TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/17 W250 2237710-1

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Veröffentlicht am 17.12.2020
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Entscheidungsdatum

17.12.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
Dublin III-VO Art28 Abs2
FPG §76 Abs2 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs3

Spruch


W250 2237710-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem.GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß Artikel 28 Abs. 2 der Verordnung EU Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) iVm § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm Artikel 28 Abs. 2 der Verordnung EU Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) iVm § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

IV. Gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) wurde am 02.06.2019 im Bundesgebiet aufgegriffen und ein Konsultationsverfahren mit Deutschland eingeleitet. Nachdem Deutschland einer Überstellung des BF zugestimmt hatte, wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 22.06.2019 die Außerlandesbringung des BF angeordnet. Am 12.07.2019 wurde der BF nach Deutschland überstellt.

2. Am 18.03.2020 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der mit Bescheid des Bundesamtes vom 30.06.2020 gemäß § 5 Asylgesetz 2005 – AsylG als unzulässig zurückgewiesen wurde. Deutschland stimmte bereits mit Schreiben vom 01.04.2020 einer neuerlichen Überstellung des BF zu. Da der BF spätestens am 25.06.2020 untergetaucht und für die Behörde nicht mehr greifbar war, wurde die Überstellung bis zum 01.04.2021 ausgesetzt.

3. Am 26.11.2020 wurde der BF neuerlich im Bundesgebiet von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen. Im Zuge des Aufgriffes gab er an, dass er von Italien mit dem Zug über die Schweiz und Deutschland nach Österreich gekommen sei und hier bleiben wolle. Im Zuge der Anhaltung stellte der BF einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Bei der diesbezüglich am 26.11.2020 durchgeführten Erstbefragung gab der BF im Wesentlichen an, dass er an keinen Beschwerden oder Krankheiten leide, die die Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen. Er habe Nigeria im September 2014 legal mit einem Reisepass verlassen, habe seinen Reisepass jedoch in Libyen verloren. Er habe sich bisher in Italien, Deutschland, Österreich und der Schweiz aufgehalten und jeweils Anträge auf internationalen Schutz gestellt. Er wisse weder im welchem Stadium sich seine Asylverfahren befänden, noch habe er diesbezüglich Unterlagen mit. In Italien habe er einen Aufenthaltstitel erhalten, dieser sei noch sechs Jahre gültig. Die Gültigkeitsdauer betrage insgesamt 12 Jahre, sechs Jahre habe er bereits in Italien verbracht. Er wolle nach Italien zurückkehren, da er krank sei. Er sei vier Mal in die Schweiz und sechs Mal nach Deutschland gereist. Er habe Probleme mit den Augen und wolle deshalb nach Italien zurückkehren. Als Beweismittel, das den Reiseweg des BF dokumentierte, führte der BF eine Zugfahrkarte von München nach Salzburg bei sich.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 26.11.2020 wurde über den BF Schubhaft zur Sicherung des Überstellungsverfahrens angeordnet. Am 11.12.2020 wurde der BF nach Deutschland überstellt.

5. Noch am Tag seiner Überstellung nach Deutschland reiste der BF wiederum nach Österreich ein und stellte bei Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz.

6. Mit dem hier angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 12.12.2020 wurde gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 der Verordnung EU Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) iVm § 76 Abs. 2 Z. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG iVm § 57 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG über den BF Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens angeordnet. Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 2, 3, 4, 6 lit. a, b und c sowie Z. 9 FPG erhebliche Fluchtgefahr vorliege. Der BF habe in mehreren Schengener Mitgliedstaaten unbegründete Asylanträge gestellt und wolle in keinem dieser Staaten das Ende der Verfahren abwarten. Der BF sei trotz fehlender Reisedokumente äußerst mobil. Der BF wisse, dass in Österreich eine Anordnung zur Außerlandesbringung vorliege, da er bereits zwei Mal nach Deutschland überstellt worden sei. Entgegen dieser Anordnung zur Außerlandesbringung sei er erneut in das Bundesgebiet eingereist und zeige seinen Unwillen sich den Behörden zur Verfügung zu halten. Zuletzt sei er noch am selben Tag der Überstellung wieder in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Durch sein Verhalten zeige der BF, dass er nicht beabsichtige, sich an die geltende Rechtslage eines europäischen Rechtsstaates zu halten oder diese zu akzeptieren. Soziale oder sonstige Anknüpfungspunkte in Österreich lägen nicht vor, der BF sei in Österreich weder integriert noch könne er einer legalen Beschäftigung nachgehen. Er habe keine Barmittel um sich eine Unterkunft leisten zu können, vielmehr sei er mehrmals beim Schwarzfahren im Zug betreten worden. Seine Mobilität werde insbesondere durch die Anzahl an Eurodac-Treffern der Kategorie 1 bewiesen, wobei der BF die Ergebnisse der Asylverfahren nicht akzeptiere. Darüber hinaus habe der BF keinen Anspruch auf Grundversorgung und somit auch keine Möglichkeit Unterkunft und Verpflegung auf legalem Wege zu erlangen. Die Sicherung des Verfahrens sei erforderlich, da sich der BF durch sein Verhalten als nicht vertrauenswürdig erwiesen habe. Die Anordnung der Schubhaft sei verhältnismäßig und stelle auch eine ulitma-ratio Maßnahme dar, da mit der Anordnung eines gelinderen Mittels nicht das Auslangen gefunden werden könne. Der BF habe keinen Bezugspunkt zu Österreich und habe immer wieder unterschiedliche Vorhaben angegeben. Zuletzt habe er angegeben, dass er weiter nach Italien reisen wolle. Durch seine neuerliche Einreise nach Österreich habe sich der BF augenscheinlich den deutschen Behörden entziehen wollen. Er habe sich auch in Österreich nicht zu seiner Abschiebung bereit gehalten. Das Verhalten des BF zeige eindeutig dass er untertauchen werde und bestehe massive Fluchtgefahr. Auch der Gesundheitszustand stehe der Anordnung der Schubhaft nicht entgegen und sei durch eine amtsärztliche Untersuchung die Haftfähigkeit festgestellt worden.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 12.12.2020 durch persönliche Übernahme zugestellt.

