TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/22 97/04/0011

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Veröffentlicht am 22.04.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §42 Abs1;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §359 Abs4;
WRG 1959 §107 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/04/0012

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerden der X-GmbH in S gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Oberösterreich 1. vom 29. November 1996, Zl. Ge-442075/1-1996/Ha/En (mitbeteiligte Partei: K-Handelsgesellschaft m.b.H. in St), 2. vom 2. Dezember 1996, Zl. Ge-442074/1-1996/Ha/En (mitbeteiligte Partei: H-Gesellschaft m.b.H. in St), beide betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren gemäß § 77 GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen in den - von den Verfahrensdaten abgesehen - wörtlich übereinstimmenden Beschwerden im Zusammenhang mit dem Inhalt der vorgelegten angefochtenen Bescheide ergibt sich folgender Sachverhalt:

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 15. März 1996 wurde der erstmitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Lagerhalle (Zwischenlagerung von Textilien) an einem näher bezeichneten Standort nach Maßgabe vorgelegter Projektsunterlagen und unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.

Die gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 29. November 1996 gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1994 mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen.

2. Mit Bescheid vom 19. Jänner 1996 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn der zweitmitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Betriebsanlage für die Kunststoffverarbeitung an einem näher bezeichneten Standort nach Maßgabe vorgelegter Projektsunterlagen und unter Vorschreibung von Auflagen.

Die gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 2. Dezember 1996 gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1994 mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Landeshauptmann in den (von den Verfahrensdaten abgesehen) wörtlich übereinstimmenden Bescheiden aus, mit Kundmachung der Erstbehörde vom 28. Februar 1996 bzw. 9. Jänner 1996 sei über das gegenständliche Genehmigungsansuchen für den 14. März 1996 bzw. 18. Jänner 1996 die mündliche Augenscheinsverhandlung anberaumt und an diesem Tag durchgeführt worden. Zu den beiden Augenscheinsverhandlungen sei die Beschwerdeführerin nicht persönlich geladen worden, doch sei eine Ediktalladung an der Amtstafel der Standortgemeinde erfolgt. Dort sei die Kundmachung vom 4. bis 14. März 1996 bzw. vom 10. bis 18. Jänner 1996 angeschlagen gewesen. Der erstbehördliche Bescheid sei gegenüber den dem Verfahren beigezogenen Parteien einerseits am 27. März 1996 und andererseits am 14. Februar bzw. 15. Februar 1996 durch nachweisliche persönliche Zustellung erlassen worden. Der Bescheid sei mit Ablauf der zweiwöchigen Berufungsfrist in Rechtskraft erwachsen. Mit Schriftsätzen vom 8. Juli 1996 habe die Beschwerdeführerin als Eigentümerin eines näher bezeichneten Nachbargrundstückes Einwendungen gegen die Projekte erhoben. Diese Schreiben seien bei der Erstbehörde am 10. Juli 1996 eingegangen. Mit Schreiben vom 5. August 1996 habe die Beschwerdeführerin die nunmehr gegenständlichen Berufungen (Poststempel 5. August 1996) erhoben. Die Begründung der Parteistellung von Nachbarn im Rahmen des gewerbebehördlichen

Betriebsanlagengenehmigungsrechtes sei taxativ in § 356 Abs. 1 in Verbindung mit § 356 Abs. 3 GewO 1994 geregelt. Nach Darstellung des Inhaltes dieser Gesetzesstellen führte der Landeshauptmann weiter aus, im gegenständlichen Fall habe die Beschwerdeführerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit keine Einwendungen im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 erhoben. Sie habe daher nach dieser Gesetzesstelle keine Parteistellung erlangt. An dieser Tatsache könnten auch allfällige Mängel der Kundmachung der Augenscheinsverhandlung der Gewerbebehörde erster Instanz nichts ändern. Ergänzend sei zu bemerken, daß die (nachrichtliche) Zustellung eines Bescheides keine "Einräumung einer Parteistellung" bewirke. Zufolge § 359 Abs. 4 GewO 1994 sei der Beschwerdeführerin als Nachbarin der gegenständlichen Betriebsanlage mangels Parteistellung das Recht der Berufung nicht zugestanden.

Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin zwei getrennte, inhaltlich jedoch gleichlautende Beschwerden, die der Verwaltungsgerichtshof zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden hat. Er hat darüber erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin durch die angefochtenen Bescheide "in ihren subjektiven Rechten gemäß der gesetzlichen Bestimmung des § 74 Abs. 2 GewO des Unterbleibens einer Gefährdung ihres Eigentums und des Unterbleibens einer nicht zumutbaren Belästigung, möglicherweise auch einer Gesundheitsgefährdung, verletzt". Aus dem gesamten Beschwerdevorbringen ergibt sich darüber hinaus, daß sie sich in dem Recht auf meritorische Erledigung ihrer Berufungen verletzt erachtet. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes macht sie unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, in die Entscheidungen der belangten Behörde seien neue Umstände eingeflossen, die nicht Bestandteil des Berufungsvorbringens der Beschwerdeführerin gewesen seien, noch zum Inhalt des Verfahrensaktes erster Instanz gezählt hätten. Die belangte Behörde müsse daher zwangsläufig durch weitere Beweise oder einen anderen Sachverhalt Erkenntnisse gewonnen haben, die sie der Beschwerdeführerin vor ihrer Entscheidung nicht zur Wahrung des Parteiengehörs vorgehalten habe. Dadurch sei der Beschwerdeführerin die Möglichkeit genommen worden, dazu Stellung zu nehmen. Bei Vermeidung dieses Mangels hätte die Beschwerdeführerin vorbringen können, daß die erstbehördlichen Bescheide rechtswidrig zustande gekommen seien, da die Beschwerdeführerin als Inhaberin eines dem Betriebsgrundstück unmittelbar benachbarten Grundstückes nicht im Sinne des § 356 Abs. 1 GewO 1994 persönlich zur Augenscheinsverhandlung geladen worden sei. Auch hätte die Beschwerdeführerin vorbringen können, daß ihr die erstbehördlichen Bescheide durch die Erstbehörde keineswegs nur "nachrichtlich" zugestellt worden seien, sondern in ihrer Eigenschaft als Partei auf Grund der nachträglich erhobenen Einwendungen. Im übrigen seien alle Bescheidbegründungen der beiden Bescheide eigentlich leere Worthülsen. Es sei nicht begründet, warum die belangte Behörde annehme, die Einwendungen der Beschwerdeführerin seien nicht bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit erhoben worden und es sei nicht dargelegt, warum allfällige Mängel der Kundmachung der Augenscheinsverhandlung an diesem Umstand nichts ändern könnten. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht die Beschwerdeführerin geltend, die belangte Behörde habe außer acht gelassen, daß sie Eigentümerin eines dem Betriebsgrundstück unmittelbar angrenzenden Grundstückes sei, die entgegen den sonstigen Nachbarn gemäß § 356 Abs. 1 dritter und letzter Satz leg. cit. persönlich zu laden gewesen wäre. Das Gesetz enthalte keine Anordnung, daß solche Grundstückseigentümer erst durch die Erhebung von Einwendungen Parteistellung erlangten. Mit der Änderung des letzten Satzes des § 356 Abs. 1 durch die Gewerberechtsnovelle 1988 habe der Gesetzgeber eine klare Unterscheidung der Rechte und Pflichten gemacht zwischen den Nachbarn, die durch Kundmachung mit Anschlag in der Gemeinde und in den der Anlage unmittelbar benachbarten Häusern zu laden seien, und den Eigentümern des Betriebsgrundstückes und der diesem Grundstück unmittelbar angrenzenden Grundstücke, die persönlich zu laden seien. Dadurch, daß der Gesetzgeber die Bestimmung