TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/1 W168 2175734-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.06.2020
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Entscheidungsdatum

01.06.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W168 2175734-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.09.2017, Zl. 1091607902-151585549/BMI-BFA_BGLD_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und Herrn XXXX gemäß § 3 Abs. 1 des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 i.d.g.F. (AsylG 2005) der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass Herrn XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Gang des Verfahrens:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, stellte am 19.10.2015 nach schlepperunterstützt unberechtigter Einreise in das österreichische Bundesgebiet gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 20.10.2015 führte der Beschwerdeführer aus, dass er aus der Provinz Ghazni stamme und dort neun Jahre die Schule besucht habe. Zuletzt sei er Schüler gewesen. Zu seinem Fluchtgrund gab der BF an, dass sein Vater einen Angehörigen der Taliban bei einem Autounfall getötet habe. Die Talibanmitglieder würden diesen Tod nunmehr durch einen Mordanschlag auf ihn und seinen Bruder rächen wollen.

2. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 16.05.2017 führte der Beschwerdeführer aus, dass er sich seit dem 20.11.2015 in Österreich aufhalte und vor seiner Ausreise in Ghazni gelebt habe.

Zum Fluchtgrund befragt, gab der BF zu Protokoll, dass sein Vater bei einem Autounfall einen Afghanen getötet habe und anschließend geflüchtet sei. Seitdem kenne der BF dessen Aufenthaltsort nicht. Ein Freund seines Vaters habe ihn über den besagten Vorfall aufgeklärt und ihn telefonisch vor der Familie des Getöteten gewarnt. Anschließend hätten sie sich zu dem Geschäft des Freundes begeben und ihn an einen Schlepper vermittelt, der ihnen geholfen habe, zu flüchten. Er und sein Bruder seien mit 20 Personen in Richtung Iran gereist. Befragt, ob seine Mutter und Schwester nach seiner Flucht Probleme mit den Taliban gehabt hätten, erwiderte der BF, dass Taliban mit Frauen nichts zu tun und mit Frauen nicht einmal reden wollen würden. Der Freund seines Vaters habe ihm ausgerichtet, dass sie den BF und seinen Bruder entführen würden, um seinen Vater dazu zu zwingen, sich zu melden. Zur Frage, ob er die näheren Umstände des Unfalles seines Vaters erläutern könne, entgegnete der BF, dass der Freund seines Vaters nur erzählt habe, dass sich der Vorfall auf der Hauptstraße von Ghazni nach Kandarhar ereignet habe. Nähere Details kenne der BF jedoch nicht, er wisse zudem auch nicht den Namen des Getöteten und könne seine Behauptungen nicht mit Belegen untermauern. Der Unfall sei den Angaben des BF zufolge mangels Präsenz afghanischer Polizei und ständiger Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Taliban höchstwahrscheinlich nicht angezeigt worden. Der Vater des BF sei nach dem Unfall nicht mehr nach Hause zurückgekehrt und habe seinen Freund gebeten, sich um seine Familie zu kümmern. Die Fragen, ob der BF in Afghanistan jemals in Haft gewesen sei, jemals Probleme mit einem Gericht gehabt habe oder vorbestraft sei, wurden vom BF verneint. Er selbst sei in Afghanistan auch nie persönlich bedroht worden, Hazara würden aber generell verfolgt werden. Er selbst sei als Hazara zwar nie bedroht worden, der Weg in Richtung Ghazni sei aber immer gefährlich gewesen. In Afghanistan sei der BF kein Mitglied einer politischen Partei gewesen, habe nie Kontakt zu extremistischen oder terroristischen Gruppierungen gehabt und sei nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Er habe auch nie Kriegsverbrechen begangen.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er seit dem 20.11.2015 in Österreich aufhältig sei und nicht berufstätig sei. Er lebe von der Grundversorgung und sei vor seiner Ausreise aus Afghanistan Schüler gewesen. Er sei nicht verheiratet, habe keine Kinder, habe im österreichischen Bundesgebiet auch keine familiären Anknüpfungspunkte und lebe in keiner familienähnlichen Partnerschaft.

