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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des JS, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Oktober 1995, Zl. 302.940/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am 13. Juni 1994 einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes für jugoslawische und türkische Gastarbeiter, welcher zufolge der Bestimmung des § 7 Abs. 7 an die Aufenthaltsbehörde weitergeleitet wurde. Der Wiener Landeshauptmann erteilte gestützt auf die §§ 1 Abs. 1 und 13 Abs. 1 sowie 6 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufG) keine Aufenthaltsbewilligung. Er begründete unter anderem, daß der antragstellenden Partei gemäß § 12 Abs. 1 AufG ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht bis 30. Juni 1994 im Bundesgebiet gewährt worden sei. Diese Sonderregelung trage den Erfahrungen mit der vorübergehenden Aufnahme von Vertriebenen aus Bosnien-Herzegowina Rechnung. Da die antragstellende Partei nunmehr ein serbischer Staatsbürger sei, sei für sie das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 12 AufG erloschen. Mangels Anwendbarkeit der Übergangsbestimmungen des § 13 Abs. 1 AufG sei zur Begründung eines Aufenthaltsrechtes in Österreich die Erstantragstellung vor der Einreise vom Ausland aus (§ 6 Abs. 2 AufG) notwendig. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Daraufhin stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag vom 24. Jänner 1995 (Datum des Poststempels). Er bezeichnete sich darin als Staatsangehöriger Restjugoslawiens mit Geburtsort Spionica im Geburtsland Serbien. Sein derzeitiger Wohnsitz liege in Serbien, Novisad. Seine Unterkunft sei in Wien, B-Gasse 29, gesichert. Er strebe die Familienzusammenführung mit dem in Österreich lebenden Vater MS und seiner Schwester SL an. Dieser Antrag wurde durch den Absender C an einer (offenbar jugoslawischen) Adresse zur Post gegeben und an die österreichische Botschaft in Belgrad gesendet.
Die Behörde erster Instanz wies mit dem Bescheid vom 11. März 1995 den Antrag im Hinblick auf § 4 Abs. 1 AufG ab und traf zur Begründung nähere Ausführungen, warum sie von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht zugunsten des Beschwerdeführers Gebrauch mache.
Aufgrund der dagegen erhobenen Berufung erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit welchem sie den Antrag des Beschwerdeführers ausschließlich gestützt auf § 6 Abs. 2 AufG abwies. Sie begründete wie folgt:
"Sie stellten am 24.01.1995 (Datum des Poststempels) über die Österreichische Botschaft Belgrad an die oben genannte Behörde einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz. Dieser Antrag wurde von der oben genannten Behörde mit der Begründung abgewiesen, daß Sie im Rahmen des ihr vom Gesetz eingeräumten Ermessensspielraumes andere Anträge bevorzugt zu behandeln hätte.
Dagegen haben Sie fristgerecht Berufung erhoben.
Hiezu wurde folgendes erwogen:
Gemäß § 6 Abs. 2 AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung kann auch vom Inland aus gestellt werden.
Aufgrund der vorliegenden Aktenlage steht fest, daß Ihr Antrag per Post an die Österreichische Botschaft Belgrad geschickt wurde, als Absender am Briefkuvert "C" angeführt ist, und Sie vor, während und nach der Antragstellung (vom 03.10.1994 bis 22.08.1995) in Österreich, 1020 Wien, Biedermanngasse 29, polizeilich aufrecht gemeldet waren. Auch wird diese Adresse in der von Ihnen vorgelegten Verpflichtungserklärung ("wohnhaft in W, B-Gasse 29/1/4") vom 12.01.1995 angegeben.
Allein diese Tatsachen stützen die Beurteilung der Behörde, daß Sie Ihren Antrag offensichtlich nicht vor Ihrer Einreise nach Österreich vom Ausland aus gemäß § 6 Abs. 2 AufG gestellt haben.
