TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/19 G310 2218179-2

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Veröffentlicht am 19.10.2020
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Entscheidungsdatum

19.10.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G310 2218179-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Italien, vertreten durch Dr. XXXX , Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 15.01.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)       Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

C)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Am XXXX .01.2019 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eine Verständigung des Landesgerichts für Strafsachen XXXX , XXXX , ein, wonach der Beschwerdeführer (BF) am XXXX .01.2019 wegen § 105 Abs. 1 StGB, § 106 Abs. 1 StGB sowie § 107 Abs. 1 und 2 StGB in Untersuchungshaft genommen wurde.

Mit Schreiben vom 11.01.2019 wurde der BF vom BFA aufgefordert, sich zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu äußern. Der BF erstattete keine Stellungnahme.

Mit Bescheid des BFA vom 02.04.2019, Zl. XXXX , wurde über den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein für die Dauer von vier Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Begründet wurde das Aufenthaltsverbot mit den strafgerichtlichen Verurteilungen und das sich aus dem Akteninhalt keine Hinweise auf private, soziale oder wirtschaftliche Integrationsmerkmale ergeben.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 03.05.2019, GZ. G310 2218179-1/2E, wurde der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.

Mit Schreiben vom 26.07.2019 wurde der BF vom BFA erneut aufgefordert, sich zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu äußern. Eine entsprechende Stellungnahme langte am 04.09.2019 beim BFA ein.

Mit Verständigung der Staatsanwaltschaft Graz vom 22.08.2019 wurde das BFA von einer neuerlichen Anklageerhebung wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen unterrichtet. Eine strafgerichtliche Verurteilung ist bis dato nicht erfolgt.

Am 24.10.2019 wurde die vom BF in der Stellungnahme als Lebensgefährtin angeführte XXXX vom BFA niederschriftlich einvernommen.

Mit dem oben angeführten Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein für die Dauer von vier Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat gewährt (Spruchpunkt II.). Das Aufenthaltsverbot wurde wiederum mit den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF sowie dem Nichtvorhandensein familiärer und privater Anknüpfungspunkte begründet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit den Anträgen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen bzw. in eventu die Dauer des Aufenthaltsverbotes zu verkürzen. Hilfsweise wird noch ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt.

Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem BVwG vor.

Feststellungen:

Der BF ist italienischer Staatsbürger. Er ist ledig, Sorgepflichten bestehen keine. Der BF spricht Italienisch und Deutsch. Der BF besuchte fünf Jahre lang die Volksschule sowie fünf Jahr lang das Gymnasium in der Schweiz und schloss eine Lehre als Straßenbauer ab. In diesem Beruf war er auch tätig. Er begann auch eine Lehre als Röntgentechniker, die er jedoch nicht abgeschlossen hat. Infolge eines Arbeitsunfalls bezieht der BF aus Italien eine Versehrtenrente von EUR 1.068,00 netto monatlich.

Der BF, dem am 31.10.2016 eine Anmeldebescheinigung ausgestellt wurde, ist seit 21.09.2009 durchgehend mit Neben- bzw. Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet.

Seit 01.05.2020 bezieht der BF von der ÖGK Rehabilitationsgeld. In der Zeit von 01.12.2009 bis 09.08.2011 ging der BF verschiedenen Beschäftigungen nach. Weitere Beschäftigungszeiten liegen für die Zeiträume von 15.10.2012 bis 11.09.2013, von 30.07.2015 bis 27.11.2015 und von 30.06.2019 bis 26.07.2019 vor. Dazwischen bezog der BF Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe.