des § 356 Abs. 1 leg. cit. aus drei Sätzen gebildet habe, lasse sich bereits klar erkennen, daß den im letzten Satz des Abs. 1 genannten Grundstückseigentümern bereits kraft Gesetzes als Formalparteien Parteistellung zukomme, denn der erste Satz ordne an, wann die Behörde eine Augenscheinsverhandlung anzuberaumen habe, der zweite Satz bestimme, wie die Nachbarn zu laden sind und daß ihnen die Voraussetzungen bekanntzugeben seien, wie sie nach Abs. 3 die Parteistellung erlangen könnten und der dritte Satz ordne an, daß der Eigentümer des Betriebsgrundstückes und die Eigentümer der an dieses Grundstück angrenzenden Grundstücke persönlich zu laden seien, ohne daß dabei vom Gesetzgeber angeordnet werde, daß diese ebenfalls auf die Begründung der Parteistellung nach Abs. 3 hinzuweisen seien. Daß die Bestimmungen des zweiten Satzes des Abs. 1 nicht auch auf die persönlich zu ladenden Grundstückseigentümer des letzten Satzes des Abs. 1 anzuwenden seien, könne auch daraus entnommen werden, daß der zweite Satz des Abs. 1 vom Nachbarn spreche, dagegen im dritten und letzten Satz dieser Bestimmung von Eigentümern von Grundstücken gesprochen werde, wozu auch der Inhaber des Betriebsgrundstückes zähle. Der Eigentümer des Betriebsgrundstückes könne aber nie Nachbar des Antragstellers sein, weil ihm rein technisch in der Realität nie die Rolle eines Nachbarn zukommen könne, wenn auf seinem Betriebsgrundstück die gewerbliche Betriebsanlage errichtet werden solle. Daran ändere auch die im § 75 Abs. 2 GewO 1994 gegebene Definition des Nachbarn nichts, denn der Inhaber des Betriebsgrundstückes sei vielfach identisch mit dem Antragsteller der Gewerbeanlage. Wenn also der Inhaber des Betriebsgrundstückes auch als Antragsteller der Gewerbeanlage unter den Nachbarschaftsbegriff des § 75 Abs. 2 leg. cit. falle und somit von der Errichtung und dem Betrieb seiner eigenen Betriebsanlage gefährdet und belästigt und in seinem Eigentum gefährdet sein könnte, dann müßte faktisch dieser Inhaber des Betriebsgrundstückes zu seinem Schutz gegen sein eigenes Vorhaben Einwendungen erheben und die Behörde müßte ihn faktisch vor seinem eigenen Vorhaben schützen, was doch absurd sei. Durch die Regelung der persönlichen Ladung der genannten Grundstückseigentümer und die Zuerkennung der Parteistellung als Formalpartei habe der Gesetzgeber sicherstellen wollen, daß die von einer Betriebsanlage am ehesten Betroffenen, also der Inhaber des Betriebsgrundstückes, der rein technisch in der Realität kein Nachbar im Sinne des Nachbarbegriffes sein könne, und die Eigentümer der an das Betriebsgrundstück unmittelbar angrenzenden Grundstücke unabhängig von der Teilnahme an der Augenscheinsverhandlung und der dortigen Erhebung von Einwendungen bereits Parteistellung hätten. Hätte der Gesetzgeber zur Erlangung der Parteistellung auch dieser Personen als Voraussetzung die Erhebung von Einwendungen gewollt, so hätte es einer diesbezüglichen Anordnung in § 356 Abs. 1 und Abs. 3 GewO 1994 bedurft. Tatsächlich treffe die zuletzt genannte Gesetzesstelle Anordnungen nur bezüglich der im zweiten Satz des Abs. 1 genannten Nachbarn. Aber selbst wenn man diesen Erwägungen nicht folgen wollte, so sei die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Beschwerdeführerin ihre Einwendungen erst nach rechtskräftiger Entscheidung der Angelegenheit erhoben habe. Die belangte Behörde verkenne nämlich den Unterschied zwischen der Rechtskraft