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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigter betreffend eine Familie aus Afghanistan; keine ausreichende Auseinandersetzung mit der Situation Minderjähriger im Herkunftsstaat sowie mit der Unterstützungsmöglichkeit durch FamilienangehörigeSpruch
I. Den Anträgen auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird im Umfang der Gebührenbefreiung stattgegeben.
II. Die beschwerdeführenden Parteien sind durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit ihre Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und gegen die Festsetzung einer zweiwöchigen Frist zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.
III. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
IV. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 3.139,20 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Die beschwerdeführenden Parteien sind afghanische Staatsangehörige, Angehörige der Volksgruppe der Tadschiken und bekennen sich zum schiitischen Glauben. Im Jahr 2004 sind die erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien in den Iran gezogen, wo sie bis zu ihrer Ausreise nach Österreich gelebt haben. Die beiden minderjährigen dritt- und viertbeschwerdeführenden Parteien sind im Iran geboren; sie haben nie in Afghanistan gelebt.
2. Am 8. Juni 2019 stellten die beschwerdeführenden Parteien Anträge auf internationalen Schutz.
3. Mit Bescheiden vom 6. Dezember 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge auf internationalen Schutz jeweils hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 und hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan ab. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §57 AsylG 2005 wurden nicht erteilt. Gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 iVm §9 BFA-VG wurden Rückkehrentscheidungen gemäß §52 Abs2 Z2 FPG erlassen und gemäß §52 Abs9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß §46 FPG zulässig sei. Gemäß §55 Abs1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen.
4. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 10. August 2020 abgewiesen. In Bezug auf die Nichtzuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass den beschwerdeführenden Parteien eine Rückkehr in ihre Herkunftsprovinz Herat möglich und zumutbar sei. Die erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien seien in der Stadt Herat geboren, aufgewachsen und sozialisiert worden, sie hätten den überwiegenden Teil ihres Lebens dort verbracht. Der Zweitbeschwerdeführer habe in Herat seinen Lebensunterhalt und im Iran den seiner Familie erfolgreich bestreiten können. Er selbst verfüge über langjährige Berufserfahrung, sein Vater über ein Haus und ein Textilgeschäft in der Heimatregion. Die erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien seien gesund und hätten familiäre Anknüpfungspunkte in Herat. Auch im Hinblick auf die beiden minderjährigen Kinder, die elf und fünfzehn Jahre alt und gesund seien, sei kein Grund ersichtlich, weshalb sie nicht gemeinsam mit ihren Eltern in der Stadt Herat leben könnten. Zudem könnten die beschwerdeführenden Parteien Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.
In Bezug auf die Kinder stellt das Bundesverwaltungsgericht weiter fest:
"Insbesondere wurden auch keine Faktoren glaubhaft gemacht und haben sich solche auch sonst im Verfahren nicht ergeben, die eine Gefahrenverdichtung in den Personen der Dritt- und Viertbeschwerdeführer aufgrund ihrer Minderjährigkeit darstellen. Es besteht für sie aufgrund ihrer Minderjährigkeit insbesondere keine erhöhte Gefahr, zivile Opfer von Angriffen Aufständischer oder sonstiger Auseinandersetzungen zu werden. Es ergaben sich im Hinblick auf die familiäre Situation auch keine Hinweise, dass die minderjährigen Kinder der beiden Beschwerdeführer Gefahr laufen würden, Opfer von Gewalt, Missbrauch oder Kinderarbeit zu werden."
Zu den familiären Anknüpfungspunkten stellt das Bundesverwaltungsgericht Folgendes fest:
"Die Eltern, fünf Brüder und drei Schwestern der Erstbeschwerdeführerin leben in der Stadt Herat. Sie hat eine weitere Schwester, die in Mashhad wohnt und zu welcher sie im Iran in Kontakt gestanden ist. Seit einem Jahr hat die Erstbeschwerdeführerin keinen Kontakt mehr zu ihren Familienangehörigen. Die Eltern des Zweitbeschwerdeführers leben in Mashhad. Während ein Bruder und eine Schwester auch in Mashhad leben, hat der Zweitbeschwerdeführer einen weiteren Bruder in Europa, wobei er dessen genauen Aufenthalt nicht kennt, sowie zwei Schwestern in Wien. Er verfügt außerdem mütterlicherseits über zwei Onkel und eine Tante, die im Iran leben. Er steht mit seinen Eltern und Geschwistern in telefonischem Kontakt. Der Vater des Zweitbeschwerdeführers ist Eigentümer eines vermieteten Textilgeschäftes und eines Hauses in der Stadt Herat, er reist regelmäßig nach Herat, um die Mieteinnahmen abzuholen."
Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat verweist das Bundesverwaltungsgericht darauf, dass "im Vorfeld der mündlichen Verhandlung […] den Parteien aktuelle Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan zur Kenntnis gebracht" worden seien, die "im Folgenden diesem Erkenntnis zugrunde gelegt" würden. Es zitiert sodann Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13. November 2019, zuletzt aktualisiert am 21. Juli 2020. Feststellungen werden getroffen zur Situation in Herat, zur Situation von Frauen im Allgemeinen sowie in den Bereichen Bildung, Berufstätigkeit und zur politischen Partizipation und Öffentlichkeit. Im Speziellen die Situation von Kindern im Herkunftsstaat betreffende Feststellungen finden sich nicht.
