Entscheidungsdatum
12.04.2021Norm
ASVG §18bSpruch
W228 2235093-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , SVNR XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 23.06.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG für den Versicherungszeitraum 01.05.2016 bis 29.02.2020 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG für den Versicherungszeitraum ab 01.03.2020 stattgegeben und festgestellt, dass Herr XXXX , SVNR XXXX , vom 01.03.2020 bis laufend zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18b ASVG berechtigt ist.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Am 10.02.2020 hat XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen (Vater) gestellt. Der Beschwerdeführer gab in diesem Antrag an, dass er eine Selbstversicherung ab 05/2016 wünsche. Er sei selbständiger Einzelhandeskaufmann mit wöchentlich 40 Arbeitsstunden, in der gesetzlichen Pensionsversicherung weiter-(selbst)versichert sei und der Vater, welcher seit 07/2016 Pflegegeld in Höhe der Stufe 5 bezieht, lebe im getrennten Haushalt und die Pflege erfolge in häuslicher Umgebung. Eine Vereinbarung über eine 24-Stunden-Pflege sei getroffen worden und ein öffentlicher Zuschuss dazu geleistet worden. Zudem werde die Arbeitskraft durch die Pflege seines Vaters erheblich beansprucht.
Im Fragebogen zur Selbstversicherung für die Pflege naher Angehöriger, der auf 24.02.2020 datiert, gab der Beschwerdeführer an, folgende zusätzliche Pflegeleistungen zur Pflegekraft zu erbringen: 5 Minuten täglich Verrichtung der Notdurft, 10 Minuten täglich Mobilität innerhalb des Wohnraumes, 10 Minuten täglich Körperpflege, 20 Stunden monatlich Beschaffung von Nahrungsmittel und Medikamenten, 10 Stunden monatlich Reinigung der Wohnung und Gebrauchsgegenstände, 2 Stunden monatlich Pflege der Leib- und Bettwäsche, 2 Stunden monatlich Beheizung des Wohnraums inklusive Herbeischaffung von Heizmaterial, 8 Stunden monatlich Mobilität außerhalb des Wohnraumes sowie 30 Stunden monatlich Motivationsgespräche. Als Berufstätigkeitszeiten wurden angegeben: Montag bis Freitag von 07:45 Uhr bis 12:30 Uhr und 14:00 bis 18:30 Uhr sowie Samstag 07:45 Uhr bis 13:30 Uhr. Dazu kämen unregelmäßige tägliche Besorgungen für die zu pflegende Person und regelmäßige tägliche Besuche und Betreuungsmaßnahmen bei der zu pflegenden Person (meistens nach Geschäftsschluss während der Woche plus tagsüber am Sonntag).
Mit Bescheid vom 23.06.2020 hat die Pensionsversicherungsanstalt den Antrag vom 10.02.2020 auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger gemäß § 18b ASVG abgelehnt. Begründend wurde ausgeführt, dass die erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft des Beschwerdeführers für die Pflege eines nahen Angehörigen nicht vorliege und somit die Berechtigung zur Selbstversicherung gemäß § 18b ASVG nicht gegeben sei. Aus der Erklärung des Beschwerdeführers ergebe sich, dass er nicht das für die Selbstversicherung notwendige Mindestausmaß an täglichen bzw. monatlichen Pflegeminuten erbringe bzw. erbracht habe. Dieser pauschal nach der Einstufungsverordnung des Bundespflegegeldgesetzes zu ermittelnde Wert, war um die Pflegeaufwendungen, die allenfalls durch andere Pflegepersonen (zB.: Pflegefachkräfte) erbracht werden, zu reduzieren. Eine nähere Begründung ist dem Bescheid nicht zu entnehmen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht mit Schreiben vom 26.07.2020 das Rechtmittel der Beschwerde. Begründend führte der Beschwerdeführer aus, dass der Bescheid mangels ausreichender Begründung nicht nachvollziehbar sei, zumal der zeitliche Aufwand für die Pflege des Vaters während der vergangenen Jahre erheblich war.
Der gegenständliche Verwaltungsakt wurde von der Pensionsversicherungsanstalt, einlangend am 16.09.2020, dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Am 23.09.2020 wurde eine Kopie der Pflegegeldbescheide samt Gutachten aus den Jahren 2016 und 2020 von der SVS durch das Bundesverwaltungsgericht im Amtshilfeweg angefordert.