eines Bescheides und der in § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1994 genannten rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit. Letztere könne immer dann nicht vorliegen, wenn die Entscheidung unter Rechtsverletzung durch die Behörde zustande gekommen sei, "denn solange diese Rechtsverletzungen nicht beseitigt sind, kann keine rechtskräftige Entscheidung der Angelegenheit vorliegen". Eine solche Rechtsverletzung sei im vorliegenden Fall aber gegeben gewesen, weil die Beschwerdeführerin entgegen der Bestimmung des § 356 Abs. 1 letzter Satz GewO 1994 nicht persönlich geladen worden sei. Zu Unrecht habe die belangte Behörde auch angenommen, daß der Beschwerdeführerin die erstbehördlichen Bescheide nur nachrichtlich zugestellt worden seien und ihr daher keine Parteistellung zukomme. Die Beschwerdeführerin habe nämlich an die Erstbehörde den Antrag gestellt, ihr möge nachträglich der Bewilligungsbescheid zugestellt werden. Sie habe in diesem Antrag ausdrücklich ausgeführt, daß sie die nachträgliche Bescheidzustellung mit dem Recht begehre, falls erforderlich, dagegen Berufung zu erheben. Die Erstbehörde habe bei der Übermittlung des Bescheides mit keinem einzigen Wort zum Ausdruck gebracht, daß diese nur "nachrichtlich" erfolge. Es lasse sich daher unschwer erkennen, daß die Erstbehörde auf Grund der nachträglich erhobenen Einwendungen der Beschwerdeführerin ihr Parteistellung im gegenständlichen Verfahren eingeräumt habe und mit der Bescheidzustellung ihr ausdrücklich das Recht eingeräumt habe, gegen diesen Bescheid mit Berufung vorzugehen. Im übrigen könne, was die Präklusionsfolgen des § 356 Abs. 3 GewO 1994 hinsichtlich der nach § 356 Abs. 1 leg. cit. durch persönliche Ladung zu ladenden Parteien anbelange, auf die diesbezügliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Wasserrechtsgestz zurückgegriffen werden, denn in diesem Punkt seien die Bestimmungen des § 107 WRG und des § 356 GewO 1994 doch sehr ähnlich. Der Verwaltungsgerichtshof habe aber ausgesprochen, daß die Präklusionsfolgen nach § 107 Abs. 2 WRG in Verbindung mit § 42 AVG eine persönlich von der Anberaumung der mündlichen Verhandlung zu verständigende Partei nicht treffen könnten. Der Verwaltungsgerichtshof habe auch festgehalten, daß die im § 107 Abs. 2 WRG genannten Folgen nur dann einträten, wenn die mündliche Verhandlung ordnungsgemäß öffentlich bekanntgemacht worden sei. Mangels einer solchen öffentlichen Bekanntmachung stehe einer dadurch übergangenen Partei die nachträgliche Erhebung von Einwendungen noch offen. Die gegenteilige Ansicht der belangten Behörde, die Präklusionsfolgen des § 356 Abs. 3 GewO 1994 träten auch bei allfälligen Mängeln der Kundmachung oder bei unterbliebenen persönlichen Ladungen ein, sei absolut denkunmöglich. Wenn man diese Meinung zu Ende denke, dann würde dies auch für ein Verfahren gelten, wo die Kundmachung und die persönlichen Ladungen völlig unterblieben seien. In einem solchen Verfahren würde es dann lauter präkludierte Nachbarn und Grundstückseigentümer geben, die gegen die Errichtung und den Betrieb einer so ohne jede Kundmachung oder persönliche Ladung bewilligten Betriebsanlage nach Rechtskraft des Bescheides zum Schutz ihrer subjektiven Rechte nicht mehr vorgehen könnten. Dies würde faktisch zu einer gesetzlichen Belohnung des Fehlverhaltens des Antragstellers bzw. Konsenswerbers einer gewerblichen Betriebsanlage führen.

Gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1994 steht im Verfahren betreffend Betriebsanlagen das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind.

Gemäß § 356 Abs. 3 leg. cit. sind im Verfahren betreffend die Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer gewerblichen Betriebsanlage oder die Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage unbeschadet des folgenden Satzes nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an. Weist ein Nachbar der Behörde nach, daß er ohne sein Verschulden daran gehindert war, die Parteistellung nach dem ersten Satz zu erlangen, so darf er seine Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 auch nach Abschluß der Augenscheinsverhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen und ist vom Zeitpunkt seiner Einwendungen an Partei; solche Einwendungen sind vom Nachbarn binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für ihre Erhebung bei der Behörde einzubringen, die die Augenscheinsverhandlung anberaumt hat und von dieser oder von der Berufungsbehörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden.

Die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin, als Eigentümerin einer an das Betriebsgrundstück anschließenden Liegenschaft komme ihr schon kraft dieser Eigenschaft Parteistellung und damit auch ein Berufungsrecht in einem derartigen Verfahren zu, ohne daß es der Erhebung von Einwendungen bedürfe, findet in dieser Gesetzeslage keine Deckung.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag aber auch der von der Beschwerdeführerin gewählten Auslegung des Begriffes der "rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit" im zweiten Satz des § 356 Abs. 3 GewO 1994 nicht zu folgen. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 23. April 1996, Zl. 96/04/0059, dargelegt, daß als rechtskräftig entschieden in diesem Sinne eine Angelegenheit anzusehen ist, wenn gegen den über das Genehmigungsansuchen absprechenden Bescheid kein weiteres Rechtsmittel mehr offensteht und nicht erst dann, wenn auch dem übergangenen Nachbarn der Genehmigungsbescheid zugestellt und die mit der Zustellung ausgelöste Frist zur Erhebung einer Berufung abgelaufen ist. Von dieser Rechtsansicht abzugehen findet der Verwaltungsgerichtshof auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens keine Veranlassung.

Im vorliegenden Fall erhob die Beschwerdeführerin, wie auch in der Beschwerde nicht bestritten wird, weder im Zuge des erstbehördlichen Verfahrens noch während der nach Zustellung des erstbehördlichen Genehmigungsbescheides dem Genehmigungswerber und dem Arbeitsinspektorat zustehenden Berufungsfrist Einwendungen. Nach der diesbezüglich eindeutigen Bestimmung des § 356 Abs. 3 GewO 1994 erwarb sie daher bis zu diesem Zeitpunkt als Nachbar keine Parteistellung. Daran vermag der Umstand, daß sie in Verletzung der Vorschrift des § 356 Abs. 1 letzter Satz leg. cit. zur mündlichen Augenscheinsverhandlung erster Instanz nicht persönlich geladen wurde, nichts zu ändern. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 28. Jänner 1997, Zl. 96/04/0240, dargelegt hat, vermag die Erhebung von Einwendungen nach Ablauf der im § 356 Abs. 3 leg. cit. genannten Frist die Parteistellung des Nachbarn auch dann nicht mehr zu bewirken, wenn diesen an der Versäumung auch dieser Frist kein Verschulden trifft oder die Fristversäumung durch einen Verfahrensverstoß seitens der Behörde bewirkt wurde. Auch von dieser Rechtsprechung abzugehen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch im Lichte des in der Beschwerde enthaltenen Hinweises auf seine Rechtsprechung zu § 107 WRG nicht veranlaßt. Wenn auch der Wortlaut des § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1994 mit jenem des § 107 Abs. 2 WRG weitgehend übereinstimmt, so ist die Tragweite dieser beiden Bestimmungen schon deshalb unterschiedlich zu beurteilen, weil die letztere Bestimmung die Parteistellung voraussetzt, um Einwendungen zu erheben, während nach ersterer Bestimmung erst durch die Erhebung von Einwendungen die Parteistellung erworben wird.

Da es von dieser Rechtslage ausgehend für die Frage des Berufungsrechtes der Beschwerdeführerin bedeutungslos ist, ob sie zu jenem Personenkreis gehört, der nach § 356 Abs. 1 GewO 1994 von der Augenscheinsverhandlung hätte persönlich geladen werden müssen, vermag auch das unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erstattete Vorbringen mangels Relevanz (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG) nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu führen.

Zusammenfassend läßt somit schon der Inhalt der Beschwerden erkennen, daß die von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, weshalb beide Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen waren.

Schlagworte

Gewerberecht Nachbar übergangener

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997040011.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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