3. Im Rahmen einer Stellungnahme vom 26.05.2017 wurde vom bevollmächtigten Vertreter des BF ausgeführt, dass der BF ein detailreiches, schlüssiges und widerspruchsfreies Vorbringen hinsichtlich seiner Fluchtgründe erstattet habe. Im Falle des BF handle es sich bei der Tötung durch den Vater des BF zwar um einen Unfall, jedoch beurteile die Familie des Opfers den Unfall als Mord, weshalb sie Rache üben müssten. Aufgrund des Umstandes, dass der aus Afghanistan stammende BF als Familienmitglied in der Blutrache bedroht sei, lasse ihn im Falle der Rückkehr im erheblichen Maß gefährdet erscheinen. Es liege daher eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der „Familie“ vor. Der getötete Afghane sei Mitglied der Taliban gewesen, weshalb der BF bei einer Rückkehr auch mit Vergeltungsmaßnahmen und mit Verfolgung zu rechnen habe. Durch die Flucht des Vaters habe dieser seine politische Überzeugung zum Ausdruck gebracht, die nunmehr auch dem BF unterstellt werde. Ebenso sei die Zugehörigkeit des BF zur ethnischen Minderheit der Hazara in Verbindung mit dem ehemaligen Heimatort seiner Familie, Ghazni im vorliegenden Fall geeignet, zur Asylgewährung zu führen. Der BF habe vor diesem Hintergrund im Falle einer Rückkehr beträchtliche Diskriminierungen und Angriffe auf seine physische Integrität zu befürchten und wäre unter anderem auch besonders gefährdet, ein Ziel von Aktionen der Taliban gegen Hazara zu werden. Zur Sicherheitslage in Ghazni würden zusätzlich zu den Länderinformationen des BFA aktuelle Berichte bestätigen, dass die Sicherheitslage weiterhin äußerst prekär sei. Die Rückkehr des minderjährigen BF erscheine unter den dargelegten Umständen derzeit als unzumutbar. Der BF sei minderjährig, verfüge über keinen Kontakt zu seinen Familienangehörigen in Ghazni oder in einem anderen Landesteil Afghanistans, die ihn beim Aufbau eines Lebens helfen könnten.

4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 27.09.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde insbesondere betreffend der Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz ausgeführt, dass seitens des BFA massive Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens vorliegen würden. Dies da sich Widersprüchlichkeiten bzw. Ungereimtheiten in den Aussagen des BF betreffend des vorgebrachten Ausreisegrundes ergeben hätten. So hätte der BF nähere Details betreffend des Autounfalles bei dem der Vater des BF einen Taliban getötet hätte nicht nennen können. Er selbst wäre nicht bei diesem Unfall dabei gewesen und hätte hierüber erst durch einen namentlich genannten Freund des Vaters erfahren. Beweise für den genannten Unfall oder auch der Tötung einer Person hierbei hätte der BF jedoch nicht vorlegen können. Entsprechende Bemühungen diese Beweismittel in Vorlage zu bringen hätte der BF nicht unternommen. Auch wären die Aussagen des BF, dass der Vater des BF gleich nach diesem Unfall untergetaucht wäre logisch nicht nachvollziehbar, da es nicht nachvollziehbar wäre, woher der Vater sofort gewusst haben sollte, dass es sich bei der getöteten Person um einen Taliban gehandelt habe. Das BFA führte weiters aus, dass es nicht nachvollziehbar sei, dass der Freund des Vaters den BF und dessen Bruder in das Geschäft des Vaters bestellen würde um sie dort zu treffen, da gerade dort die Verfolger warten könnten und diesen habhaft werden könnten. Unlogisch würde es auch erscheinen, dass der BF und dessen Bruder diese Aufforderung nicht hinterfragt hätte. Ebenso wäre es unlogisch, dass der Freund des Vaters ein derartiges Risiko auf sich nehmen sollte um den BF und dessen Bruder zu waren, wohingegen die eigentlich verantwortliche Person, der Vater des BF, sich versteckt bzw. abgesetzt hätte. Auch wären die Aussagen, dass sich eine zweite Person in dem Auto bei dem Unfall befunden hätte, die gleich die Adresse des Geschäftes des Vaters genannt hätte als unglaubhaft. Dies deshalb, da der Vater ausschließlich Kontakt mit dessen Freund gehabt hätte. Es stelle sich die Frage wie der Vater wissen hätte können, dass die beiden sich im Unfallauto befindlichen Personen den Angehörigen des Unfallsopfers diese Details über den Vater des BF erzählt haben könnten. Gegen die Glaubhaftigkeit würde auch sprechen, dass die weiterhin in Afghanistan verbliebenen weiblichen Familienmitglieder, die Mutter und die Schwestern keine Probleme mit den Taliban bekommen hätten. Dies wäre alleine damit begründet worden, dass die Taliban mit nichts mit Frauen zu tun haben wollen. Es erscheine unlogisch, dass die Taliban diesen Angehörigen keine Probleme bereiten würden, nur weil die Taliban Frauen nicht den gleichen gesellschaftlichen Wert wie Männern einräumen würden. Es wäre zu erwarten, dass die Taliban auch auf diese einen Druck ausüben würden um den Aufenthaltsort des Vaters oder der Brüder ausfindig machen zu können. Aufgrund der angeführten Würdigungen und Ausführungen zu den nicht unerheblichen Widersprüchen, bzw. Ungereimtheiten erscheine das Vorbringen aus Sicht des BFA in der Gesamtheit nicht als stimmig und als nicht nachvollziehbar. Die Glaubwürdigkeit des Vorbringens würde somit in Abrede gestellt. Ein stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen wäre nicht erstattet worden. Ein Vorbringen müsse in gewissen Maß konkret und nachvollziehbar sein. Betreffend der Aussage einer Verfolgung aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit zu der Volksgruppe der Hazara wäre auszuführen, dass der BF keine konkret gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen zu Protokoll gegeben hat, bzw. selbst ausgeführt habe, dass er einer diesbezüglichen Verfolgung nicht ausgesetzt war. Sämtliches diesbezügliche Vorbringen ist allgemein und vage. Auch aus den vorliegenden Länderinformationen, bzw. der Rechtsprechung des EGMR wäre das Vorliegen einer gezielten Verfolgung der Volksgruppe der Hazara nicht ableitbar. Mangels glaubhafter und substantiierter Angaben zu den behaupteten Rückkehrbefürchtungen hätte nicht festgestellt werden können, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Verfolgungshandlungen, bzw. Drohungen von staatlichen Personen oder Privatpersonen ausgesetzt wäre. Dass der BF einer unmittelbaren persönlichen Verfolgung im Sinne der GFK bei einer Rückkehr ausgesetzt wäre, hätte nicht festgestellt werden können.

