Entscheidungsdatum
12.03.2021Index
41/02 Passrecht FremdenrechtNorm
NAG §11 Abs2 Z4Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richterin Dr. Hason über die Beschwerde des Herrn A. B., geb. 2003, Staatsangehörigkeit: Pakistan, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 22.05.2020, Zahl: …, mit dem dessen Antrag vom 23.10.2019 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Rot-Weiß-Rot Karte plus“ nach § 46 Abs. 1 Z 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) abgewiesen wurde,
zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, und der angefochtene Bescheid bestätigt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 22.05.2020, Zl. …, wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 23.10.2019 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ nach § 46 Abs. 1 Z 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm § 11 Abs. 5 NAG abgewiesen, da die belangte Behörde in ihrer Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis kam, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte.
In der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde legte der Beschwerdeführer abermals die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seines in Österreich lebenden Vaters dar und wendete ausgehend davon ein, dass er die Erteilungsvoraussetzungen für den begehrten Aufenthaltstitel sehr wohl erfülle.
Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte dem Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde gemeinsam mit dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.
Im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien wurden zu verschiedenen Zeitpunkten Auszüge aus der Sozialversicherungsdatenbank (AJ-Web) und dem Zentralen Melderegister (ZMR) angefertigt. Weiters erfolgte per E-Mail vom 26.02.2021 durch die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers eine umfassende Urkundenvorlage.
Zur weiteren Abklärung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts wurde vor dem Verwaltungsgericht Wien am 01.03.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil und entsandte keinen Vertreter. Im Rahmen dieser Verhandlung wurde in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt sowie in die im hg. Beschwerdeverfahren bzw in der Verhandlung vorgelegten Unterlagen Einsicht genommen und das Beschwerdevorbringen gewürdigt. Zudem wurde der Vater des Beschwerdeführers, Herr C. B., als Zeuge vernommen. Dieser machte im Zuge seiner Befragung folgende Angaben:
„Wenn ich gefragt werde, was ich monatlich netto verdiene, so gebe ich Folgendes an: Ich beziehe 635 Euro netto monatlich bei der Firma D. und circa 1.265 Euro bei der E. GmbH (zusammen circa 1.900 Euro 14-mal).
Ich vertrete meinen (mittlerweile volljährigen) Sohn nach wie vor und gilt das auch für den Rechtsvertreter.
Bei der E. GmbH arbeite ich, indem ich Essen zustelle. Der am Gehaltszettel Jänner 2021 ausgewiesene Monatslohn von 1.540 Euro brutto wird jedes Monat ausbezahlt (…)
Bei der F. GmbH (= D.) stelle ich Zeitungen zu. Dies im Rahmen eines Werkvertrages und werde ich entlohnt, je nachdem wie viele Zeitungen ich zustelle (…)
Wenn ich gefragt werde, wie viele Zeitungen ich zustellen muss um 635,77 Euro (wie im Jänner 2021) zu erhalten, so gebe ich an: Es sind circa 220 Zeitungen pro Tag und das jeden Tag des Monats. Ich brauche dafür circa zwei bis zweieinhalb Stunden. Das mache ich von 1:00 Uhr Früh bis 5:00 Uhr Früh. Als Essenslieferant arbeite ich von 11:00 Uhr vormittags bis 14:00 Uhr und dann wieder von 17:00 Uhr bis 22:00 Uhr. Als Essenslieferant arbeite ich fünf Tage in der Woche.
Die Miete beträgt 746 Euro monatlich und mein Bruder zahlt 400 Euro dazu. Für Telefon und Internet zahle ich 30 Euro monatlich.
Der Stromvertrag läuft auf meinen Bruder und zahlt er die Stromkosten (…)
Wenn ich gefragt werde, wieso sich dann aus meinem Kontoauszug eine Überweisung an Wien Energie in der Höhe von 13,01 Euro (23.10.2020) befindet, so gebe ich an, dass ich manchmal das zahle und dann von meinem Bruder zurückbekomme.
Im Rahmen des Schuldenregulierungsverfahrens zahle ich 219 Euro monatlich. Diese Rate muss ich noch die nächsten sieben Jahre bezahlen. Darin ist der SVA-Beitrag der gewerblichen Wirtschaft bereits enthalten. Auch das Leasingentgelt an die Leasing GmbH ist davon erfasst.
Der BfV gibt an, dass alle Überweisungen mit dem Verwendungszweck GZ: … dieses Schuldenregulierungsverfahren betreffen. Das betrifft auch den „… Kreditorenverband“.