7. Am 14.12.2020 übermittelte das Bundesamt ein neuerliches Wiederaufnahmegesuch an Deutschland.

8. Am 14.12.2020 erhob der BF durch seine ausgewiesene Rechtsvertreterin Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 12.12.2020. Begründend führte er im Wesentlichen aus, dass im Fall des BF keine erhebliche Fluchtgefahr vorliege. Die Begründung zum Vorliegen der Fluchtgefahr im angefochtenen Bescheid beschränke sich großteils auf floskelhafte Formulierungen, die nicht auf den konkreten Sachverhalt eingehen. Überdies belaste die belangte Behörde das gegenständliche Verfahren mit einem erheblichen Verfahrensmangel, indem sie die Einvernahme des BF am 26.11.2020 zwar beweiswürdigend angeführt habe, das Protokoll im angefochtenen Bescheid nicht angeführt habe. Es sei somit nicht nachvollziehbar, dass oder ob sich der BF ausreise- und kooperationswillig zeige. Dem BF werde auch vorgeworfen, er habe sich den Behörden in Italien und der Schweiz entzogen. Auf welche Verfahren bzw. welches Verhalten des BF sich dies beziehe, werde jedoch nicht angeführt und sei nicht nachvollziehbar. Dem BF werde auch „Asyltourismus“ vorgeworfen, da er in unterschiedlichen Mitgliedstaaten unbegründete Asylanträge gestellt habe. Dabei habe die Behörde jedoch selbst angeführt, dass der BF bei seiner Anhaltung am 02.06.2019 einen abgelaufenen deutschen Aufenthaltstitel vorgewiesen habe. Sein dortiger Antrag sei jedoch nicht unbegründet gewesen. Festzuhalten sei, dass der BF ausreisewillig sei. Er habe zwar weder einen gültigen nigerianischen Reisepass noch könne er sein Aufenthaltsrecht in Italien nachweisen, doch sei der BF gewillt, sich im Falle seiner Enthaftung aus Eigenem um die Beschaffung der nötigen Dokumente für seine legale Ausreise nach Italien zu bemühen.

Auch im Hinblick auf die Prüfung gelinderer Mittel leide der angefochtene Bescheid an einem wesentlichen Begründungsmangel. Der BF habe sich mit dem Aufsuchen der Erstaufnahmestelle am 11.12.2020 die Zurverfügungstellung einer Unterkunft durch die österreichischen Behörden erhofft. Auch mit der gesundheitlichen Vorgeschichte des BF habe sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt. Dies betreffe insbesondere den psychischen Zustand des BF. Zum Beweis dass das Vorliegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen zur Haftunfähigkeit bzw. zur Unverhältnismäßigkeit der Schubhaft führe, beantragte der BF die Einholung einer amtsärztlichen Stellungnahme und einer psychiatrischen Stellungnahme bzw. die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens.

Der BF beantragte eine mündliche Verhandlung durchzuführen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt sei, auszusprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des BF nicht vorliegen und die belangte Behörde zum Kostenersatz zu verpflichten.

9. Das Bundesamt legte am 15.12.2020 den Verwaltungsakt vor, gab dazu eine Stellungnahme ab und beantragte die Beschwerde abzuweisen und den BF zum Kostenersatz zu verpflichten.

