TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/16 97/03/0013

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Veröffentlicht am 16.04.1997
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §38;
B-VG Art140 Abs7;
StVO 1960 §99 Abs6 litc idF 1994/518 impl;
VStG §30 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde der G in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 19. Jänner 1996, Zl. UVS-3/2949/6-1996, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe am "28. August 1994, 7.00 Uhr bis 7.40 Uhr", einen dem Kennzeichen nach bestimmten PKW auf der Tauernautobahn Richtungsfahrbahn Salzburg, von der Anschlußstelle Hallein bis zur Ausfahrt Golling, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt (Alkoholgehalt der Atemluft 0,86 mg/l). Sie habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 begangen, weshalb über sie eine Geldstrafe in der Höhe von S 15.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Tagen) verhängt wurde.

Aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin mit Abwesenheitsurteil des Bezirksgerichtes Hallein vom 6. März 1995, GZ. 6 U 225/94-11, wie folgt schuldig erkannt wurde:

"G ist SCHULDIG, sie hat am 28.8.1994 dadurch, daß sie als Lenkerin des PKW, in einem durch Genuß von Alkohol die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Zustand (1,72 %o) auf der Tauernautobahn (A 10) auf der Fahrbahn Richtung Norden von Hallein (Strkm 16) bis Golling (Strkm 28,5) entgegen der Fahrtrichtung fuhr und bei Strkm 20,5 einen entgegenkommenden PKW streifte, fahrlässig eine Gefahr für Leib oder Leben einer größeren Zahl von Menschen sowie für fremdes Eigentum in großem Ausmaß herbeigeführt."

Die Beschwerdeführerin habe hiedurch das Vergehen der fahrlässigen Gemeingefährdung nach § 177 Abs. 1 StGB begangen. Sie wurde hiefür nach dieser Gesetzesstelle unter Bedachtnahme auf § 37 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 80 Tagessätzen sowie gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Die Höhe eines Tagessatzes wurde mit S 70,-- bestimmt.

Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde als "ungegründet zurückgewiesen". Hingegen wurde der Berufung der Staatsanwaltschaft Folge gegeben und das angefochtene Urteil in seinem Strafausspruch dahin abgeändert, daß die über die Beschwerdeführerin verhängte Geldstrafe auf 120 Tagessätze (im Uneinbringlichkeitsfall 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) erhöht wurde.

Das Urteil ist, wie sich aus der Mitteilung des Bezirksgerichtes Hallein vom 11. Jänner 1996 ergibt, seit 23. Mai 1995 rechtskräftig.

Mit Beschluß vom 18. September 1996, Zl. A 47/96, stellte der Verwaltungsgerichtshof aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdeverfahrens an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs.1 B-VG den Antrag, näher angeführte Bestimmungen des VStG bzw. der StVO 1960 als verfassungswidrig aufzuheben, sowie in eventu gemäß Art. 140 Abs. 3 B-VG festzustellen, daß § 99 Abs. 6 lit. c StVO 1960, in der Fassung vor der 19. StVO-Novelle, verfassungswidrig gewesen sei.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 5. Dezember 1996, G 9/96 u.a., die Wortfolge "in Abs. 2, 2a, 2b, 3 oder 4 bezeichnete" in § 99 Abs. 6 lit. c der Straßenverkehrsordnung 1960, in der Fassung der 19. StVO-Novelle, als verfassungswidrig aufgehoben bzw. festgestellt, daß die Wortfolge "in Abs. 2, 3 oder 4 bezeichnete" in § 99 Abs. 6 lit. c der Straßenverkehrsordnung 1960, in der Fassung vor der 19. StVO-Novelle, verfassungswidrig war. Weiters hat er (u.a.) ausgesprochen, daß die als verfassungswidrig erkannten Gesetzesbestimmungen auch in jenen Rechtssachen nicht mehr anzuwenden sind, die am 5. Dezember 1996 bei einem unabhängigen Verwaltungssenat oder beim Verwaltungsgerichtshof anhängig waren.

Mit Beschluß vom 11. Dezember 1996, G 264/96 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof eine Reihe von Verfahren - u.a. jenes, das sich auf den oben genannten Antrag des Verwaltungsgerichtshofes gründet - eingestellt, soweit die Anträge die Aufhebung der Wortfolge "in Abs. 2, 2a, 2b, 3 oder 4 bezeichnete" in § 99 Abs. 6 lit. c der Straßenverkehrsordnung 1960, in der Fassung der 19. StVO-Novelle, begehren, bzw. soweit beantragt wird, festzustellen, daß die Wortfolge "in Abs. 2, 3 oder 4 bezeichnete" in § 99 Abs. 6 lit. c der Straßenverkehrsordnung 1960, in der Fassung vor der 19. StVO-Novelle, verfassungswidrig war. Im übrigen wurden die Anträge zurückgewiesen.

In der Begründung dieses Beschlusses heißt es, eine Einbeziehung der vorliegenden Anträge in die zu G 9/96 u.a. protokollierten Gesetzesprüfungsverfahren sei im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozeßgeschehen nicht mehr möglich gewesen. Der Verfassungsgerichtshof habe jedoch in seinem Erkenntnis vom 5. Dezember 1996, G 9/96 u.a., von der ihm gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht und die Anlaßfallwirkung auch für die den vorliegenden Anträgen zugrunde liegenden Rechtssachen herbeigeführt. Das Verfahren sei daher im bezeichneten Umfang einzustellen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 5. Dezember 1996, G 9/96 u.a., von der ihm gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG eingeräumten Befugnisses Gebrauch gemacht und die Anlaßfallwirkung auch für die gegenständliche (dem Antrag vom 18. September 1996 zugrunde liegende) Rechtssache herbeigeführt.

Wie sich aus Art. 140 Abs. 7 B-VG ergibt, wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist darum so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zur Zeit der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg wandte bei Erlassung des angefochtenen Bescheides im Zusammenhalt mit § 99 Abs. 1 lit. a (auch) § 99 Abs. 6 lit. c StVO 1960, in der Fassung vor der 19. StVO-Novelle, an, wonach eine Verwaltungsübertretung nicht vorliegt, "wenn eine in Abs. 2, 3 oder 4 bezeichnete Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet". Die Frage, ob die Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht, stellt sich als Vorfrage dar, die im Hinblick auf das Vorliegen der diesbezüglich bindenden gerichtlichen Verurteilung nicht neuerlich zu prüfen war.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft überhöht verzeichneten Stempelgebührenaufwand, der nur in dem zur Rechtsverfolgung erforderlichen Umfang (für die Beschwerde in dreifacher Ausfertigung und eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zugesprochen werden konnte, wobei der im Kostenbegehren unterlaufene Additionsfehler nicht schadet.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997030013.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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