Aufgrund der Tatsache, dass es sich bei dem BF zum Entscheidungszeitpunkt um eine Minderjährige Person handelt, wäre subsidiärer Schutz zu gewähren.

5. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass das BFA im gegenständlichen Verfahren seine Ermittlungspflicht auf grobe Weise missachtet habe. Eine umfassende Prüfung der Glaubwürdigkeit des BF könne seitens des BFA nicht ohne einschlägige Länderberichte vorgenommen werden. In den Länderberichten des BFA würden sich keinerlei Berichte zur in Afghanistan üblichen Blutrache und den daraus erwachsenden Gefährdungsszenarien für die Familienangehörigen finden. Die von der gesetzlichen Vertretung am 26.05.2017 mittels Stellungnahme in das Verfahren eingebrachten Berichte seien von der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden und hätten trotz ihrer Entscheidungswesentlichkeit keinen Eingang in den Bescheid gefunden. Der Verwaltungsgerichtshof verlange in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit aktuellen Länderberichten verlange. Eine derartige Würdigung des Vorbringens des BF sei im belangten Bescheid unterblieben. Wenn die belangte Behörde dem BF vorhalte, dass sein Vorbringen die geforderte Genauigkeit bzw. der geforderte Detailreichtum und somit auch die notwendige Substantiiertheit fehle, so sei dem entgegenzuhalten, dass dem BF der Verfolgungsgrund gegen seine Person ausschließlich in seiner Familienzugehörigkeit liege. Der BF habe nach besten Möglichkeiten und seinem Alter entsprechend den Vorfall geschildert und alle ihm bekannten Details genannt. Wenn die Behörde dem BF weiter vorhalte, dass er keine wie auch immer gearteten Beweise für den Unfall vorlegen habe können, so sei dem entgegenzuhalten, dass der BF bereits in der Einvernahme angegeben habe, dass er nicht wisse, ob eine Anzeige erstattet worden sei und die Polizei zudem auf der gefährlichen Strecke zwischen Ghazni und Kandarhar kaum anwesend wäre. Die Behörde halte dem BF weiters vor, dass es nicht als logisch nachvollziehbar angesehen werden könne, dass dem Vater direkt nach dem Unfall bewusst gewesen sei, dass es sich bei dem Getöteten um einen Taliban handle. Die Strecke sei aber bekannt dafür, dass die Taliban sehr aktiv seien. Zudem gebe es mehrere offensichtliche Merkmale, an denen jemand als Taliban erkennbar sein könnte. Es sei somit logisch oder zumindest gut möglich, dass ein Hazara, der in der Region aufgewachsen sei, in der Lage sei, einen Taliban an seinem Äußeren zu erkennen. Wenn die Behörde dem BF weiter vorhalte, dass es unlogisch gewesen sei, dass der Freund des Vaters ihn in das Geschäft habe kommen lassen, wo mit der Gefahr zu rechnen sei, dass die gegnerische Familie auf ihn warten könnte, so sei dem entgegenzuhalten, dass der Freund die gegnerische Familie zum Haus der Familie des BF geschickt habe und es deswegen möglich gewesen sei, dass der BF in das Ladenlokal kommen habe können. Wenn die Behörde dem BF in Zweifel ziehe, dass die beiden Mitreisenden des Vaters den Namen hätten weitergeben können, so handle es sich hierbei um reine Mutmaßungen der belangten Behörde. Nach einem mangelhaften Ermittlungsverfahren habe die belangte Behörde das Verfahren zudem mit einer unrichtigen und teilweise unlogischen Beweiswürdigung belastet. Die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Bescheides beschränke sich auf allgemeine Formulierungen, die teilweise auf den konkreten Fall gar nicht übertragbar erscheinen. Im Ergebnis werde dem BF Asyl deshalb nicht gewährt, weil die Glaubhaftmachung des Fluchtvorbringens nicht gelungen sei. Die Annahme basiere aber, wie dargelegt, auf einem mangelhaft geführten Verfahren.

Mit Schreiben des BFA vom 10.September 2018 wurde das BVwG über die Verlängerung des subsidiären Schutzes bis zum 27.09.2020 gem. §8 AsylG informiert.

