Entscheidungsdatum
23.03.2021Norm
KanalG NÖ 1977 §2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Hofrat Mag. Röper als Einzelrichter über die Beschwerde der A GmbH, vertreten durch B Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, vom 21. Jänner 2021 gegen den Berufungsbescheid des Verbandsvorstandes des Gemeindeverbandes für Abgabeneinhebung und Umweltschutz im Bezirk *** vom 17. Dezember 2021, Zl. ***, mit dem der Berufung gegen den Abgabenbescheid des Verbandsobmannes des Gemeindeverbandes für Abgabeneinhebung und Umweltschutz im Bezirk *** vom 21. Oktober 2020 betreffend Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe stattgegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides abgeändert worden war, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 279 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Sachverhalt:
1.1. Abgabenbehördliches Verfahren:
1.1.1.
Im Rahmen einer Überprüfung an Ort und Stelle wurden am 3. Juni 2020 auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft der A GmbH (In der Folge: Beschwerdeführerin) von einer Mitarbeiterin des Gemeindeverbandes für Abgabeneinhebung und Umweltschutz im Bezirk *** die Flächen zur Vorschreibung der Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlussabgabe neu ermittelt und in einem Erhebungsbogen verzeichnet. Eine Unterfertigung dieses Erhebungsbogens durch die Beschwerdeführerin bzw. deren Vertreter erfolgte nicht.
1.1.2.
Mit Abgabenbescheid des Verbandsobmannes des Gemeindeverbandes für Abgabeneinhebung und Umweltschutz im Bezirk *** vom 21. Oktober 2021, Kundennummer ***, wurde der Beschwerdeführerin für den Anschluss der Liegenschaft mit der Anschrift ***, ***, an den öffentlichen Mischwasserkanal eine Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe im Ausmaß von € 36.084,24 (inkl. USt.) vorgeschrieben:
[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]
„…
…“
1.1.3.
Gegen diesen Abgabenbescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 23. November 2020 fristgerecht das ordentliche Rechtsmittel der Berufung und begründeten diese im Wesentlichen damit, dass die Ermittlung der Berechnungsflächen nicht richtig erfolgt sei, da es sich bei den Hallen um selbstständige Gebäude handle.
1.1.4.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Verbandsvorstandes des Gemeindeverbandes für Abgabeneinhebung und Umweltschutz im Bezirk *** vom 17. Dezember 2021, Zl. ***, wurde der Berufung der Beschwerdeführerin teilweise stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert als nunmehr eine auf Grund des Anschlusses der Liegenschaft an ein Trennsystem in Spruchteil I. eine Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe (Schmutzwasser) im Ausmaß von € 23.070,25 (inkl. USt.) und in Spruchteil II. eine Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe (Regenwasser) im Ausmaß von € 8.216,67 (inkl. USt.) vorgeschrieben wurden:
[Abweichend vom Original – Bilder nicht wiedergegeben]
„…
…“
1.2. Beschwerdevorbringen:
Mit Schreiben vom 21. Jänner 2021 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre ausgewiesene Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und begründete diese im Wesentlichen damit, dass nach Ansicht der Beschwerdeführerin die Hallen 6 und 7a nicht an den Kanal angeschlossen seien. Von der Baubehörde seien die Bauvorhaben als Errichtung von Gebäuden und nicht als Zubau zu bestehenden Gebäuden behandelt worden. im vorliegenden Fall lägen bautechnisch und baurechtlich selbständige Gebäude vor, sodass sich die Berücksichtigung der nicht an den Kanal angeschlossenen Hallen 6 und 7a somit als rechtswidrig erweise.
1.3. Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich:
1.3.1.
Mit Schreiben vom 3. Februar 2021 legte der Gemeindeverband für Abgabeneinhebung und Umweltschutz im Bezirk *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt (samt Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Verbandsvorstandes) vor.
1.3.2. Lokalaugenschein und mündliche Verhandlung:
Vom erkennenden Gericht wurde für den 10. März 2021 ein Lokalaugenschein an Ort und Stelle sowie im Anschluss daran eine mündliche Verhandlung anberaumt.
Im Rahmen des Lokalaugenscheines, bei dem Lichtbilder angefertigt wurden, wurde bei der Begehung der Liegenschaft festgestellt, dass die gesamte Liegenschaft auf dem Grundstück Nr. *** KG *** situiert ist. Die gesamte Liegenschaft ist an den öffentlichen Schmutzwasserkanal, Regenwasserkanal und an die Ortswasserleitung angeschlossen. Sämtliche Schmutzwässer werden in den öffentlichen Kanal eingeleitet. Die Regenwässer werden zum Teil (vor allem Alttrakt straßenseitig) direkt in den öffentlichen Regenwasserkanal geleitet, während die bei den neu errichteten Hallen anfallenden Regenwässer zunächst in einem Sammelbecken gesammelt werden. Von dort aus erfolgt dann eine kontrollierte Einleitung dieser gesammelten Regenwässer in den öffentlichen Regenwasserkanal.
