TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/27 96/04/0214

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Veröffentlicht am 27.05.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
GewO 1994 §148 Abs1;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §359 Abs4;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde

1.) der Y, 2.) des Dr. X und 3.) des Dr. NG, alle in I, alle vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 11. Jänner 1995, Zl. IIa-60.069/2-94, betreffend Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: A in I, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in M),

Spruch

I) den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides richtet, als unzulässig zurückgewiesen.

II) zu Recht erkannt:

Im übrigen wird der angefochtene Bescheid in seinem Spruchpunkt 2. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 13.550,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck als Bezirksverwaltungsbehörde vom 17. Oktober 1994 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß §§ 81, 77, 148 Abs. 1 und § 359 Abs. 1 GewO 1994 unter Anwendung des § 27 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl. Nr. 234/1972, nach Maßgabe der einen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Pläne und Projektunterlagen die gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung für die Änderung und Vergrößerung des Gastgartens und die Änderung der Öffnungszeiten des bestehenden Gastgewerbebetriebes von 20.00 Uhr auf 24.00 Uhr erteilt. In der diesem Bescheid beigegebenen Betriebsbeschreibung wird u.a. festgehalten, die Betriebszeit für den Gastgarten werde für die gesamte Jahreszeit mit 8.00 bis 22.00 Uhr festgesetzt. In der Begründung dieses Bescheides wird ferner ausgeführt, der beantragte Gastgarten falle unzweifelhaft unter das Privileg des § 148 Abs. 1 GewO 1994. Der westlich des Hauses L-Straße 5 neu angelegte Teil grenze an die L-Straße an. Der nordöstliche Teil grenze sowohl an die L-Straße als auch an einen näher bezeichneten öffentlichen Weg an. Beide Teile seien vom öffentlichen Gut aus ungehindert zu erreichen.

Über die gegen diesen Bescheid von den Beschwerdeführern erhobene Berufung entschied der Landeshauptmann von Tirol mit dem Bescheid vom 11. Jänner 1995 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 81 und 74 Abs. 2 GewO 1994 wie folgt:

"1. Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, daß in der Projektsbeschreibung der Satz "die Öffnungszeit des bestehenden Gastgewerbebetriebes wird von 20.00 Uhr auf 24.00 Uhr verlängert." entfällt.

2. Die Berufung wird hinsichtlich des Vorbringens "Lärmemissionen aus dem Lokalinneren" sowie "Lärm-, Licht- und Geruchsimmissionen bei den Nachbarn Dr. W" als unzulässig zurückgewiesen und im übrigen als unbegründet abgewiesen."