Für die Zustellungen verwende ich ein kleines KFZ, welches ausbezahlt ist. Darüber hinaus habe ich keine regelmäßig zu leistenden Verbindlichkeiten.
Der Mietvertrag für die ggst. Wohnung ist ein unbefristeter und wohne ich dort mit meinem Bruder. Wenn mein Sohn kommt, wird er auch dort wohnen, die Wohnung hat 81 m².
Mein Sohn besucht die elfte Schulstufe einer AHS in Pakistan. Mit Absolvierung der zwölften Schulstufe (Reifeprüfung) ist die Schule abgeschlossen. Wenn mein Sohn nach Wien kommt, wird er hier die Schule besuchen. Er wird noch besser Deutsch lernen und dann eine Ausbildung machen, d.h. er wird die Matura hier in Österreich machen. Er ist mein einziger Sohn und möchte ich, dass er eine gute Ausbildung erhält. Ich habe noch vier Töchter und leben die gemeinsam mit meinem Sohn bei der Mutter.
Wenn ich gefragt werde, was die Mutter dazu sagt: Die möchte auch, dass unser Sohn in Österreich die Matura macht. Auch wird unser Sohn die Mutter (und seine Schwestern) regelmäßig besuchen.
Mein Sohn wird dann bei mir mitversichert sein bzw. werde ich eine eigene Versicherung für ihn abschließen.
Hinsichtlich meiner vier Töchter lege ich vor ein Familienregistrierungszertifikat (…), aus dem sich die wesentlichen Daten ergeben.
Ich habe meinen Sohn zuletzt vor einem Jahr gesehen, als ich ihn in Pakistan besucht habe.
Meine vier Töchter sind Studentinnen bzw. Schülerin.
Wenn ich gefragt werde, warum mein Sohn nicht die Schule in Pakistan fertigmacht: Ich wünsche mir sehr, dass mein Sohn herkommt und hier die Ausbildung fertigmacht. Ich konnte ihm in den letzten 16 Jahren viel zu wenig Zeit widmen.
Wen ich gefragt werde, warum er nicht in Pakistan die Schule fertigmacht: Es ist möglich, dass er dann kein Visum bekommt und möchte ich, dass er jetzt nach Österreich kommt.
Über Befragen durch den BfV:
Ich bekomme für die Essensauslieferungen auch noch Trinkgeld. Das sind mindestens 20-25 Euro täglich.“
II. Sachverhalt
Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:
Der Beschwerdeführer ist 2003 geboren und pakistanischer Staatsangehöriger. Sein aktueller Reisepass ist bis 17.01.2024 gültig.
Der Beschwerdeführer brachte am 10.10.2019 bei der Österreichischen Botschaft in Islamabad, Pakistan, einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Rot-Weiß-Rot Karte plus“ nach § 46 Abs. 1 Z 2 NAG, ein. Dabei berief er sich auf seine Angehörigeneigenschaft gegenüber seinem Vater, dem pakistanischen Staatsangehörigen, Herrn C. B., welcher zurzeit auf Grundlage eines gültigen Aufenthaltstitels für den Zweck „Rot-Weiß-Rot Karte plus“ in Österreich lebt.
Der Beschwerdeführer legte bei seiner Antragstellung am 10.10.2019 einen Nachweis über die Absolvierung der Sprachprüfung „Goethe-Zertifikat A1“ auf dem Sprachniveau A1 mit der Note „befriedigend“ am 24.08.2019 in G., Pakistan, vor.
Als Kind im Sinne des § 123 Abs. 2 Z 2 ASVG, welches zwar das 18. Lebensjahr erreicht hat, aber gemäß § 123 Abs. 4 Z 1 ASVG eine Schulausbildung absolviert, hätte der Beschwerdeführer als Angehöriger seines Vaters, welcher aufgrund seiner Beschäftigung in Österreich sozialversichert ist, Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung.
Für den Fall der Erteilung des gegenständlichen Aufenthaltstitels beabsichtigt der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinem Vater und dessen Bruder, Herrn H. B., in einer 81m² großen Wohnung, an der Adresse „Wien, J.-straße“ zu wohnen. Die monatliche Miete für diese Wohnung in Höhe von rund 746,- Euro wird durch den Vater des Beschwerdeführers und dessen Bruder gemeinsam aufgebracht, wobei der Bruder des Vaters des Beschwerdeführers einen Kostenbeitrag von monatlich 400,- Euro leistet. Die Stromkosten für diese Wohnung werden zur Gänze vom Bruder des Vaters des Beschwerdeführers beglichen.