Im Rahmen der der mündlichen Verhandlung wurde von der Beschwerdeführerin und den Vertretern der belangten Behörde ausgeführt, dass C, D und E bis zum Einbringungs- und Abtretungsvertrag vom 23. November 2016, welcher grundbücherlich am 4. Dezember 2017 intabuliert wurde, Eigentümer der verfahrensgegenständlichen Liegenschaften waren. Auf Grund des Einbringungsvertrages vom 14. November 2017 sei in der Folge dann die F GmbH bis 8. Jänner 2018 grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft gewesen. Seit diesem Zeitpunkt sei dann die A GmbH Eigentümerin der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft.
1.4. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den bezughabenden Akt des Gemeindeverbandes für Abgabeneinhebung und Umweltschutz im Bezirk *** und durch Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch sowie Durchführung eines Ortsaugenscheines und einer mündlichen Verhandlung am 10. März 2021.
1.5. Feststellungen:
Die A GmbH (in der Folge: Beschwerdeführerin) ist seit 8. Jänner 2018 grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft mit der topographischen Anschrift ***, *** (Grundstück Nr. *** KG ***), auf der ein Betriebsgebäude errichtet ist. Dies gesamte Liegenschaft ist an den Schmutz- und Regenwasserkanal (Trennsystem) und an die Ortswasserleitung angeschlossen.
1.6. Beweiswürdigung:
Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, soweit dieses den Feststellungen (siehe unten oben Punkt 1.5.) nicht entgegentritt, und den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung.
2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
2.1. Bundesabgabenordnung (BAO):
§ 1. ( 1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …
§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
§ 254. Durch Einbringung einer Bescheidbeschwerde wird die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten.
§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
2.2. NÖ Kanalgesetz 1977 idF LGBl. 12/2018:
§ 1a. Im Sinne dieses Gesetzes gelten als:
1. bebaute Fläche: Die bebaute Fläche ist diejenige Grundrissfläche, die von der lotrechten Projektion oberirdischer baulicher Anlagen begrenzt wird. Unberücksichtigt bleiben: bauliche Anlagen, welche die Geländeoberfläche nicht oder nicht wesentlich überragen, nicht konstruktiv bedingte Außenwandvorsprünge, untergeordnete Bauteile. ...
6. Geschossfläche: die sich aus den äußersten Begrenzungen jedes Geschosses ergebende Fläche;
§ 2. (1) Für den möglichen Anschluss an die öffentliche Kanalanlage ist eine Kanaleinmündungsabgabe zu entrichten. …
(4) Bei einer späteren Änderung der seinerzeit der Bemessung zugrunde gelegten Berechnungsgrundlagen (§ 3 Abs. 2) ist eine Ergänzungsabgabe zu der bereits entrichteten Kanaleinmündungsabgabe zu entrichten, wenn sich durch diese Änderung gegenüber dem ursprünglichen Bestand nach den Bestimmungen des § 3 Abs. 6, eine höhere Abgabe ergibt.
§ 3. (1) Die Höhe der Kanaleinmündungsabgabe ergibt sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche (Abs. 2) mit dem Einheitssatz (Abs. 3).
(2) Die Berechnungsfläche wird in der Weise ermittelt, dass die Hälfte der bebauten Fläche mit der um 1 erhöhten Zahl der an die Kanalanlage angeschlossenen Geschosse multipliziert und das Produkt um 15 v.H. der unbebauten Fläche vermehrt wird. Nicht angeschlossene Gebäude oder Gebäudeteile zählen zur unbebauten Fläche. Wird die Liegenschaft trotz bestehender Anschlussverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so ist die Berechnungsfläche so zu ermitteln, als ob die Liegenschaft an die Kanalanlage angeschlossen wäre.
(3) Die Berechnungsfläche wird in der Weise ermittelt, dass die Hälfte der bebauten Fläche mit der um 1 erhöhten Zahl der an die Kanalanlage angeschlossenen Geschosse multipliziert und das Produkt um 15 v.H. der unbebauten Fläche vermehrt wird. Nicht angeschlossene Gebäude oder Gebäudeteile zählen zur unbebauten Fläche. Wird die Liegenschaft trotz bestehender Anschlussverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so ist die Berechnungsfläche so zu ermitteln, als ob die Liegenschaft an die Kanalanlage angeschlossen wäre. ….