Der BF wurde dreimal strafgerichtlich verurteilt, wobei einmal eine Zusatzstrafe verhängt wurde.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX .05.2015, XXXX , wurde der BF wegen des Vergehens der versuchten gefährlichen Drohung nach §§ 15, 107 Abs. 1 StGB, des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB, zweier Vergehen der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4 StGB sowie des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 1 WaffG schuldig erkannt und hierfür – ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe - zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, wobei sieben Monate für eine dreijährige Probezeit nachgesehen wurden. Demnach hat der BF am XXXX .02.2015 versucht, eine männliche Person unter Vorhalt einer (nicht geladenen) Faustfeuerwaffe, welche er unbefugt besessen und geführt hat, und eines Elektroschockers mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich zu bedrohen, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, wobei es beim Versuch blieb, weil diese Person den Tatort bereits kurz zuvor verlassen hatte. Weiters hat der BF vorsätzlich versucht, die einschreitenden Polizeibeamten während und wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben und der Erfüllung ihrer Pflichten mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Festnahme und der Abnahme der oben angeführten Waffen zu hindern, indem er versuchte, mit der rechten Faust einen Schlag von unten nach oben sowie mit dem linken Ellenbogen einen Stoß gegen die Polizeibeamten auszuführen, und sich gegen seine Fixierung durch weitere Schläge und Tritte wehrte. Ausgeführt wird zudem, dass der BF laut internationaler Strafregisterauskunft 16 Verurteilungen aufweist, wobei einer dieser Verurteilungen wegen Bedrohung und fünf wegen Straftaten gegen die Staatsgewalt und die öffentliche Ordnung sowie Behinderung der Justiz erfolgten. Augenscheinlich sind auch die vielen Vorstrafen wegen Fahren unter dem Einfluss von Alkohol oder Betäubungsmitteln. Die letzte Verurteilung datiert auf den XXXX .02.2012 und ist seit XXXX .02.2012 rechtskräftig. Bei der Strafbemessung wirkte sich die teilweise geständige Verantwortung sowie vor allem der Umstand, dass es bei drei der vier Vergehen beim Versuch geblieben ist aus. Erschwerend waren das Zusammentreffen von vier Vergehen, die Begehung der Tat mit zwei (gefährlichen) Waffen und die Mehrzahl der Opfer sowie das einschlägig belastende Vorleben. Im Hinblick auf die häufige Alkoholisierung des BF kann dies auch nicht mildernd für ihn ins Treffen geführt werden.

Das Oberlandesgericht XXXX gab mit Urteil vom XXXX .10.2015, XXXX , der dagegen erhobenen Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe dahin Folge, dass der Strafausspruch aufgehoben und über den BF unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom XXXX .08.2015, XXXX , eine dreimonatige Zusatzstrafe verhängt wurde, da eine gemeinsame Abklärung sämtlicher Taten möglich gewesen wäre.

Der BF wurde nämlich zwischenzeitig mit dem oben erwähnten Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 StGB (§§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB, §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 4 StGB) schuldig erkannt und hierfür – ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe - zu einer für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt sowie in eine Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher eingewiesen, wobei auch die Anstaltsunterbringung bedingt nachgesehen wurde. Der Verurteilung liegt zugrunde, dass sich der BF am XXXX .04.2015 wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt hat und im Rausch versucht hat, zwei Polizeibeamte während und wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben und der Erfüllung ihrer Pflichten mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der Verbringung des BF zur Untersuchung zu einem Arzt nach dem § 9 Abs. 1 UbG in das LKH XXXX , zu hindern, indem er versuchte, sich aus seiner Fixierung loszureißen und sich fallen zu lassen sowie mit beiden Beinen gegen die weibliche Polizeibeamtin trat, wodurch diese stürzte und sich am Knie verletzte. Somit hat der BF Handlungen begangen, die ihm außer diesem Zustand als das Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB und das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4 StGB zugerechnet würden. Bei der Strafbemessung war das Geständnis mildernd zu werten, hingegen als erschwerend das belastete Vorleben des BF aufgrund der einschlägigen Vorstrafen in Italien.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX .02.2019, XXXX , wurde der BF wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 erster Fall StGB – ausgehend von einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe - zu einer Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten verurteilt, wobei ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwölf Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Für die Dauer der Probezeit wurde dem BF neben der Anordnung der Bewährungshilfe auch die Weisung erteilt, sich einer stationären Alkoholentwöhnungstherapie zu unterziehen, sich alkoholischer Getränke zu enthalten und die Einhaltung der Alkoholkarenz durch die Vorlage der CDT-Werte nachzuweisen. Demnach hat der BF am XXXX .12.2018 eine weibliche Person durch gefährliche Drohung mit dem Tode zur Duldung der Zulassung seines Aufenthaltes in ihrem Café zu nötigen versucht, indem er, nachdem diese ihn aufgefordert hatte, ihr Café zu verlassen, ein Messer aus seiner Hosentasche nahm und an ihrem Brustbein ansetzte. Bei der Strafbemessung wirkte sich der Umstand, dass es beim Versuch geblieben ist mildernd aus. Als erschwerend erwiesen sich die Begehung einer vorsätzlichen Straftat nach dem dritten Abschnitte des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches unter Drohung mit einer Waffe sowie acht auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorverurteilungen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG. Entscheidungswesentliche Widersprüche bestehen nicht.