Der Beschwerdeführer ist sowohl in der Republik Pakistan als auch in Österreich gerichtlich und verwaltungsstrafrechtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer ist in Pakistan aufgewachsen. Dort lebt er gemeinsam mit seiner Mutter und drei älteren sowie einer jüngeren Schwester. In Pakistan besucht der Beschwerdeführer zurzeit die vorletzte Schulstufe einer allgemeinbildenden höheren Schule. In Österreich beabsichtigt der Beschwerdeführer ebenfalls die Schule zu besuchen und in weiterer Folge, nach Erwerb der erforderlichen Deutschkenntnisse, die Reifeprüfung zu absolvieren. Bislang hielt sich der Beschwerdeführer noch nie in Österreich auf. Persönlichen Kontakt hatte der Beschwerdeführer mit seinem zusammenführenden Vater zuletzt vor etwa einem Jahr, als dieser die Familie in Pakistan besuchte.
Der Vater des Beschwerdeführers ist seit 01.11.2020 bei der E.-gmbH als Essenszusteller unselbstständig erwerbstätig. Hierfür bezieht er ein monatliches Bruttogehalt von 1.540,- Euro; dies entspricht einem monatlichen Netto-Durchschnittsgehalt von rund 1.474,89 Euro, inklusive Sonderzahlungen. Im Rahmen dieser Tätigkeit stellt der Vater des Beschwerdeführers an fünf Tagen pro Woche, jeweils in der Zeit von 11:00 Uhr bis 14:00 Uhr sowie von 17:00 Uhr bis 22:00 Uhr Essen zu.
Daneben war der Vater des Beschwerdeführers im Jänner 2021 auf Werkvertragsbasis bei der F. GmbH als Zeitungszusteller tätig. In diesem Monat erhielt er für seine Beschäftigung als Zeitungszusteller ein Entgelt von 635,77 Euro. Im Rahmen dieser Tätigkeit stellte der Vater des Beschwerdeführers an sieben Tagen pro Woche im Zeitraum von 01:00 Uhr und 05:00 Uhr Zeitungen zu.
Der Vater des Beschwerdeführers verfügt weiters über ein Konto bei der K.-bank mit der Nr. IBAN ...9, welches zum 28.02.2021 einen Guthabenstand von 638,70 Euro aufwies. Daneben verfügt der Vater des Beschwerdeführers über ein Sparkonto bei der K. Bausparkasse mit der Nr. IBAN ...3, auf dem sich am 31.12.2020 ein Guthaben von 394,54 Euro befand.
Dem Einkommen des Vaters des Beschwerdeführers stehen regelmäßige finanzielle Aufwendungen für den Mietbeitrag in Höhe von 346,- Euro, für Mobilfunk bzw Internet in Höhe von rund 30,- Euro, für diverse Rückzahlungen aus einem beim Bezirksgericht L. zur Zahl … geführten Insolvenzverfahren in Höhe von insgesamt 218,72 Euro sowie für monatliche Versicherungskosten bei der M. Versicherungen AG in Höhe von durchschnittlich 247,32 Euro gegenüber.
III. Beweiswürdigung
Im gegenständlichen Fall ergibt sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt zur Gänze aus den im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren sowie im hg. Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen des Beschwerdeführers, den hg. angefertigten Registerauszügen sowie den ergänzenden schriftlichen Stellungnahmen der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers und den erläuternden Ausführungen des Vaters des Beschwerdeführers in dessen zeugenschaftlicher Vernehmung im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien am 01.03.2021.
Die Feststellungen zu den persönlichen Daten des Beschwerdeführers, der Gültigkeit seines Reisepasses, den näheren Umständen der Antragstellung, dem vorgelegten Sprachnachweis, der gerichtlichen und verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers sowie der Möglichkeit zur Mitversicherung beim Vater ergeben sich aus den diesbezüglich im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen.
Die Feststellungen zur geplanten Wohnsituation in der Wohnung an der Adresse „Wien, J.-straße“ ergeben sich aus dem Vorbringen in der Beschwerde, welches durch den Vater des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien ausdrücklich bestätigt wurde. Gleiches gilt für die Feststellungen hinsichtlich der geteilten Finanzierung der Wohnung durch den Vater des Beschwerdeführers und dessen Bruder.