(6) Die Ergänzungsabgabe ergibt sich aus dem Differenzbetrag zwischen der Abgabe für den Bestand nach der Änderung und der Abgabe für den Bestand vor der Änderung, wobei beide Abgaben nach dem bei Entstehung der Abgabenschuld geltenden Einheitssatz zu berechnen sind. Die Berechnungsfläche ist für den Bestand vor der Änderung und für den Bestand nach der Änderung jeweils gemäß § 3 Abs. 2 zu ermitteln.
§ 12. Die Abgabenschuld für die Kanaleinmündungsabgabe (Sonderabgabe, Ergänzungsabgabe) entsteht
a) im Falle der Neuerrichtung eines Kanals in dem Zeitpunkt, in dem der Anschluß der anschlußpflichtigen Liegenschaft an den Kanal möglich ist;
b) im Falle einer Bauführung mit dem Einlangen der Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung bei der Behörde bzw.
c) wenn eine solche nicht erforderlich ist, mit der Fertigstellung des Vorhabens oder mit dem Eintritt der Änderung.
Abgabenbescheid
§ 14. (1) Den Abgabepflichtigen ist die Abgabenschuld mit Abgabenbescheid vorzuschreiben. Durch je einen besonderen Abgabenbescheid sind vorzuschreiben:
a) die Kanaleinmündungsabgaben, Ergänzungsabgaben und Sonderabgaben (§§ 2 und 4);
b) die Kanalbenützungsgebühren und die Fäkalienabfuhrgebühren (§§ 5 und 8);
c) Änderungen der im Abgabenbescheid nach lit.b festgesetzten Gebühren;
…
(2) Der Abgabenbescheid hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung als Abgabenbescheid;
b) den Grund der Ausstellung;
c) bei der Fäkalienabfuhr die Zahl der jährlichen Einsammlungen;
d) die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe;
e) den Fälligkeitstermin, im Falle des Abs. 1 lit.b und c die Fälligkeitstermine und die Höhe der jeweiligen Teilbeträge;
f) die Rechtsmittelbelehrung und
g) den Tag der Ausfertigung.
(3) Die in der Abgabenentscheidung festgesetzte Kanalbenützungsgebühr oder Fäkalienabfuhrgebühr ist so lange zu entrichten, solange nicht ein neuer Abgabenbescheid ergeht.
(4) Der Abgabenbescheid nach Abs. 1 lit. c ist insbesondere auf Grund einer im § 13 Abs. 1 genannten Veränderung, ferner bei Änderung der Einheitssätze, bei der Fäkalienabfuhr auch bei Änderung des Einsammlungsplanes zu erlassen.
2.3. NÖ Bauordnung 2014 idF LGBl. Nr. 12/2018:
Fertigstellung
§ 30. (1) Ist ein bewilligtes Bauvorhaben (§ 23) fertiggestellt, hat der Bauherr dies der Baubehörde anzuzeigen. Anzeigepflichtige Abweichungen (§ 15) sind in dieser Anzeige darzustellen. Die Fertigstellung eines Teiles eines bewilligten Bauvorhabens darf dann angezeigt werden, wenn dieser Teil für sich allein dem bewilligten Verwendungszweck, den Vorschriften dieses Gesetzes und der NÖ Bautechnikverordnung 2014, LGBl. 8200/7, und dem Bebauungsplan entspricht.
(2) Der Anzeige nach Abs. 1 sind anzuschließen:
1. bei einem Neu- oder Zubau eines Gebäudes (ausgenommen Aufstockung und Dachausbau) ein Lageplan mit der Bescheinigung des Bauführers oder der Eintragung der Vermessungsergebnisse über die lagerichtige Ausführung des Bauvorhabens,
2. bei anzeigepflichtigen Abweichungen (§ 15) ein Bestandsplan (zweifach),
3. eine Bescheinigung des Bauführers (§ 25 Abs. 2) oder im Falle der unterlassenen Bekanntgabe des Bauführers eine Bescheinigung eines zur Überwachung befugten Fachmannes, der die Ausführung des Bauwerks überwacht hat, über die bewilligungsgemäße Ausführung (auch Eigenleistung) des Bauwerks,
4. die in der Baubewilligung vorgeschriebenen Befunde und Bescheinigungen.
(3) Können keine oder keine ausreichenden Unterlagen nach Abs. 2, insbesondere keine Bescheinigung nach Abs. 2 Z 3, vorgelegt werden, hat der Bauherr eine Überprüfung des Bauwerks auf seine bewilligungsgemäße Ausführung von einem hiezu Befugten (§ 25 Abs. 1) durchführen zu lassen und die erforderlichen Unterlagen vorzulegen.
