Entscheidungsdatum
22.12.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I410 2218434-1/14E 22.12.2020
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Eva LECHNER, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Kamerun alias Zentralafrikanische Republik, vertreten durch RA Dr. Gregor KLAMMER, Lerchenfelder Gürtel 45/11, 1160 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.03.2019, Zl. XXXX ,
A)
den Beschluss gefasst:
I. Das Verfahren über die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheides wird wegen Zurückziehung der Beschwerde eingestellt.
zu Recht erkannt:
II. Die Spruchpunkte IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 20.09.2015 unter der Behauptung, Staatsangehörige der Zentralafrikanischen Republik zu sein, einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen sie im Wesentlichen mit kriegerischen Handlungen sowie Kämpfen zwischen Christen und Muslimen in ihrem Herkunftsstaat begründete, aufgrund derer sie um ihr Leben fürchte.
Da sich aus Sicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) aufgrund der biographischen Angaben der Beschwerdeführerin im Verfahren Zweifel an ihrer behaupteten Herkunft sowie Staatsangehörigkeit ergaben, wurde der nichtamtliche Sachverständige Dr. P.G. mit der Erstellung eines linguistischen sowie landeskundlichen Sachverständigengutachtens beauftragt. Der Befund zu den Sprachkompetenzen und Landeskenntnissen der Beschwerdeführerin von Dr. P.G. vom 13.02.2019 gelangte auf Basis eines gutachterlichen Befundgesprächs in der Dauer von 180 Minuten zum Ergebnis, dass sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben würden, welche eine Hauptsozialisierung der Beschwerdeführerin in Kamerun in Zweifel ziehen würden. Jedoch gebe es keine tragfähigen oder überhaupt positiven Hinweise darauf, dass sie sich, wie behauptet, für längere Zeit in Nordkamerun und/oder der Zentralafrikanischen Republik aufgehalten habe oder dort teilsozialisiert worden sein könnte.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 22.03.2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß „§ 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF“ abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß „§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG“ wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Kamerun abgewiesen (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß „§ 57 AsylG“ nicht erteilt. Gemäß „§ 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF“ wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß „§ 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ erlassen (Spruchpunkt IV.) und es wurde gemäß „§ 52 Absatz 9 FPG“ festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß „§ 46 FPG“ nach Kamerun zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für eine freiwillige Ausreise der Beschwerdeführerin wurde gemäß „§ 55 Absatz 1 bis 3 FPG“ mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 29.04.2019 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.
Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.04.2020 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung I410 neu zugewiesen.
Mit Schriftsatz vom 03.11.2020 brachte die Beschwerdeführerin dem Bundesverwaltungsgericht zur Kenntnis, dass ihr zwischenzeitlich aufgrund ihrer Eheschließung mit einem „freizügigen österreichischen Staatsangehörigen“ eine Aufenthaltskarte gemäß § 54 Abs. 1 NAG ausgestellt worden sei. Zugleich zog sie ihre Beschwerde vom 29.04.2019 teilweise zurück und gab an, diese lediglich in Bezug auf die gegen die erlassene Rückkehrentscheidung aufrecht zu erhalten. Dem Schreiben angeschlossen waren Kopien der ihr ausgestellten Aufenthaltskarte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
Die volljährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Kamerun.
Die Beschwerdeführerin ist mit F.C.F, einem österreichischen Staatsangehörigen, verheiratet. Die Ehe wurde am 23.07.2019 vor dem Standesamt XXXX geschlossen. Seit Oktober 2019 besteht ein gemeinsamer Wohnsitz in Österreich.
Am 11.08.2020 wurde der Beschwerdeführerin seitens der BH XXXX gemäß § 54 Abs. 1 iVm § 57 NAG eine Aufenthaltskarte, gültig bis zum 10.08.2025, ausgestellt. Dies erfolgte in Umsetzung des am 11.08.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses des Landesgerichts XXXX , LVwG GZ: XXXX . Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung kam dieses zum Ergebnis, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin sein Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat, in dem er im Jahr 2019 von Mai bis Anfang Oktober in Deutschland in einer die „Bagatellschranke“ überschreitenden Weise gearbeitet und auch teilweise in Deutschland gewohnt hat und der Beschwerdeführerin daher ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukommt.
Die Beschwerdeführerin ist aufgrund der Ehe mit einem österreichischen Staatsangehörigen, der sein Freizügigkeitsrecht in Anspruch genommen hat, begünstigte Drittstaatsangehörige.