Beweiswürdigend führt das Bundesverwaltungsgericht aus, die Rückkehr der beschwerdeführenden Parteien sei insbesondere mit Blick auf die Berufserfahrung des Zweitbeschwerdeführers und die familiären Anknüpfungspunkte der Erstbeschwerdeführerin zumutbar; ferner seien beide arbeitsfähig und gesund.
"Bei dem Dritt- und Viertbeschwerdeführer ist aufgrund ihres jungen Alters keine selbstbestimmte Lebensführung anzunehmen, sie wachsen in ihrer afghanischen Familie auf und befinden sich zudem in einem anpassungsfähigen Alter. Da die Familie vor der Ausreise in finanziell ausreichenden Verhältnissen lebte und auch noch viele Familienmitglieder in der Heimat leben, ist es nicht indiziert, dass der Dritt- und der Viertbeschwerdeführer aufgrund von Armut von Ausbildungsmöglichkeiten abgehalten wären."
Schließlich führt das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung betreffend die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten auf das Wesentliche zusammengefasst aus, die Provinz Herat zähle zu den relativ friedlichen Provinzen Afghanistans und sei sicher zu erreichen. Auf Grund seiner mehrjährigen Berufserfahrung finde der Zweitbeschwerdeführer angemessene Arbeitsmöglichkeiten vor. Er könne für den Lebensunterhalt der Familie aufkommen, dies vor allem auch mit Blick auf das Textilgeschäft und das Haus seines Vaters. Nach afghanischer Tradition sei davon auszugehen, dass die beschwerdeführenden Parteien Anschluss und Unterstützung finden würden. Auch scheine die Unterstützung durch die Familie des Zweitbeschwerdeführers, die sich im Iran aufhalte, "nicht gänzlich ausgeschlossen". Ferner würden die beschwerdeführenden Parteien auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen können. Es bestünden keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass sie bei einer Rückkehr einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt würden.
5. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.
6. Das Bundeverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie das Bundesverwaltungsgericht haben von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.
II. Erwägungen
A. Soweit sich die – zulässige – Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten, die Nichterteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung von Rückkehrentscheidungen, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und die Festsetzung einer zweiwöchigen Frist zur freiwilligen Ausreise richtet, ist sie begründet:
1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg cit gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
2. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:
3. Gemäß §8 Abs1 AsylG 2005 ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
4. Die Begründung des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten erschöpft sich im Wesentlichen darin, die Familie werde – angesichts der Erwerbsfähigkeit der erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien, des "umfangreichen familiären Anschlusses" der Erstbeschwerdeführerin in ihrer Heimat und der damit "entsprechend der afghanischen Tradition" zu erwartenden Unterstützung durch die Verwandten sowie den Umständen, dass der Vater des Zweitbeschwerdeführers Eigentümer eines Hauses und eines Geschäftes in Herat sei und der Zweitbeschwerdeführer selbst über langjährige Berufserfahrung verfüge und bislang in der Lage gewesen sei, seine Familie zu versorgen – nach ihrer Rückkehr in keine Notlage geraten. Auch scheine die Unterstützung durch die Familie des Zweitbeschwerdeführers, die sich im Iran aufhalte, "nicht gänzlich ausgeschlossen".
5. Bei der Behandlung von Anträgen auf internationalen Schutz von Minder-jährigen sind, unabhängig davon, ob diese unbegleitet sind oder gemeinsam mit ihren Eltern oder anderen Angehörigen leben, zur Beurteilung der Sicherheitslage einschlägige Herkunftsländerinformationen, in die auch die Erfahrungen in Bezug auf Kinder Eingang finden, bei entsprechend schlechter, volatiler allgemeiner Sicherheitslage jedenfalls erforderlich (vgl UNHCR, Richtlinien zum Internationalen Schutz: Asylanträge von Kindern im Zusammenhang mit Artikel 1 [A] 2 und 1 [F] des Abkommens von 1951 bzw des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, 22.12.2009, Rz 74). Bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte in den Herkunftsländerinformationen hat sich das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich mit der Situation von Minderjährigen auseinanderzusetzen. Dementsprechend hat der Verfassungsgerichtshof wiederholt hervorgehoben, welche Bedeutung die Länderfeststellungen im Hinblick auf Minderjährige haben (vgl zB VfGH 9.6.2017, E484/2017 ua; 11.10.2017, E1803/2017 ua; 25.9.2018, E1463/2018 ua; 26.2.2019, E3837/2018 ua; 13.3.2019, E1480/2018 ua; 26.6.2019, E2838/2018 ua, E5061/2018 ua und E1846/2019 ua; 26.6.2020, E810/2020 ua).
