Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde der Schilift L GmbH in L, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 7. November 1996, Zl. 1118/5, betreffend Wiederaufforstungsauftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck (BH) vom 15. Februar 1995 war Frau Gundelinde G zur Last gelegt worden, sie habe es als handelsrechtliche Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin zu verantworten, daß im Zeitraum Mai bis Juni 1993 in L, im Bereich Katzenkopf auf Gp 2560/3, KG L, welche eine Waldfläche darstelle, auf einer Fläche von ca. 2000 m2 Aushubmaterial abgelagert worden sei, ohne daß die dafür erforderliche Rodungsbewilligung vorgelegen habe. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 17 Abs. 1 in Verbindung mit § 174 Abs. 1 lit. a Z. 6 ForstG begangen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid des UVS in Tirol vom 20. September 1995 abgewiesen; die vorgenommenen Spruchmodifikationen sind im vorliegenden Fall nicht relevant. Begründend wurde u.a. ausgeführt, die gegenständlichen Ablagerungen seien im Interesse und auf Rechnung der Beschwerdeführerin erfolgt. Die Fläche sei eingeebnet worden und diene mittlerweile als verbreitete Schiabfahrt. Die gegenständliche Fläche sei als Wald eingetragen und es sei keine Rodungsbewilligung erteilt worden. Lediglich für die vorhandene Schiabfahrt sei eine Rodungsbewilligung vorhanden, nicht jedoch für den Bereich, in dem die Aufschüttung erfolgt sei. Durch die Aufschüttungen sei Waldboden den Zwecken der Waldkultur entzogen und somit die vorgeworfene Übertretung begangen worden.
Aufgrund der Mitteilung der Bezirksforstinspektion Telfs, eine im Mai 1996 vorgenommene Überprüfung habe ergeben, daß die Fläche in der Zwischenzeit lediglich begrünt worden sei, für die Wiederherstellung des Waldzustandes aber die Aufforstung der Fläche erforderlich sei, wurde der Beschwerdeführerin mit Bescheid der BH vom 7. Juni 1996 der Auftrag zur "Aufforstung der durch die Aufschüttung berührten Fläche der Gp 2560/3, Folio 64 und 68, KG L im Bereich Katzenkopf im Einvernehmen mit der Bezirksforstinspektion Telfs" erteilt.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. In dieser bestritt sie, daß es sich bei der fraglichen Fläche um Waldboden handle und weiters, daß sie die in Rede stehenden Aufschüttungen vorgenommen habe.
Anläßlich der Vorlage der Berufung an die Berufungsbehörde nahm die Bezirksforstinspektion Telfs zur Frage der Waldeigenschaft Stellung. Sie führte aus, die betreffende Fläche läge inmitten eines geschlossenen Waldgebietes angrenzend an eine Forststraße. Der ursprüngliche Zustand sei anhand der angrenzenden Waldflächen gut ersichtlich, wobei die betroffene Fläche nur mit räumdiger Naturverjüngung bestockt gewesen sei. Gemäß § 2 Abs. 1 ForstG handle es sich somit eindeutig um Wald. Die Fläche sei durch Materialaufschüttung bzw. durch Abschieben des Geländes eingeebnet worden, wobei teilweise die Abschiebeböschungen am Gelände ersichtlich seien.
