Entscheidungsdatum
13.04.2021Norm
ASVG §292Spruch
W228 2232124-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Burgenland, vom 13.03.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird im Umfang des angefochtenen Spruchpunkts 1.) (dh: soweit die Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 26.07.2019 abgeschlossenen Verfahrens über den Anspruch auf Ausgleichszulage verfügt wurde) ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid vom 26.07.2019, Zl. XXXX , hat die Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Burgenland (im Folgenden: PVA), den Anspruch aufs Ausgleichszulage für XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) ab 01.03.2018 anerkannt. Es wurde festgestellt, dass die Ausgleichzulage ab 01.03.2018 € 489,42 monatlich und ab 01.01.2019 € 502,07 monatlich beträgt.
Mit angefochtenem Bescheid vom 13.03.2020, Zl. XXXX , hat die PVA im Spruchpunkt 1.) das Verfahren über den Anspruch auf Ausgleichszulage wiederaufgenommen und den Bescheid vom 26.07.2019 aufgehoben. Im Spruchpunkt 2.) wurde der Antrag auf Ausgleichszulage abgelehnt und der vom 01.03.2018 bis 29.02.2020 entstandene Überbezug an Ausgleichszulage in Höhe von € 13.852,16 rückgefordert. Begründend wurde ausgeführt, dass die Voraussetzung des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland nicht vorliege.
Gegen Spruchpunkt 1.) dieses Bescheides hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 21.03.2020 fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin führte sie aus, dass die im Bescheid getroffene Feststellung, dass kein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland vorliege, in keiner Weise belegt werde. Die Beschwerdeführerin erkläre, dass sich in den letzten Jahren an ihrer Lebensführung nichts geändert habe, sie lebe nach wie vor seit November 2008 zusammen mit ihrem Ehemann ununterbrochen in ihrem gemeinsam gebauten Familienhaus in Kittsee. Sie sei in das Geschehen in Kittsee eingebunden, zahle alle Gebühren, die mit der Nutzung des Hauses verbunden sind, habe an den letzten Kommunalwahlen teilgenommen. All diese Beweismittel seien der PVA bereits vorgelegt worden. Sie nehme am Kommunalleben in Kittsee teil, habe dort einen Deutschkurs besucht und übernehme an ihrer Wohnadresse auch Postsendungen direkt vom Postträger. Das Vorgehen der PVA sei der Beschwerdeführerin völlig unverständlich.
Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 19.06.2020 vorgelegt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 29.06.2020 das Bezirkspolizeikommando Neusiedl am See im Wege der Amtshilfe um sachdienliche Erhebung an der Adresse der Beschwerdeführerin in Kittsee ersucht, ob die Beschwerdeführerin dort tatsächlich wohnhaft ist.
Am 01.10.2020 legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht ein bei ihr eingelangtes Schreiben der Beschwerdeführerin vom 24.09.2020 vor.
Am 22.02.2021 langte eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Am 05.03.2021 wurde der staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakt 2St124/20t an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 19.03.2021 der PVA den Akt der Staatsanwaltschaft 2St124/20t übermittelt.
Am 24.03.2021 langte eine Stellungnahme der PVA beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist slowakische Staatsangehörige und bezieht eine slowakische Pensionsleistung. Ein Anspruch auf eine österreichische Pension besteht nicht. Die Beschwerdeführerin beantragte am 19.02.2018 die Gewährung einer Ausgleichszulage. Als ständiger Aufenthalt wurde im Zuge der Antragstellung die Anschrift XXXX , 2421 Kittsee angegeben.
Mit Bescheid der PVA vom 26.07.2019 wurde der Anspruch auf Ausgleichszulage ab 01.03.2018 anerkannt.
Es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin – wie von ihr angegeben – ihren gewöhnlichen Aufenthalt an der Adresse XXXX , 2421 Kittsee hat.
Es ist daher festzustellen, dass die Beschwerdeführerin im Zuge der Antragstellung auf Gewährung einer Ausgleichszulage keine falschen Angaben über ihren gewöhnlichen Aufenthalt gemacht hat.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Antragstellung der Beschwerdeführerin auf Gewährung einer Ausgleichszulage ergeben sich aus dem „Fragebogen Ausgleichszulage“ und sind unstrittig.
Der Bescheid der PVA vom 26.07.2019 liegt im Akt ein.