In der Begründung dieses Bescheides führt der Landeshauptmann u.a. aus, ein Ansuchen um Genehmigung zur Erweiterung der Betriebszeit sei von der mitbeteiligten Partei nach den vorliegenden Unterlagen im Verwaltungsakt der Erstbehörde nie gestellt worden und wäre auf Grund des bestehenden Genehmigungsbescheides auch wegen entschiedener Sache als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Die Tatsache, daß der Inhaber einer genehmigten Betriebsanlage diese Genehmigung nicht voll ausnütze bzw. ausgenützt habe, bewirke keine Änderung am Umfang der Betriebsanlagengenehmigung. Zu dem in der Berufung zum Thema Lärmbelästigung durch Erweiterung des Gastgartens erstatteten Vorbringen führte der Landeshauptmann aus, an die gesetzliche Betriebszeitenregelung des § 148 Abs. 1 GewO 1994 seien die Gewerbebehörden bei Erteilung einer gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigung gebunden. In Anbetracht dieser Rechtslage habe die Gewerbebehörde erster Instanz zu Recht eine Erhebung der vom Gastgarten innerhalb der beantragten Betriebszeiten ausgehenden Lärmimmissionen abgelehnt. Zum Thema "Gefährdung des Zufahrtsrechtes" führte der Landeshauptmann aus, eine unmittelbare Gefährdung des Zufahrtsrechtes durch die gegenständliche Betriebsanlage sei schon deshalb nicht gegeben, da die Betriebsanlage nicht unmittelbar an das Grundstück der Beschwerdeführer angrenze, sondern davon durch einen öffentlichen Weg getrennt sei. Wenn Kunden ihr Fahrzeug auf der öffentlichen Straße abstellten, so könne dieses Verhalten gemäß § 74 Abs. 3 GewO 1994 im Betriebsanlagenverfahren nicht berücksichtigt werden. Die diesbezügliche Einwendung sei von der Erstbehörde daher zu Recht auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden. Soweit die Beschwerdeführer ihre Berufung auf Lärmimmissionen aus dem Lokalinneren stützten, sei die Berufung unzulässig. Denn durch die Erweiterung des Gastgartens sei jedenfalls keine Änderung hinsichtlich der aus dem Lokalinneren kommenden Lärmemissionen zu erwarten. Da gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 die Genehmigung einer Änderung die bereits genehmigte Anlage nur soweit umfassen könne, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich sei, seien die diesbezüglichen Einwände der Beschwerdeführer nicht zulässig. Darüber hinaus hätten sie weder in ihren schriftlichen Eingaben noch nach den Verhandlungsprotokollen hinsichtlich des aus dem Lokalinneren dringenden Lärms Einwendungen erhoben. In sämtlichen Stellungnahmen sei ausschließlich vom Gastgarten und den sonstigen Freiflächen die Rede. Da gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994 im Betriebsanlagenverfahren nur jene Nachbarn Parteien seien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, hätten die Beschwerdeführer diesbezüglich keine Parteistellung erlangt. Das Berufungsvorbringen sei auch aus diesem Grund unzulässig. Zum Thema "Geruchsbelästigung durch Küchendünste" sei auf die Gutachten der beigezogenen Amtssachverständigen zu verweisen, nach denen eine wesentliche Auswirkung hinsichtlich einer zusätzlichen Geruchsbelastung mit der Erweiterung der Betriebsanlage durch den Gastgarten nicht verbunden sei. Das Vorbringen der Beschwerdeführer hinsichtlich Lärm-, Licht- und Geruchsimmissionen gegenüber anderen Nachbarn sei schließlich deshalb als unzulässig zurückzuweisen gewesen, da ihnen nur insofern eine Parteistellung zukomme, als sie unmittelbar in ihrer subjektiven Rechtssphäre berührt würden. Ein Vollmachtsverhältnis für andere Nachbarn liege nicht vor und sei auch nicht behauptet worden.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 24. September 1996, Zl. B 502/95-12, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die belangte Behörde legte, ohne eine Gegenschrift zu erstatten, die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in ihren

Rechten wie folgt verletzt:

"Die Beschwerdeführer wurden in ihrem Anspruch auf Abweisung bzw. Zurückweisung des Ansuchens der mitbeteiligten Partei auf Erteilung der beantragten Betriebsanlagengenehmigung, insbesondere für die angesuchte Änderung (Vergrößerung des Gastgartens) und die Ausdehnung der Geschäftszeiten auf 24.00 Uhr - sohin in ihrem Anspruch auf Nichterteilung der beantragten Betriebsanlagengenehmigung wegen unzulässiger Immissionen, insbesondere im Sinne §§ 81 iVm 74 ff GewO, verletzt, ebenso in ihrem Anspruch auf Durchführung eines vollständigen Ermittlungsverfahrens gemäß § 45 Abs. 3 AVG 1991 iVm § 77 GewO 1994."