10. Die Stellungnahme des Bundesamtes wurde am 16.12.2020 der Rechtsvertreterin des BF mit der Möglichkeit sich dazu zu äußern übermittelt. Von dieser Möglichkeit wurde innerhalb der vom Bundeverwaltungsgericht gesetzten Frist kein Gebrauch gemacht.

11. Am 17.12.2020 stimmte Deutschland dem Übernahmeersuchen vom 14.12.2020 zu.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang

Der unter I.1. bis I.11. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der BF ist volljährig und gibt an ein Staatsangehöriger Nigerias zu sein, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Der BF ist in Österreich unbescholten.

2.2. Der BF ist gesund und nimmt keine Medikamente ein.

2.3. Der BF wird seit 12.12.2020 in Schubhaft angehalten.

3. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

3.1. Der BF hat am 06.10.2014 in Italien, am 15.04.2017 und am 27.09.2019 in Deutschland, am 15.01.2020 in der Schweiz und am 18.03.2020 sowie am 26.11.2020 in Österreich Anträge auf internationalen Schutz gestellt, entsprechend den Bestimmungen der Dublin-III-Verordnung ist Deutschland für das Asylverfahren des BF zuständig.

3.2. Der BF gab in Italien, in Deutschland und in Österreich unterschiedliche Geburtsdaten an.

3.3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 22.06.2019 wurde gemäß § 61 Abs. 1 Z. 2 FPG die Außerlandesbringung des BF angeordnet und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Deutschland zulässig ist. Am 12.07.2019 wurde der BF nach Deutschland überstellt. Es liegt eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.4. Der BF reiste trotz aufrechter Anordnung zur Außerlandesbringung nach Österreich ein und stellte am 18.03.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 20.06.2020 wegen Zuständigkeit Deutschlands zurückgewiesen.

3.5. Der BF entzog sich dadurch, dass er spätestens am 25.06.2020 untergetaucht ist, seiner Überstellung nach Deutschland. Der BF reiste weiter in die Schweiz, wo ein Verfahren zur Überstellung des BF nach Deutschland eingeleitet wurde. Diesem Verfahren hat sich der BF entzogen.

3.6. Am 26.11.2020 stellte der BF einen Asyl-Folgeantrag in Österreich. Zu diesem Zeitpunkt lag eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Diesem Asylantrag kommt kein faktischer Abschiebeschutz zu.

3.7. Am 11.12.2020 wurde der BF nach Deutschland überstellt. Noch am selben Tag reiste er trotz aufrechter Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich nach Österreich ein.

3.8. Der BF verfügte über einen bis 26.01.2017 gültigen Aufenthaltstitel in Italien. Über einen gültigen italienischen Aufenthaltstitel verfügt der BF nicht, es liegt vielmehr seit 26.10.2020 eine Ausweisung aus Italien vor.

3.9. Der BF verfügt in Deutschland über keinen Aufenthaltstitel. Der Asylantrag in Deutschland wurde am 24.10.2019 abgelehnt, am 03.04.2019 wurde dem BF die Abschiebung aus Deutschland angedroht. Die letzte Duldung wurde dem BF in Deutschland am 21.11.2019 erteilt und war bis 20.02.2020 gültig. Seit 15.03.2020 ist der BF in Deutschland unbekannten Aufenthaltes. Der BF hat sich durch seine unrechtmäßigen Ausreisen aus Deutschland seiner Abschiebung aus Deutschland entzogen.

3.10. Der BF verfügt in Österreich weder über familiäre noch über soziale Bindungen, er geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt weder über existenzsicherndes Vermögen noch über einen gesicherten Wohnsitz.

3.11. Der BF ist nicht kooperationsbereit und nicht bereit nach Deutschland auszureisen. Vielmehr beabsichtigt der BF unrechtmäßig nach Italien weiterzureisen.

3.12. Der BF wurde bereits zwei Mal nach den Bestimmungen der Dublin-III-Verordnung nach Deutschland überstellt. Am 17.12.2020 stimmte Deutschland erneut einer Übernahme des BF zu. Mit einer neuerlichen Überstellung des BF nach Deutschland ist daher zu rechnen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes und den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes und dem vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes. Diesen Feststellungen wurde in der Beschwerde nicht entgegengetreten, vielmehr entspricht der in der Beschwerde geschilderte Verfahrensgang dem hier wiedergegebenen.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Die Identität des BF steht nicht fest, da er bisher keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorgelegt hat. Laut seinen Angaben verfügte er zwar über einen nigerianischen Reisepass, hat diesen jedoch in Libyen verloren. Aus den vom BF in seinen bisherigen Verfahren genannten Geburtsdaten ergibt sich, dass er volljährig ist, seine Minderjährigkeit hat er bisher auch nicht behauptet. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, finden sich im Verwaltungsakt ebensowenig wie dafür, dass er Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist. Sein Antrag auf internationalen Schutz in Österreich wurde rechtskräftig zurückgewiesen, über den am 26.11.2020 gestellten Asylantrag wurde bisher nicht entschieden. Die Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem Strafregister.