In der Folge beantragte die Beschwerdeführerin die Aussetzung des Verfahrens mit der Begründung, sie habe einen Antrag auf Feststellung eingebracht, daß es sich bei der in Rede stehenden Fläche nicht um Wald im Sinne des Forstgesetzes gehandelt habe bzw. handle. Gleichzeitig legte sie ein von ihr in Auftrag gegebenes und von Dipl.Ing. Dr. Stefan F. verfaßtes forstliches Gutachten vor. Diesem Gutachten zufolge handle es sich bei der "Rodungsfläche" zwar eindeutig um Wald. Die Fläche sei aber in den letzten zwei Jahrzehnten - wie sich u.a. aus der Auswertung von Luftbildern ergebe - im wesentlichen nicht bzw. nur geringfügig bestockt gewesen. Sie sei als forstliche Bringungsanlage sowie als Holzlagerplatz genutzt worden. Durch die Aufschüttungen sei die Funktion als Holzlagerplatz und forstliche Bringungsanlage nicht beeinträchtigt worden; vielmehr erfolge dadurch sogar eine Verbesserung dieser Funktion. Der Waldboden werde daher primär zu keinen anderen Zwecken als solchen der Waldkultur verwendet, auch wenn die fragliche Fläche im Winter - wie schon zuvor - auch zur Ausübung des Wintersports genutzt werde.
Nach Einholung einer Stellungnahme des forstfachlichen Amtssachverständigen, in der die aufzuforstenden Flächen planlich beschrieben und die für die Wiederaufforstung notwendigen Baumarten und das Mischungsverhältnis angegeben wurden, erging der Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 7. November 1996. Mit diesem wurde die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß zwei planlich näher dargestellte Teilflächen des besagten Grundstückes östlich bzw. südlich des Forstweges "Katzenkopf" mit nach Art und Anzahl bestimmten Pflanzen aufzuforsten seien. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, die Behörde müsse sich hinsichtlich der Vorfragen, ob es sich bei den betroffenen Flächen um Wald handle und wer die gesetzwidrige Rodung vorgenommen habe, an den rechtskräftigen Strafbescheid "gebunden fühlen". Aus diesem Grund stehe es außer Zweifel, daß der Beschwerdeführerin die gegenständliche rechtswidrige Rodung zuzurechnen und sie daher als Verpflichtete im Sinne des § 172 Abs. 6 ForstG anzusehen sei. Unvorgreiflich einer Entscheidung der dafür zuständigen BH werde zu dem von der Beschwerdeführerin erwähnten Feststellungsantrag bemerkt, daß die Beschwerdeführerin weder zur Einbringung eines Feststellungs-, noch zur Einbringung eines Rodungsantrages legitimiert sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 172 Abs. 6 ForstG hat die Behörde, wenn Waldeigentümer, Einforstungsberechtigte oder andere Personen bei Behandlung des Waldes oder in seinem Gefährdungsbereich (§ 40 Abs. 1) die forstrechtlichen Vorschriften außer acht lassen, unbeschadet der allfälligen Einleitung eines Strafverfahrens, die zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen Vorkehrungen einschließlich der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen, wie insbesondere
a)
die rechtzeitige und sachgemäße Wiederbewaldung,
b)
die Verhinderung und die Abstandnahme von Waldverwüstungen,
c) die Räumung des Waldes von Schadhölzern und sonstigen die Walderhaltung gefährdenden Bestandsresten, sowie die Wildbachräumung,
d) die Verhinderung und tunlichste Beseitigung der durch die Fällung oder Bringung verursachten Schäden an Waldboden oder Bewuchs oder
e) die Einstellung gesetzwidriger Fällungen oder Nebennutzungen,
dem Verpflichteten durch Bescheid aufzutragen oder bei Gefahr im Verzug unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten durchführen zu lassen.
Die Beschwerdeführerin wendet gegen den angefochtenen Bescheid ein, die belangte Behörde habe sich mit dem vorgelegten Privatgutachten nicht auseinandergesetzt. Sie habe daher verkannt, daß es sich bei der besagten Fläche in Wirklichkeit nicht um Wald, sondern um einen von Waldbäumen freien Boden gehandelt habe. Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde sei die Beschwerdeführerin auch legitimiert, ein Feststellungsverfahren im Sinne des § 5 ForstG zu beantragen. Dennoch habe die belangte Behörde das forstpolizeiliche Verfahren nicht ausgesetzt.
Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt.
