeit gefunden und vier bis 5 Monate bei einer Firma gearbeitet zu haben. Eine so lange durchgehende Beschäftigung geht aus dem AJ Web Auskunftsverfahren jedoch nicht hervor. Die vom BF im Bundesgebiet bei verschiedenen Dienstgebern nachgegangenen (geringfügigen) Beschäftigungen waren bloß kurzzeitig, ein- oder mehrtägig bzw. erstreckte sich die längste Beschäftigung etwas über zwei Monate.

Der BF wohnt bei seinen Eltern. Er gab in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG an, seine Mutter und sein Vater würden ihn unterstützen. Diese würden für Kost und Unterkunft aufkommen. Eine Unterstützungserklärung seiner Eltern konnte der BF jedoch nicht vorlegen. Die Mietkosten für die Wohnung, in welcher der BF mit seinen Eltern und seinem Bruder in gemeinsamem Haushalt zusammenlebt, belaufen sich auf monatlich EUR 550,-.

Die Eltern des BF gehen wie der BF keiner Beschäftigung nach, die Mutter des BF bezieht Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, und der Vater des BF geht, um den familiären Lebensunterhalt bestreiten zu können, in Österreich „Schwarzarbeit“ nach.

Fest steht, dass der BF und seine Eltern über kein regelmäßiges Erwerbseinkommen verfügen und der BF keine regelmäßigen finanziellen Unterstützungsleistungen von seinen Eltern erhält.

Der BF konnte somit keinen Nachweis für ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes nach § 51 Abs. 1 Z. 2 NAG iVm § 53 Abs. 2 Z. 2 NAG erbringen. Einen Nachweis dafür, dass er auf Arbeitssuche ist und begründete Aussicht hat, eingestellt zu werden, konnte er zudem ebenso nicht erbringen.

Da im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht somit nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden und die gegenständliche Beschwerde als unbegründet abzuweisen, zumal für den volljährigen BF auch keine entgegenstehende berücksichtigungswürdige familiäre oder private Bindung im Bundesgebiet iSv § 66 Abs. 2 FPG iVm § 9 Abs. 2 BFA-VG erkennbar war, der BF, nachdem ihm von der belangten Behörde die Beabsichtigung, gegen ihn eine Ausweisung zu erlassen, zugestellt worden war, keine Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme und seinen persönlichen Verhältnissen abgegeben und dadurch keinen Bleibewillen gezeigt hat, den Kontakt zu seinen Familienangehörigen in Österreich auch aus seinem Herkunftsstaat über moderne Kommunikationsmittel und Besuche aufrecht halten können wird, und der BF, der den Großteil seines Lebens in Rumänien verbracht hat und nicht Deutsch spricht, trotz mangelnden Kontaktes zu seiner dort aufhältigen Tante und seinem Onkel noch gegenständlich berücksichtigungswürdige Bindungen zu seinem Herkunftsstaat hat, wofür auch der Umstand spricht, dass der BF nach Erlassung der Ausweisung gegen ihn mit Bescheid des BFA vom 26.11.2019 nach Rumänien zurückgekehrt ist und am 17.02.2020 dort den Führerschein absolviert hat.

Es war in Gesamtbetrachtung der individuellen Situation und aller persönlichen Verhältnisse des BF somit die gegenständliche Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Mangels widerstreitender Angaben und fassbarer entgegenstehender Momente war dem BF – rechtsrichtig – ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Ausweisung EU-Bürger Interessenabwägung Meldepflicht Mittellosigkeit öffentliche Interessen schriftliche Ausfertigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G313.2226787.1.00

Im RIS seit

18.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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