2.2. Hinweise auf eine Erkrankung des BF sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Insbesondere gab der BF bei seiner Erstbefragung am 26.11.2020 an, dass er an keinen Krankheiten leide, die der Einvernahme bzw. dem Verfahren entgegenstünden. In dieser Befragung gab er zwar an, dass er an Augenproblemen leide, konkretisierte diese jedoch nicht. In seiner Beschwerde bringt der BF vor, dass auf Grund seines Gesundheitszustandes die angeordnete Schubhaft unverhältnismäßig sei und er überdies haftunfähig sei. Konkrete Angaben zu den behaupteten Erkrankungen machte er jedoch auch in der Beschwerde nicht. Bei seiner Befragung nach seinem Gesundheitszustand vor einem Amtsarzt am 12.12.2020 machte der BF keinerlei Angaben. Mit amtsärztlichem Gutachten vom 12.12.2020 wurde nach einer Untersuchung des BF festgestellt, dass er haftfähig sei. Insbesondere wurde dabei festgestellt, dass der BF keine Medikamente einnimmt, keine Beschwerden hat, dass er stabil, unauffällig und haftfähig ist. Auch zum psychischen Zustand des BF kam der Amtsarzt am 12.12.2020 zu dem Ergebnis, dass diesbezüglich keine Auffälligkeiten vorliegen. Der BF wurde als uneingeschränkt haftfähig befunden und keinerlei zusätzliche Kontroll- bzw. Überwachungsmaßnahmen für erforderlich erachtet. Da vom BF auch in der Beschwerde keine konkreten Angaben zu seinem Gesundheitszustand, insbesondere zu den abstrakt behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen, gemacht wurden, konnte insgesamt die Feststellung getroffen werden, dass der BF gesund ist, keine Medikamente einnimmt und haftfähig ist.

2.3. Dass der BF seit 12.12.2020 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Eintragungen in der Anhaltedatei.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

3.1. Die Feststellungen zu den vom BF in Italien, Deutschland, der Schweiz und in Österreich gestellten Anträgen auf internationalen Schutz beruhen auf den im Zentralen Fremdenregister vermerkten Daten der Eurodac-Treffer. Der BF hat in der Erstbefragung auf Grund seines Asylantrages vom 26.11.2020 selbst angegeben, dass er in den genannten Staaten Anträge auf internationalen Schutz gestellt hat. Dass Deutschland für das Asylverfahren des BF zuständig ist, ergibt sich zum einen aus dem Bescheid des Bundesamtes vom 22.06.2019 sowie daraus, dass der BF nach Durchführung von Konsultationsverfahren mit Deutschland bereits zwei Mal nach Deutschland überstellt wurde.

3.2. Dass der BF in Italien, in Deutschland und in Österreich unterschiedliche Geburtsdaten angab steht insofern fest, als er bei seiner Erstbefragung am 26.11.2020 den XXXX , im Zuge seines Aufgriffes am 11.12.2020 jedoch den XXXX als Geburtsdatum angegeben hat. Eine Anfrage des Bundesamtes bei den italienischen Behörden, ob der BF über einen Aufenthaltstitel in Italien verfügt, führte am 26.11.2020 zunächst zu dem Ergebnis, dass der BF unter den von ihm genannten Identitätsdaten in Italien unbekannt war. Erst als den italienischen Behörden die Identifikationsnummer des Eurodac-Treffers den in Italien gestellten Asylantrag betreffend bekannt gegeben wurde, konnte Auskunft über den Stand des asylbehördlichen Verfahrens in Italien erteilt werden. Von den italienischen Behörden wurde dabei mitgeteilt, dass der BF in Italien den XXXX sowie den XXXX als Geburtsdaten angegeben hat. Aus den von Deutschland am 26.11.2020 über den BF erteilten Auskünften geht hervor, dass der BF in Deutschland die Geburtsdaten XXXX , XXXX , XXXX , XXXX sowie XXXX angegeben hat.

3.3. Die Feststellungen zu der mit Bescheid des Bundesamtes vom 22.06.2019 erlassenen Anordnung der Außerlandesbringung und der Überstellung des BF nach Deutschland am 12.07.2019 ergeben sich aus dem Verwaltungsakt. Diese Feststellungen sind auf Grund der Angaben des BF in der Beschwerde auch unstrittig. Da seit der Überstellung des BF am 12.07.2019 noch keine 18 Monate vergangen sind, konnte die Feststellung getroffen werden, dass eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt.