(4) Ist die Fertigstellungsanzeige nicht vollständig, gilt sie als nicht erstattet.
(5) Ist ein angezeigtes Vorhaben (§ 15) fertiggestellt, hat der Bauherr dies der Baubehörde anzuzeigen, wobei Abs. 2 und 3 nicht anzuwenden sind. Dies gilt nicht für nach der NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200, angezeigte Vorhaben.
2.4. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985:
§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:
1. Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;
2. Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;
3. Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.
(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden. …
(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
3. Würdigung:
3.1. Zu Spruchpunkt 1:
Die Beschwerde ist begründet.
3.1.1.
Gemäß § 263 Abs. 1 iVm 288 Abs. 1 BAO ist die Berufungsbehörde berechtigt, den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung abzuweisen.
Diese Änderungsbefugnis („nach jeder Richtung“) ist durch die Sache begrenzt. "Sache" des Berufungsverfahrens ist jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs des Bescheides der Abgabenbehörde gebildet hat (vgl. VwGH 2009/15/0152, 2010/16/0032; 2012/15/0161).
Sache des Berufungsverfahrens ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des angefochtenen Bescheides gebildet hat (z.B. VwGH 2009/15/0152; 2010/16/0032; 2012/15/0161).
Eine Rechtsmittelentscheidung darf nämlich nicht eine Abgabe erstmals vorschreiben bzw. keine andere Abgabe als jene des angefochtenen Bescheides vorschreiben (vgl. z.B. VwGH 92/17/0030; 96/15/0118; 2000/16/0317; 2003/17/0017; 2010/17/0128; 2010/17/0196).
3.1.2.
Mit dem erstinstanzlichen Abgabenbescheid wurde eine Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe für einen Mischwasserkanal vorgeschrieben. Die Berufungsbehörde hätte daher im Instanzenzug zu beurteilen, ob diese Abgabe (dem Grunde und der Höhe nach) zu Recht vorgeschrieben wurde. Über diese Frage wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid allerdings nicht abgesprochen.
Stattdessen hat der Verbandsvorstand im angefochtenen Bescheid erstmals zwei andere (tatbestandsmäßig unterschiedliche) Abgaben neu vorgeschrieben.
Der belangten Behörde war es jedoch verwehrt, im Berufungsverfahren in zweiter Instanz die Ergänzungsabgaben für den Schmutzwasserkanal bzw. den Regenwasserkanal erstmals vorzuschreiben, waren doch diese beiden Abgaben nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Abgabenverfahrens.
Da sich die Vorschreibung der Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe betreffend Einleitung von Abwässern in einen Mischwasserkanal (erstinstanzlicher Bescheid des Verbandsobmannes vom 21. Oktober 2020) tatbestandsmäßig von der Vorschreibung der Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe betreffend Einleitung von Abwässern in ein Trennsystem (beschwerdegegenständlicher Bescheid des Verbandsvorstandes vom 17. Dezember 2021) unterscheidet - es handelt sich dabei unterschiedliche Abgaben -, war es der belangten Behörde (Verbandsvorstand als Abgabenbehörde II. Instanz) aus Zuständigkeitsgründen verwehrt, an Stelle der zuständigen Behörde (Verbandsobmann als Abgabenbehörde II. Instanz) erstmals diese Abgaben - unter Verkürzung des Instanzenzuges - vorzuschreiben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.1.3. Ergänzende unpräjudizielle Anmerkungen:
Durch die mit diesem Erkenntnis erfolgte Aufhebung des angefochtenen Bescheides des Verbandsvorstandes vom 17. Dezember 2021 erweist sich im Ergebnis die Berufung der Beschwerdeführerin vom 23. November 2020 als unerledigt.
Die - unerledigte - Berufung wird einer Erledigung zuzuführen sein. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass der Anschluss an ein Trennsystem (mit separaten Einheitssätzen für Schmutz- und Regenwässern) – und nicht an den Mischwasserkanal - erfolgt ist. Die Vorschreibung einer Abgabe für den Anschluss an einen Mischwasserkanal – mangels Vorliegen eines anspruchsbegründenden Tatbestandes - erweist sich dementsprechend als rechtswidrig. Die rechtswidrige Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe für den – nicht vorhandenen - Mischwasserkanal wird mangels Verwirklichung des anspruchsbegründenden Tatbestandes zu beheben sein.
3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Gemäß Art. 133
Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im Hinblick auf die obigen Ausführungen (siehe 3.1.) liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
Schlagworte
Finanzrecht; Kanaleinmündungsabgabe; Ergänzungsabgabe; Verfahrensrecht; Abgabenbescheid; Sache des Verfahrens;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.265.001.2021Zuletzt aktualisiert am
31.05.2021