TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/29 96/05/0127

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Veröffentlicht am 29.04.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs3;
VStG §24;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/05/0128 96/05/0129

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. des Ing. RL, 2. des Ing. FL und 3. der EL, alle in G, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in Z, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 5. März 1996, Zl. Senat-WU-95-153 (betreffend den Erstbeschwerdeführer), Zl. Senat-WU-95-155 (betreffend den Zweitbeschwerdeführer), und Zl. Senat-WU-95-154 (betreffend die Drittbeschwerdeführerin), betreffend Übertretung der NÖ Bauordnung 1976 (weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich jeweils Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnissen des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Klosterneuburg vom 21. August 1995 mit den Zahlen S 46/95 (betreffend den Erstbeschwerdeführer), S 45/95 (betreffend den Zweitbeschwerdeführer) und S 48/95 (betreffend die Drittbeschwerdeführerin) wurde über die Beschwerdeführer als zur Vertretung nach außen berufene Organe der Ingenieure L-Hoch- und Tiefbau Gesellschaft m.b.H. wegen Übertretung des § 115 Abs. 1 Z. 1 Nö Bauordnung 1976 in der Fassung LGBl. 8200-12 i.V.m. § 92 Abs. 1 Z. 1 und § 106 Abs. 1 leg. cit. gemäß § 115 Abs. 2 Nö Bauordnung "in Verbindung mit § 46 VStG" jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,--, bei deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von zehn Tagen verhängt. Sie hätten zu verantworten, daß die Errichtung eines Zubaues an der Westseite der Liegenschaft KG 1704-Klosterneuburg, I-Straße 1-7, Gst. Nr. nn/124, EZ n1, ohne baubehördliche Bewilligung Anfang März 1995 begonnen und bis Juni 1995 fertiggestellt" worden sei.

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Klosterneuburg vom 21. August 1995, Zl. S 47/95, war gegenüber dem ebenfalls zur Vertretung der angeführten Gesellschaft nach außen berufenen Organ GL aufgrund der angeführten Verwaltungsübertretung gleichfalls eine Geldstrafe von S 20.000,-- (bei Uneinbringlichkeit zehn Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt worden.

Von den Beschwerdeführern und Ing. G.L. wurde in einem Schriftsatz folgende Berufung erhoben:

"In außen bezeichneter Baurechtssache erhebe(n) ich/wir gegen das Straferkenntnis vom 21.8.1995, S 47/95, durch unseren ausgewiesenen Vertreter in offener Frist

B e r u f u n g

an die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung und führen dazu aus:

Das Straferkenntnis wird seinem gesamten Inhalt nach wegen unrichtiger und unvollständiger Tatsachenfeststellung, unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger Beurteilung sowie wegen der Höhe der verhängten Geldstrafe angefochten.

unrichtige und unvollständige Tatsachenfeststellung:

Im angefochtenen Straferkenntnis finden sich keine konkreten Sachverhaltsfeststellungen über die behaupteten Baumaßnahmen vor Erteilung einer rechtskräftigen Baubewilligung. In der Begründung ist lediglich ausgeführt, daß sich das Straferkenntnis auf "behördliche Wahrnehmung und Ermittlung" stützt. Dies kann zwar als Ergebnis einer Beweiswürdigung - Beweismittelaufzählung - gesehen werden, enthebt die Behörde I. Instanz allerdings nicht von ihrer Verpflichtung, konkrete und eindeutige Feststellungen über den einem Bescheid (Straferkenntnis) zugrundeliegenden Sachverhalt zu treffen und genau in die Begründung aufzunehmen.

Es finden sich auch keine Feststellungen darüber, welche Schritte von mir bzw. von der mir zugerechneten Ingenieure L Hoch- und Tiefbau Ges.m.b.H. gesetzt wurden, welche die "Bauführereigenschaft" bezeichnen.

Kühn ist der Spruch des Straferkenntnisses, daß ich - Ing. GL - es zu verantworten hätte, daß die Errichtung eines Zubaues an der Westseite des GST. nn/124 ohne baubehördliche Bewilligung begonnen und "fertiggestellt" wurde, ohne in der Begründung auch nur irgendein Indiz für die zu Unrecht behauptete Verwaltungsübertretung zu liefern bzw. Feststellung darüber zu treffen.

...

Ein Vorhaben durchgeführt haben wir in keiner wie immer gearteten Weise, weil nur der Bauwerber - die Firma I-AG - ein Vorhaben durchgeführt hat. ...

Unrichtige rechtliche Beurteilung:

...

Die angeschlossene Kopie unseres Auftrages enthält als Grundlage des an uns schriftlich erteilten Auftrages insbesondere das Auftragsschreiben und die freigegebenen Ausführungszeichen des AUFTRAGGEBERS ODER DES ARCHITEKTEN =

VERANTWORTUNG: I-AG.

Selbst wenn man den unrichtigen Rechtsstandpunkt der Behörde I. Instanz übernehmen würde - was von mir/uns nachdrücklich bestritten wird - käme man niemals zu einer schuldhaft zuzurechnenden Verantwortung der Firma und niemals von mir (uns) persönlich. Die Gemeinde Klosterneuburg - richtig der Bürgermeister als Baubehörde I. Instanz - verletzt jegliche rechtstaatliche Verpflichtung, wenn quasi als dem Zufall unterliegende gerade ich - Ing. GL - als verantwortlicher Bescheidadressat "gefunden" werde, ohne auch nur irgendein sachliches nachvollziehbares Substrat in den Tatsachenfeststellungen aufzunehmen. ...