Die Feststellungen zur derzeitigen familiären Situation des Beschwerdeführers in Pakistan und dessen Plänen zur Fortsetzung seiner schulischen Ausbildung in Österreich sowie hinsichtlich der familiären Bindung zu seinem in Österreich lebenden Vater folgen ebenfalls aus den Aussagen des Vaters des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2021. Zudem gründet die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer Österreich noch nie besucht hat, auf einer dahingehenden Angabe der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers in einer E-Mail vom 14.09.2020.
Die Feststellungen zur unselbstständigen Erwerbstätigkeit des Vaters des Beschwerdeführers bei der E.-gmbH und dabei insbesondere das hierfür gebührende Bruttogehalt waren dem hg. angefertigten Auszug aus der Sozialversicherungsdatenbank (AJ-Web) vom 26.02.2021 und den im Vorfeld der mündlichen Verhandlung im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vorgelegten Gehaltsbestätigung für die Monate November und Dezember 2020 sowie Jänner 2021 zu entnehmen. Die Ermittlung des monatlichen Nettoeinkommens erfolgte dabei mithilfe des Brutto-Netto-Rechners der Arbeiterkammer unter „https://bruttonetto.arbeiterkammer.at/“.
Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit auf Werksvertragsbasis als Zeitungssteller bei der F. GmbH, die der Vater des Beschwerdeführers im Jänner 2021 ausübte, ergeben sich aus der diesbezüglich vorgelegten Honorarnote sowie den ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien.
Die festgestellten Zeiten, zu denen der Vater des Beschwerdeführers im Jänner 2021 seiner unselbstständigen sowie seiner werksvertragsbasierten Erwerbstätigkeit nachging, basieren unmittelbar auf den eigenen Aussagen des Vaters des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2021.
Die Feststellungen zum Sparguthaben des Vaters des Beschwerdeführers in Österreich auf dem Girokonto mit der Nr. IBAN ...9 bei der K.-bank sowie dem Sparkonto mit der Nr. IBAN ...3 bei der K. Bausparkasse, ergeben sich aus den hinsichtlich des Girokontos vorgelegten Kontoauszügen vom 25.02.2021 sowie aus der hinsichtlich des Sparkontos vorgelegten Kontobestätigung vom 31.12.2020.
Den vorgelegten Kontoauszügen vom 25.02.2021 hinsichtlich des Girokontos mit der Nr. IBAN ...9 bei der K.-bank, dem allerdings mehrere Seiten fehlen, waren überdies die regelmäßigen finanziellen Aufwendungen des Beschwerdeführers zu entnehmen. Die auf den Kontounterlagen zu sehenden Überweisungen stimmen dabei nur zum Teil mit den Angaben des Vaters des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien überein. So ist es zutreffend, dass der Vater des Beschwerdeführers monatlich 30,- Euro für Mobilfunk und Internet sowie rund 219,- Euro (tatsächlich genau 218,72 Euro) für diverse Rückzahlungen aus einem beim Bezirksgericht L. zur Zahl … geführten Insolvenzverfahren überweist. Ebenso waren auf den Kontoauszügen im Jahr 2021 aber auch Überweisungen an die M. Versicherungen AG ersichtlich, die vom Vater des Beschwerdeführers, auf Nachfrage hinsichtlich seiner regelmäßigen Aufwendungen nicht angeführt wurden. Da diese Überweisungen aber im Jänner und Februar 2021 zu einem ähnlichen Betrag erfolgten, war davon auszugehen, dass es sich dabei ebenfalls um eine neu eingegangene Verpflichtung des Vaters des Beschwerdeführers handelt. Folglich wurde der Durchschnittswert dieser Überweisungen den finanziellen Aufwendungen des Vaters des Beschwerdeführers hinzugezählt.
In diesem Zusammenhang ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach eine allgemeine Pflicht der Parteien, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen, besteht. Die Mitwirkungspflicht der Parteien, die jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn sie in Verwaltungsvorschriften vorgesehen ist, endet dort, wo es der Behörde auch ohne Mitwirkung der Partei möglich ist, tätig zu werden. Dieser Mitwirkungspflicht steht somit der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens gegenüber (VwGH 10.12.1991, 90/05/0231). Der sich aus § 37 AVG ergebende Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit bedeutet in Verbindung mit der sich aus § 39 AVG ergebenden Offizialmaxime aber, dass die Behörde nicht an das tatsächliche Parteienvorbringen gebunden ist, sondern vielmehr von sich aus den wahren Sachverhalt durch Aufnahme der nötigen Beweise festzustellen hat. Es ist nach dem AVG nicht möglich, bestimmte Tatsachen dergestalt außer Streit zu stellen, dass die Behörde aufgrund eines bestimmten Parteivorbringens zweckdienliche Ermittlungen überhaupt unterlassen könnte (vgl. VwGH vom 30.04.1998, 97/06/0225).