Am 02.4.2019 wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführt. Im Zuge dieser Verhandlungen wurde der Beschwerdeführer hinsichtlich der Gründe für das Verlassen Afghanistans, als auch insbesondere hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der inneren Überzeugung bezüglich der in Österreich angegeben erfolgten Konversion zum christlichen Glauben, der erhaltenen Taufe, sowie zu den persönlichen Gründen und der Motivation zu dieser, sowie zu der Art und Weise der Ausübung des Glaubens unter Berücksichtigung der Einvernahme mehrerer Zeugen aus der christlichen Gemeinde die der Beschwerdeführer angehört ausführlich und detailliert durch den erkennenden Richter befragt. Weiters wurde umfassend abgeklärt, ob der christliche Glaube nachvollziehbar und glaubwürdig ein besonders relevanter und bereits integraler Bestandteil der Persönlichkeit des Beschwerdeführers geworden ist.

Der Beschwerdeführer konnte im Zuge der Verhandlung vor dem BVwG ergänzend Unterstützungserklärungen bzw. Empfehlungsschreiben in Vorlage bringen.

Mit Schreiben vom 19.02.2020 wurde durch den Pastor der Gemeinde, der der BF angehört und der bereits als Zeuge für die Glaubwürdigkeit der Konversion aus glaubensimmanenten Gründen bei der Verhandlung vor dem BVwG gehört wurde, ein Schreiben an das BVwG übermittelt dem zusammenfassend insbesondere zu entnehmen ist, dass der BF auch in der Zeit zwischen der Einvernahme vor dem BVwG und dem gegenwärtigen Zeitpunkt weiterhin regelmäßig die Gottesdienste besucht. Auch handle es sich bei dem BF um einen der wissbegierigsten Schüler der Gemeinde. Dieser würde sich zudem regelmäßig und durchgehen am Gemeindeleben, sowie bei verschiedenen ausgewiesenen Tätigkeiten beteiligen und würde mit sichtbarer Freude und Engagement daran teilnehmen. Der Pastor bestätigte in dem Schreiben ausdrücklich noch einmal, dass dieser seine Zeugenaussage erneut bekräftigen wolle, dass es sich bei dem BF um ein aktives und geachtetes Mitglied der Glaubensgemeinde des BF handelt und dass der BF ein integrierter und bekennender Christ sei. Insbesondere würde der Pastor die damals getätigte Zeugenaussage im Rückblick auf das vergangene Jahr nur noch mehr bekräftigen und dieser könne die gelungene Konversion des BF nur nochmals bezeugen.

Im Rahmen einer nach Aufforderung des BVwG erstatteten weiteren ergänzenden Stellungnahme insbesondere betreffend die Ausübung des christlichen Glaubens durch den Beschwerdeführer vom 22.05.2020 wurde hierauf bezogen ausgeführt, dass mehrere Zeugen, darunter insbesondere auch der Pastor der christlichen Gemeinde, die der BF zugehörig ist, , sowie mehrere weitere Gemeindemitglieder genannt werden könnten, die die durchgehende Ausübung des christlichen Glaubens des Beschwerdeführers, bzw. seine Teilnahme an Gottesdiensten, sowie auch seine sonstige Beteiligung in der christlichen Gemeinde auch als Zeugen vor Gericht bestätigen könnten. Ergänzend wurden mehrer schriftliche Ausführungen bzw. Unterstützungsschreiben von Gemeindemitgliedern, insbesondere die innere Einstellung des Beschwerdeführers zum christlichen Glauben betreffend, bzw. betreffend der konkreten Ausübung und Wahrnehmung des christlichen Glaubens durch diesen an das erkennende Gericht übermittelt. Auch wurden dem Gericht mehrere Bilder übermittelt, die den Beschwerdeführer bei verschiedenen Aktivitäten der angegebenen christlichen Gemeinde, bzw. auch während Glaubensveranstaltungen in jüngster Zeit, bzw. insbesondere erkennbar auch während der gegenwärtigen Corona Pandemie zeigen. Diesen Schreiben ist insbesondere auch zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer regelmäßig und dies seit mittlerweile mehreren Jahren an Gottesdiensten der Gemeinde teilnimmt, dieser in der christlichen Gemeinde seines Aufenthaltsortes umfassend integriert ist und er in der Gemeinde als Person aufgrund seiner persönlichen Eigenschaften und seines Charakters geschätzt wird.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an. Der BF stellte nach unberechtigter Einreise am 19.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Ghazni, wo er bis zu seiner im Alter von ca. 15 Jahren erfolgten Ausreise aufhältig gewesen ist. In seinem Herkunftsstaat sind nach wie vor seine Mutter und seine beiden Schwestern wohnhaft.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner Person und zu seinen persönlichen und familiären Verhältnissen wird der Entscheidung zugrunde gelegt.

Das Vorbringen betreffend die vorgebrachten Gründe für das Verlassen Afghanistans wird der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt.