3.4. Die Feststellungen zur neuerlichen Einreise des BF nach seiner Überstellung am 12.07.2019 und dem am 18.03.2020 gestellten Asylantrag ergeben sich ebenso aus dem Verwaltungsakt wie die Feststellungen zu der Entscheidung über diesen Antrag. Dieser Sachverhalt wurde vom BF auch in seiner Beschwerde angeführt und ist insoweit unstrittig.

3.5. Dass sich der BF durch Untertauchen seiner Überstellung nach Deutschland entzogen hat ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Insbesondere wurde er am 25.06.2020 von der Grundversorgung abgemeldet, da er unbekannten Aufenthaltes war. Auch in seiner Beschwerde schildert der BF im bisherigen Verfahrensgang, dass die Überstellungsfrist verlängert wurde, da er nicht mehr greifbar gewesen sei. Dass der BF in die Schweiz weiterreiste steht insofern fest, als sich aus der von den deutschen Behörden am 26.11.2020 an das Bundesamt übermittelten Informationen zum Stand des Asylverfahrens des BF in Deutschland ergibt, dass die Schweiz am 28.10.2020 ein Übernahmeersuchen den BF betreffend an Deutschland gerichtet hat. Da der BF am 26.11.2020 in Österreich aufgegriffen wurde und von den deutschen Behörden am selben Tag zwar das Übernahmeersuchen der Schweiz jedoch keine Überstellung des BF aus der Schweiz nach Deutschland bekannt gegeben wurde, konnte die Feststellung getroffen werden, dass sich der BF in der Schweiz dem Überstellungsverfahren entzogen hat.

3.6. Dass der BF am 26.11.2020 einen Asyl-Folgeantrag in Österreich stellte ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und dem vom BF in seiner Beschwerde geschilderten Verfahrensgang. Dass diesem Asylantrag kein faktischer Abschiebeschutz zukommt wurde vom Bundesamt zutreffend am 27.11.2020 in einem Aktenvermerk festgehalten.

3.7. Dass der BF am 11.12.2020 nach Deutschland überstellt wurde und noch am selben Tag nach Österreich zurückkehrte ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und wurde auch vom BF in seiner Beschwerde angegeben.

3.8. Im Verwaltungsakt ist eine Anfrage des Bundesamtes bei den italienischen Behörden über den Aufenthaltsstatus des BF vom 26.11.2020 dokumentiert. Aus der diesbezüglichen Antwort vom 27.11.2020 ergibt sich, dass der BF über einen bis 26.01.2017 gültigen Aufenthaltstitel in Italien verfügte und seit 26.10.2020 eine Ausweisung aus Italien vorliegt. Es konnte daher die Feststellung getroffen werden, dass der BF über keinen gültigen italienischen Aufenthaltstitel verfügt. Die diesbezüglichen Angaben des BF in seiner Beschwerde, er sei in Italien zum Aufenthalt berechtigt, sind unter Berücksichtigung der Mitteilung der italienischen Behörden und des Umstandes, dass der BF keinerlei Dokumente zum Nachweis seines behaupteten Aufenthaltsrechtes vorgelegt hat, nicht glaubhaft.

3.9. Die Feststellungen zum Stand des Asylverfahren des BF in Deutschland beruhen auf den von den deutschen Behörden am 26.11.2020 dem Bundesamt übermittelten Informationen.

3.10. Die Feststellungen zu den mangelnden Anknüpfungspunkten des BF in Österreich ergeben sich aus den Angaben des BF in der Erstbefragung vom 26.11.2020. Dabei gab er insbesondere an, dass er über keine Familienangehörige in Österreich oder einem EU-Staat verfügt. Da er laut seinen Angaben am 26.11.2020 nach Österreich eingereist ist und sich davor in Italien, der Schweiz und Deutschland aufgehalten hat, konnte die Feststellung getroffen werden, dass der BF in Österreich keine Erwerbstätigkeit ausübt. Da er am 26.11.2020 nach seinen Angaben über EUR 68,-- verfügte und nunmehr in der Anhaltedatei kein für den BF verwahrtes Bargeld aufscheint, steht fest, dass der BF über kein Vermögen verfügt. Aus dem Zentralen Melderegister ergibt sich, dass der BF über keinen Wohnsitz in Österreich verfügt. Gegenteiliges wurde vom BF auch in seiner Beschwerde nicht vorgebracht.