Wie der Verwaltungsgerichtshof somit ausgesprochen hat, korrespondiert mit der amtswegigen Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken. Die Offizialmaxime entbindet daher die Parteien nicht davon, durch substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhaltes beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen, was insbesondere bei jenen betriebsbezogenen und personenbezogenen Umständen der Fall sein wird, deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (vgl. VwGH vom 06.03.2008, 2007/09/0233; VwGH 28.02.2014, 2012/03/0100). Unterlässt es eine Partei, im Verfahren genügend mitzuwirken oder konkrete Beweisangebote vorzubringen, so handelt die Behörde im Allgemeinen nicht rechtswidrig, wenn sie weitere Erhebungen unterlässt (vgl. VwGH 17.02.1994, 92/16/0090). Die Behörde kann somit aus einer Verletzung der Mitwirkungspflicht im Rahmen der Beweiswürdigung für die Partei negative Schlüsse ziehen.
Mit dieser auf das allgemeine Verwaltungsverfahren schlechthin anwendbaren Judikatur korrespondiert letztendlich auch die in § 29 Abs. 1 NAG normierte besondere Mitwirkungspflicht des Fremden im Niederlassungs- und Aufenthaltsverfahren, welcher der Beschwerdeführer hinsichtlich der regelmäßigen finanziellen Aufwendungen somit nicht vollständig nachgekommen ist.
IV. Rechtsgrundlagen
Die maßgebenden Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsrechts – NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 (§ 11 idF BGBl. I Nr. 145/2017 und § 46 idF BGBl. I Nr. 56/2018), lauten auszugsweise:
„Begriffsbestimmungen
§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
1. bis 8. …
9. Familienangehöriger: wer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner; Ehegatten und eingetragene Partner müssen das 21. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vollendet haben; lebt im Fall einer Mehrfachehe bereits ein Ehegatte gemeinsam mit dem Zusammenführenden im Bundesgebiet, so sind die weiteren Ehegatten keine anspruchsberechtigten Familienangehörigen zur Erlangung eines Aufenthaltstitels;
10. bis 22. …
(2) bis (7) …
…
Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel
§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn
1. gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;
2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;
3. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;
4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;
5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder
6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.
(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn
1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;
2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;
3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;
4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;
5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;
6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und
7. in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.
(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 7 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4. der Grad der Integration;
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(4) Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn
1. sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder
2. der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.
(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.
(6) Die Zulässigkeit, den Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des Abs. 2 Z 2 und 4 mit einer Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) erbringen zu können, muss ausdrücklich beim jeweiligen Aufenthaltszweck angeführt sein.
(7) …
…
Bestimmungen über die Familienzusammenführung
§ 46. (1) Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ist ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen, und
1. und 1a. …
2. ein Quotenplatz vorhanden ist und der Zusammenführende
…
b) einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“, ausgenommen einen solchen gemäß § 41a Abs. 1, 4 oder 7a innehat,
…
(2) bis (6) …“
V. Rechtliche Beurteilung
Zu den besonderen Erteilungsvoraussetzungen:
Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 10.10.2019 handelte es sich bei dem am … 2003 geborenen Beschwerdeführer um den minderjährigen Sohn des pakistanischen Staatsangehörigen, C. B., welcher sich zurzeit aufgrund eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Rot-Weiß Rot Karte plus“ in Österreich aufhält. Im Zuge des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens vollendete der Beschwerdeführer am … 2021 das 18. Lebensjahr, weshalb er nun nicht mehr minderjährig ist und insofern zum hg. Entscheidungszeitpunkt grundsätzlich nicht mehr ohne weiteres als Familienangehöriger des Herrn C. B. im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG einzustufen war. Dieser Umstand hat aber keine Auswirkungen auf das gegenständliche Verfahren, zumal durch den Verwaltungsgerichtshof infolge der diesbezüglichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes klargestellt wurde, dass der Zeitpunkt, auf den abzustellen ist, um die Minderjährigkeit einer Person zu bestimmen, derjenige ist, zu dem der Antrag auf Einreise und Aufenthalt zum Zwecke der Familienzusammenführung für minderjährige Kinder gestellt wird, und nicht derjenige, zu dem durch die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, über den Antrag entschieden wird (siehe VwGH 09.09.2020, Ra 2017/22/0021).