Ergänzend dazu wird festgestellt, daß in Ihrem Fall keine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 und Abs. 4 AufG erteilt werden kann, da die Voraussetzungen des Abs. 4 (Bewilligung für volljährige Kinder in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen) nicht vorliegen, betrifft dies doch insbesondere Personen mit körperlichen oder geistigen Gebrechen oder etwa Studenten, nicht aber Personen, die lediglich bessere Arbeitsbedingungen anstreben.
Gerade im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen hat die Berufungsbehörde festgestellt, daß bei Abwägung Ihrer persönlichen Interessen mit den öffentlichen im Sinne des Art. 8 EMRK, die öffentlichen Interessen überwiegen."
Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde, welche zunächst wie folgt begründet wird:
"Ich kam Ende des Jahres 1993 in das Bundesgebiet und erhielt hier eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 12 AufG erteilt. Nach Ablauf deren Gültigkeit stellte ich einen Antrag auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung bei der österreichischen Botschaft in Belgrad, wobei ich diesen Antrag postalisch einbrachte, da mir als Flüchtling nicht zuzumuten war, persönlich den Antrag aus dem Ausland zu stellen. Dieser Antrag wurde von der Erstbehörde mit der bemerkenswerten Begründung abgewiesen, daß die Quote für Familienzusammenführungen im Mai 1995 erschöpft sei, ohne dabei auf meine Herkunft aus Bosnien-Herzegowina einzugehen. Meiner dagegen erhobenen Berufung wurde nicht Folge gegeben und dazu ausgeführt, daß ich meinen Antrag postalisch bei der österreichischen Botschaft in Belgrad eingebracht hätte und mich vor, während und nach der Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten hätte. Hiebei wird mir noch vorgehalten, daß ich polizeilich an der Adresse W, B-Gasse 29, gemeldet bin. Die Berufungsbehörde übersieht dabei jedoch, daß in meinem Fall eine Antragstellung vom Inland aus gerechtfertigt gewesen wäre, daher ist aufgrund des Größenschlusses eine postalische Einbringung meines Antrages bei der Botschaft in Belgrad ebenfalls möglich. § 12 Abs. 4 AufG sowie die dazu erlassene Verordnung normieren nunmehr explizit, daß Personen, die ein Aufenthaltsrecht gemäß § 12 AufG hatten, ihren Antrag auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung ausnahmsweise im Inland stellen können."
Gestützt auf dieses Vorbringen rügt der Beschwerdeführer Mängel des Ermittlungsverfahrens und mangelndes Parteiengehör. Er hätte ansonsten Geburtsurkunde und seinen alten Reisepaß vorlegen und seinen Standpunkt darlegen können.
An anderer Stelle bringt der Beschwerdeführer vor, er sei "nunmehr schon zwei Jahre hier aufhältig. Er sei hier auch polizeilich gemeldet, was mir von der belangten Behörde zum Vorwurf gemacht wurde. Ich strebe in Österreich meinen ständigen Aufenthalt an und möchte hier auch arbeiten, ..."