3.11. Dass der BF nicht kooperationsbereit ist, ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Er suchte zwar am 11.12.2020 nach seiner Rückkehr aus Deutschland eine Polizeiinspektion auf, um neuerlich einen Asylantrag zu stellen, er hatte dabei aber nicht die Absicht, tatsächlich in Österreich zu bleiben und den Ausgang des Verfahrens abzuwarten. So gab er in seiner Beschwerde an, dass er über einen italienischen Aufenthaltstitel verfüge und er beabsichtige sich die für eine legale Ausreise nach Italien erforderlichen Dokumente zu besorgen. Diese Angaben sind jedoch vor dem Hintergrund, dass er in Italien über keinen gültigen Aufenthaltstitel verfügt und überdies in Italien seit 26.10.2020 eine Ausweisung vorliegt nicht glaubhaft. Bereits in der Erstbefragung am 26.11.2020 gab der BF an, dass er eigentlich aus gesundheitlichen Gründen nach Italien ausreisen wolle und er dort über einen noch sechs Jahre gültigen, insgesamt 12 Jahre gültigen, Aufenthaltstitel verfüge. Bereits am 26.11.2020 machte der BF daher nach seinem Aufgriff durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bewusst falsche Angaben zu seinem Aufenthaltsrecht in Italien. Darüber hinaus tauchte der BF bereits im Juni 2020 unter, um seine Überstellung nach Deutschland zu verhindern, auch in der Schweiz entzog er sich in weiterer Folge seinem Überstellungsverfahren. Das unkooperative Verhalten des BF zeigt sich insbesondere auch daran, dass er bei der Befragung zu seinem Gesundheitszustand im Polizeianhaltezentrum am 12.12.2020 keinerlei Angaben machte. Da sich der BF während der letzten Monate seiner Überstellung nach Deutschland sowohl in Österreich als auch in der Schweiz entzogen hat und er unmittelbar nach seiner Überstellung nach Deutschland am 11.12.2020 wiederum nach Österreich zurückkehrte, liegt keinerlei Kooperationsbereitschaft mit den Fremdenbehörden vor. Da der BF am 26.11.2020 in seiner Erstbefragung nach seinem Fluchtgrund befragt lediglich angab, dass er wegen der Arbeit nach Libyen gegangen sei und er bei einer Rückkehr nach Nigeria nichts befürchte, da er dort keine Probleme habe, ergibt sich, dass der BF kein ernsthaftes Interesse an seinem Asylverfahren in Österreich hat, sondern dieses Verfahren lediglich dazu nutzt, seinen unrechtmäßigen Aufenthalt zu verlängern. Eine Bereitschaft nach Deutschland auszureisen, liegt beim BF nicht vor, da er unmittelbar nach seiner Überstellung Deutschland wieder verlassen hat und überdies in seiner Beschwerde angibt, dass er nach Italien ausreisen wolle. Die Absicht, nach Italien ausreisen zu wollen, bekundete der BF überdies bereits in der Erstbefragung vom 26.11.2020.

3.12. Dass Deutschland der neuerlichen Übernahme des BF zugestimmt hat ergibt sich aus der vom Bundesamt übermittelten Antwort der deutschen Dublin-Behörde auf das Übernahmegesuch vom 14.12.2020.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Gemäß Art. 28 Dublin III-VO dürfen die Mitgliedstaaten zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird. Die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs darf, wenn der Asylwerber in Haft ist, einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Dublin-Verfahren führt, ersucht in diesen Fällen um eine dringende Antwort, die spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs erfolgen muss. Die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt, sobald diese praktisch durchführbar ist, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten.

„Fluchtgefahr“ definiert Art. 2 lit. n Dublin III-VO als das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Verhängung der Schubhaft über den BF grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von erheblicher Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.1.4. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Überstellung des BF angeordnet. Mit einer Überstellung des BF ist insofern zu rechnen, als auf Grund des Bescheides des Bundesamtes vom 22.06.2019 eine aufrechte Anordnung zur Außerlandesbringung vorliegt, er bereits zwei Mal nach Deutschland überstellt worden ist und Deutschland einer neuerlichen Übernahme des BF zugestimmt hat.