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit der Frage auseinanderzusetzen, welche konkrete Rückkehrsituation Familien mit minderjährigen Kindern tatsächlich vorfinden werden (vgl VfGH 21.9.2017, E2130/2017 ua; 25.9.2018, E1463/2018 ua). Dabei reicht die Begründung, dass diese auf den Schutz und die Fürsorge ihrer Eltern vertrauen können, nicht aus (VfGH 13.3.2019, E1480/2018 ua). Es bedarf Ermittlungen hinsichtlich der Frage, ob das im Herkunftsstaat bestehende Familiennetzwerk tatsächlich willens und auch in der Lage ist, die Familie zu unterstützen (vgl VfGH 12.3.2019, E2314/2018 ua).
6. Das Bundesverwaltungsgericht gibt in seinem Erkenntnis weder Länderberichte zur Situation von Kindern in Afghanistan wieder noch setzt es sich konkret und nachvollziehbar damit auseinander, ob den zum Zeitpunkt der Entscheidung fünfzehn- bzw elfjährigen dritt- bzw viertbeschwerdeführenden Parteien im Fall einer Rückkehr eine Verletzung in ihren gemäß Art2 und Art3 EMRK gewährleisteten Rechten droht (VfGH 11.6.2018, E4469/2017 ua; 25.9.2018, E1764/2018 ua; 11.12.2018, E2025/2018 ua; 23.9.2019, E1138/2019 ua).
Ferner hat sich das Bundesverwaltungsgericht nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Angehörigen der beschwerdeführenden Parteien tatsächlich willens und in der Lage sind, diese zu unterstützen. So stellt es in Bezug auf die Angehörigen der Erstbeschwerdeführerin fest, dass der Kontakt seit einem Jahr unterbrochen sei. Demgegenüber geht es in den rechtlichen Erwägungen davon aus, die Erstbeschwerdeführerin hätte nach wie vor einen umfangreichen familiären Anschluss in ihrer Heimat. Weiters führt es aus, der Zweitbeschwerdeführer habe zwar Kontakt zu seinen Angehörigen im Iran, sein Vater sei überdies Eigentümer eines vermieteten Textilgeschäftes und eines Hauses in der Stadt Herat. Dass dieses Haus den beschwerdeführenden Parteien bei ihrer Rückkehr als Unterkunft dienen könne oder die erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien im Textilgeschäft einer Arbeit nachgehen könnten, wird vom Bundesverwaltungsgericht aber gerade nicht erörtert. Vielmehr bedient sich das Bundesverwaltungsgericht in den Feststellungen und der rechtlichen Beurteilung selbst Formulierungen, die darauf schließen lassen, dass die Unterstützung durch die Angehörigen mit Unsicherheit behaftet ist. Die bezughabende Beweiswürdigung ist ohne Begründungswert. Auch aus den in den Gerichts- und Verwaltungsakten befindlichen Niederschriften kann nicht geschlossen werden, dass die Familienangehörigen tatsächlich willens und in der Lage wären, die beschwerdeführenden Parteien zu unterstützen.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes ist daher jedenfalls hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die dritt- und viertbeschwerdeführenden Parteien begründungslos ergangen.
7. Soweit das angefochtene Erkenntnis die Nichtzuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten an die minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerde-führer und – daran anknüpfend – die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung bzw der Abschiebung in den Herkunftsstaat unter Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise ausspricht, ist es somit mit Willkür behaftet. Dieser Mangel schlägt gemäß §34 Abs4 AsylG 2005 auf die Entscheidung betreffend die erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien durch (VfSlg 19.855/2014; VfGH 24.11.2016, E1085/2016 ua) und belastet auch diese mit (objektiver) Willkür (etwa VfSlg 19.401/2011 mwN). Daher ist das Erkenntnis auch betreffend die erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien – im selben Umfang wie hinsichtlich der Dritt- und Viertbeschwerdeführer – aufzuheben (vgl VfGH 21.9.2017, E2130/2017 ua).
B. Im Übrigen – also soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung der Anträge auf Zuerkennung des Status von Asylberechtigten richtet – wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:
1. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
2. Soweit durch die angefochtene Entscheidung den beschwerdeführenden Parteien der Status von Asylberechtigten nicht zuerkannt wurde, wären die gerügten Rechtsverletzungen im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung in jeder Hinsicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht, nicht anzustellen. Demgemäß wurde beschlossen, in diesem Umfang von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).
III. Ergebnis
1. Die beschwerdeführenden Parteien sind somit durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit ihre Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und gegen die Festsetzung einer zweiwöchigen Frist zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden. Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 bzw §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Den Anträgen auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang der Gebührenbefreiung ist stattzugeben.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. Da die beschwerdeführenden Parteien gemeinsam durch eine Rechtsanwältin vertreten sind, ist der einfache Pauschalsatz, erhöht um einen entsprechenden Streitgenossenzuschlag von 20 vH des Pauschalsatzes, zuzusprechen. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 523,20 enthalten. Ein Ersatz der Eingabengebühr ist nicht zuzusprechen; die beschwerdeführenden Parteien genießen Verfahrenshilfe im Umfang des §64 Abs1 Z1 lita ZPO.
Schlagworte
Asylrecht / Vulnerabilität, Kinder, Entscheidungsbegründung, RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:E3039.2020Zuletzt aktualisiert am
17.02.2021