In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes erblicken die Beschwerdeführer eine Mangelhaftigkeit des angefochtenen Bescheides darin, daß weder im erstbehördlichen Bescheid noch in jenem der belangten Behörde Auflagen vorgeschrieben seien. Der bloße Hinweis auf in Verhandlungsprotokollen etc. enthaltene Darlegungen der Sachverständigen entspräche nicht § 356 GewO 1994 in Verbindung mit § 59 Abs. 1 AVG. Die belangte Behörde habe ferner trotz ausdrücklicher Anträge auf Beweisergänzung durch Einholung eines weiteren lärmtechnischen Befundes sowie Neuerstellung eines amtsärztlichen Gutachtens den erstinstanzlichen Bescheid ohne weiteres Ermittlungsverfahren bestätigt, ohne auf die konkreten Einwände gegen die Schlüssigkeit des lärmtechnischen und medizinischen Gutachtens einzugehen. Die belangte Behörde sei auch nicht auf die Einwendungen der Beschwerdeführer hinsichtlich der irreführenden, unrichtigen und unvollständigen Angaben der mitbeteiligten Partei über Art und Umfang des bestehenden Betriebes, dessen Öffnungszeiten und Gestaltung, der Unrichtigkeit der Projektbeschreibung, der völligen Änderung der Betriebsart, der Verlängerung der Betriebszeit im Hausinneren und im Gastgarten bis mindestens 24.00 Uhr und der mangelnden Aufgliederung des für die geänderte Betriebsart und den geänderten Betriebsumfang zu kleinen Parkplatzes und der tatsächlichen Zustände auf diesem eingegangen. Der belangten Behörde hätte auch auffallen müssen, daß in der Eingabe der Beschwerdeführer an die Gewerbebehörde erster Instanz vom 4. Februar 1994 großflächige Lichtgirlanden und Leuchtbalken erwähnt seien und darauf von der Behörde erster Instanz überhaupt nicht eingegangen worden sei. Hätte der medizinische Sachverständige zur hauptsächlichen Essenszeit die Küche kontrolliert und nur ein einziges Gericht, nämlich das Gulasch zubereiten oder aufwärmen lassen, so hätte er wahrgenommen, welch penetrantem Küchendunst die ganze Umgebung ausgesetzt sei. Die belangte Behörde gehe ferner zu Unrecht davon aus, ein Ansuchen für die Ausdehnung der Betriebszeit von 20.00 auf 24.00 Uhr sei von der Beschwerdeführerin nicht gestellt worden. Dies sei aktenwidrig, weil sich ein derartiger Antrag aus der im Akt einliegenden Niederschrift vom 24. Jänner 1994 eindeutig ergebe. Genauso habe die belangte Behörde den im Akt erliegenden Erhebungsbericht der Baupolizei vom 25. Mai 1990 an das Rechtsreferat zur Frage der Öffnungszeit des bestehenden Betriebes ebenso ignoriert wie die aus dem beigezogenen Gewerbeakt der Vorpächter ersichtlichen Öffnungszeiten von 7.00 bis 19.00 Uhr bzw. von 8.00 bis 20.00 Uhr. Diese Aktenwidrigkeit habe zur Folge, daß mit der angefochtenen Entscheidung die Änderung der Betriebszeiten des bestehenden Betriebes aus der technischen Beschreibung (Projektbeschreibung entfernt) "und die Auswirkungen dieser Änderung der Immissionen auf die Nachbarn, insbesondere des Lärmpegels, nicht behandelt worden" seien. Für eine Betriebszeit bis 24.00 Uhr existierten überhaupt keine Ermittlungsergebnisse. Die belangte Behörde gehe ferner in aktenwidriger Weise auch davon aus, daß keine Einwendungen hinsichtlich des aus dem Lokalinneren dringenden Lärms erhoben worden seien. Tatsächlich ergäben sich solche Einwendungen aus den Eingaben der Beschwerdeführer vom 6. November 1993, 4. Februar 1994 und 17. Februar 1994. Diese Aktenwidrigkeit habe zur Folge, daß die Einwendungen der Beschwerdeführer bezüglich dieser Immissionen zurückgewiesen und somit zu Unrecht ignoriert worden seien. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bringen die Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, es liege eine genehmigte Betriebsanlage mit einer garantierten Betriebszeit bis 24.00 Uhr vor. Damit habe sie den Gegenstand des Berufungsverfahrens nach § 66 Abs. 4 AVG verkannt. Dieser Gegenstand wäre daher neben der Erweiterung des Gastgartens auch die Ausdehnung der Betriebszeit für den bestehenden Betrieb von 20.00 auf 24.00 Uhr gewesen. Da dies eine erhebliche Änderung des umweltmäßigen Bestandes darstelle, wäre eine weit vollständigere lärmtechnische und beleuchtungstechnische Befundung und anschließende amtsärztliche Beurteilung vonnöten gewesen. Dabei wären die ungünstigsten Bedingungen heranzuziehen gewesen, d.h. bei Vollbetrieb des Gastgewerbes mit voll eingeschalteten Lichtquellen bis 24.00 Uhr zur wärmsten Jahreszeit. Diese Überlegungen habe die belangte Behörde verkannt, indem sie ohne weitere Begründung einen genehmigten Bestand der Betriebsanlage mit einer Sperrzeit von 24.00 Uhr angenommen habe. Wäre ein solcher Bestand vorhanden gewesen, hätte der Rechtsvertreter der mitbeteiligten Partei deren ursprüngliches Ansuchen nicht hinsichtlich der Sperrzeit ergänzen müssen. Die Betriebszeitenausdehnung des bestehenden Betriebes sei entgegen der Auffassung der belangten Behörde keine res iudicata und hätte daher meritorisch behandelt werden müssen. Zu Unrecht habe die belangte Behörde auch im Hinblick auf die Bestimmung des § 148 Abs. 1 GewO 1994 eine Prüfung der vom Gastgarten ausgehenden Immissionen abgelehnt. Der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 27. Juni 1996, Zl. G 211/94 u.a., ausgesprochen, der dem § 148 Abs. 1 GewO 1994 unterliegende Gastgartenbetrieb sei ebenfalls gemäß § 77 Abs. 1 leg. cit. erforderlichenfalls unter Auflagen zu genehmigen, ausgenommen die gesetzlich festgelegte Betriebszeit. Dadurch, daß die belangte Behörde unterstellt habe, es seien keine Einwendungen gegen den aus dem Lokalinneren kommenden Lärm erhoben worden, habe sie neben der Zugrundelegung unvollständiger und untauglicher Gutachten die Bestimmung des § 81 Abs. 1 Satz 2 GewO 1994 verletzt. Sie hätte die Berufung in diesem Punkt nicht zurückweisen dürfen. Es treffe schließlich zwar zu, daß die Beschwerdeführer kein subjektives Recht auf Behandlung der Einwendungen der übrigen Nachbarn hätten, sie hätten aber nach § 77 GewO 1994 in Verbindung mit § 81 leg. cit. einen Rechtsanspruch darauf, daß das Betriebsanlagenansuchen bei Vorliegen gesundheitsgefährdender oder unzumutbarer Immissionen abgewiesen werde, wozu auch die Meßwerte bei den anderen, teils näheren Nachbarn geführt hätten.