Sie ist strafgerichtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die kamerunische Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin ergibt sich aufgrund eines im Rahmen des Administrativverfahrens seitens der belangten Behörde in Auftrag gegebenen linguistischen sowie landeskundlichen Sachverständigengutachtens des nichtamtlichen Sachverständigen Dr. P.G. vom 13.02.2019, welches auf Basis eines gutachterlichen Befundgesprächs in der Dauer von 180 Minuten zum Ergebnis gelangte, dass sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben würden, welche eine Hauptsozialisierung der Beschwerdeführerin in Kamerun in Zweifel ziehen würden. Jedoch gebe es keine tragfähigen oder überhaupt positiven Hinweise darauf, dass sich die Beschwerdeführerin, wie im Verfahren behauptet, für längere Zeit in Nordkamerun und/oder der Zentralafrikanischen Republik aufgehalten habe oder dort teilsozialisiert worden sein könnte. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den getroffenen Feststellungen im vollständigen, schlüssigen und widerspruchsfreien Sachverständigengutachten von Dr. P.G., welchem seitens der Beschwerdeführerin weder im Administrativ- noch im Beschwerdeverfahren auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten wurde (zu diesem Erfordernis vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 2010, Zl. 2009/12/0124), vollinhaltlich an. Es sind im Verfahren angesichts der mit an Sicherheit grenzenden Hauptsozialisierung der Beschwerdeführerin in Kamerun auch keine Umstände hervorgekommen, welche ihre kamerunische Staatsangehörigkeit in Zweifel ziehen würden. Nicht zuletzt gab sie auch im Vorfeld ihrer Eheschließung vor dem Standesamt XXXX , wie sich aus einer in Vorlage gebrachten Mitteilung des Standesamtes über die Ermittlung der Ehefähigkeit ergibt, sowie vor der NAG-Behörde (BH XXXX ) – entgegen ihrer Behauptungen im gegenständlichen Verfahren – an, in Douala geboren zu sein und weist auch die seitens der Beschwerdeführerin in Kopie in Vorlage gebrachte Aufenthaltskarte, ausgestellt durch die BH XXXX am 11.08.2020, die Staatsangehörigkeit Kamerun („CMR“) aus.
Die Eheschließung der Beschwerdeführerin am 23.07.2019 vor dem Standesamt XXXX mit dem österreichischen Staatsangehörigen F.C.F. ergibt sich aus einer Zusammenschau einer im Beschwerdeverfahren in Vorlage gebrachten Mitteilung des Standesamtes über die Ermittlung der Ehefähigkeit mit einer Abfrage im Informationsverbund zentrales Fremdenregister, in welchem eine betreffende Eintragung in das Ehebuch aufscheint.
Der Umstand, dass der Beschwerdeführerin am 11.08.2020 seitens der BH XXXX gemäß § 54 Abs. 1 iVm § 57 NAG eine Aufenthaltskarte, gültig bis zum 10.08.2025, ausgestellt wurde, ergibt sich aus einer dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 03.11.2020 übermittelten Kopie (Nr. XXXX ), in Zusammenschau mit einer Abfrage im Informationsverbund zentrales Fremdenregister und einer eingeholten Auskunft bei der BH XXXX .
Aus dem Vorliegen einer (deklaratorischen) Aufenthaltskarte nach § 54 Abs. 1 NAG – die erst vor wenigen Monaten ausgestellt wurde – und dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes XXXX vom 11.08.2020, kann abgeleitet werden, dass der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Ehe mit einem österreichischen Staatsangehörigen, der sein Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat, in dem er im Jahr 2019 von Mai bis Anfang Oktober in Deutschland gearbeitet und auch teilweise in Deutschland gewohnt hat, ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukommt und sie begünstigte Drittstaatsangehörige iSv § 2 Abs. 4 Z 11 FPG ist. Dafür, dass die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, gibt es im gegenständlichen Verfahren keine Hinweise. Insbesondere erging seitens der belangten Behörde, der zum Vorbringen der Beschwerdeführerin vom 03.11.2020 Parteiengehör gewährt wurde, keine Benachrichtigung an das Bundesverwaltungsgericht über die Einleitung von Schritten nach § 55 NAG oder eines Verfahrens nach § 66 FPG.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
I. Einstellung des Verfahrens hinsichtlich Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheides:
§ 7 Abs. 2 VwGVG normiert, dass eine Beschwerde nicht mehr zulässig ist, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf diese verzichtet hat. Eine Zurückziehung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 7 VwGVG, K 6). Dasselbe folgt sinngemäß aus § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 7 AVG.
Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Beschwerde zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offen lässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer diesbezüglich eindeutigen Erklärung (vgl. etwa VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320 uvm., zur insofern auf die Rechtslage nach dem VwGVG übertragbaren Judikatur zum AVG).