Zwar ist Voraussetzung für die Erteilung eines forstbehördlichen Auftrages nach der zitierten Vorschrift, daß es sich bei der betreffenden Fläche zum Zeitpunkt des Zuwiderhandelns gegen forstliche Vorschriften und zum Zeitpunkt der Erlassung des forstpolizeilichen Auftrages um Wald im Sinne des Forstgesetzes gehandelt hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1996, Zl. 95/10/0132 und die hier zitierte Vorjudikatur). Die Waldeigenschaft der in Rede stehenden Fläche wird aber selbst im Privatgutachten nicht bezweifelt, sondern vielmehr bestätigt. Im übrigen ergibt sich aus § 1 ForstG, daß es Waldboden auch ohne Bewuchs geben kann.
Die Auffassung der belangten Behörde, es liege entsprechend den im Strafverfahren getroffenen Feststellungen eine Waldfläche vor, ist daher - auch wenn die belangte Behörde unzutreffenderweise von einer diesbezüglichen Bindung an die Beurteilung der Strafbehörde ausging - nicht zu beanstanden.
Schließlich ist der Auffassung der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde hätte vor Erlassung des forstpolizeilichen Auftrages ein Waldfeststellungsverfahren durchführen müssen, entgegenzuhalten, daß die Forstbehörde nach ständiger hg. Judikatur (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1996, Zl. 96/10/0139 und die hier zitierte Vorjudikatur) berechtigt ist, die Frage der Waldeigenschaft in einem Verfahren zur Erteilung eines forstpolizeilichen Auftrages als Vorfrage zu beurteilen.
Dennoch erweist sich die die Beschwerde im Ergebnis als berechtigt:
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin ein Auftrag zur Wiederbewaldung der gerodeten Flächen erteilt, weil ihr diese Rodung zuzurechnen und sie nach Auffassung der belangten Behörde daher als Verpflichtete gemäß § 172 Abs. 6 ForstG anzusehen sei. Diese Auffassung der belangten Behörde verkennt jedoch, daß § 172 Abs. 6 ForstG nur in Verbindung mit einer anderen materiellen Bestimmung des Forstgesetzes anwendbar ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. März 1981, Zl. 2769/80), und die demnach für die Wiederbewaldung heranzuziehende Bestimmung des § 13 leg. cit. den Waldeigentümer als den hiezu Verpflichteten nennt. Indem die belangte Behörde daher der Beschwerdeführerin den Wiederbewaldungsauftrag erteilte, obwohl sie - wie aus den Darlegungen des angefochtenen Bescheides über die fehlende Antragslegitimation der Beschwerdeführerin hinsichtlich Feststellungs- und Rodungsverfahren ersichtlich wird - davon ausging, die Beschwerdeführerin sei nicht Waldeigentümerin, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
Weiters hängt die Rechtmäßigkeit eines Wiederherstellungsauftrages von Feststellungen ab, wonach die Wiederbewaldung im konkreten Fall zur Walderhaltung erforderlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1996, Zl. 95/10/0132 und die dort zitierte Vorjudikatur). Derartige Feststellungen, die eine verläßliche Beurteilung der Erforderlichkeit des Wiederbewaldungsauftrages zuließen, fehlen allerdings im angefochtenen Bescheid. Sie wären im vorliegenden Fall umso notwendiger gewesen, als im Privatgutachten ausgeführt wird, die betroffene Fläche diene (nach wie vor) als forstliche Bringungsanlage und Holzlagerplatz. Träfe es daher zu, daß die betroffene Fläche im Sinne des § 1 Abs. 3 ForstG besonders genutzt werde, so wäre für die Dauer dieser Nutzung von einem Ruhen der Wiederbewaldungspflicht auszugehen (vgl. nochmals das zitierte hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1996 und die dort zitierte Vorjudikatur).
Schließlich mangelt dem angefochtenen Bescheid noch der Ausspruch einer Frist für die Wiederbewaldung im Sinne des § 59 Abs. 2 AVG.
Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997100001.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
28.04.2011