Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Mai 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Pentz in der Strafsache gegen Iosif G***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Jugendschöffengericht vom 4. November 2020, GZ 39 Hv 55/20v-18, sowie über dessen Beschwerde gegen einen zugleich gefassten Beschluss auf Anordnung von Bewährungshilfe nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Iosif G***** des Vergehens des Diebstahls nach (richtig:) §§ 15, 127 StGB (1./) und des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (2./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 15. Juni 2020 in G***** in einverständlichem Zusammenwirken mit Riccardo G***** und einer weiteren Person mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz fremde bewegliche Sachen weggenommen, und zwar
1./ Gewahrsamsträgern der D***** GmbH und Co KG ein Paar Schuhe, indem sie die Diebstahlssicherung entfernten und die Schuhe in eine mitgebrachte Papiertüte steckten;
2./ Vanja I***** (zu ergänzen: die die zu 1./ genannte Diebesbeute wieder zurückerlangt hatte) mit Gewalt die zu Punkt 1./ genannte Papiertüte mit den Schuhen, indem ihr Riccardo G***** diese ruckartig aus der Hand riss und sie an Iosif G***** weitergab, der damit davonfuhr.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf Z 5, 9 lit a und 10a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Deren Erledigung ist vorauszuschicken, dass das Erstgericht der Verteidigerin des Angeklagten zunächst versehentlich einen von einem Richteramtsanwärter erstellten Entwurf einer gekürzten Urteilsausfertigung übermittelt hatte (vgl Amtsvermerk des Vorsitzenden ON 29). Da dieser Entwurf vom Vorsitzenden nicht unterschrieben (§ 270 Abs 1 StPO) worden war, ist er rechtlich bedeutungslos (vgl SSt 5/58; Danek/Mann, WK-StPO § 270 Rz 2; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 8.233). Gleiches gilt auch für die sich auf diesen Nichtakt beziehende (erste) Rechtsmittelschrift des Angeklagten (ON 28).
[5] Die Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
[6] Der gegen den Schuldspruch 2./ gerichteten Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider hat das Erstgericht die subjektive Tatseite des Angeklagten aus dem objektiven Geschehen abgeleitet. Das ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0116882).
[7] Ob der Angeklagte die Begehung eines Raubes in seinen Tatplan aufgenommen hatte, ist für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage ohne Belang.
[8] Die prozessordnungskonforme Ausführung materiell-rechtlicher Nichtigkeit hat stets unbedingtes Festhalten am konstatierten Sachverhalt zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810). An dieser Anfechtungsvoraussetzung scheitert die Rechtsrüge (Z 9 lit a), die mit Verweis auf die leugnende Verantwortung des Angeklagten den Einsatz räuberischer Mittel gegen das Opfer in Abrede stellt, den Einsatz von Gewalt bestreitet und pauschal behauptet (der Sache nach Z 10), etwaige Gewalt habe erst nach bereits erfolgtem Gewahrsamswechsel stattgefunden.
[9] Die Diversionsrüge (Z 10a) macht nicht deutlich, aus welchem Grund bei der hier vorliegenden Fallkonstellation (Begehung eines Verbrechens und eines Vergehens, Mittäterschaft) die Schuld des Angeklagten nicht als schwer anzusehen sein soll (§ 7 Abs 2 Z 1 JGG, zur methodisch korrekten Darstellung einer Diversionsrüge vgl RIS-Justiz RS0124801). Damit erübrigt sich aber ein Eingehen auf die Rechtsmittelausführungen in Bezug auf die weiteren Diversionsvoraussetzungen.
[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizite) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
[11] Bleibt anzumerken:
1) Auf Basis der Konstatierungen, wonach der zu 1./ abgeurteilte Ladendiebstahl beobachtet wurde, wäre richtigerweise von einem bloßen Tatversuch (§ 15 StGB) auszugehen gewesen (RIS-Justiz RS0093306; Stricker in WK2 StGB § 127 Rz 160 mit zahlreichen weiteren Beispielen aus der Rechtsprechung). Diesem Rechtsdefizit (Z 11 zweiter Fall) kann vom Oberlandesgericht im Rahmen des Berufungsverfahrens Rechnung getragen werden (RIS-Justiz RS0114427).
2) Entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur reichen die zum Schuldspruch 2./ getroffenen Feststellungen für eine Tatbeurteilung nach § 142 Abs 1 StGB aus. Danach gelang es Vanja I*****, den Angeklagten die Diebesbeute wieder aus den Händen zu reißen. Erst nachdem sich diese von Josif G***** entfernt hatte (US 3, 9), kam es zu den im Schuldspruch 2./ beschriebenen Tathandlungen. Solcherart hatte Vanja I***** erneut Gewahrsam an den zuvor gestohlenen Gegenständen erlangt, welcher von den Angeklagten in der Folge mittels Gewaltanwendung gebrochen wurde.
[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E131929European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0120OS00013.21K.0527.000Im RIS seit
18.06.2021Zuletzt aktualisiert am
19.06.2021