Somit erfüllt der Beschwerdeführer die besondere Erteilungsvoraussetzung des § 46 Abs. 1 Z 2 lit. b NAG. Für die Erteilung des gewünschten Aufenthaltstitels muss der Beschwerdeführer aber auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des ersten Teiles des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes erfüllen.
Zu den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen:
Im gegenständlichen Beschwerdefall mangelt es am Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 iVm § 11 Abs. 5 NAG:
Gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG darf der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen. Dabei sind iSd § 11 Abs. 5 NAG die regelmäßigen Einkünfte und Ausgaben dem erforderlichen Richtsatz gegenüberzustellen. Der Aufenthalt eines Fremden führt gemäß § 11 Abs. 5 NAG zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 2 Z 4 NAG), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 ASVG entsprechen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können ausreichende Mittel im Sinne des § 11 Abs. 5 NAG nicht nur durch das Vorhandensein regelmäßiger Einkünfte, sondern auch durch ausreichende Sparguthaben nachgewiesen werden (vgl VwGH 10.09.2013, 2013/18/0046, mwN).
Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz festgelegten Höhe (derzeit 304,45 Euro siehe § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG idF BGBl. II Nr. 576/2020) unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte iSd § 11 Abs. 5 erster Satz NAG (VwGH 26.01.2012, 2010/21/0346).
Für das Jahr 2021 beträgt gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG, idF BGBl. II Nr. 576/2020, der erforderliche Richtsatz für den Vater des Beschwerdeführers, also einen Erwachsenen, der nicht im gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehegattin lebt, 1.000,48 Euro. Für den Beschwerdeführer, also einer Person in Ausbildung, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beträgt der erforderliche Richtsatz gemäß § 293 Abs. 1 lit. c sublit. bb ASVG, idF BGBl. II Nr. 576/2020, 367,98 Euro. Somit haben der Beschwerdeführer und sein Vater zur Erfüllung der Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 iVm § 11 Abs. 5 NAG im gegenständlichen Fall Einkünfte in Höhe von insgesamt 1.368,46 Euro nachzuweisen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat ein Fremder initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel nachzuweisen, dass der Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint, wobei insoweit auch die Verpflichtung besteht, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mitteln nachzuweisen, als ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. zB VwGH 15.06.2010, 2008/22/0438; VwGH 25.03.2010, 2010/21/0088).
Die Prüfung, ob der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, ob also ausreichende Unterhaltsmittel zur Verfügung stehen, hat durch eine Prognose über die Erzielbarkeit ausreichender Mittel zu erfolgen (vgl. VwGH 23.11.2017, Ra 2017/22/0144; VwGH 20.10.2011, 2009/18/0122).
Der Prognoseentscheidung im gegenständlichen Fall waren dabei lediglich die Einkünfte aus der unselbstständigen Erwerbstätigkeit des Vaters des Beschwerdeführers bei der E.-gmbH sowie dessen Sparguthaben auf den Konten bei der K.-bank sowie der K. Bausparkasse zugrunde zu legen. Die Einkünfte in Höhe von 635,77 Euro, die der Vater des Beschwerdeführers im Jänner 2021 im Rahmen seiner werkvertragsbasierten Tätigkeit als Zeitungszusteller für die F. GmbH erzielte, waren hierbei hingegen nicht zu berücksichtigen. Diesbezüglich geht das Verwaltungsgericht vielmehr davon aus, dass es dem Vater des Beschwerdeführers nicht möglich sein wird, dieser Zusatztätigkeit mittel- bzw. langfristig nachzugehen. Grund dafür ist insbesondere der Umstand, dass aus den Angaben des Vaters des Beschwerdeführers in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien über dessen Arbeitszeiten hervorgeht, dass dieser im Jänner 2021, zusätzlich zu den 40 Wochenarbeitsstunden, die er in seiner unselbstständigen Tätigkeit bei der E.-gmbH absolvierte, weitere 28 Stunden wöchentlich für seine werksvertragsbasierte Tätigkeit als Zeitungszusteller für die F. GmbH aufwendete. Zu der wöchentlichen Arbeitszeit von 68 Stunden tritt hinzu, dass der Vater des Beschwerdeführers seiner Tätigkeit als Zeitungszusteller an sieben Tagen in der Woche und dabei jeweils im Zeitraum von 01:00 Uhr bis 05:00 Uhr nachgeht. Infolge dieser Arbeitszeitaufteilung sind die Ruhezeiten des Vaters des Beschwerdeführers äußerst knapp bemessen, weshalb es für das Verwaltungsgericht Wien angesichts der damit verbundenen außerordentlichen Belastung ausgeschlossen ist, dass der Vater des Beschwerdeführers dieser Tätigkeit künftig über einen längeren Zeitraum nachgehen kann. Die einmalig im Monat Jänner 2021 für diese Tätigkeit bezogenen Einkünfte, waren daher in die Prognoseentscheidung hinsichtlich der Berechnung des Lebensunterhaltes nicht miteinzubeziehen.