Die Feststellungen zur Identität des BF und zu seinen persönlichen Verhältnissen beruhen auf den entsprechenden Angaben in den Strafurteilen, der Beschwerde sowie der Stellungnahme. Italienischkenntnisse sind aufgrund der Herkunft des BF plausibel. Deutschkenntnisse können aufgrund des langjährigen Aufenthalts und der Erwerbstätigkeit im Inland festgestellt werden.

Der durchgehende Aufenthalt des BF im Bundesgebiet wird durch die Wohnsitzmeldungen laut dem Zentralen Melderegister belegt. Die Ausstellung der Anmeldebestätigung geht aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister hervor. Seine Beschäftigungsverhältnisse im Inland und die Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe sind im Versicherungsdatenauszug dokumentiert.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF und die zugrundeliegenden Taten werden anhand der Strafurteile und des Strafregisters festgestellt.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Da der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG nicht aberkannt wurde und für derartige Fälle in § 18 Abs. 5 BFA-VG ohnehin eine amtswegige Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG angeordnet ist, ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen den BF als EWR-Bürger (§ 2 Abs. 4 Z 8 FPG), der sich schon mehr als zehn Jahre lang kontinuierlich in Österreich aufhält, zulässig, wenn aufgrund seines persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (siehe zuletzt etwa VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091).

Mit der Bestimmung des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG soll Art 28 Abs. 3 lit. a der Unionsbürger-Richtlinie (§ 2 Abs. 4 Z 18 FPG) umgesetzt werden. Demnach darf gegen Unionsbürger, die ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat hatten, eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden. Nach dem Erwägungsgrund 24 dieser Richtlinie sollte gegen Unionsbürger, die sich viele Jahre im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufgehalten haben, nur unter außergewöhnlichen Umständen aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit eine Ausweisung verfügt werden. Der EuGH hat bereits judiziert, dass hierauf gestützte Maßnahmen auf "außergewöhnliche Umstände" begrenzt sein sollen; es ist vorausgesetzt, dass die vom Betroffenen ausgehende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit einen "besonders hohen Schweregrad" aufweist, was etwa bei bandenmäßigem Handeln mit Betäubungsmitteln der Fall sein kann (vgl. EuGH 23.11.2010, C-145/09; EuGH 22.5.2012, C-348/09, wo überdies darauf hingewiesen wurde, dass es "besonders schwerwiegende(r) Merkmale" bedarf.)

Es ist dem BFA zwar dahin zuzustimmen, dass das Fehlverhalten des BF eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt. Der qualifizierte Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG ("nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich") ist jedoch trotz der Schwere der Straftaten nicht erfüllt.

Obwohl der BF bereits in Italien und Österreich mehrfach strafgerichtlich verurteilt wurde, weisen die von ihm begangenen Taten - insbesondere unter Berücksichtigung, dass auch zuletzt im Strafverfahren trotz Berücksichtigung seiner Vorverurteilungen mit einer teilbedingten Freiheitsstrafe, angesiedelt im unteren Strafrahmen, das Auslangen gefunden wurde - nicht eine solche Schwere auf, dass der anzuwendende Gefährdungsmaßstab erfüllt ist. Trotz aller Aspekte kann daher noch nicht von "außergewöhnlichen Umständen" mit "besonders hohem Schweregrad" bzw. von "besonders schwerwiegenden Merkmalen" der von ihm begangenen Straftaten gesprochen werden (vgl. VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0248).

Eine Prüfung, ob der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF verhältnismäßig wäre, muss daher mehr nicht vorgenommen werden. Da die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen den BF im Ergebnis nicht vorliegen, ist der angefochtene Bescheid in Stattgebung der Beschwerde aufzuheben.

Dies bedingt auch die Gegenstandslosigkeit des dem BF gewährten Durchsetzungsaufschubs.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, kann eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Die bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung ist im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0033). Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose (VwGH 11.05.2017, Ra 2016/21/0022; 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG dabei an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs. 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung - Entfall Behebung der Entscheidung geringfügiges Verschulden Interessenabwägung mangelnder Anknüpfungspunkt Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G310.2218179.2.00

Im RIS seit

24.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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