I.

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, ist eine auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gestützte Beschwerde nur dann zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des von ihm geltend gemachten Beschwerdepunktes in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht verletzt wurde (vgl. z.B. den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1981, Slg. N. F. Nr. 10.511/A).

Diese Voraussetzung einer Rechtsverletzungsmöglichkeit ist durch den im Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides enthaltenen Abspruch für die Beschwerdeführer nicht gegeben. Unabhängig davon, ob nun, wie die belangte Behörde meint, von der mitbeteiligten Partei ein Ansuchen auf Verlängerung der Öffnungszeit des bestehenden Gastgewerbebetriebes nicht gestellt wurde oder ob, wie dies die Beschwerdeführer meinen, ein solches Ansuchen doch gestellt wurde, wird durch einen behördlichen Abspruch, mit dem die Änderung des Genehmigungsumfanges eines bestehenden Gewerbebetriebes von der Behörde abgelehnt wird, eine die Rechtssphäre der Nachbarn berührende Änderung der Rechtslage jedenfalls nicht herbeigeführt.

Soweit sich die Beschwerde gegen den Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides richtet, war sie daher mangels einer solchen Rechtsverletzungsmöglichkeit und daher mangels der Beschwerdeberechtigung gemäß § 34 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.

II.

1. Zur (teilweisen) Zurückweisung der Berufung:

Gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1994 steht das Recht der Berufung gegen einen in einem Betriebsanlagen betreffenden Verfahren ergangenen Bescheid außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, ist es für die Zulässigkeit dieser Berufung ohne Belang, aus welchen Gründen ein Nachbar den mit seinem Rechtsmittel angefochtenen Bescheid für rechtswidrig hält. Denn aus dem Erfordernis des § 63 Abs. 3 AVG, wonach die Berufung einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten hat, folgt nicht, daß die Begründung auch stichhältig sein müsse, noch läßt sich dem § 359 Abs. 4 GewO 1994 entnehmen, daß eine Berufung, die nicht im Rahmen des - Parteistellung vermittelnden - erstinstanzlichen Vorbringens begründet wird, als unzulässig anzusehen wäre. Vielmehr vermag selbst eine - aus objektiver Sicht unzutreffend begründete - Berufung die Unzulässigkeit dieses Rechtsmittels nicht zu bewirken (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. März 1997, Zl. 96/04/0200).