Das Einkommen des Vaters des Beschwerdeführers setzt sich somit aus den Einkünften aus der unselbständigen Tätigkeit bei der E.-gmbH in Höhe von durchschnittlich 1.474,89 Euro sowie dem monatlichen Durchschnittsbetrag aus dem Sparguthaben auf den Konten bei der K.-bank sowie der K. Bausparkasse in Höhe von 86,10 Euro zusammen. Der Berechnung ist daher ein Wert von 1.560,99 Euro zugrunde zu legen.
Diesen Einkünften stehen regelmäßige finanzielle Aufwendungen des Vaters des Beschwerdeführers für Mobilfunk und Internet, den an seinen Bruder bezahlten Mietbeitrag, diverse Zahlungen aus dem Insolvenzverfahren beim BG L. sowie Versicherungskosten bei der M. Versicherungen AG in Höhe von durchschnittlich 842,04 Euro gegenüber. Abzüglich des Wertes der freien Station in Höhe von 304,45 Euro gemäß § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG idF BGBl. II Nr. 576/2020, ergibt dies einen Betrag von 537,59, der den Einkünften zum Abzug zu bringen ist.
Im Ergebnis beläuft sich der Betrag, der dem Beschwerdeführer und seinem Vater nach Abzug der regelmäßigen finanziellen Aufwendungen von den regelmäßig erzielbaren Einkünften verbleibt, auf 1.023,40 Euro, wodurch der für die Erteilung des begehrten Aufenthalts erforderliche ASVG-Richtsatz in Höhe von 1.368,46 Euro wesentlich unterschritten wird.
Der EuGH hat in seinem Urteil vom 4. März 2010, C-578/08 Chakroun, zum Ausdruck gebracht, dass die Unterschreitung eines vorgegebenen Mindesteinkommens nicht ohne konkrete fallbezogene Prüfung der Situation des einzelnen Antragstellers zu erfolgen hat. Es ist daher eine individuelle Prüfung im jeweiligen Einzelfall dahingehend geboten, ob der Lebensunterhalt trotz Unterschreiten der gesetzlich normierten Richtsätze gesichert ist (VwGH 29.03.2019, Ra 2018/22/0080). Dabei ist insbesondere auch beachtlich, wenn der maßgebliche Richtsatz nur geringfügig unterschritten wird (vgl. VwGH 28.02.2019, Ra 2018/22/0283). Da die Differenz zum geforderten ASVG-Richtsatz im gegenständlichen Fall aber 345,06 Euro beträgt, liegt hier keine geringfügige, sondern vielmehr eine deutliche Unterschreitung des gesetzlich normierten Richtsatzes vor. Der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers kann daher keinesfalls als gesichert angesehen werden.
Die vom Verwaltungsgericht Wien anzustellende Prognose ergibt somit, dass der dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehende Lebensunterhalt für die Gültigkeitsdauer des von ihm beantragten Aufenthaltstitels (zwölf Monate gemäß § 20 Abs. 1 NAG) nicht den gesetzlich erforderlichen Umfang erreicht und die Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG daher nicht erfüllt ist.
Abwägung nach Art. 8 EMRK:
Bei Fehlen der Voraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 2 und Z 4 NAG kann der Aufenthaltstitel gemäß § 11 Abs. 3 NAG trotzdem erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.