3.1.5. Das Bundesamt geht auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 2, 3, 4, 6 lit. a, b und c sowie Z. 9 FPG vom Vorliegen erheblicher Fluchtgefahr aus.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der BF hat sich in Österreich der Überstellung nach Deutschland entzogen, da er spätestens am 25.06.2020 untergetaucht und in weiterer Folge in die Schweiz ausgereist ist. Damit hat der BF den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 2 FPG ist bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt zu berücksichtigen, ob der Fremde während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist. Die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 Z. 2 FPG wurde mit Bescheiden des Bundesamtes vom 22.06.2019 angeordnet. Gemäß § 61 Abs. 2 FPG bleibt eine Anordnung zur Außerlandesbringung binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht. Der BF wurde am 12.07.2019 nach Deutschland überstellt, reiste jedoch neuerlich in das Bundesgebiet ein und stellte am 18.03.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach seiner neuerlichen Überstellung nach Deutschland am 11.12.2020 reiste der BF noch am selben Tag neuerlich in das Bundesgebiet ein. Da die Einreisen des BF jeweils innerhalb von 18 Monaten nach der Überstellung am 12.07.2019 stattfanden, war die erlassene Anordnung zur Außerlandesbringung aufrecht und ist der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 2 FPG erfüllt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG ist bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, zu berücksichtigen, ob der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Die Notwendigkeit der Schubhaft kann sich auch daraus ergeben, dass sich der Fremde vor der Einreise in das Bundesgebiet in einem anderen Staat dem behördlichen Zugriff entzogen hat (vgl. VwGH vom 28.06.2007, 2006/21/0051). Der BF hat sich durch seine illegalen Einreisen nach Österreich seinem Asylverfahren in Deutschland mehrfach entzogen und ist von dort unrechtmäßig ausgereist. Durch dieses Verhalten ist der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 4 FPG zu berücksichtigen, ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag dem Fremden nicht zukommt. Das Bundesamt hat in einem Aktenvermerk vom 27.11.2020 zutreffend festgehalten, dass dem Folgeantrag des BF vom 26.11.2020 gemäß § 12a Abs. 1 AsylG kein faktischer Abschiebeschutz zukommt. Es ist daher auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 4 FPG erfüllt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 6 lit. a FPG ist bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, auch zu berücksichtigen, ob ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat. Für das Asylverfahren des BF ist Deutschland zuständig, der BF wurde bereits mehrfach nach Deutschland überstellt. Darüber hinaus hat der BF in Italien, der Schweiz, Deutschland und Österreich Anträge auf internationalen Schutz gestellt. Es ist daher auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 6 lit. a FPG erfüllt.

§ 76 Abs. 3 Z. 6 lit. b und c FPG nennen als weitere Kriterien der Fluchtgefahr den Versuch des Fremden in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen bzw. wenn es auf Grund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt. In seiner Erstbefragung am 26.11.2020 gab der BF insbesondere an, dass er nach Italien weiterreisen wolle, weshalb der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 6 lit. b FPG erfüllt ist. Da der BF nunmehr wiederum angibt, nach Italien ausreisen zu wollen, ist auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 6 lit. c FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Da der BF in Österreich über keinerlei Anknüpfungspunkte verfügt ist insgesamt auch unter Berücksichtigung der in § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG genannten Kriterien vom Vorliegen erheblicher Fluchtgefahr auszugehen.

Ergänzend zu den vom Bundesamt genannten Kriterien ist anzuführen, dass bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt gemäß § 76 Abs. 3 Z. 5 FPG zu berücksichtigen ist, ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand. Der BF stellte am 18.03.2020 und am 26.11.2020 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Da zu beiden Zeitpunkten die mit Bescheid des Bundesamtes vom 22.06.2020 erlassene und nach der Überstellung des BF nach Deutschland am 12.07.2019 gemäß § 61 Abs. 2 FPG aufrechte Anordnung zur Außerlandesbringung durchsetzbar war, ist auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 5 FPG erfüllt.

Das Bundesamt ist daher insgesamt zu Recht vom Vorliegen erheblicher Fluchtgefahr ausgegangen und hat dies im angefochtenen Bescheid auch ausführlich unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens des BF begründet. Dem Beschwerdevorbringen, dass einerseits keine erhebliche Fluchtgefahr bestehe und andererseits der angefochtene Bescheid an einem erheblichen Begründungsmangel leide, war daher nicht zu folgen.