Ein Verschulden unsererseits/meinerseits liegt überhaupt nicht vor. ...

Zusammenfassend stelle ich (wir) den

A n t r a g

der Berufung Folge zu geben und das Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben, hilfsweise aufzuheben und zur Neudurchführung des Verfahrens an die Baubehörde I. Instanz, den Herrn Bürgermeister Dr. G, zurückzuverweisen, in eventu mit Ermahnung vorzugehen.

Z, den 7.9.1955                   1. Ing. GL

    ...                                   2. Ing. RL

                                  3. Ing. FL

                                  4. EL

Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Berufungen der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 i.V.m. § 63 AVG und § 24 VStG als unzulässig zurückgewiesen. Im wesentlichen werden diese Entscheidungen damit begründet, daß der Bürgermeister der Stadtgemeinde Klosterneuburg über Ing. G.L. mit Straferkenntnis vom 21. August 1995, Zl. S 47/95, eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: zehn Tage) wegen Übertretung des § 92 Abs. 1 Z. 1 Nö Bauordnung 1976 verhängt habe. Dagegen hätten alle vier handelsrechtlichen Geschäftsführer des Unternehmens (u.a. die Beschwerdeführer) gemeinsam berufen. Im vorliegenden Fall sei ausschließlich Ing. G.L. als Adressat des angefochtenen Straferkenntnisses Partei. Den Beschwerdeführern komme dagegen keine Parteistellung zu, sodaß deren Rechtsmittel zurückzuweisen gewesen seien. Von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung habe gemäß § 51 lit. e Abs. 1 VStG abgesehen werden können.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat drei Gegenschriften erstattet und jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Gemäß § 24 VStG gilt § 63 Abs. 3 AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren. Ein Rechtsmittel im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG muß in einer Weise bezeichnet werden, die eine Unterscheidung zuläßt und die Möglichkeit einer Verwechslung darüber ausschließt, gegen welchen Bescheid es sich richtet. Entsprechend dieser Auffassung hat der Verwaltungsgerichtshof in der Rechtsprechung die Bezeichnung des Bescheides dann als entbehrlich betrachtet, wenn nicht zweifelhaft ist, gegen welchen Bescheid das Rechtsmittel erhoben wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. März 1978, Zl. 926/77, und die dort verwiesene hg. Vorjudikatur). Demgegenüber liegt aber - wie im vorliegenden Fall - ein Mangel des durch das Gesetz geforderten Inhaltes der Berufung vor, wenn die Partei ausdrücklich eine andere Maßnahme als bekämpft erklärt, als die Maßnahme jener Behörde, die sie in Wirklichkeit mit ihrem Rechtsmittel treffen wollte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. April 1961, Zl. 290/60). Die Berufungsbehörde ist an das Parteibegehren nach Überprüfung einer gemäß § 63 Abs. 3 AVG bestimmt bezeichneten Entscheidung auch dann gebunden, wenn das ergriffene Rechtsmittel sich möglicherweise gegen einen anderen Bescheid richtet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. April 1990, Zl. 90/19/0101, und die dort zitierte Vorjudikatur). Aus der wiedergegebenen Berufung ergibt sich eindeutig, daß sich die Berufung - wie dies auch von der belangten Behörde festgestellt wurde - gegen das "Straferkenntnis vom 21.8.1995, S 47/95" richtete. Das mit dieser Geschäftszahl versehene Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Klosterneuburg betraf den weiteren handelsrechtlichen Geschäftsführer der angeführten Gesellschaft. Die in erster Instanz gegenüber den Beschwerdeführern ergangenen Straferkenntnisse waren zwar vom selben Tag und von derselben Behörde erlassen worden, trugen aber unbestritten unterschiedliche Geschäftszahlen. Auch die Formulierung des Berufungsantrages ("Antrag, ... das Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben, ...") und der Wortlaut der übrigen Berufung (arg: u.a. "Kühn ist der Spruch des Straferkenntnisses, daß ich - Ing. GL - es zu verantworten hätte, ..."), in denen ausschließlich von einem Straferkenntnis die Rede ist, gab nicht zu Zweifeln darüber Anlaß, wogegen sich die Berufung der Beschwerdeführer richtete.

Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in Fällen, in denen eine Berufung keine oder nur eine mangelhafte Bezeichnung des bekämpften Bescheides enthielt, kann im vorliegenden Fall im Hinblick auf die ausdrückliche Bezeichnung eines bestimmten bekämpften Bescheides nicht herangezogen werden.

Da die streitgegenständliche Berufung kein Formgebrechen aufwies, lagen auch die Voraussetzungen für ein Verbesserungsverfahren gemäß § 13 Abs. 3 AVG - wie die Beschwerdeführer meinen - nicht vor. Die Berufungen der Beschwerdeführer wurden daher zu Recht mangels Parteistellung zurückgewiesen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996050127.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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