Zur Feststellung, wonach die Beschwerdeführerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt an der Adresse XXXX , 2421 Kittsee hat, ist beweiswürdigend auf den Ermittlungsakt der Staatsanwaltschaft Eisenstadt 2St124/20t zu verweisen (Erhebungen betreffend Sozialleistungsbetrug gemäß §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 StGB). Das dortige Verfahren gegen die Beschwerdeführerin wurde nach § 190 Z 2 StPO eingestellt. Aufgrund der erhobenen Energieverbrauchsdaten im Zusammenspiel mit den Wahrnehmungen der Erhebungsorgane bei der Besichtigung am 25.11.2020 konnten keine Hinweise festgestellt werden, dass das Haus an der Adresse XXXX , 2421 Kittsee unbewohnt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.
Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. In Ermangelung einer entsprechenden Anordnung der Senatszuständigkeit im ASVG liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A) Stattgabe der Beschwerde:
Mit dem angefochtenen Bescheid verfügte die belangte Behörde gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 und Z 2 AVG von Amts wegen die Wiederaufnahme des auf Grund des Antrags der Beschwerdeführerin vom 19.02.2018 eingeleiteten und mit Bescheid vom 26.07.2019 abgeschlossenen Verfahrens über den Anspruch auf Ausgleichszulage. Verbunden mit der Wiederaufnahme wurde der Antrag auf Ausgleichszulage abgelehnt und der vom 01.03.2018 bis 29.02.2020 entstandene Überbezug an Ausgleichszulage in Höhe von € 13.852,16 rückgefordert.
Der Umfang des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens erstreckt sich nur auf den Ausspruch über die Wiederaufnahme, zumal nur dieser als Verwaltungssache qualifiziert werden kann, die der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts unterliegt. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Beschwerdeführerin gegen die im angefochtenen Bescheid vom 13.03.2020 ausgesprochene Ablehnung des Antrags auf Ausgleichszulage sowie gegen die Verpflichtung zur Rückzahlung des Überbezuges an Ausgleichszulage fristgerecht Klage beim LG Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht erhoben hat.
Bei einer Beschwerde gegen einen Bescheid über die Wiederaufnahme von Amts wegen ist "Sache" des Beschwerdeverfahrens nur die Wiederaufnahme aus den von der belangten Behörde herangezogenen Gründen, also jenen wesentlichen Sachverhaltsmomenten, die die Behörde als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat.
Gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG kann die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügt werden, wenn der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist.
Gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG kann die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügt werden, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen sind, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.
Die belangte Behörde stützt sich im angefochtenen Bescheid vom 13.03.2020 einerseits auf § 69 Abs. 1 Z 2 AVG und führt aus, dass nach Erlassung des Bescheides neue Tatsachen zu Tage traten und zwar dahingehend, dass kein gewöhnlicher Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland vorliegt, welcher jedoch gemäß § 292 Abs. 1 ASVG Voraussetzung für die mit Bescheid vom 26.07.2019 gewährte Ausgleichszulage ist. Überdies stützt sich die belangte Behörde auch auf § 69 Abs. 1 Z 1 AVG, mit der Begründung, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag wider besseren Wissens angab, ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland zu haben.
Der Tatbestand des "Erschleichens" setzt voraus, dass der Bescheid in einer Art zustande gekommen ist, dass die Partei vor der Behörde objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht hat und diese unrichtigen Angaben dann dem Bescheid zugrunde gelegt werden, wobei die Verschweigung wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist (VwGH 07.07.1992, 90/08/0164; 10.09.2003, 2003/18/0062). Sind der Behörde durch unrichtige oder unvollständige Ausfüllung eines amtlichen Fragebogens durch die Partei Tatsachen zunächst verborgen geblieben, bei deren Kenntnis ein anderer Bescheid ergangen wäre, kann sie im Allgemeinen aus der unrichtigen oder unvollständigen Ausfüllung des Fragebogens auf eine Irreführungsabsicht schließen, wenn keine gegen eine solche Absicht sprechenden Umstände hervorgekommen sind (vgl. VwGH 25.02.1988, 88/08/0027; 07.07.1992, 90/08/0164; 08.09.1998, 98/08/0090; 16.02.1999, 96/08/0270).
Im gegenständlichen Fall hat die Beschwerdeführerin jedoch – wie festgestellt - ihren gewöhnlichen Aufenthalt an der Adresse XXXX , 2421 Kittsee, sohin im Inland.
Es ist daher weder der Tatbestand des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG noch der Tatbestand des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG erfüllt.
Die von Amts wegen verfügte Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 26.07.2019 abgeschlossenen Verfahrens über den Anspruch auf Ausgleichszulage erfolgte daher nicht zu Recht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
amtswegige Wiederaufnahme Ausgleichszulage gewöhnlicher AufenthaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W228.2232124.1.00Im RIS seit
10.06.2021Zuletzt aktualisiert am
10.06.2021