Die SVS übermittelte die angeforderten Dokumente mit Schreiben datierend auf 24.09.2020.
Am 23.03.2021 wurde beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung unter Beisein des Beschwerdeführers und der belangten Behörde durchgeführt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der erwerbstätige Beschwerdeführer stellte am 10.02.2020 bei der Pensionsversicherungsanstalt einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG für Zeiten der Pflege seines demenzkranken Vaters, XXXX , geboren am XXXX 1929.
Die Öffnungszeiten des Geschäfts des Beschwerdeführers sind Montag bis Mittwoch sowie Freitag 9-12 Uhr und 15-18 Uhr , Donnerstag 9-12 Uhr und Samstag 9-12:30 Uhr.
Die zu pflegende Person bezieht seit 07/2016 Pflegegeld in Höhe der Stufe 5 des Bundespflegegeldgesetzes. Sie lebt getrennt vom Beschwerdeführer und wird in häuslicher Umgebung gepflegt.
Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum liegt eine 24-Stunden-Betreuung des Vaters des Beschwerdeführers durch Pflegerinnen vor. Es ist ständig eine Pflegerin anwesend.
Im März 2020 kam der Vater des Beschwerdeführers zu Sturz. Durch diesen Sturz wurde seine Restmobilität massiv eingeschränkt.
Die im Folgenden zugeordneten Stundenwerte basieren auf der bereits weit fortgeschrittenen Demenzerkrankung des Vaters, welche sich in Artikulationsunfähigkeit, nicht abrufbarer Gedächtnisleistung und mangelnder Konzentration sowie körperlicher Schwäche manifestieren.
Der Beschwerdeführer erbringt administrative Tätigkeiten die der Position Herbeischaffung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Bedarfsgütern des täglichen Lebens zuzurechnen sind. Von den Pflegerinnen wird die Nahrungsmittelbesorgung im Sommer nur selten übernommen und nur soweit keine sperrigen oder schweren Gegenstände zu beschaffen sind. Daher wird in dieser Position der Wert von 10 Stunden monatlich laut Einstufungsverordnung dem Beschwerdeführer vollumfänglich zugerechnet.
Seit dem Sturz des Vaters unterstützt der Beschwerdeführer die Pflegerinnen bei Situationen, in denen eine zweite Person benötigt wird noch intensiver, also beispielsweise beim Windelwechseln, wenn der Vater des Beschwerdeführers nicht mithelfen will, wenn er Durchfall hat, beim Waschen oder in bzw. nach betreuungsintensiven Nächten, wo die Betreuerinnen bereits müde sind. Dies ist der Fall bei Verrichtungen, die den Positionen tägliche Körperpflege, bei Verrichtung der Notdurft, bei An- und Auskleiden, bei Reinigung bei Inkontinenz, bei Mobilitätshilfe im engeren Sinn sowie bei Mobilitätshilfe im weiteren Sinn zuzuordnen sind. Der Beschwerdeführer ist diesbezüglich immer auf Anruf der Pflegerin hin verfügbar. Daher wird diese Positionen betreffend der Wert von insgesamt 51,43 Stunden monatlich laut Einstufungsverordnung dem Beschwerdeführer zugerechnet.
Vor dem Sturz des Vaters im März 2020 waren bei den Positionen tägliche Körperpflege, bei Verrichtung der Notdurft, bei An- und Auskleiden, bei Reinigung bei Inkontinenz, bei Mobilitätshilfe im engeren Sinn sowie bei Mobilitätshilfe im weiteren Sinn ein Wert von insgesamt 34,29 Stunden monatlich laut Einstufungsverordnung dem Beschwerdeführer zuzurechnen.
Der Beschwerdeführer unterstützt die Pflegerinnen auch bei Arbeiten, die der Position Pflege der Leib- und Bettwäsche zuzuordnen sind. Die hier erbrachten Leistungen sind im Vergleich zu jenen der Pflegerinnen von geringerer Natur. Daher wird diese Position betreffend der Wert von 2,86 Stunden monatlich laut Einstufungsverordnung dem Beschwerdeführer zugerechnet.
Der Beschwerdeführer unterstützt die Pflegerinnen auch bei Arbeiten, die der Position Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände zuzuordnen sind. Die hier erbrachten Leistungen sind im Vergleich zu jener der Pflegerinnen untergeordneter Natur. Die hier erbrachten Leistungen des Beschwerdeführers haben jedoch so eine geringe Frequenz, dass dem Beschwerdeführer bei dieser Position der Wert von 1,43 Stunden monatlich laut Einstufungsverordnung zugerechnet wird.