Eine solche eindeutige Erklärung liegt im gegenständlichen Fall vor. Mit ihrer schriftlichen Eingabe vom 03.11.2020 an das Bundesverwaltungsgericht – eingebracht im Wege ihrer Rechtsvertretung – hat die Beschwerdeführerin ohne Zweifel zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre Beschwerde vom 29.04.2019 in Bezug auf die Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheides (dh. hinsichtlich der Nichtgewährung von Asyl und subsidiären Schutz sowie der Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 durch die belangte Behörde) zurückzuzieht und „nur die Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung aufrecht“ lässt.
Aus den Bestimmungen des § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG geht hervor, dass das Verwaltungsgericht in jenem Fall, in dem das Beschwerdeverfahren einzustellen ist, eine Entscheidung in der Rechtsform des Beschlusses zu treffen hat. Allerdings legt § 28 Abs. 1 VwGVG nicht fest, wann das Verfahren einzustellen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch bereits – unter Verweis auf seine Rechtsprechung bezogen auf das nach dem AVG geführte Berufungsverfahren – ausgesprochen, dass eine Verfahrenseinstellung im Beschwerdeverfahren dann vorzunehmen ist, wenn die Beschwerde rechtswirksam zurückgezogen wurde (VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047).
Das Verfahren über die Beschwerde gegen Spruchpunkt I., II. und III. des angefochtenen Bescheides ist daher mit Beschluss einzustellen.
II. Behebung der übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG 2005) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Zudem sieht § 52 Abs. 2 letzter Satz FPG vor, da dass „(d)ies nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige“ gilt.
Nachdem die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vollumfänglich abgewiesen hat, stützte sie die angefochtene Rückkehrentscheidung auf die Bestimmungen des § 10 Abs. 1 AsylG 2005 und des § 52 Abs. 2 FPG.
Am 11.08.2020 – und damit erst nach Erlassung der angefochtenen Rückkehrentscheidung – wurde der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltskarte nach dem NAG (§§ 54, 57 NAG) mit Gültigkeit bis 10.08.2025 ausgestellt. Dies führt dazu, dass gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG ihr Aufenthalt jedenfalls zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts als rechtmäßig anzusehen ist.
Daraus folgt, dass die Erlassung einer auf § 52 Abs. 2 FPG gestützten Rückkehrentscheidung im vorliegenden Fall, in dem die Beschwerdeführerin jedenfalls über ein auf das NAG gegründetes Aufenthaltsrecht verfügt, nicht zulässig ist, da die Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 FPG nicht (mehr) erfüllt sind (VwGH 14.11.2017, Ra 2017/20/0274, Rn. 46f).
Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 FPG gegen begünstigte Drittstaatsangehörige von vornherein nicht in Betracht kommt (vgl. VwGH 26.02.2020, Ra 2019/20/0523; ausführlich VwGH 14.11.2017, Ra 2017/20/0274).
Nach § 2 Abs. 4 Z 11 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ist begünstigter Drittstaatsangehöriger u.a. der Ehegatte eines Österreichers, der sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat.
Die Beschwerdeführerin ist seit 23.07.2019 mit einem österreichischen Staatsangehörigen, der – wie vom Landesgericht XXXX festgestellt wurde, im Jahr 2019 von Mai bis Anfang Oktober in Deutschland in einer die „Bagatellschranke“ überschreitenden Weise gearbeitet und auch teilweise in Deutschland gewohnt hat – von seinem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat, verheiratet und somit begünstigte Drittstaatsangehörige iSv § 2 Abs. 4 Z 11 FPG (VwGH 29.09.2011, 2009/21/0386, mwN). Eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs.2 FPG ist daher bereits aus diesem Grund nicht (mehr) zulässig.
Die angefochtene Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides) ist daher ersatzlos zu beheben.
Angesichts der Behebung der Rückkehrentscheidung verlieren auch die rechtlich darauf aufbauenden Aussprüche über die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführerin sowie die Gewährung einer Frist für eine freiwillige Ausreise ihre Grundlage (vgl. VwGH 28.01.2020, Ra 2019/20/0404 mwH), sodass die betreffenden Spruchpunkte V. und VI. des angefochtenen Bescheides ebenfalls zu beheben sind.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2).
In Bezug auf Spruchpunkt I., II. und III. wurde die Beschwerde zurückgezogen und war das Verfahren demnach einzustellen. Da die übrigen Spruchpunkte zu beheben waren, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Beschwerdeverzicht Beschwerdezurückziehung Einstellung Einstellung des (Beschwerde) Verfahrens ersatzlose Teilbehebung Kassation Rückkehrentscheidung behoben Spruchpunktbehebung subsidiärer Schutz Verfahrenseinstellung Zurückziehung Zurückziehung der BeschwerdeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I410.2218434.1.00Im RIS seit
04.03.2021Zuletzt aktualisiert am
04.03.2021