Der Beschwerdeführer ist aus einer nachvollziehbar glaubwürdigen auf christlichen Glaubensinhalten beruhenden inneren Überzeugung zum Christentum konvertiert.

Der christliche Glaube wird durch den Beschwerdeführer seit längerer Zeit durch eine durchgehende aktive Teilnahme in einer christlichen Gemeinde seit längerer Zeit glaubhaft und nachvollziehbar gelebt.

Der Beschwerdeführer konnte insgesamt glaubhaft machen, dass der christliche Glaube ein integraler Bestandteil seiner Persönlichkeit geworden ist.

Aufgrund einer auf glaubensimmanenten Gründen basierenden Hinwendung des Beschwerdeführers zum Christentum, seiner nachweislichen besonderen Beschäftigung mit verschiedenen Grundlagen des christlichen Glaubens und seines dokumentiert und durch mehrere Zeugen bestätigten besonderen und eines bereits glaubwürdig langjährig ausgeübten durchgehenden Engagements in einer christlichen Gemeinde ist diesen eine Rückkehr in seinen Heimatstaat nicht zumutbar und diesen droht dort aufgrund seiner Konversion zum Christentum mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Bedrohung.

1.2. Zur asylrelevanten Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers

Religionsfreiheit:

Nach offiziellen Schätzungen sind 84 % der Bevölkerung sunnitische Muslime und 15 % schiitische Muslime. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften (wie z.B. Sikhs, Hindus, Christen) machen nicht mehr als 1 % der Bevölkerung aus.
Art. 2 der Verfassung bestimmt, dass der Islam Staatsreligion ist. Die ebenfalls in der Verfassung verankerte Religionsfreiheit gilt ausdrücklich nur für die "Anhänger anderer Religionen als dem Islam" (Art. 2, Abs. 2). Auf die Rechte von Muslimen wird kein Bezug genommen. Demnach besteht Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionswahl beinhaltet, für Muslime nicht. Allerdings hält die Verfassung auch die Gültigkeit der von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen fest (Art. 7), was aber wiederum im Lichte des Islamvorbehalts zu lesen ist.
Am 17.09.2003 hat Präsident Karzai die Einsetzung eines zentralen islamischen religiösen Rates (Schura) per Dekret genehmigt. Die Schura, in der Religionsgelehrte aller Provinzen vertreten sein sollen, umfasst rund 2.600 Mitglieder, die dafür Sorge tragen sollen, dass die Gebote des Islams eingehalten werden.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 09.02.2011, 19; siehe auch United States Department of State, "International Religious Freedom Report 2010: Afghanistan", 17.11.2010)

Christen und Konvertiten:

Afghanische Christen sind im Wesentlichen vom Islam konvertiert; ihre Zahl kann nicht annähernd verlässlich geschätzt werden, da Konvertiten sich hierzu nicht öffentlich bekennen, beträgt aber wohl weniger als ein Prozent. Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens. Selbst zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NROs regelmäßig abgehalten werden, erscheinen sie nicht. Konversion wird nach der Scharia als Verbrechen betrachtet, auf das die Todesstrafe steht, und sorgt weiterhin für emotional aufgeladene öffentliche Diskussionen. Laut der AIHRC sind Repressionen gegen Konvertiten in städtischen Gebieten wegen der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Asylakt des Beschwerdeführers samt den behördlich eingeholten Auskünften amtlicher Register.

Die Annahme der Identität, Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und früheren Religionszugehörigkeit beruht auf den Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren. Die Glaubwürdigkeit der Angaben zu seinen persönlichen und familiären Verhältnissen in seinem Herkunftsstaat und in Österreich gründen daher, da keine hinreichenden Zweifel am Wahrheitsgehalt dieses Vorbringens hervorkamen. Zudem weist er entsprechende Orts- und Sprachkenntnisse auf.

Vorauszuschicken ist, dass die vom Beschwerdeführer angeführten Gründe für das Verlassen Afghanistans in Übereinstimmung mit dem BFA auch durch das erkennende Gericht als nicht asylrelevant zu erkennen waren, als durch sämtliche Aussagen des Beschwerdeführers hieraus insgesamt nicht eine glaubhafte asylrelevante Gefährdung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch pro futuro im gesamten Staatsgebiet Afghanistans für diesen abzuleiten war.

Durch das im Verfahren vor dem BVwG auch erstattete Vorbringen betreffend eines nach der Einreise nach Österreich begonnenen Interesses am christlichen Glauben, bzw. der belegt bereits erfolgten Taufe angegebenen Konversion hat der Beschwerdeführer jedoch einen weiteren auf Glaubwürdigkeit abzuklärend asylrelevanten (Nach)fluchtgrund vorgebracht.

Die Feststellungen hinsichtlich der aus einer nachvollziehbar glaubwürdig erfolgten Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum stützen sich auf die Aussagen der einvernommenen Zeugen, sowie insbesondere auf das diesbezüglich schlüssige und glaubwürdige Vorbringen des Beschwerdeführers im Verfahren vor dem BVwG, sowie die von diesem im Verfahren vorgelegten Bescheinigungsmittel. Über deren Echtheit und inhaltliche Richtigkeit sind keine Zweifel aufgekommen.