Es wurden vom Beschwerdeführer keine Mahlzeiten zubereitet. Ebenso wurden Motivationsgespräche im Sinne der Einstufungsverordnung geführt. Auch bei der Einnahme der Medikamente erfolgt seitens des Beschwerdeführers keine maßgebliche Leistung.
Dem Beschwerdeführer sind somit insgesamt 48,58 Stunden monatlich vor dem Sturz des Vaters zuzurechnen.
Dem Beschwerdeführer sind somit insgesamt 65,72 Stunden monatlich ab dem Sturz des Vaters zuzurechnen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Antrag, zur Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers, zur Pflege des Vaters in häuslicher Umgebung und zur Anwesenheit der weiblichen Pflegerinnen ergeben sich aus dem Akteninhalt und sind unbestritten. Ein entsprechender Pflegevertrag wurde vorgelegt. Die Geschäftsöffnungszeiten des Beschwerdeführers ergeben sich aus den überprüften Angaben auf dessen Homepage.
Der Zustand betreffend die demenzielle Erkrankung des Vaters ergibt sich aus den Gutachten 2016 und 2020 und ist ebenfalls unstrittig. Dass es beim Vater zu mehrfachen Stürzen gekommen ist, ergibt sich aus dem Gutachten 2020.
Strittig ist die Zuordnung der Stundenwerte gem. Einstufungsverordnung bei den jeweiligen Positionen.
Aufgrund der Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde die Lage der vom Beschwerdeführer erbrachten Pflegeleistungen erhoben.
Daraus ergibt sich das Bild, dass administrative Tätigkeiten die der Position Herbeischaffung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Bedarfsgütern des täglichen Lebens zuzurechnen sind, unter der Woche um den Arbeitsbeginn oder in der Mittagspause erledigt werden, allenfalls am Donnerstag nachmittags, wenn das Geschäft des Beschwerdeführers geschlossen ist. Da diese Tätigkeiten ohne ins Gewicht fallende Ausnahme vom Beschwerdeführer erbracht werden, werden die 10 Stunden monatlich laut Einstufungsverordnung dem Beschwerdeführer in voller Höhe zugerechnet. Eine Änderung aufgrund des Sturzes des Vaters hat sich nicht ergeben.
Betreffend die Positionen tägliche Körperpflege, bei Verrichtung der Notdurft, bei An- und Auskleiden, bei Reinigung bei Inkontinenz, bei Mobilitätshilfe im engeren Sinn sowie bei Mobilitätshilfe im weiteren Sinn kommt der erkennende Richter zum Ergebnis, dass 3/7 der monatlichen Stundenwerte dem Beschwerdeführer zuzurechnen sind. Da der Beschwerdeführer jedenfalls am Sonntag und zwei Halbtage am Donnerstag und Samstag nicht arbeitstätig ist, sowie jeden Tag nach Geschäftsschluss und auch nächtlich im Pflegeeinsatz ist, bewertete der erkennende Richter die Leistungen mit einem Wert von 3 Tagen einer 7 Tage Woche, deshalb der Wert von 3/7. Der Beschwerdeführer legte durch detaillierte Schilderungen glaubwürdig dar, dass die weiblichen Pflegerinnen aufgrund der Demenzerkrankung immer wieder Unterstützung durch eine weitere Person benötigen, insbesondere bei kraftaufwendigen Tätigkeiten.
Wegen der kraftaufwendigen Tätigkeiten wird vor dem Sturz des Vaters des Beschwerdeführers hinsichtlich der im Vorabsatz genannten Positionen nur ein Wert von 2/7 angesetzt, da aufgrund der Restmobilität, die vor dem Sturz gegeben war, von einer geringeren Häufigkeit der zeitlichen Beanspruchung des Beschwerdeführers ausgegangen wird, nämlich von 2 Tagen die Woche.
Hinsichtlich der Position Pflege der Leib- und Bettwäsche wurde ein Wert von 2/7 des Monatsstundenwertes der Einstufungsverordnung angenommen. Genaue Angaben des Beschwerdeführers zur exakten zeitlichen Zuordnung der Tätigkeitsausführung zu ihm oder den Pflegerinnen waren in der Verhandlung nicht zu erheben, weshalb von einer vermehrten Umsetzung durch den Beschwerdeführer am Wochenende ausgegangen wird. Eine Änderung aufgrund des Sturzes des Vaters hat sich nicht ergeben.