Weitere Ausführungen des Beschwerdeführers richten sich gegen die ergänzenden Feststellungen der belangten Behörde zu § 3 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 4 AufG sowie gegen die Interessenabwägung der belangten Behörde im Sinne des Art. 8 MRK. Er sei durch den Krieg in seiner Heimat nach Österreich geflohen, sei hier zwei Jahre aufhältig, habe Vater, Schwester und Cousin in Österreich, wobei letzterer ein monatliches Nettodurchschnittseinkommen von S 20.000,-- beziehe und für den Beschwerdeführer eine Verpflichtungserklärung unterschrieben habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Der Beschwerdeführer stellt durch sein nunmehriges Vorbringen in der Beschwerde selbst klar, daß er sich zum Zeitpunkt der Antragstellung entgegen der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG im Bundesgebiet aufgehalten hat. Aufgrund seines Vorbringens ist auch die Verletzung des Parteiengehörs nicht relevant, weil die belangte Behörde aufgrund des Beschwerdevorbringens nicht zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Denn der Beschwerdeführer, welcher sich sowohl in seinem Antrag als auch in der Beschwerde als "jugoslawischer" Staatsangehöriger bezeichnet, fällt nicht unter die zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (12. Oktober 1995) geltende Verordnung BGBl. Nr. 389/1995, mit welcher kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina ein Aufenthaltsrecht eingeräumt wird. Dieses sich unmittelbar aus der Verordnung ergebende vorübergehende Aufenthaltsrecht nach § 1 Abs. 1 und 2 steht nur Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina und deren Ehegatten und minderjährigen Kindern zu. Da der Beschwerdeführer "jugoslawischer" Staatsbürger ist, kommt ihm dieses vorübergehende Aufenthaltsrecht nicht zu. Daß die Behörde aufgrund des § 1 Abs. 3 der genannten Verordnung von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht und dem Beschwerdeführer auch nach dem 30. Juni 1994 ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht gewährt hätte, bringt der Beschwerdeführer nicht vor und ist auch aus dem Verwaltungsakt nicht zu ersehen.
Gemäß § 2 der zitierten Verordnung können Personen, die ZUM
1. JÄNNER 1995 gemäß der Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 1038/1994 ein Aufenthaltsrecht hatten, den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 AufG ausnahmsweise im Inland stellen. Die Abs. 1 bis 3 des § 1 der Verordnungen BGBl. Nr. 1038/1994 und BGBl. Nr. 389/1995 sind wortident. Dem Beschwerdeführer kam daher aus den oben ausgeführten Gründen zum 1. Jänner 1995 kein vorübergehendes Aufenthaltsrecht aufgrund der Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994 zu. Er durfte daher den Antrag nicht vom Inland aus stellen.
Die Bestimmung des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG, wonach der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen ist, trifft damit auf den Beschwerdeführer zu. Bei dem dort normierten Erfordernis handelt es sich um eine Voraussetzung, deren Nichterfüllung zwingend die Abweisung des Antrages nach sich zieht. Diese Bestimmung ist im Einklang mit dem aus den Gesetzesmaterialien hervorgehenden Willen des Gesetzgebers auszulegen, wonach der Fremde die Entscheidung über seinen im Ausland zu stellenden Antrag in der Regel auch vom Ausland aus abzuwarten hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/0895, uva.). Die Antragstellung bei gleichzeitigem unrechtmäßigen Aufenthalt des Fremden in Österreich würde gegen den durch § 6 Abs. 2 erster Satz AufG verfolgten Zweck, die gesetzwidrige Zuwanderung zu verhindern oder zumindest zu reduzieren, verstoßen (vgl. wieder das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997).
Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG vom Beschwerdeführer nicht erfüllt wurden. Diesfalls ist, im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers, der - zu Unrecht - behauptet, dem im § 3 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 4 AufG umschriebenen Personenkreis anzugehören, die Erteilung einer Bewilligung auch an die in dieser Bestimmung genannten Fremden ausgeschlossen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. April 1996, Zl. 95/19/1123).
Das Vorliegen der Ausnahmebestimmungen der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.
Der Gesetzgeber der hier anzuwendenden Aufenthaltsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995, hat mit den Bestimmungen des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG und des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG auf Personen, die gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG aufgrund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechtes oder eines Staatsvertrages aufenthaltsberechtigt sind oder waren und im Hinblick auf Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 AufG, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten, auf die durch Art. 8 MRK geschützten Rechtsgüter Bedacht genommen. Gegen die im § 2 Abs. 3 Z. 4 enthaltene Determinierung der Verordnungsermächtigung bestehen beim Verwaltungsgerichtshof keine verfassungsrechtlichen Bedenken aus dem Grunde des Art. 8 Abs. 1 MRK (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 96/19/0161, uva.).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995191569.X00Im RIS seit
11.07.2001