Bei Nachfluchtgründen, insbesondere solchen, wenn sie eine erst nach Einreise nach Österreich begonnene Zuwendung zu einem Glauben betreffen, ist eine umso genauere Ermittlung der inneren Überzeugung und sämtlicher Umstände die zu einen solchen Konversion geführt haben erforderlich, um einen möglichen Missbrauch eines solchen Vorbringens aus rein asylzweckbezogenen Gründen auszuschließen.

Aus diesen Gründen war es auch in casu erforderlich durch die Vornahme einer umfassenden Befragung vor dem BVwG das Vorliegen eines glaubwürdigen auch nachhaltigen Interesses am christlichen Glauben, bzw. einer aus tatsächlich nachvollziehbar glaubensimmanenten Gründen erfolgten Konversion zu ermitteln.

Weiter war abzuklären, inwieweit der christliche Glauben bereits als integralen Bestandteil der Persönlichkeit des Beschwerdeführers erkannt werden kann, bzw. ob dem BF aus seiner inneren Glaubensüberzeugung eine asylrelevante Bedrohung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Herkunftsstaat droht.

Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes kann diesbezüglich auch nach einer bestätigten Taufe in den meisten Verfahren nur nach einer ausführlichen Befragung und umfassender Ermittlung sämtlicher diesen Nachfluchtgrund betreffender Umstände eine valide Grundlage zur Entscheidung gefunden werden.

Fallgegenständlich ist festzuhalten, dass im Zuge der Verhandlung vor dem BVwG das erkennende Gericht in casu begründet keine substantiell begründbaren Anhaltspunkte finden konnte, die im gegenständlichen Verfahren den Schluss zulassen würden, dass die Konversion des Beschwerdeführers zum christlichen Glauben bloß asylzweckbezogen, bzw. zum Schein erfolgt wäre.

Es ist dennoch festzuhalten, dass fallbezogen eine diesbezügliche Abklärung nicht derart abschließend vorgenommen werden kann, sodass hieraus unwiderruflich und auch für die Zukunft geltend der Schluss ableitbar wäre, dass der christliche Glaube bereits auch nachhaltig zu einem tatsächlich integralen Bestandteil der Persönlichkeit des Antragstellers geworden ist.

Das BFA wird auch in Verfahren, in denen aufgrund eines erst im Bundesgebiet begonnenen Interesses am Christentum, bzw. erst einer im Zuge des Verfahrens erfolgten Konversion und eines ausschließlich deshalb zuerkannten Status nach §3 AsylG gehalten sein ein allfällig hierauf bezogenes weiteres Vorliegen von Asylgründen einer Überprüfung zuzuführen.

Als ein Indiz für eine solche Nachhaltigkeit des Bekenntnisses zum christlichen Glauben, bzw. einer fundamentalen Verfestigung der christlich - religiösen Einstellungen kann im gegenständlichen Verfahren die belegbare glaubwürdige und bereits seit längerer Zeit dokumentiert erfolgte aktive Ausübung des Glaubens in einer Glaubensgemeinschaft bzw. auch die nachvollziehbar dargelegte vertiefte inhaltliche Beschäftigung des Beschwerdeführers mit dem christlichen Glauben und mit konkreten Glaubensinhalten angesehen werden.

Der Beschwerdeführer hat insgesamt nachvollziehbar und bestätigt durch mehrere Zeugen darlegen können, dass er sich auf Grund einer begründeten persönlichen Entscheidung dem Christentum zugewandt hat. Mehre glaubwürdige Zeugen konnten durch Anführung von konkret individuellen Darlegungen nachvollziehbar den Weg der Glaubenssuche und der Glaubensfindung des Beschwerdeführers deutlich machen.

Ebenso konnte der BF glaubhaft darlegen, dass sich dieser aus glaubwürdiger und begründeter innerer Überzeugung dem Christentum zugewandt hat, sich mit spezifischen christlichen Glaubensinhalten fundiert auseinandergesetzt hat und sich nachhaltig einer bestimmten christlichen Gemeinde zugehörig fühlt.

In casu konnte der Beschwerdeführer zudem im Zuge der Verhandlung vor dem BVwG das erkennenden Gericht davon überzeugen, dass sich dieser aus nachvollziehbaren Motiven umfassend mit der christlichen Lehre zu beschäftigen begonnen hat und nach wie vor beschäftigt, sich aus begründeten Motiven, sowie aus inhaltlich nachvollziehbar begründeter Überzeugung zum christlichen Glauben auch nach außen bekennt.

Basierend auf glaubensimmanenten Gründen hat sich der Beschwerdeführer der diesbezüglichen Konsequenzen bewusst dennoch eine Konversion zum Christentum angestrebt und die christliche Taufe empfangen.