Die geschilderten Tätigkeiten betreffend die Position Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände wird aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers in der Verhandlung mit einer geringen Frequenz von 1/7 des Monatsstundenwertes der Einstufungsverordnung, also eine Ausführung einmal die Woche angenommen, da die angegebenen Tätigkeiten des Beschwerdeführers nicht regelmäßig täglich auftreten. Eine Änderung aufgrund des Sturzes des Vaters hat sich nicht ergeben.
Der Beschwerdeführer gab an, keine Mahlzeiten zuzubereiten. Die Gespräche, die der Beschwerdeführer mit seinem Vater führt, sind keine Motivationsgespräche im Sinne der Einstufungsverordnung. Hinsichtlich der Einnahme der Medikamente durch den Vater hat der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Tätigkeiten angeführt, die er erbringt.
Dies Gesamtwerte 48,58 Stunden monatlich vor dem Sturz sowie 65,72 Stunden monatlich nach dem Sturz ergeben sich aufgrund der Addition der, in den Feststellungen genannten Einzelpositionswerte.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:
§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nur in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 und nur auf Antrag einer Partei durch einen Senat. Die vorliegende Angelegenheit ist nicht von dieser Bestimmung erfasst. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A) Teilstattgabe der Beschwerde:
Gemäß § 18b Abs. 1 ASVG können sich Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, solange sie während des Zeitraumes dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Je Pflegefall kann nur eine Person selbstversichert sein. Die Pflege in häuslicher Umgebung wird durch einen zeitweiligen stationären Pflegeaufenthalt der pflegebedürftigen Person nicht unterbrochen.
Im gegenständlichen Fall ist das Begehren des Beschwerdeführers darauf gerichtet, den Bescheid der PVA dahingehend abzuändern, dass der Anspruch auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen für die Zeit ab Mai 2016 anerkannt wird.
Die Bestimmung des § 18b ASVG selbst schränkt die anzuerkennenden Zeiten vor der Antragstellung nicht ein. Allerdings sind gemäß § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG Zeiten einer freiwilligen Versicherung nur dann als Beitragszeiten aus der Zeit nach dem 31.12.1955 anzusehen, wenn die Beiträge innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des Beitragszeitraumes, für den sie gelten sollen, entrichtet worden sind. Da es sich bei der vom Beschwerdeführerin am 10.02.2020 beantragten Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen (gemäß § 18b ASVG) um eine solche freiwillige Versicherung (iSd §§ 16ff ASVG) handelt, kommt § 225 Abs. 1 Z 3 1. Halbsatz ASVG auch für § 18b ASVG zur Anwendung. Anders als für die explizit genannten freiwilligen Versicherungen gemäß § 18 ASVG und § 18a iVm § 669 Abs. 3 ASVG ist in § 225 Abs. 1 Z3 ASVG ist für § 18b ASVG keine Ausnahmeregelung vorgesehen. Somit ist auf Fälle betreffend die Selbstversicherung für Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen nach § 18b ASVG der § 225 Abs. 1 Z 3 1. Halbsatz ASVG anzuwenden, weshalb der beitragswirksame Beginn der Versicherung frühestens ein Jahr vor der Antragstellung liegen kann.
Auch wenn der Versicherte gemäß § 18b Abs. 2 ASVG als Zeitpunkt des Beginns der freiwilligen Selbstversicherung auch einen bereits verstrichenen Zeitpunkt wählen kann, ergibt sich aus § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG, dass als frühestmöglicher Beginnzeitpunkt der dem Antragszeitpunkt vorangehende Monatserste des Vorjahres gewählt werden kann. (vgl. VwGH vom 04.11.2015, Ro 2015/08/0022).
Der Beschwerdeführer hat den Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen gemäß § 18b ASVG am 10.02.2020 gestellt, weshalb gemäß § 225 Abs. 1 Z 3 1. Halbsatz ASVG der März 2018 der erste mögliche Beitragsmonat ist. Zeiträume, die vor dem 01.02.2019, also mehr als 12 Monate vor Antragstellung liegen, können nicht als Beitragszeiten für die freiwillige Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18b ASVG herangezogen werden, und war die Ablehnung der Behörde diesbezüglich zu bestätigen.