Das Verwaltungsgericht Wien hat daher im Beschwerdefall die durch Art. 8 EMRK geschützten Interessen des Beschwerdeführers an der Erteilung eines Aufenthaltstitels mit den öffentlichen Interessen an seinem Verbleib im Heimatstaat gegeneinander abzuwägen und sich dabei insbesondere an den in § 11 Abs. 3 Z 1 bis 7 NAG aufgezählten Kriterien zu orientieren.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Judikatur zu Art. 8 EMRK wiederholt ausgeführt, dass der Staat unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK im Zusammenhang mit positiven wie auch negativen Verpflichtungen einen fairen Ausgleich zwischen den konkurrierenden Interessen des Einzelnen und jenen der Gemeinschaft als Ganzes schaffen muss und hierbei den Vertragsstaaten jedoch ein gewisser Ermessenspielraum zukommt. In Fällen, die sowohl das Familienleben als auch die Thematik der Zuwanderung betreffen, wird das Maß an Verpflichtung, Verwandte von rechtmäßig aufhältigen Personen auf seinem Staatsgebiet zuzulassen, je nach den Umständen des Einzelfalls der betroffenen Personen und des Allgemeininteresses variieren. Dabei ist zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß das Familienleben tatsächlich gestört wird, wie stark die Bande mit dem Vertragsstaat ist, ob es für die Familie unüberwindbare Hindernisse gibt, im Herkunftsland eines oder mehrerer Familienmitglieder zu leben, ob konkrete Umstände im Hinblick auf die Einreisekontrolle (zB Verstöße gegen die Einreisebestimmungen) oder Überlegungen im Hinblick auf die öffentliche Sicherheit eher für eine Ausweisung sprechen und auch ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, als sich die betroffenen Personen bewusst gewesen sind, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart gewesen ist, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher gewesen sei (vgl. VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721, mwN).
Bei der vorzunehmenden Beurteilung nach Art. 8 EMRK ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Versagung eines Aufenthaltstitels mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 11 Abs. 3 NAG genannten Kriterien in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 21.01.2016, Ra 2015/22/0119). Bei dieser Abwägung sind – unter anderem – das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007) wie auch die rechtmäßige Aufenthaltsdauer und die Integration im Inland.
Die vom Verwaltungsgericht Wien im Beschwerdefall vorzunehmende Abwägung öffentlicher und privater Interessen führt zu nachstehenden Erwägungen:
Im Beschwerdefall ist zunächst ins Treffen zu führen, dass der Beschwerdeführer bislang noch nie im Bundesgebiet niedergelassen war, sondern erst eine solche Niederlassung anstrebt, um bei seinem Vater zu leben. Der Beschwerdeführer, der in Pakistan aufgewachsen ist und dort weiterhin zur Schule geht, lebt derzeit in Pakistan im gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter, und seinen vier Schwestern. Der Beschwerdeführer hat somit sehr starke familiäre Anknüpfungspunkte zum Herkunftsstaat und ist dort sozial gut integriert. In Österreich hat der Beschwerdeführer – abgesehen von seinem Vater und dessen Bruder – hingegen keine weiteren Verwandten. Bislang wurde der familiäre Kontakt durch Besuche des Vaters in Pakistan gepflegt und könnte in dieser Form auch weiter aufrechterhalten werden.
Zwar hat der Beschwerdeführer 2019 einen A1-Sprachkurs absolviert, darüberhinausgehende besondere Integrationsmerkmale liegen jedoch keine vor. Der Beschwerdeführer beabsichtigt in Österreich nach Erwerb der erforderlichen Sprachkenntnisse die Reifeprüfung zu absolvieren, doch geht er zurzeit auch in Pakistan einer schulischen Ausbildung nach. Insbesondere aufgrund der stärkeren familiären Bindungen zu Pakistan, sind für das Verwaltungsgericht Wien keine Gründe ersichtlich, weswegen der Beschwerdeführer seine laufende schulische Ausbildung abbrechen und diese zwingend in Österreich fortführen müsste.
In Gesamtwürdigung aller Aspekte des Beschwerdefalls überwiegt daher das öffentliche Interesse an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens dem Interesse des Beschwerdeführers an einer Erteilung des gegenständlichen Aufenthaltstitels.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Verwaltungsgericht Wien hat sich bei seiner Entscheidung betreffend die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen und der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK an der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientiert. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen (vgl. VwGH 24.03.2014, Ro 2014/01/0011; VwGH 28.04.2015, Ra 2014/19/0177).
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aufenthaltstitel; Familienangehöriger; Einkünfte; Prognoseentscheidung; InteressensabwägungAnmerkung
VfGH v. 8.6.2021, E 1663/2021; AblehnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.151.005.9852.2020Zuletzt aktualisiert am
07.07.2021