Zudem hat der Beschwerdeführer glaubhaft machen können, dass er sich bereits seit einer durchgehend längeren Zeit belegbar in einer bestimmten Kirchengemeinde besonders nachhaltig und aktiv einbringt und engagiert.

Ebenso konnte der Beschwerdeführer glaubhaft darlegen, dass die christlichen Regeln generell ein Maßstab für sein gesamten Leben darstellen.

Der Beschwerdeführer konnte durch seine Aussagen somit insgesamt sein nachvollziehbar glaubwürdiges Interesse an christlichen Glaubensinhalten darlegen und glaubhaft machen, dass der christliche Glaube ein integraler Bestandteil der Persönlichkeit dieses geworden ist.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner erfolgten Konversion vom Islam zum Christentum war somit im Ergebnis ausreichend substantiiert, umfassend, in sich schlüssig und im Hinblick auf die besonderen Umstände des Beschwerdeführers und die allgemeine Situation in Afghanistan plausibel (vgl. allgemein zu den - hier beim Asylwerber vorliegenden - Grundanforderungen, dass eine Flüchtlingseigenschaft glaubwürdig bzw. darüber hinaus glaubhaft ist: Materialien zum Asylgesetz 1991, RV 270 BlgNR 18. GP, zu § 3).

Zudem haben der Beschwerdeführer selbst, als auch die angeführten Zeugen betreffend der Motivation zur Konversion einen glaubwürdigen und authentischen Eindruck hinsichtlich der nachvollziehbar tatsächlich aus innerer Überzeugung begründet bestehenden inneren Motivation betreffend der Konversion zum Christentum vermittelt.

In ganzheitlicher Würdigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere auch unter Berücksichtigung der diesbezüglich vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage sowie zur derjenigen von Christen und Konvertiten in Afghanistan (zu deren Würdigung s. weiter unten Pkt. II.2.2.), war dieses insgesamt als glaubwürdig zu beurteilen (vgl. UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Rz. 203, mit dem Hinweis, nach dem Grundsatz "im Zweifel für den Antragsteller" zu verfahren).

2.2. Der vom erkennenden Gericht festgestellte Sachverhalt hinsichtlich der politischen und Menschenrechtslage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers bzw. bezüglich seiner Situation von ihm im Falle seiner Rückkehr in diesen Staat beruht im Wesentlichen auf Berichten von als seriös und fachlich-kompetent anerkannten Quellen (zu den in diesen Unterlagen angeführten und auch vom - nunmehr - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie vom Bundesverwaltungsgericht als speziell eingerichtete Bundesbehörden als notorisch anzusehenden und daher jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigenden Tatsachen vgl. die einschlägige Judikatur z.B. VwGH 12.05.1999, 98/01/0365, und VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; zu den laufenden Ermittlungs- bzw. Informationspflichten der Asylbehörden VwGH 06.07.1999, 98/01/0602, u.v.a.).

Die den Feststellungen zugrunde liegenden Ausführungen sind mit weiteren Nachweisen substantiiert, schlüssig und nachvollziehbar. Auf eine Ausgewogenheit von sowohl amtlichen bzw. staatlichen als auch von nichtstaatlichen Quellen, die auch aus verschiedenen Staaten stammen, wurde Wert gelegt.

Die herangezogenen Bescheinigungsmittel wurden im Hinblick sowohl auf ihre Anerkennung als seriöse und zuverlässige Quellen als auch auf ihre inhaltliche Richtigkeit von den Parteien dieses Verfahrens nicht bestritten, bzw. es sind diesbezüglich keine Zweifel hervorgekommen. Weiters wurden im Verfahren von den Parteien keine Umstände vorgebracht und haben sich bisher keine Anhaltspunkte ergeben, auf Grund derer sich die Feststellungen zur Situation im betreffenden Herkunftsstaat in nachvollziehbarer Weise als unrichtig erwiesen hätten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 i.d.g.F. sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwal-tungsgericht [...] zu Ende zu führen.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem den Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.1. Zu Spruchpunkt A):