Das Begehren des Beschwerdeführers ist darauf gerichtet, den Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Anspruch auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG anerkannt wird.
Voraussetzung für die Anerkennung eines Anspruches auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung ist gemäß § 18b Abs. 1 ASVG zunächst die Pflege eines nahen Angehörigen, welcher einen Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 hat. Im gegenständlichen Fall bezieht der Vater des Beschwerdeführers seit 07/2016 Pflegegeld in Höhe der Stufe 5 des Bundespflegegeldgesetzes; davor wurde Pflegegeld einer niedrigeren Stufe bezogen.
Für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum ab 01.02.2019 liegt eine 24-Stunden-Betreuung des Vaters des Beschwerdeführers durch Pflegerinnen vor. Dies indiziert die alleinige Vornahme der notwendigen Pflegeleistungen durch die beigezogene Pflegekraft, schließt aber nicht aus, dass Angehörige einen Teil der notwendigen Pflegeleistungen verrichten müssen (siehe VwGH vom 19.01.2017, Ro 2014/08/0084).
Es war aufgrund des festgestellten Sachverhaltes zwei Zeiträume zu trennen: die Zeit der Betreuung vor dem Sturz des Vaters des Beschwerdeführers im März 2020 und die Zeit nach diesem Sturz.
Während in der Zeit vor dem Sturz die Pflegetätigkeiten des Beschwerdeführers mit insgesamt 48,58 Stunden monatlich keine erhebliche Beanspruchung des Beschwerdeführers im Sinne des § 18b Abs. 1 ASVG darstellen, somit der Indizwirkung des VwGH zwar nicht entsprechen, aber zu keinem anderen Ergebnis führen, stellen insgesamt 65,72 Stunden monatlich ab dem Sturz des Vaters eine erhebliche Beanspruchung des Beschwerdeführers im Sinne des § 18b Abs. 1 ASVG dar.
Die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Anspruches auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b Abs. 1 ASVG liegen daher ab Monatsbeginn, dem 01.03.2020, vor.
Der belangten Behörde sei noch mitgegeben, dass sie in Zukunft darauf achten möge, einerseits die Pflegegeldgutachten, wie vom VwGH in der Entscheidung vom 19.01.2017, Ro 2014/08/0084, ausgeführt, anzufordern (sofern diese, wie fallgegenständlich, nicht bei der Behörde vorliegen): „Da auf den auch für die Ermittlung des Pflegegelds maßgeblichen Pflegebedarf abzustellen ist, wird als Grundlage für die Beurteilung in der Regel ein bereits im Verfahren über die Zuerkennung oder Neubemessung des Pflegegelds eingeholtes - soweit noch aktuelles bzw. sonst entsprechendes - Sachverständigengutachten (§ 8 EinstV) dienen können.“ Andererseits sei noch mitgegeben, die Begründung des Bescheides nicht gar so rudimentär ausfallen zu lassen, da im gegenständlichen Fall die Begründung für den Ablehnungsgrund der nicht-erheblichen Beanspruchung im Bescheid komplett fehlt. Die 24-Stunden-Betreuung ergibt sich zwar indirekt aus dem Bescheid, die vorgenommene Beweiswürdigung zur Stundenzurechnung, wer (Beschwerdeführer oder Pflegekraft) welche Pflegeleistungen erbringt und wie die Behörde zu dieser Zuordnung kommt, fehlt und wurde nur teilweise im Vorlageschreiben an das Bundesverwaltungsgericht offengelegt, zumal die Lage der Pflegetätigkeiten des Beschwerdeführers gar nicht erhoben wurde. Dies wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes durch Verhandlung und nunmehriges Erkenntnis nachgeholt.
Der Beschwerde war daher ab 01.03.2020 spruchgemäß teilweise stattzugeben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Entscheidung orientiert sich an folgenden Entscheidungen: VwGH vom 19.01.2017, Ro 2014/08/0084 sowie VwGH vom 04.11.2015, Ro 2015/08/0022.
Schlagworte
Arbeitskraft naher Angehöriger Pensionsversicherung Pflegebedarf Pflegegeld Selbstversicherung Teilstattgebung ZeitraumbezogenheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W228.2235093.1.00Im RIS seit
21.06.2021Zuletzt aktualisiert am
21.06.2021