3.1.6. Auch was den Sicherungsbedarf betrifft, ist dem Bundesamt zuzustimmen, dass ein solcher gegeben ist.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Der BF hat in Österreich, in Italien und in Deutschland unterschiedliche Angaben zu seiner Identität gemacht, hat sich seiner Überstellung nach Deutschland entzogen, ist zwei Mal trotz aufrechter Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist – wobei die Einreise am 11.12.2020 noch am selben Tag der effektuierten Überstellung nach Deutschland erfolgt ist – und hat sich mehrfach seinem Asylverfahren bzw. seiner Abschiebung in Deutschland entzogen. Seine Asylanträge am 18.03.2020 sowie am 26.11.2020 stellte er jeweils zu einem Zeitpunkt, in dem eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag und entzog er sich zuletzt auch seinem Überstellungsverfahren in der Schweiz. Über familiäre, soziale oder berufliche Anknüpfungspunkte verfügt der BF in Österreich nicht. Es ist daher von erheblichem Sicherungsbedarf auszugehen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der BF am 11.12.2020 selbstständig bei einer Polizeiinspektion erschienen ist um einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, da er bereits am 26.11.2020 angegeben hat, nach Italien weiterreisen zu wollen. Diese Absicht bekräftigte der BF noch in der diesem Verfahren zu Grunde liegenden Beschwerde, da er vorbrachte, nach seiner Entlassung aus der Schubhaft Vorkehrungen für seine legale Ausreise nach Italien zu treffen, da er dort über einen Aufenthaltstitel verfüge. Diese Angaben sind jedoch unglaubhaft, da der BF in Italien seit Jänner 2017 über keinen Aufenthaltstitel mehr verfügt und zuletzt am 28.10.2020 aus Italien ausgewiesen wurde. Da der BF daher sogar noch in seiner Beschwerde ein bewusst tatsachenwidriges Vorbringen erstattet und über die Tatsache, dass er in Italien nicht aufenthaltsberechtigt ist, zu täuschen versucht, liegt insgesamt erheblicher Sicherungsbedarf vor.

Das Bundesamt ist daher zu Recht vom Bestehen sowohl eines Sicherungsbedarfes als auch von erheblicher Fluchtgefahr ausgegangen.

3.1.7. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Der BF ist im Jahr 2020 zumindest drei Mal unrechtmäßig nach Österreich eingereist. Er ist noch am selben Tag seiner Überstellung nach Deutschland neuerlich nach Österreich eingereist und hat damit zum wiederholten Mal einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung zuwidergehandelt und sich seiner Abschiebung aus Deutschland entzogen. Der BF verfügt in Österreich weder über Familienangehörige noch über soziale Anknüpfungspunkte und ist beruflich nicht verankert. Über eigene Mittel zur Existenzsicherung verfügt er ebensowenig wie über einen eigenen gesicherten Wohnsitz.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des BF daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung. Der BF hat bereits mehrfach in der Vergangenheit gezeigt, dass er die ihn treffenden Verpflichtungen nicht einhält. Es überwiegt daher das öffentliche Interesse den BF in jenen Staat zu überstellen, der für sein Asylverfahren und gegebenenfalls auch für seine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat zuständig ist.

Auch der Gesundheitszustand des BF lässt die Anordnung der Schubhaft nicht unverhältnismäßig erscheinen und ergeben sich aus dem Verwaltungsakt keine Anhaltspunkte dafür, dass das Bundesamt seiner Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, nicht nachgekommen wäre.

Die angeordnete Schubhaft erfüllt daher auch – entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde – das Kriterium der Verhältnismäßigkeit.

3.1.8. Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel zu Recht nicht zur Anwendung kam. Auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens des wiederholten und massiven Zuwiderhandelns gegen fremdenrechtliche Bestimmungen kann ein gelinderes Mittel nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen. So gab der BF sogar in seiner Beschwerde an, dass er bei einer Entlassung aus der Schubhaft nach Italien weiterreisen werde, wodurch er sich neuerlich seiner Abschiebung aus Deutschland entziehen würde. Auf Grund des vom BF gezeigten unkooperativen Verhaltens, seiner Absicht, nach Italien weiterzureisen und auf Grund der Tatsache, dass er sich bereits ein Mal seiner Überstellung nach Deutschland durch Weiterreise in die Schweiz entzogen hat und sich auch in der Schweiz dem Überstellungsverfahren entzogen hat, ist nicht davon auszugehen, dass der BF einem gelinderen Mittel Folge leisten werde. Da sein Verhalten in der jüngern Vergangenheit ausschließlich darauf abzielte, sich seinem Verfahren in Deutschland zu entziehen und sich – unrechtmäßig – in Österreich aufzuhalten, ist nicht zu erwarten, dass der BF auf freiem Fuß für das Bundesamt greifbar sein wird und seine Überstellung nach Deutschland abwarten wird.

Zum Vorbringen des BF in seiner Beschwerde, das Bundesamt sei bei der Prüfung der Anwendbarkeit eines gelinderen Mittels nicht auf den konkreten Einzelfall eingegangen, ist festzuhalten, dass die Behörde auf Grund des bisherigen Verhaltens des BF und seiner Lebenssituation davon ausgegangen ist, dass mit der Anordnung eines gelinderen Mittels nicht das Auslangen gefunden werden könne. Das durchgeführte Gerichtsverfahren hat ergeben, dass diese Beurteilung des Bundesamtes nicht zu beanstanden ist.

Ein gelinderes Mittel kam daher zu Recht nicht zur Anwendung.

3.1.9. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt eine „ultima ratio“ dar, da sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Die Beschwerde war daher gemäß Artikel 28 Abs. 2 Dublin-III-VOiVm § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkt II

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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