1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [Statusrichtlinie] verweist).
Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.
Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) vom 28.07.1951, BGBl. Nr. 55/1955, i.V.m. Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.01.1967, BGBl. Nr. 78/1974, ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der [...] in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, 94/20/0858, u.a.m., s.a. VfGH 16.12.1992, B 1035/92, Slg. 13314).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist die Entscheidung, mit der Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
2. Die o.a. Feststellungen (s. Pkt. II.1.) zugrunde legend kann hinreichend davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht (s. für viele VwGH 19.04.2001, 99/20/0273). Diese Beurteilung ergibt sich auf Grund der Gesamtsituation aus objektiver Sicht (s. hierzu VwGH 12.05.1999, 98/01/0365), die nicht nur die individuelle Situation des Beschwerdeführers, sondern auch die generelle politische Lage in seinem Herkunftsstaat sowie die Menschenrechtssituation derjenigen Personen bzw. Personengruppe berücksichtigt, deren Fluchtgründe mit dem Beschwerdeführer vergleichbar sind (s.a. VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389 zur ganzheitlichen Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit [aktuellen] Länderberichten verlange).
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat, können diese neuen - in Österreich eingetretenen - Umstände, mit denen ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung (nunmehr) begründet, grundsätzlich zur Asylgewährung führen. Sie sind daher zu überprüfen, wenn sie geeignet sind, die Annahme "wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung" zu rechtfertigen (VwGH 18.09.1997, 96/20/0923).
Allein aus der Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit kann das Vorliegen von Verfolgung im Sinne der GFK aber nicht abgeleitet werden (VwGH, 09.11.1995, 94/19/1414). Es sind darüber hinausgehende konkret gegen den Asylwerber gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende bzw. von diesen geduldete Verfolgungshandlungen gegen seine Person erforderlich, um die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers zu erweisen (VwGH 08.07.2000, 99/20/0203; 21.09.2000, 98/20/0557).
Gemäß Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG (Statusrichtlinie) kann die begründete Furcht vor Verfolgung oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, auf Aktivitäten des Antragstellers seit Verlassen des Herkunftsstaates beruhen, insbesondere wenn die Aktivitäten, auf die er sich stützt, nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind.
Bei einer erst nach Verlassen des Herkunftsstaates erfolgten Konversion eines Fremden vom Islam zum Christentum ist insbesondere zu prüfen, ob die Konversion allenfalls bloß zum Schein erfolgt ist. Hat der Fremde nicht behauptet, im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat wieder vom christlichen Glauben zum Islam übertreten zu wollen, und ist der Fremde nicht nur zum Schein zum Christentum konvertiert, kommt es nicht auf die Frage an, welche Konsequenzen der Asylwerber wegen einer bloß vorübergehenden, der Asylerlangung dienenden Annahme des christlichen Glaubens zu befürchten hätte. Vielmehr ist maßgeblich, ob er bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion (allenfalls sogar mit der Todesstrafe) belegt zu werden (VwGH 24.10.2001, 99/20/0550; 19.12.2001, 2000/20/0369; 17.10.2002, 2000/20/0102; 30.06.2005, 2003/20/0544).
Aus dem oben zur Person des Beschwerdeführers festgestellten Sachverhalt und den Feststellungen zur Situation der Christen in Afghanistan, insbesondere der vom Islam zum Christentum konvertierten Personen, ergibt sich, dass der Beschwerdeführer als Person mit glaubwürdiger innerer christlicher Überzeugung, die er nicht verleugnen, sondern offen ausüben wollte, im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit massiven Einschränkungen und Diskriminierungen im persönlichen Bereich auf Grund seiner religiösen Überzeugung, sowie einem erheblichen Verfolgungsrisiko für seine persönliche Sicherheit und physische Integrität, sowohl von privater Seite - ohne dass in dieser Hinsicht staatlicher Schutz zukäme - als auch von staatlicher Seite ausgesetzt wäre. Es ist davon auszugehen, dass die Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum Personen in seinem familiären und sozialen Umfeld sowie auch den afghanischen Behörden nicht verborgen bleiben würde.
Auf Grund des in ganz Afghanistan gültigen islamischen Rechts nach der Scharia und der in der Praxis angewendeten islamischen Rechtsprechung sowie auf Grund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und Moralvorstellungen und der allgemein vorherrschenden Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten, insbesondere gegenüber Konvertiten, und den damit zusammenhängenden benachteiligenden Auswirkungen des traditionellen Gesellschaftssystems in ganz Afghanistan ist davon auszugehen, dass sich die oben dargestellte Situation für den Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet Afghanistans ergibt (zur - hiermit gegebenen fehlenden - inländischen Fluchtalternative s. VwGH 03.12.1997, 96/01/0947, 28.01.1998, 95/01/0615, u.a.m.; vgl. dazu auch allgemein zur Gefahrlosigkeit z.B. VwGH 25.11.1999, 98/20/0523, bzw. zur Frage der Zumutbarkeit z.B. VwGH 08.09.1999, 98/01/0614). Auch kann er sich aus den genannten Gründen keinen (ausreichenden) Schutz von Seiten der staatlichen Behörden erwarten (zur Frage des ausreichenden staatlichen Schutzes vor Verfolgung von nichtstaatlicher bzw. privater Seite s. für viele VwGH 10.03.1993, 92/01/1090, 14.05.2002, 2001/01/140 bis 143; s.a. VwGH 04.05.2000, 99/20/0177, u.a.).
Angesichts dieser Umstände war auf die vom Beschwerdeführer im bisherigen Verfahren erstatteten Fluchtgründe nicht mehr weiter einzugehen.
Zusammenfassend ergibt sich, dass sich der Beschwerdeführer aus wohl begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb Afghanistans aufhält und dass auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung gesamtes Staatsgebiet Konversion Nachfluchtgründe Religion Schutzunfähigkeit Schutzunwilligkeit staatliche Verfolgung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W168.2175734.1.00

Im RIS seit

04.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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