Die belangte Behörde belastete daher dadurch, daß sie die Berufung in jenem Umfang zurückwies, indem sie mit einem Vorbringen zu einem Thema begründet wird, zu dem die Beschwerdeführer - wie die belangte Behörde meint - keine Parteistellung erlangten, den angefochtenen Bescheid in diesem Umfang mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

2. Zur Abweisung der Berufung:

Die belangte Behörde vermeinte, sich mit den von dem den Gegenstand der beantragten Änderung des Gastgewerbebetriebes der mitbeteiligten Partei betreffenden Gastgarten ausgehenden und auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer einwirkenden Lärmemissionen bzw. Lärmimmissionen nicht auseinandersetzen zu müssen, weil diesem Gastgarten die Betriebszeitengarantie des § 148 Abs. 1 GewO 1994 zugute komme. Auch mit dieser Rechtsansicht verkannte sie die Rechtslage:

Gemäß § 148 Abs. 1 GewO 1994 dürfen Gastgärten, die sich auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, jedenfalls von 8.00 bis 22.00 Uhr, vom 15. Juni bis einschließlich 15. September bis 23.00 Uhr, betrieben werden, wenn sie ausschließlich der Verabreichung von Speisen und dem Ausschank von Getränken dienen, lautes Sprechen, Singen und Musizieren in ihnen vom Gastgewerbetreibenden untersagt ist und auf dieses Verbot hinweisende Anschläge dauerhaft und von allen Zugängen vom Gastgarten deutlich erkennbar angebracht sind.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 8. Oktober 1996, Zlen. 96/04/0175 bis 1077, unter Bezugnahme auch auf die Rechtsprechung des VerfGHes dargelegt hat, ist auch ein dem § 148 Abs. 1 GewO 1994 zu unterstelltender Gastgartenbetrieb unter den Voraussetzungen des § 74 GewO 1994 genehmigungspflichtig und daher gemäß § 77 Abs. 1 leg. cit. "erforderlichenfalls" - wenn auch nicht hinsichtlich der durch § 148 Abs. 1 GewO 1994 festgelegten Betriebszeiten - unter Auflagen zu genehmigen. Das bedeutet, daß der Betrieb eines solchen Gastgartens nur genehmigt werden kann, wenn durch die gleichzeitige Vorschreibung allenfalls erforderlicher Auflagen sichergestellt ist, daß, ausgehend von den im Gesetz festgelegten Betriebszeiten, die im § 74 Abs. 2 Z. 1 bis 5 GewO 1994 genannten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder sonstigen nachteiligen Einwirkungen vermieden werden können. Es war daher verfehlt, wenn die belangte Behörde in Verkennung dieser Rechtslage der mitbeteiligten Partei die in Rede stehende gewerberechtliche Genehmigung ohne Rücksicht auf die von dem den Verfahrensgegenstand bildenden Gastgarten ausgehenden, auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer einwirkenden Lärmimmissionen erteilte.

Der angefochtene Bescheid war daher in seinem Spruchpunkt 2. gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Begehren auf Zuspruch zusätzlichen Schriftsatzaufwandes für den Schriftsatz vom 16. April 1997 war im Hinblick auf die Pauschalierung des diesbezüglichen Aufwandersatzes in der zitierten Verordnung abzuweisen. Das Stempelgebührenaufwand betreffende Mehrbegehren war, soweit es sich auf die Gebühr für Beilagen bezieht, die lediglich Ablichtungen von Bestandteilen der Akten des Verwaltungsverfahrens darstellen, mangels Erforderlichkeit der Vorlage solcher Beilagen abzuweisen. Das Begehren auf Zuspruch der für die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu entrichtenden Stempelgebühren war abzuweisen, weil im Falle der Abtretung einer Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegenden Beschwerdeführer kein Ersatz der Stempelgebühren gebührt, die er im vorangegangenen Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof entrichten mußte (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 22. Juni 1972, Zlen. 1086 ff/71).

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996040214.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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